Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, zu Beginn noch jemanden zu begrüßen, nämlich die Ver
treter der KVen. Meine Damen und Herren, seien Sie recht herzlich willkommen, ich freue mich, dass Sie Interesse an der Diskussion hier zeigen. Ich denke, es geht genau auf Ihre Anliegen ein.
Die Diskussion, meine Damen und Herren, um die Ärzteproteste in Berlin haben die meisten von uns nicht erst hier, sondern auch bei anderen Gelegenheiten in den Familien, im Freundeskreis oder auch beim Arztbesuch geführt. Die Breite der Argumente, die vorgetragen werden, ist groß. Sie umfasst die zu lange Arbeitszeit, die zu große Bürokratie, den Zeitdruck aufgrund der Fallzahlen und den damit verbundenen Stress genauso wie die fortgesetzte Rationierung bis hin zu den jetzt angekündigten Regressforderungen bei Budgetüberschreitungen - eine Methode, die schon einmal zur Diskussion stand und an vielen Stellen aber zu keinem Ergebnis führte.
Jeder von uns, meine Damen und Herren, kann, wenn er die konkreten Beispiele hört, nachvollziehen, dass die Forderungen der Ärzteschaft berechtigt sind. Ich bin der Meinung, dass hier schnell auf Bundesebene Entscheidungen unter Beteiligung aller Betroffenen herbeigeführt werden müssen. Im Grundsatz aber geht es um die Fragen: Wie können wir unser Gesundheitssystem nachhaltig sichern? Ist auch in Zukunft eine Vollversorgung unserer Patienten möglich? Wenn wir diesen Anspruch aufrechterhalten wollen, dann ist eine Lösung nur möglich, wenn wir einerseits sicher auch über mehr Effizienz im System ohne mehr Bürokratie nachdenken und andererseits uns Gedanken darüber machen, wie in das System mehr Geld bei einer immer älter werdenden Gesellschaft hineingebracht werden kann, ohne die Arbeitskosten weiter zu belasten. Der erste Ansatz „Sparen“ wurde im GKV-Modernisierungsgesetz aufgegriffen, führt aber zu keiner langfristigen Lösung und führt nun in der Ärzteschaft zu zahlreichen Kritiken, die sie auch in Berlin zum Ausdruck brachten. Es ist notwendig, im Einzelfall darüber zu diskutieren und - wenn nötig - Änderungen vorzunehmen. Aber der Grundsatz ist richtig, wir brauchen im Gesundheitswesen die größtmögliche Effizienz.
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gestellt, das Gesundheitswesen durch die Sicherung einer dauerhaften Finanzierung zu modernisieren. Ich denke, dieses Ziel ist die zweite Säule, die dringend gelöst werden muss.
Um zu beurteilen, wie geht denn unsere Bevölkerung gerade mit dem Thema um, war für mich die von Janssen-Cilag erstellte 4. Delphi-Studie über die Zukunft des Gesundheitswesens mit dem Titel - ich darf zitieren - „Nutzen, Kosten, Präferenzen - wissen, was der Bürger will“ wichtig. In dieser Studie geht es um drei Themenschwerpunkte: die Bestimmung des Nutzens von Gesundheitsleistungen, die
ökonomische Bewertung von Nutzensänderungen und die Frage nach der Finanzierung, vor allen Dingen des medizinischen Fortschritts. Es wird dargestellt, welchen Wert die Bevölkerung bestimmten Elementen des GKV-Katalogs beimisst, beispielsweise in der Frage, für welchen Betrug bin ich bereit, um auf die freie Arztwahl zu verzichten. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, das will die Bevölkerung nicht. Ich denke, die Aussagen in der Studie sind sehr aufschlussreich, gerade auch auf den Stellenwert bestimmter Berufsgruppen und auch gerade auf deren Erfahrungen.
Es wird in der Studie weiterhin an konkreten Beispielen untersucht, wo der Bürger eine Grenze zwischen privater Verantwortung und solidarischer Leistungspflicht zieht. Das wird am Schluss in zehn gesundheitspolitischen Zielen deutlich noch einmal unterstrichen. Ich erspare mir die Aufzählung dieser Ziele.
