Protocol of the Session on March 2, 2006

Ich denke, fraktionsübergreifend sind wir uns einig darin, dass wir als Thüringer Landtag mitverantwortlich sind dafür, dass im Freistaat Thüringen nicht noch mehr passiert in der Entwicklung des Rechtsextremismus, dass sich nicht noch mehr rechtsextreme Strukturen verfestigen, dass nicht noch mehr Übergriffe passieren, dass die Einstellungen in der Thüringer Bevölkerung sich nicht noch weiter in die rechtsextreme Richtung entwickeln und diese womöglich dann irgendwann sich im Wahlverhalten widerspiegeln. Es herrscht also Einigkeit über unsere Verantwortung als Parlament und - so meine ich - Übereinstimmung darüber, was das drängendste Problem ist. Worüber wir uns bisher nicht einig waren, das ist die Art und Weise, wie man dem Problem begegnen muss, mit welchen Mitteln die Entwicklung des Rechtsextremismus gestoppt und zurückgedrängt werden kann. Aufgrund dieser Uneinigkeit und des Unvermögens oder auch Unwillens, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und miteinander fernab ideologisch geprägter Vorurteile zu reden, ist ein verheerendes Bild der demokratischen Kultur des Thüringer Landtags gezeichnet worden.

Meine Damen und Herren, mit dieser Einschätzung möchte ich nicht diesem oder jener hier im Haus eine besondere Schuld zuweisen. Ich persönlich bin der Meinung, die in der Öffentlichkeitt geäußerte, wirklich scharfe Kritik können wir uns alle gemeinsam hinter die Ohren schreiben. Es ist ein Eindruck der politischen Kultur entstanden, welchen es heute im Sinne einer gemeinsamen Strategie gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Gewalt zu revidieren gilt. Begonnen hatte der beklagte Umgang bei diesem so wichtigen Thema mit der Auseinandersetzung um den von der Fraktion der SPD im Frühjahr vergangenen Jahres eingebrachten Antrag „Null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus“. Zunächst ging damit alles seinen ganz normalen parlamentarischen Gang. Frau Thierbach hat das beschrieben. Der Antrag wurde eingebracht und zur Beratung an den Ausschuss überwiesen. Im

Sozialausschuss wurde ausführlich und in mehreren Sitzungen diskutiert. Eine schriftliche Anhörung - leider keine öffentliche Anhörung - wurde durchgeführt. Die von den Anzuhörenden eingebrachten Stellungnahmen wurden ausgewertet. Änderungsanträge zur Qualifizierung des Beschlusstextes wurden eingebracht. Auch das hat Frau Thierbach ganz ausführlich dargestellt. Schon während des parlamentarischen Verfahrens zeichnete sich ab, dass man sich in diesem Parlament nicht darüber würde einigen können bzw. dass sowohl der Antragstext „Null Toleranz“ der SPD als auch die durch meine Fraktion eingebrachten Änderungsvorschläge von der Mehrheitsfraktion nicht würden mitgetragen werden. Schlussendlich war klar, die Initiative der SPD würde keine Mehrheit finden. Daraufhin wurde von Abgeordneten aus SPD und CDU versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Der daraus entstandene Textentwurf - es wurde ja schon benannt und Sie wissen das ja alle auch - stieß sowohl in meiner Fraktion als auch in der Regierungsfraktion auf Widerstand, natürlich aus verschiedenen Gründen. Heute, fast ein Jahr nach der Einbringung des Ursprungsantrags der SPD, stehen wir hier und entscheiden voraussichtlich über diesen Antrag, den die SPD eingebracht hat, als auch über die im Verfahren eingebrachten Änderungsanträge und die Beschlussempfehlung. Neu hinzugekommen ist der von der CDU-Fraktion eingebrachte Antragstext „Initiative für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt“. Dieser Antrag ist nun, meine Damen und Herren, wenn man die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag zugrunde legt, derjenige, um den es heute wirklich geht. Wir alle wissen, dass alle anderen vorliegenden Papiere keine Mehrheit finden werden, und wenn wir bei unseren erklärten Absichten bleiben, einen fraktionsübergreifenden Konsens zu finden, brauchen wir dafür eben auch die Stimmen der Mehrheitsfraktion.

