Protocol of the Session on January 27, 2006

und der Begleitung sterbender Menschen differenziert im Sozialausschuss befassen sollten. Dort besteht die Gelegenheit der Anhörung von Experten aus der Alten- und Krankenpflege, der Hospizbewegung und der Träger von Palliativstationen. Ich beantrage die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Zitzmann, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste! „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“, so lautet, Ihnen allen bekannt, Artikel 1 Abs. 1 Satz 1 unseres Grundgesetzes. Die Bedeutung dieses Satzes für unser Gemeinwesen lässt sich kaum stärker ausdrücken als durch seine Stellung ganz am Anfang unserer Verfassung. Allerdings sehen wir uns auch und gerade bei einem so prominenten Verfassungsgrundsatz einer Gefahr gegenüber. Es kann geschehen, dass diese Bestimmung in ihrem hohen Anspruch so weit über den Köpfen der Menschen schwebt, dass die praktische Umsetzung im Alltag nicht ohne Weiteres gewährleistet ist.

Deshalb sind wir aufgefordert, diesen allgemeinen Grundsatz der Menschenwürde immer wieder auf seine Anwendung hin zu überprüfen. Wir sind aufgefordert, ihn für die verschiedenen Lebensbereiche unserer Gesellschaft zu konkretisieren. Dies müssen wir tun, um zu verhindern, dass die Menschenwürde zu einem bloßen Versatzstück in den so genannten Sonntagsreden wird. Die Achtung der Menschenwürde muss sich im Alltag bewähren und sie muss sich in ganz besonderem Maße in Grenzsituationen bewähren.

Die Enquetekommission „Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen“ hat sich genau diese Konkretisierung zur Aufgabe gemacht und die Bilanz kann sich sehen lassen. Herr Minister Dr. Zeh hat die eindrucksvollen Ergebnisse bereits Revue passieren lassen. Bei der Arbeit in der Enquetekommission war ein Grundsatz leitend, den ich heute nochmals betonen will: Das Gebot, die menschliche Würde zu achten, gilt für alle; es gilt für Junge und Alte, Arme und Reiche, Kranke und Gesunde. Die Menschenwürde ist unabhängig von Religionszugehörigkeit, Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit oder sozialer Stellung. Nur eine Gesellschaft, die dies beachtet, wird auf Dauer Bestand haben können, denn nur in ihr existiert jene im Wortsinn

„grundlegende Humanität“, die nach Albert Schweitzer darin besteht, dass niemals ein Mensch einem Zweck geopfert wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Zwecke, auch vermeintlich gute Zwecke, die zur Verletzung des Grundsatzes der Menschenwürde verführen, gibt es etliche. Wir haben uns in der Enquetekommission mit Bereichen auseinander gesetzt, die in dieser Hinsicht besonders sensibel sind; sie sind bereits genannt worden. Es ging uns vor allem um den Schutz des ungeborenen Lebens, die Unterstützung bei Behinderung, die Unterstützung bei schwerer Krankheit und die Begleitung Sterbender.

Die Begleitung Sterbender war das vierte Thema, das die Enquetekommission im Auftrag des Landtags ausführlich beraten hat. Wir einigten uns darauf, Schwerpunkte im Rahmen des Auftrags des Landtags zu setzen. Wir diskutierten zu folgenden Arbeitsbereichen, die unserer Meinung nach das Thema „Begleitung Sterbender“ beinhalten müssen und Fragen aufwerfen. Zum Beispiel war es uns wichtig, das Thema „Begleitung Sterbender“ zu diskutieren, aber auch zu integrieren in den großen Bereich der Aus- und Weiterbildung in den Heil- und Pflegeberufen, bei der Vermittlung von Grundwerten im Religions- und Ethikunterricht der Schulen, beim Einsatz des modernen, medizinisch Möglichen und ethisch Verantwortbaren in der Therapie, der rechtliche und ethische Umgang mit der Patientenverfügung, das Thema „Begleitung Sterbender“ explizit zur Hilfe für betroffene Familien, das Thema „Begleitung Sterbender“ zur Stärkung der Rolle der Vereine und Verbände und der ehrenamtlichen Tätigkeit in den oben genannten Aufgabenfeldern. Diese Fragen stellen die Betroffenen und Verantwortlichen vor Probleme, die mit der geläufigen Alltagsethik nicht ohne Weiteres zu bewältigen sind. Hier werden die Fundamente unseres Selbstverständnisses berührt. Hier geht es um das, was Mensch sein im Kern ausmacht und um die praktischen Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen sind. Grenzsituationen sind gerade als Ausnahmefälle ein sehr zuverlässiger Gradmesser für den Umgang mit der Menschenwürde. Sie sind eine Art Feuerprobe für unser Verständnis vom Menschen und seinen unveräußerlichen Rechten.