Meine Damen und Herren, im Sinne unserer Patienten brauchen wir in Deutschland schnelle Lösungsansätze für das Gesamtsystem. Vorschläge liegen zahlreich auf dem Tisch. Es ist notwendig, auf die Vorschläge der Praktiker, der Ärzte zu hören. Nur wer zuhört, kann Antworten und Lösungen finden. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, es ist tatsächlich so, das Thema heißt „Ärzteprotest - Arzt in Thüringen zwischen gesetzlich vorgeschriebener Rationierung und medizinisch notwendiger Versorgung“, das heißt nicht, zwischen Erfurt und Berlin, zwischen Opposition und Regierung und das heißt auch nicht, liebe KV, lies die Delphi-Studie, da hast du zehn politische Grundsätze. Ich möchte darauf eingehen, dass das Arztrecht, so wie wir es heute haben, unter dem Begriff Arzt-Patient-Verhältnis tatsächlich auf einer Menge von ärztlichen Richtlinien basiert, auf der Berufsordnung für Ärzte, auf sehr vielen Urteilen, auf Strafrecht, Zivilrecht und was wir oft merken, was erwartet wird, dass für jede Situation ärztlichen Berufslebens am Ende vielleicht noch irgendeine Rechtsvorschrift da sein soll, damit der Arzt nie in Konflikte kommt. Das ist aber keine Forderung von Ärzten. Denn welches Phänomen erleben wir, dass wir tatsächlich eine Verrechtlichung im Medizinalltag, und die führt letztendlich zu Verunsicherung, vor uns haben. Das Recht, wie es sich im Sozialgesetz
buch V festschreibt, und die ärztliche Ethik, die bringen eben im Verhältnis zueinander oft Gewissenskonflikte beim Arzt hervor.
Ein weiteres Konfliktpotenzial ist das von meiner Kollegin Dr. Fuchs erwähnte Arzneimittelrationalisierungsgesetz. Wenn ich so schnell rede, dann, weil die Abgeordneten nur fünf Minuten haben und die Regierung so lange wie sie will. Deswegen werde ich auch weiterhin schneller reden. Dieses Arzneimittelrationalisierungsgesetz, das am 01.04. in Kraft treten soll, verstärkt den Widerspruch zwischen einerseits Rechtsverordnung und andererseits ethischen Werten, denen sich Ärzte immer noch widmen. Ein Grund, warum Ärzte auf die Straße gehen, ist dieses Gesetz. Ein solches Gesetz treibt Bürokratieblüten. Diese Rationierung, die dahinter steckt, die muss man einfach konsequent ablehnen. Wenn da die CDU sich treu bleibt, wie sie es in ihrem Wahlprogramm geschrieben hat, dann kann sie am Ende so einem Gesetz nicht zustimmen, selbst nicht, wenn es im Bundesrat verhandelt werden soll, obwohl es dort wahrscheinlich gar nicht hin kann. Aber das Phänomen im Bundestag wäre ja womöglich auch möglich, Wahlaussagen und praktisches Handeln im Gesetz in Übereinklang zu bekommen.
Noch einige Bemerkungen zum SGB V und seinen tatsächlichen Widersprüchlichkeiten, wie es Ärzte tagtäglich erleben. Da haben wir diesen § 2, der die Behandlungspflicht zum Regelinhalt hat zum Beispiel. Qualität und Wirksamkeit der Leistung haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Ja, da finden wir dann auch noch in § 12 ein Wirtschaftlichkeitsgebot und danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Möge mir bitte einer erklären, was notwendig ist. Da bin ich bei Ihnen, Herr Gumprecht, es geht nicht um Vollversorgung, es geht um bedarfsgerechte Versorgung eines Kranken zur Wiederherstellung der Gesundheit.
Das ist die letzte Bastion einer bedarfsgerechten Versorgung, die wir im Sozialrecht überhaupt noch haben. Deswegen muss man überlegen, ist das ein konservativer Wert, der rückwärts gewandt ist, oder müssen wir nicht gemeinsam um genau diesen Wert kämpfen, weil dann nämlich auch dieses Maß des Notwendigen anders definiert wird. Was haben wir aber? Wer entscheidet, ob eine Ultraschalluntersuchung oder ein CT gemacht wird? Letzteres ist eine teuere Sache. Der Arzt wird sich nach seinem Wissen, nach seinen Ergebnissen und nach seiner Verantwortung entscheiden - soll er auch, ganz richtig! Aber dann soll niemand kommen und in der Wirt
schaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V dann wieder prüfen, ob der Arzt die ärztliche Verordnungsleistung per Überschreitung der Richtgrößenvolumina, dabei wird nämlich Verordnung von Arznei, Verband- und Heilmitteln geprüft, womöglich verletzt hätte. Oder die Prüfung von abgerechneten Leistungen, Überweisungen, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit werden überprüft, dann kommen die Verbände der Krankenkasse gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung gemäß § 106 und die untersuchen dann die medizinische Integration der Leistung, also die Notwendigkeit des ärztlichen Handelns, die Effektivität der Leistung, ob das therapeutische Ziel erreicht wird usw. Am Ende heißt der Konflikt, dass der Arzt mit seinem Leitbild, mit seinem Verständnis von medizinischer Versorgung mit sich ausmachen muss, wo seine Ethik bleibt, weil er ja wirtschaftliche Kriterien vorgesetzt bekommt. Genau das ist die Crux. Und wenn wir es nicht schaffen, im Interesse von Patienten ein tatsächlich ethisches Leitbild wieder in der Gesellschaft hervorzubringen - und,
ein letzter Satz -, es geht nicht darum, ob Ärzte zu viel Geld bekommen oder nicht, sondern es geht einfach darum, dass der Arzt der Einzigste ist, der dem Menschen helfen kann zur Wiederherstellung der Gesundheit. Dieser gesellschaftliche Stellenwert sollte dem Arzt auch wieder zugerechnet werden.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Ich erteile das Wort dem Herrn Minister Zeh.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrte Frau Thierbach, da Sie in Richtung Tribüne erklärt haben, dass Sie so wenig Redezeit haben, so ist das nun mal. Mit Halbwahrheiten haben Sie zwar nicht gelogen, aber Sie haben eben nicht die ganze Wahrheit gesagt.