Ihr Antrag, sehr geehrte Damen und Herren von der Regierungsfraktion, stellt für meine Fraktion ein Angebot sowohl für eine parlamentarische als auch eine außerparlamentarische Debatte dar. Dieter Hausold als Vorsitzender der Fraktion der Linkspartei.PDS hat das schon zum Ausdruck gebracht. Inhaltlich bemerkenswert finden wir, dass die gemeinsame Verantwortung von Staat und Zivilgesellschaft betont ist. Wir finden inhaltlich bemerkenswert den Auftrag, die Landesstelle Gewaltprävention möge Rahmenbedingungen zur Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements schaffen. Außerdem bemerkenswert, finden wir, ist die Betonung des Umstands in Ihrem Antrag, dass die wachsende Gefährdung aktuell vom Rechtsextremismus ausgeht. Zur konkreten Einschätzung des Rechtsextremismus und der Gegenmaßnahmen der Landesregierung werde ich mich jetzt nicht äußern. Ich denke, da haben wir in einem anderen Tagesordnungspunkt dieser Sitzung noch ausführlich Gelegenheit.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, gehen vor allem sprachlich ab von der Praxis der Gleichsetzung und Gleichbehandlung von Rechts- und Linksextremismus und Sie lassen die Einstellungsebene nicht außer Acht, was auch sehr bemerkenswert für uns gewesen ist. Auf Grundlage dieser Vorlage - so denken wir - wäre eine gesellschaftspolitische Debatte lohnenswert. Deshalb auch unsere Bitte, Ihren Antrag an die Ausschüsse zu überweisen, und deshalb auch unser Entschließungsantrag, um die breite gesellschaftliche Debatte anzuregen. Die Auseinandersetzungen mit den Erfahrungen und Vorstellungen der außerparlamentarisch Aktiven der Zivilgesellschaft, von der ja der Thüringer Landtag „nur“ ein kleiner Teil ist, muss angestoßen werden. Dafür hat der Landtag, glaube ich, die Verantwortung. Ein Diskussionsangebot - Sie sind darauf ja schon eingegangen - haben wir Ihnen vorgelegt, nämlich die Änderungsanträge meiner Fraktion zu Ihrem Antrag. Wir beantragen hier erstens die Schaffung der für die Weiterentwicklung der Thüringer Schulen als Lern- und Lebensorte der Demokratie erforderlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen durch das Thüringer Kultusministerium. Außerdem ist Inhalt dieses Teils unseres Änderungsantrags eine jährliche Evaluation dieser Bedingungen, damit man auch auf Veränderungen reagieren kann. Die Schulen über den derzeitigen Rahmen hinaus als Lern- und Lebensorte der Demokratie weiterzuentwickeln und dabei alle am Schulleben Beteiligten zu unterstützen, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, ist ein positiver Ansatz. Aber uns, wie gesagt, fehlt die konkrete Aussage zum qualitativen bzw. konzeptionellen Anspruch. Die von den Schulen für diese wichtige Aufgabe zu benennenden Ansprechpartnerinnen und -partner benötigen diese Rahmenbedingungen. Es wäre einfach zuviel verlangt, wenn die Ansprechpartnerinnen und -partner diese Arbeit ehrenamtlich machen müssten neben ihrer pädagogischen Tätigkeit. Dies würde eine Überforderung bedeuten und würde die Weiterentwicklung der Schulen als Lern- und Lebensorte der Demokratie, wenn nicht dem Zufall, so doch zumindest den zufällig frei werdenden Ressourcen in der Lebens- und Freizeitgestaltung dieser Menschen überlassen.