Angesichts dieses hohen Stellenwerts der Problematik haben es sich die Mitglieder der Enquetekommission nicht einfach gemacht. Wir haben einen Bericht und Empfehlungen zu Wege gebracht, der an vielen Stellen den Finger in die Wunde legt. Der Bericht fordert nicht nur die Landesregierung, sondern auch den Thüringer Landtag und jeden einzelnen Bürger heraus, Positionen zu beziehen und entsprechend zu handeln. Es wurde deutlich, wie wichtig die

Auseinandersetzung mit diesem Thema ist und wie unterschiedlich die Diskussion in diesem Bereich in Europa geführt wird. Wichtig war für alle Mitglieder der Enquetekommission die Anhörung zu diesem Thema. Wir haben uns natürlich vorher über die Hospizdienste und Palliativeinrichtungen in Thüringen ausführlich informiert. Wichtig war uns immer, auch über den Freistaat Thüringen hinaus zu erfahren, wie es in anderen Bundesländern aussieht bzw. wie weit Angebote und welche vorhanden sind. Durch unsere Arbeit haben wir nicht nur Informationen bekommen, sondern auch einzigartige Einblicke in die sensible Zone des Sterbens und der Begleitung todkranker und sterbender Menschen erhalten.

Die Diskussion in der Enquetekommission war kontrovers, aber ausführlich. Trotz unterschiedlicher Positionen bestand in der Enquetekommission jedoch immer Einigkeit darin, dass in diesem Abschlussbericht ein eindeutiger Einsatz der Begriffe erfolgen und Sterbehilfe deutlich von der Begleitung Sterbender unterschieden werden muss. Ein Ergebnis unserer gemeinsamen Diskussion bestand darin, über die Möglichkeiten der Begleitung Sterbender aufzuklären, das heißt, die unersetzliche Arbeit der Hospize und Palliativstationen als gute Orte für ein menschenwürdiges, begleitendes und weit gehend schmerzfreies Sterben darzustellen. Vor diesem Hintergrund wurden die Möglichkeiten der Förderung der Palliativmedizin und der Hospizarbeit in Thüringen und die große Bedeutung des Ehrenamts diskutiert. Dank der Anhörung, aber auch in Gesprächen, zum Beispiel mit Prof. Dr. Beleites, Präsident der Landesärztekammer Thüringen, erfuhren wir, welch wichtigen Stellenwert eine gute Schmerztherapie im Rahmen einer palliativen Versorgung sterbender Menschen hat und wie dementsprechend Strukturen in Thüringen ausgebildet sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist noch einmal wichtig, auf die Landesarbeitsgemeinschaft „Hospiz Thüringen“ einzugehen, welche ihre Ziele wie folgt formuliert: „Im Mittelpunkt der Hospizarbeit steht die Begleitung und Unterstützung des sterbenden Menschen und der ihm nahe stehenden Menschen. Die Hospizarbeit zielt vor allem auf Begleitung und lindernde Hilfe. In enger Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Diensten soll vorrangig ein Sterben zu Hause ermöglicht werden. Zur Hospizarbeit gehört als wesentlicher Bestandteil der Dienst Ehrenamtlicher. Diese sollen gut vorbereitet, befähigt und in regelmäßigen Treffen begleitet werden. Zur Sterbebegleitung gehört im erforderlichen Umfang auch die Trauerbegleitung“.

Die Fraktion der Linkspartei.PDS weist in ihrem Antrag auf die staatliche Förderung zum Erhalt der Lebensqualität sterbender Menschen und die Unterstützung der Angehörigen, die Palliativmedizin und die

Hospizarbeit in Thüringen hin. Die Enquetekommission hat unter dem Punkt 3.4 - Staatliche Maßnahmen - Folgendes zu Papier gebracht - Frau Präsidentin ich zitiere: „Ziel zusätzlicher staatlicher Förderungen ist der weitestgehende Erhalt der Lebensqualität sterbender Menschen. Aufgabe des Staates ist es, die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Arbeit der Familie, der ehrenamtlich Tätigen, der Hospize, der Kranken- und Pflegekassen zu schaffen. Das beinhaltet, nicht nur klare rechtliche Regelungen zu entwickeln, sondern sie auch öffentlich bekannt zu machen.“

Minister Dr. Zeh hat eben schon eine Bilanz dessen gezogen, was die Landesregierung bereits getan hat. Als Abgeordnete und ehemaliges Mitglied der Enquetekommission möchte ich an dieser Stelle die entsprechenden Leistungen der Landesregierung anerkennen.