Als Zweites möchten wir den Punkt 3 Ihres Antrags, in dem es um die Möglichkeiten der Integration, Prävention und Intervention in den Kommunen geht, um die Stärkung von Projekten demokratischer Gegen- bzw. Jugend- und Alltagskultur ergänzen. Herr Panse hat gerade ausgeführt, dass das ein strittiger und klärungsbedürftiger Punkt sei. Ich kann mir schon denken, an welchem Wort Sie sich da genau stören, aber ich möchte Sie auffordern, lassen Sie uns diesen Klärungsbedarf im Ausschuss auflösen. Wir sind sehr gern bereit, mit Ihnen darüber zu reden, was wir unter Projekten demokratischer Gegen-, Jugend- und Alltagskultur verstehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sehr wichtig ist uns auch die Förderung der Erwachsenenbildung und die Förderung kommunaler Opferschutzmaßnahmen. Es kann unserer Ansicht nach nicht ausschließlich um junge Menschen gehen. Die Ergebnisse der Thüringen-Monitore belegen, dass eine Fokussierung auf erwachsene Menschen ebenso notwendig ist.

Auch in Punkt 5 möchten wir Ihren Antrag ergänzen. Hauptsächlich geht es uns hier um eine konkrete Beschreibung und Evaluierung der von Ihnen eingeforderten aktivierenden Rahmenbedingungen, welche die Landesstelle Gewaltprävention zur Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements schaffen soll.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Öffentlichkeit erwartet von der heutigen Debatte zweierlei - auch das hat Dieter Hausold schon benannt -, dass sich die Fraktionen in diesem Thüringer Landtag gemeinsam auf eine Strategie gegen Rechtsextremismus einigen. Niemand verlangt dabei, dass sich die Fraktionen verbiegen und gänzlich ihre Sicht der Dinge ad acta legen. Jedoch kann es auch nicht zum demokratischen Stil gehören, dass die zahlenmäßige Mehrheit ein Angebot macht und sagt, entweder ihr anderen schließt euch dem an oder nicht, oder, um es mit einem Bild zu beschreiben, das Herr Köckert in der Debatte am 22. April gezeichnet hat - Herr Köckert hat das Thema „Rechtsextremismus“ oder den Umgang damit mit der Behandlung einer Grippe beschrieben oder verglichen und hat gesagt, da geht es um die Antibiotikatherapie. Zum demokratischen Stil gehört eben nicht, dass uns eine Pille hingehalten und gesagt wird, schluckt diese Pille und die Diskussion über Nebenwirkungen und Wirkungen dieser Medizin, die lassen wir mal weg.

Deshalb noch einmal meine Bitte: Verweigern Sie nicht die weitere Beratung Ihres Antrags in den Ausschüssen. Lassen Sie uns den Meinungsbildungsprozess gemeinsam, und zwar auch mit Akteuren außerhalb dieses Parlaments führen. Die vielen Stellungnahmen der letzten Tage, die ja in den Thüringer Medien verfolgt werden konnten, belegen das Interesse der außerparlamentarischen Akteure, sich hier auch einzubringen. Der Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung sprach in seiner Rede zur Verleihung des Jenaer Zivilcouragepreises am vergangenen Dienstag bezüglich der Ereignisse im Juni vergangenen Jahres in Jena von einem Schulterschluss - ich zitiere aus der TLZ -, „den Schulterschluss zwischen dem liberal-konservativen vermeintlichen Establishment und anderen im politischen Grunde ihres Herzens vielleicht anders eingestellten Mitbürgern“. Die Chance, das breite Bündnis gegen Rechts oder einen fraktionsübergreifenden Kon

sens zu finden, die besteht immer noch, auch wenn wir heute mehrere Papiere zur Diskussion haben. Wir müssen sie einfach nur nutzen. Wir als Parlament sollten uns die Initiativen dieser Zeitung, der TLZ, oder - ebenfalls aktuell - beispielsweise der Südthüringer Zeitung, die sich gegen den Naziaufmarsch am kommenden Samstag in Bad Salzungen engagiert, als Beispiel nehmen. Als Beispiele dienen auch das Engagement von Künstlern, von Schülerprojekten oder Schulklassen, von lokalen Initiativen und Bündnissen. Wir sollten in der Auseinandersetzung gegen den Rechtsextremismus selbst mit einem guten Beispiel vorangehen als Thüringer Landesparlament.

Ich will hier noch Albert Schweitzer zitieren: „Mit gutem Beispiel voranzugehen ist nicht nur der beste Weg, andere zu beeinflussen, es ist der einzige.“

Wir als Fraktion der Linkspartei sind der festen Überzeugung, dass wir uns ohne die Einbeziehung der Erfahrungen, die Menschen aus der Zivilgesellschaft einbringen können, viele Chancen vergeben. Deshalb bringen wir den Ihnen jetzt vorliegenden Entschließungsantrag ein, von dem wir glauben, egal ob der CDU-Antrag „Initiative für Toleranz“ heute abschließend abgestimmt wird oder nicht, dass wir ihn trotzdem beschließen könnten als Thüringer Landtag. Ich möchte Sie bitten, diesem zuzustimmen.

Eine in großen Teilen der Gesellschaft angesiedelte gemeinsame Auseinandersetzung mit der Problematik erweitert nicht nur die Möglichkeiten, viele verschiedene Impulse und unterschiedliche Erfahrungen aufzunehmen, sondern sie fördert auch die breite gesellschaftliche Akzeptanz der - und hier sind wir uns ja alle einig - dringend notwendigen gemeinsamen Strategie aller demokratischen Kräfte gegen den Rechtsextremismus in Thüringen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Mir liegt jetzt eine Wortmeldung aus den Reihen der Landesregierung vor. Herr Sozialminister Dr. Zeh, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte für die Landesregierung Stellung nehmen zu den Tagesordnungspunkten 2 a und 2 b. Ich erspare mir jetzt die ausführliche Namensnennung dieser großen Anträge.

Ich bin erst mal sehr dankbar für die Diskussion, die wir heute hier führen. Ich bin dankbar deshalb, dass wir uns hier erst mal im Haus einig sind, dass wir bei der Bekämpfung von Extremismus, und damit natürlich auch Rechtsextremismus, eine gemeinsame Aufgabe aller Demokraten haben. Ich denke, wichtig bei dieser Diskussion ist die Frage der Nachhaltigkeit der Projekte. Sie ist eine der ganz entscheidenden Fragen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, dann ist diese am besten dadurch gewährleistet, dass alle Projekte die Widerstandsfähigkeit der Bürgergesellschaft gegen die radikalen Einflüsterer aktivieren. Wenn dem Extremismus von der Mehrheit der Bürger unmissverständlich eine Absage erteilt wird, dann ist die Frage der Nachhaltigkeit unmissverständlich auch beantwortet. Ich füge ausdrücklich Beispiele aus Thüringen hinzu: Wenn sich so, wie seinerzeit in Leinefelde bei dem NPD-Bundesparteitag oder in Weimar oder in Nordhausen, um nur einige Beispiele zu nennen, bei Naziaufmärschen die Zivilcourage der Bürger durchsetzt, dann setzen wir Zeichen von Nachhaltigkeit. Das kann kein Staat verordnen; das muss aus der Mitte der Gesellschaft erwachsen. Deshalb bin ich ausdrücklich dankbar, dass die Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer im Eichsfeld und anderswo hier unmissverständlich Zivilcourage gezeigt hat. Dafür brauchen wir und dafür brauchen die Menschen ein demokratisches Grundverständnis und ein stabiles Fundament, das allgemein antidemokratischen Strömungen widersteht. Genau das muss in den Aktionsprogrammen und Projekten vermittelt werden. In Kurzform heißt das für mich Folgendes: Wir brauchen eine aktive Bürgergesellschaft einerseits und wir brauchen einen aktivierenden Staat andererseits. Dazu gehören natürlich auch alle gesellschaftlichen Gruppen wie Kirchen, Gewerkschaften, Vereine und Verbände. Im CDU-Antrag ist genau das der Grundtenor. Wir wollen die aktive Bürgergesellschaft einerseits stärken und wir erwarten einen aktivierenden Staat andererseits, der nicht der Oberorganisator ist und auch nicht der Oberkoordinierer über alles, der die Verantwortung der Menschen ernst nimmt und sie auch herausfordert, ohne seine eigene Verantwortung zu ignorieren. Und das ist keine „dünne Suppe“, Herr Gentzel, das ist auch keine spezifisch parteipolitische Sicht, Herr Hausold.