Lassen Sie mich beispielhaft noch einmal das so sensible Thema „Sterben“ herausgreifen. Minister Dr. Zeh hat hierzu schon einiges gesagt. Ich will noch einmal betonen, es ist wissenschaftlich belegt, dass die meisten Thüringer zu Hause sterben wollen und diese Möglichkeit auch haben. Bei der Begleitung der Betroffenen und ihrer Angehörigen leisten die ambulanten Hospizdienste eine hervorragende Arbeit. Wir haben in Thüringen auf diesem Gebiet eine gute und leistungsfähige Struktur. Stationäre Hospize kommen für einen recht kleinen Personenkreis in Betracht, deshalb ist es absolut gerechtfertigt, den Schwerpunkt auf die ambulante Betreuung zu legen, was nicht bedeutet, die stationäre Betreuung zu vernachlässigen. Thüringen hat mit der Einrichtung in Bad Berka ein hochmodernes stationäres Hospiz, hinzu kommt hoffentlich das geplante Kinderhospiz in Nordhausen. Durch die Spendenfinanzierung stünde es für ein ganz neues Modell bürgerschaftlich getragener Hospizarbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einer finanziell äußerst schwierigen Zeit ist Thüringen in den vergangenen Jahren gut vorangekommen, nicht nur auf dem Gebiet des Hospizwesens, sondern beispielsweise auch beim Schutz des ungeborenen Lebens oder bei Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen. Wir müssen uns natürlich auch darüber im Klaren sein, dass es sich um eine dauernde Aufgabe handelt. Der Wandel unserer Lebenswelt, technologische Innovationen, die Veränderungen gesellschaftlicher Wertmaßstäbe machen immer erneute Auseinandersetzungen mit dem Thema „Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen“ erforderlich. Gleichwohl hat die seinerzeit von der CDU beantragte Enquetekommission eine solide Grundlage geschaffen, an der sich künftige Überlegungen orientieren können. Das macht ihren bleibenden Wert für unseren Freistaat aus. Ihre

Ergebnisse bedeuten eine Standortbestimmung für unsere Gesellschaft, eine Standortbestimmung hinsichtlich der Grundsätze, nach denen wir in Grenzsituationen mit dem menschlichen Leben umgehen. Dieser gesamtgesellschaftliche Anspruch bedeutet unter anderem auch, dass sich das Thema nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen eignet. Ich bin dankbar, dass in der Enquetekommission in aller Regel sachlich und fair diskutiert und oft fraktionsübergreifende Einigkeit erzielt wurde. In Fragen wie diesen muss ein Grundkonsens bestehen, der die Parteigrenzen überschreitet. Denn nur wer auf einem gemeinsamen Boden steht, kann konstruktive Auseinandersetzungen führen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kommission ist in den Gefährdungen menschlichen Lebens und der Menschenwürde vom Anfang menschlichen Lebens in der Zeugung bis zum Ende, zum Tod, nachgegangen. In allen Abschnitten menschlichen Lebens hat sich eines gezeigt: Machbarkeit und Funktionalität können in Gegensatz zur Menschlichkeit geraten. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der Enquetekommission Marksteine, die uns hoffentlich noch lange begleiten werden. Allerdings richten sich die Ergebnisse des Berichts nicht nur an die Politik.

Alle Verantwortlichen in den betroffenen Bereichen, sei es in Arztpraxen, Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Schulen, sind aufgerufen, in ihrer täglichen Arbeit einen wachen Blick für die menschliche Würde zu bewahren und für die Gefahren, denen diese Würde immer wieder ausgesetzt ist. Eine solche Sensibilität gewährleistet, dass es in gemeinsamer Anstrengung gelingt, die Würde menschlichen Lebens in Grenzsituationen auch künftig zu schützen und zu bewahren. Danke schön.

(Beifall im Hause)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragt worden. Ich frage die Fraktion der CDU, ob sie einer solchen Überweisung zustimmt, da sie die Aussprache beantragt hat.