Eines der ganz wichtigen Anliegen des CDU-Antrags in diesem Zusammenhang möchte ich noch hervorheben. Es geht um die Fragestellung, wie gelingt es uns, rechtsextrem orientierte Jugendliche und Erwachsene wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückzuführen, denn nicht jeder, der im extremistischen Milieu landet, ist auch ein Extremist. Wenn ich nun den Antrag der Fraktion der SPD gegenüberstelle, dann ergibt sich für mich folgendes Bild und folgende Kurzfassung des Antrags und das war auch der Grundtenor der Debatte in unserer Fraktion, das

war nicht die Frage, wie oft „Rechtsextremismus“ oder „Linksextremismus“ in dem Antrag steht. Ich fasse aus meiner Sicht die Kurzfassung des Antrags zusammen.

Der Antrag der Fraktion der SPD stellt in der Einleitung die Situation kurz dar. Danach erteilt die SPD in dem Antrag in den folgenden Punkten Arbeitsaufträge und hier insbesondere an die Landesregierung. Das, Herr Gentzel, ist einfach viel zu kurz gegriffen. Das ist - mit Verlaub - auch zu wenig und wird der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Prävention von politischem Extremismus überhaupt nicht gerecht. Hier fehlt es uns einfach an Tiefe in diesem Antrag. Ich bin eigentlich etwas erschüttert über die disqualifizierenden Äußerungen von Herrn Hauser. Ich habe das Gefühl, Herr Hauser hat unseren Antrag überhaupt nicht gelesen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Fauser.)

Fauser. Ihr Antrag vermittelt den falschen Eindruck, der Staat könne alles richten. Die Verantwortung wird im Antrag der Fraktion der SPD ja auch an den Staat weitestgehend fixiert. Hier nur ein Beispiel, Herr Gentzel: „Die Landesregierung soll dafür Sorge tragen,“ - so in Ihrem Punkt 3 formuliert - „dass den immer besser organisierten rechtsextremen Strukturen ein koordiniertes Vorgehen staatlicher und nicht staatlicher Initiativen entgegengesetzt werden kann.“ Hier wird eine Aufgabe zugeordnet, die der Staat niemals erfüllen kann, aber auch nicht sollte. Sollen denn die Bürger vor Ort immer erst warten, bis der Staat alle Aktivitäten koordiniert hat? Ich vermute, wir hätten in Nordhausen nie eine Gegenveranstaltung organisieren können, zumindest nicht auf dieser Basis.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ihr? Ich lache mich tot.)

Die CDU war mit dabei, Frau Becker, intensiv dabei. Frau Becker, Herr Pape hat das organisiert, sehr wesentlich. Ich habe an dieser Stelle schon einmal gesagt und ich wiederhole das jetzt in diesem Zusammenhang auch noch einmal: Für mich ist Demokratie nicht Harmonie, sondern Demokratie ist Streit, und zwar Streit um die beste Lösung. Deswegen müssen wir die beste Lösung auch ausstreiten. Wenn da selbst ein leibhaftiger Professor in diesem Zusammenhang von unwürdigem Gezerre spricht und von Erinnerungen an Weimarer Zeiten, dann hat er meines Erachtens Demokratie nicht verstanden. Demokratie lebt davon, dass Demokraten um die beste Lösung ringen und dann auch Mehrheiten suchen und diese Mehrheiten auch erhalten. Im Übrigen, ich möchte noch einmal ausdrücklich feststellen: In der Grundaussage sind wir in diesem Hause alle einig. Da gibt es überhaupt keinen Streit oder Dissens, wenn ich eben vom Ausstreiten ge

sprochen habe. Der Antrag der Fraktion der CDU, aber auch der der Fraktion der SPD formuliert hier ganz klar, wir wollen eine Initiative für Demokratie und Toleranz, gegen Extremismus und Gewalt. Wir, die CDU, wollen nicht, auch wenn uns das öfters unterstellt wird, die Bekämpfung des Rechts- und Linksextremismus gegenseitig ausspielen. Es wäre für mich unerträglich, wenn z.B. in diesem Landtag oder irgendwo anders Vertreter der NPD in verantwortlichen Positionen säßen.

(Beifall bei der SPD)

In Sachen Rechtsextremismus formuliert der Antrag der Fraktion der CDU eindeutig, ich will das zitieren - ich bin übrigens dankbar, Herr Hausold, dass Sie das auch so unmissverständlich hier angenommen haben: „Eine wachsende Gefährdung geht zurzeit vom Rechtsextremismus als einer von mehreren Formen des politischen Extremismus aus.“ Und weiter: „Rechtsextremismus und die damit einhergehenden Formen der vorurteilsbedingten, vor allem fremdenfeindlichen Gewalt bedürfen gegenwärtig besonderer Aufmerksamkeit, da sie im Anwachsen begriffen sind.“ Der auch in der Öffentlichkeit geäußerte Vorwurf, die CDU würde die Gefahr des Rechtsextremismus verharmlosen, hält damit keiner Prüfung stand.

(Beifall bei der CDU)

Das Gegenteil ist richtig: Wir betonen die Gefahr des Rechtsextremismus in unserem Antrag ausdrücklich und das ist auch richtig in dieser Form. Aber ich sage ausdrücklich auch, der Gegner heißt „politischer Extremismus“, egal welche verderbte Ideologie dahinter steht. Deshalb wenden wir uns natürlich genauso entschieden gegen eine Verharmlosung des Linksextremismus. Wie Recht wir damit haben, zeigt die jüngste Veröffentlichung meines Kollegen, des Innenministers Herrn Gasser, der die Öffentlichkeit letzten Freitag ausführlich über politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2005 in Kenntnis setzte. Zwei wichtige Ergebnisse sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben. Erstens: Die Fälle politisch motivierter Kriminalität sind sowohl in Thüringen als auch bundesweit angestiegen. Das heißt, wir haben es bei den Delikten nicht um ein isoliertes Problem in Thüringen zu tun; leider ist es ein allgemeines Problem, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Aber der zweite Punkt und der für mich wichtigere und erstaunlichere: Erstmals waren in 2005 in Thüringen fast genauso viele Fälle linksextremistischer Gewaltstraftaten - die Betonung liegt hier auf „Gewaltstraftaten“ - wie rechtsextremistischer Gewaltstraftaten zu verzeichnen. Die Anzahl linksextremistischer Straftaten hat sich dabei verdreifacht - ich wiederhole, verdreifacht.