Nein, wir stimmen nicht zu.

Da die Fraktion der CDU nicht zustimmt, brauchen wir nicht über diese Ausschussüberweisung abzustimmen und ich beende damit diese Aussprache.

Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch?

(Zuruf Abg. Groß, CDU: Nein.)

Es erhebt sich kein Widerspruch, also ist das Berichtsersuchen erfüllt.

Ich rufe damit den Tagesordnungspunkt 13 auf

Eltern von Kindergartenbei- trägen entlasten Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/1584 -

Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und ich erteile das Wort der Abgeordneten Pelke, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, am 15. Januar verkündete die Bundesfamilienministerin in der Zeitung mit den ganz großen Buchstaben eine Aufforderung an Länder und Kommunen, und ich erlaube mir, diese Aufforderung zu zitieren, sie sagt: „Ich fordere Sie auf, habt Mut zu neuen Prioritäten, senkt die Kita-Gebühren oder, noch besser, schafft sie ganz ab.“ Aus unserer Sicht ein guter Einstieg der neuen Familienministerin. Schon am 16. Januar erklärte Ministerpräsident Althaus über die Berliner Zeitung und verschiedene Agenturmeldungen, er unterstütze die Bundesfamilienministerin, warnte aber zugleich den Bund vor einseitigen Forderungen. Jetzt stellt sich die Frage an den Ministerpräsidenten, was gilt denn nun, Unterstützung oder Warnung? Ist es ein bisschen Frieden, ist es ein bisschen schwanger? Hier müsste man sich doch schon deutlicher äußern. Denn in bewährter Weise wird wieder der Eindruck erweckt, dass der Thüringer Ministerpräsident für die Entlastung der Eltern von Kindergartengebühren sorgen will. Aber leider wird wie in verschiedenen anderen Fällen nur der Eindruck erweckt. Es wird so getan als ob, tatsächlich aber findet hier in Thüringen das Gegenteil statt, aber wer weiß das schon im Rest der Republik?

(Beifall bei der SPD)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir mit dem vorliegenden Antrag die Landesregierung auffordern, diesem Eindruck auch Taten folgen zu lassen. Denn es blieb ja nicht nur bei der Unterstützung des Thüringer Ministerpräsidenten für die Aussage der Bundesfamilienministerin. Am vergangenen Wochenende forderten Saarlands Ministerpräsident sowie der Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen CDU gemeinsam mit dem Thüringer Minis

terpräsidenten einen Familien- und Kindergipfel. Nachdem das Saarland den Besuch des letzten Kindergartenjahres vor der Einschulung bereits kostenfrei gestellt hat und Rheinland-Pfalz unter Regie der SPD dies ab dem 1. Januar ebenfalls leistet, übertrumpft nun der rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidat diese Entwicklung mit der Forderung, bereits ab 2007, man höre und staune, die Kindergartengebühren in Rheinland-Pfalz völlig entfallen zu lassen. Es gilt im Moment die Devise: „Wer bietet mehr?“ Mit beiden CDU-Landespolitikern will der thüringische Ministerpräsident einen Kindergipfel abhalten, um dort eine familienpolitische Gesamtstrategie zu entwickeln. Sehr gut bis dahin, aber erneut wird wieder suggeriert, dass es ihm, Herrn Ministerpräsident Althaus, darum geht, Thüringer Eltern, so wie in Rheinland-Pfalz und im Saarland bereits geschehen, von den Gebühren zu entlasten. Wenn das so wäre und wenn dies nicht zulasten der derzeitigen Betreuungsstandards ginge, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, hätten Sie unsere ganze Unterstützung.

Immerhin können wir feststellen: Zwei Bundesländer haben sich im Wettbewerb um mehr Familienfreundlichkeit, aber auch im Wettbewerb um eine bessere Bildungspolitik bereits von den Kindergartengebühren in einer wichtigen Phase für die Entwicklung des Kindes, nämlich im Jahr vor der Einschulung, verabschiedet. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht nur familienpolitisch interessant, es ist auch mit Blick auf den uns bevorstehenden Fachkräftemangel, insbesondere bei qualifizierten jungen Leuten und mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in einer Region unbestritten ein Standortvorteil. Es ist ebenso ein Vorteil bei der Förderung von Kindern aus den so genannten bildungsfernen Familien. Es ist also eine Förderung, die allen Familien und allen Kindern zugute kommt. Man könnte sich ja insgesamt darüber einig sein, denn selbst die Initiative „Neue Marktwirtschaft“ sieht das Ganze genauso.