Ich will bei allen Unterschieden, aber auch Gemeinsamkeiten im Hinblick auf den Antrag der SPD sagen, was mich wirklich an dem Antrag der SPD geärgert hat. Ich möchte das auch deshalb, weil in der Öffentlichkeit vermittelt wird bzw. der falsche Eindruck erweckt werden soll oder erweckt worden ist, die Landesregierung würde im Bereich der Extremismusbekämpfung zu wenig tun. Ich habe im letzten Jahr in einem April-Plenum sehr ausführlich Programme der Landesregierung aufgezählt, die das Anliegen der Prävention gegen Extremismus, auch Rechtsextremismus erfüllen. Es wurden in mehreren AusschussSitzungen von den Ressorts Justiz, Kultus, Innen, Wirtschaft und Soziales und von der LSGP, der Landesstelle Gewaltprävention - Frau Thierbach, das ist der neue Begriff -, ausführlich über alle Aktivitäten berichtet, alle Projekte, die in der jeweiligen Ressortzuständigkeit abgearbeitet worden sind. Ich kann und will jetzt hier nicht alles wiederholen, das würde Stunden füllen. Ich will nur einige wenige aufzählen, um dem falschen Eindruck unter anderem auch in der Öffentlichkeit zu widersprechen, die Landesregierung sei inaktiv.

Ich beginne mit der Landesstelle Gewaltprävention. Sie koordiniert Maßnahmen der Landesregierung, stellt fachliche Beratung sicher und initiiert Projekte gegen Gewalt, insbesondere die Gewalt, die durch Vorurteile, politischen Extremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit motiviert ist. Auf Fachtagungen werden immer wieder Netzwerke geknüpft, die nun in engem Kontakt miteinander stehen und sich ständig austauschen. Die Landesstelle Gewaltprävention initiiert weiterhin Präventionsräte bei den Kommunen und begleitet ihre Arbeit besonders in der Gründungsphase sehr intensiv. In diesen Gremien kommen unter der Leitung der jeweiligen Bürgermeister Vertreter der zuständigen Schulämter, der Polizei, des Ordnungsamts, des Jugendamts, der Kirchen und anderer gesellschaftlicher Kräfte zusammen. Sie arbeiten an gemeinsamen Präventionsprojekten, vereinbaren Interventionsstrategien und prüfen vereinbarte Ziele innerhalb der Bekämpfung von Gewalt und Extremismus. Diese Aufgabe gehört zweifelsohne zu den ganz wichtigen, aber auch zeitaufwendigen Aufgaben der Landesstelle Gewaltprävention. Zusätzlich gibt es in der Verantwortung des Thüringer Sozialministeriums das Landesprogramm für Demokratie und Toleranz. Es wird trotz sinkender Finanzmittel weitergeführt.

Ich komme nun zum Kultusministerium: Das unterstützt ebenfalls zahlreiche Aktivitäten in der Schule zur Demokratiebildung und Toleranz der Schüler. Auch hier nur einige wenige Beispiele: Das Kultusministerium beteiligt sich aktiv am Bund-Länder-Programm „Demokratie lernen und leben“, welches als Schülerentwicklungsprogramm angelegt ist. Es verfolgt das Ziel, demokratische Handlungskonzepte

der Schüler zu stärken. Es gibt eine gemeinsame Initiative von Kultusministerium, Justizministerium und ThILLM im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „Jurego“. Dort wurde eine Materialsammlung erstellt, die eine umfassende Information über nonverbale Ausdrucks- und Erscheinungsformen, über Inhalte, Ziele und Strategien von gewaltbereiten Gruppierungen in Thüringen gibt. Es werden weiterhin im fächerübergreifenden Lernen Inhalte verschiedener Fächer, z.B. Religion und Ethik, Deutsch und Geschichte, Sozialkunde, Wirtschaft und Recht, die Fachkompetenz und die entsprechende Selbst- und Sozialkompetenz vermittelt. Da haben wir doch das Thema „Erziehung zu Gewaltfreiheit, Toleranz und Frieden“ optimal umgesetzt. Ein weiteres Projekt ist gemeinsam mit der Praxisstelle Mediation der Fachhochschule Erfurt im Verfahren der Streitschlichtung zwischen Schülern erprobt. Mit dem ThILLM werden Kurse für Lehrer zur Schulmediation angeboten. Es gibt das Programm der Polizei für frühkindliche Gewaltprävention, „POLI-PAP“ genannt, und vieles andere mehr. Ich könnte auch noch Aussagen zum Innenministerium bezüglich polizeipräventiver Maßnahmen machen. Ich könnte auch noch Aussagen des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit hier wiederholen, die mit der IHK bei der Fördermittelvergabe darauf achten, dass nicht Rechtsextreme unter dem Deckmantel von Firmengründungen Fördermittel erhalten. Ich will mir jetzt die weitere Aufzählung ersparen. Das können Sie alles im Protokoll der 13. Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit vom 8. Juli 2005 nachlesen.