Also könnten wir gemeinsam festhalten, dass das von der CDU regierte Saarland die Kostenfreistellung der Eltern von Kita-Gebühren für einen richtigen Weg hält, dass das von der SPD/FDP regierte RheinlandPfalz dies ebenso sieht und dass die Bundesfamilienministerin alle Länder und Kommunen auffordert, dementsprechend neue Prioritäten zu setzen. Wir können weiter festhalten, dass auch unser Ministerpräsident dies alles begrüßt. Dann könnte es doch eigentlich ein Leichtes sein, dem Ganzen auch Taten folgen zu lassen. Tatsächlich aber geschieht das Gegenteil. Alle, die in diesem Hause sitzen, wissen, dass die Elternbeiträge in der Folge der so genannten Familienoffensive nicht nur steigen werden, sondern bereits im Moment schon steigen. Der Kultusminister konnte bisher dazu noch keine Aussagen machen, aber er wird es demnächst sicherlich

tun müssen. Wir haben bereits erste dementsprechende Entwicklungen bei freien Trägern. Dort, wo es noch nicht so ist, springen finanzkräftigere Städte und Kommunen in die entstehende Finanzierungslücke. Insgesamt aber, das wissen wir, wir haben es auch im Kommunalparlament hier in Erfurt diskutiert, besteht noch eine abwartende Haltung. Noch ist in den einzelnen Kommunen und bei den Trägern nicht klar, welche Konsequenzen die Reduzierung der Haushaltsmittel hat. Noch wird auch auf die Rechtsverordnungen gewartet, aber es ist mit Blick auf die künftigen Elternbeiträge eigentlich ein Warten auf den Entrüstungssturm. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, klar ist, dass die lange bestrittenen Kürzungen wegen des beschlossenen Landeshaushalts nun nicht mehr zu leugnen sind.

An dieser Stelle möchte ich mich dann doch noch mal wiederholen und auf zwei bezeichnende Beispiele der Irreführung und auch der Täuschung der Öffentlichkeit in der Vergangenheit hinweisen. Am 3. Juli 2003 gab der Ministerpräsident anlässlich seiner Wahl das Versprechen ab, ich erlaube mir zu zitieren: „Die Landesförderung für den Betrieb und die Förderung von Kindertagesstätten werden wir auch unter den schwierigen Bedingungen des Haushalts erhalten.“ Ich wiederhole das immer wieder, weil es ab und an Dinge gibt, die wiederholt werden müssen, damit sie denn auch den Erkenntnisprozess und manchmal auch das Erinnerungsvermögen fördern.

Als am 20. April des vergangenen Jahres das Finanzierungskonzept für die Familienoffensive vorgestellt wurde, bezifferte die Landesregierung die familienbezogenen Ausgaben für das Jahr 2005 mit 143 Mio. € und die Ausgaben für die Haushaltsjahre 2006 und 2007 demgegenüber mit 145 Mio. €. Mit bewusst zu niedrig eingesetzten Zahlen im Landeshaushalt für die Förderung der Kindergärten wurde damit der Eindruck erweckt, dass man eigentlich 2 Mio. € zusätzlich eingesetzt hat. Jetzt haben wir einen Landeshaushalt mit Mehrheit beschlossen, der die Förderung der Kindergärten gegenüber dem vergangenen Jahr einschließlich der kalkulierten, aber zunächst verschwiegenen überplanmäßigen Ausgaben von insgesamt 156,8 Mio. € auf 135,6 Mio. € reduziert, das heißt, allein in den Kindertagesstätten fehlen im laufenden Haushalt 21 Mio. €. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, steigert sich in den nächsten Jahren auf über 40 Mio. € und das ist auch aufgrund des Landeshaushalts, der ja vorliegt, und aufgrund des Gesetzgebungsverfahrens, was beschlossen ist, nicht zu leugnen. Das werden wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihnen immer wieder vorrechnen, denn diese Verfahrensweise sollte nicht in Vergessenheit geraten.

Das und nichts anderes ist die Ausgangslage in Thüringen seit dem 1. Januar dieses Jahres und wir

haben immer wieder erlebt, dass familienpolitische Ankündigungen ins Gegenteil verkehrt werden. Ich könnte noch weitere Beispiele auflisten, sie sind ja relativ umfangreich; ich nenne nur das Stichwort Familien-Card, aber ich möchte das an dieser Stelle nicht ausweiten, sondern mich um unseren Antrag bemühen.

Aktuell stehen wir vor einer bundesweiten Debatte um die Freistellung der Eltern von Kindergartengebühren und der Thüringer Ministerpräsident stellt sich in dieser Frage an die Spitze der Bewegung. Anders ist es auch nicht zu verstehen, dass er all die Dinge letztendlich auch öffentlich unterstützt und auch gerade unterstützt, den Familien- und Kindergipfel einzufordern, wo gerade dort ja ein Schwerpunkt ist, Gebührenfreistellung zu einem Schwerpunkt der Familien-, der Bildungs- und der Standortpolitik zu machen. Ich wünsche mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass in diese Diskussion endlich Wahrhaftigkeit einzieht. Wir jedenfalls, die SPD-Fraktion, sind der festen Überzeugung, dass in Thüringen beides zu leisten wäre, einmal die Aufrechterhaltung der bisherigen qualitativen Standards samt der damit verbundenen Betreuungsstruktur und die Freistellung des letzten Kindergartenjahres vor dem Besuch der Schule.

Vielleicht liegt manche Irritation auch darin, dass man sich im Moment auf Aussagen des Kultusministers bezieht. Der Kultusminister hat in der Anfrage der Kollegin Sedlacik in der Drucksache 4/1217 vom 12. September 2005 ausgeführt - für die Anfrage bin ich auch sehr dankbar -, dass die Kosten für die beitragsfreie Gestaltung des letzten Kindergartenjahres zwischen 50 und 60 Mio. € liegen würden - 50 bis 60 Mio. €. Wenn das so wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, würden die Eltern in Thüringen einen durchschnittlichen Beitragssatz von 245 € im Monat bezahlen. Aber wie schon bei den Haushaltszahlen der Familienoffensive im April und zum Beispiel den im Nichts verschwundenen angeblichen Überkapazitäten, ist hier dem Minister möglicherweise bei der Berechnung ein kleiner Fehler unterlaufen, denn bei durchschnittlich etwa 70 € Kindergartenbeitrag und einer Jahrgangsbreite von 17.000 Kindern würde sich eine Kostenbelastung für den Landeshaushalt von 14,28 Mio. € ergeben. Das hört sich schon ein bisschen anders an als 50 bis 60 Mio. €. Also kann ich der Landesregierung und auch der CDU-Fraktion nur Mut wünschen bei der Erarbeitung eines Konzepts der Beitragsfreistellung. Ich denke, was im Saarland und in Rheinland-Pfalz möglich ist, das sollte uns auch in Thüringen allemal gelingen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das setzt allerdings voraus, meine Damen und Herren, dass sich die Landesregierung nicht nur in der Presse, sondern auch im tatsächlichen politischen Handeln zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Thüringen, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur besseren Bildung und Betreuung aller Kinder in den Kindergärten und zu einer Förderung der Kinder und Familien bekennt, die aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation besondere Hilfe benötigen. All das wäre mit dem vorliegenden Antrag möglich, wenn man ihn denn unterstützen würde, und das wäre dann auch eine tatsächliche Unterstützung Ihrer, unserer - wie auch immer - Bundesfamilienministerin. Mehr kann man sich eigentlich als Landesregierung in Thüringen nicht wünschen an Unterstützung der Opposition. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Jung, Linkspartei. PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Antrag der SPD-Fraktion lautet, dem Landtag innerhalb des ersten Quartals 2006 ein Konzept zur Beitragsbefreiung während des letzten Kindergartenjahres vorzulegen. Dabei sollen bewährte Standards, pädagogische Standards, aufrechterhalten werden und die Ergebnisse der Enquetekommission im Hinblick auf die qualitative Weiterentwicklung des Bildungs- und Betreuungsangebots berücksichtigt werden. Als ich das gelesen habe, erinnerte ich mich an ein Zitat von Konfuzius, der gesagt hat, und ich darf mit Ihrer Erlaubnis zitieren: „Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: 1. durch Nachdenken - das ist das Edelste, 2. durch Nachahmen - das ist das Leichteste, 3. durch Erfahrung - das ist das Bitterste“. Mit dem von Ihnen, verehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion, gegen den Willen vieler Menschen in Thüringen verabschiedeten Familienfördergesetz werden Sie Ihre Erfahrung machen und die wird für Sie bitter sein.

(Beifall bei der SPD)