Ich komme zum Schluss. Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Wir haben sie 1989 mit einer friedlichen Revolution der SED-Diktatur und dem Sowjetimperium abgetrotzt. Jeder Bürger hat die Pflicht, etwas zur Erhaltung dieser Demokratie zu tun. Nur so bleibt sie lebendig. Ich glaube, dass die Diskussion hier im Landtag eines noch einmal deutlich gemacht hat: Es gibt einen großen Konsens in dem Grundanliegen, dem politischen Extremismus und damit natürlich auch dem Rechtsextremismus schon im Ansatz entgegenzutreten. Unterschiede zwischen den Fraktionen gibt es lediglich hinsichtlich des richtigen Weges. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es nicht nur einen Weg, sondern auch viele verschiedene Wege gibt, der Gewalt zu begegnen. Alle Möglichkeiten und Chancen der Gewaltprävention müssen genutzt werden. Die Diskussion heute war in diesem Sinne positiv. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir wird gerade vom Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion mitgeteilt, dass die CDU

Fraktion nach Geschäftsordnung § 41 Abs. 6 eine Überlegungspause von 30 Minuten beantragt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann gehen wir in diese Überlegungspause von 30 Minuten und würden uns 12.45 Uhr wieder hier einfinden.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen. Wir haben uns dahin gehend geeinigt, dass wir nach der Unterbrechung jetzt die Vereidigung des Landesbeauftragten für den Datenschutz vornehmen. Deshalb habe ich kurzfristig die Sitzungsleitung wieder übernommen und wir werden dann die Diskussion zum Tagesordnungspunkt 2 a und b fortsetzen und erst nach Abschluss der Diskussion in die Mittagspause eintreten.

Somit rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 18

Verpflichtung des Landesbe- auftragten für den Datenschutz gemäß § 35 Abs. 3 des Thürin- ger Datenschutzgesetzes

Der Landtag hat am 26. Januar 2006 Herrn Harald Stauch als Landesbeauftragten für den Datenschutz für eine Dauer von sechs Jahren gewählt. Er wurde von der Landesregierung zum 1. März 2006 ernannt und ist durch mich vor dem Landtag zu verpflichten. Gemäß § 35 Abs. 3 des Thüringer Datenschutzgesetzes hat der Datenschutzbeauftragte vor dem Landtag seinen Eid zu leisten. So ist die Vorschrift und ich bitte Herrn Stauch, nach vorn zu kommen, um den Eid zu leisten. Die Anwesenden bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben.

Ich verlese die Eidesformel, die Sie bitte mit den Worten „ich schwöre“ oder „ich schwöre, so wahr mit Gott helfe“ bekräftigen. Der Eid lautet: „Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch getreu dem Grundgesetz, der Verfassung des Freistaats Thüringen und den Gesetzen zu führen und meine ganze Kraft dafür einzusetzen.“

Stauch, Landesbeauftragter für den Datenschutz:

Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe.

Damit gratuliere ich Ihnen nochmals recht herzlich zur Übernahme dieses Amtes und wünsche Ihnen

eine gute Amtsführung. Ich werde Sie nach besten Kräften unterstützen.