nächst einen Antrag ordentlich im Landtag einbringen und nicht die Aktuelle Stunde mit so einem wichtigen Thema überfrachten, dann haben wir nämlich drei Stunden Zeit, das ist alle Welt, die man braucht, um so was auch zu diskutieren.
(Zwischenruf Abg. Dr. Fuchs, Die Links- partei.PDS: Jetzt haben Sie mich auf eine Idee gebracht; das ist eine Schwei- nerei.)
So weit aber nur zu Ihrer Anmerkung. Ich möchte eine weitere Vorbemerkung an dieser Stelle noch machen. Das Recht zum Protest und zur Demonstration, das gehört zur Demokratie und es ist Ausdruck der freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung, die wir haben, das gilt für alle Menschen und so gilt es selbstverständlich auch für Ärzte. Und die mancherorts geäußerte Befürchtung, wegen der Schließung vieler Arztpraxen am Streiktag könnte es zu Engpässen in der medizinischen Versorgung in Thüringen kommen, hat sich nicht bewahrheitet. Nach Schätzungen haben sich etwa 300 bis 400 der 3.000 niedergelassenen Ärzte aus Thüringen an dem Protest beteiligt und ich habe mich selbst davon überzeugt, dass Vertretungen für den Notfall benannt wurden. Nur nebenbei gesagt, in der Haupturlaubszeit im Sommer sind in Thüringen wesentlich mehr Praxen geschlossen. Ich denke, den umsichtigen Vorkehrungen der Thüringer Ärzteschaft ist es geschuldet, dass es zu keinem medizinischen Notstand kam, und ich möchte angesichts Ihrer Anwesenheit ausdrücklich Ihnen dafür danken, denn das muss uns am Herzen liegen, dass die Patienten in ihrer Versorgung nicht gefährdet sind.
Meine Damen und Herren, Anlass dieser Proteste waren viele, das konnte man an den Protestplakaten sehen. Ich nenne nur das Stichwort „Bürokratie“, ich nenne das Stichwort „Ärztemangel“, ich nenne das Stichwort „Angleichung der Honorarkosten“ und ich nenne auch das Stichwort „Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung“, so wie dieses Gesetzesungetüm immer heißt. Das ist ja oft so, dass die Gesetze so furchtbar lange Namen haben.
Zum ersten Stichwort „Bürokratie“: Der Dokumentations- und Bürokratieaufwand in den Krankenhäusern und Arztpraxen ist trotz Einsatz moderner Computertechnik immer zeitaufwändiger geworden. Das ist Zeit, die den Ärzten für die Betreuung ihrer Patienten fehlt. Zwar beschäftigen sich seit Jahren Kommissionen und Arbeitsgruppen auf Bundesebene mit den verschiedensten Vorschlägen, aber leider hat es noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt. Ich denke, es liegt leider nicht nur an Gesetzen, sondern
es liegt leider auch an einem Gemeinwesen, bei dem gegen alles und gegen jeden geklagt und Einspruch erhoben werden kann. In einer solchen Situation wird natürlich eine Rückversicherungsmentalität produziert, die aus dem System heraus erwächst aufgrund der Nachweispflicht, der Rechenschaftspflicht, der Abrechnungsnotwendigkeit usw., also eine Fülle von Dingen, die getan werden müssen, um sich abzusichern. Leider ist das so, aber natürlich muss die Bundesgesetzgebung auch darauf reagieren. Dazu gibt es auch überhaupt gar keine andere Meinung.
Zum zweiten Stichwort „Ärztemangel“: Derzeit fehlen in Thüringen rund 120 Hausärzte und 70 Fachärzte. Aufgrund der bekannt ungünstigen Altersstruktur, insbesondere der Allgemeinmediziner, wird die Zahl der unbesetzten Hausarztstellen in den nächsten Jahren noch zunehmen. Die immer weniger werdenden Hausärzte müssen einen nicht nur immer größeren, sondern im Durchschnitt auch immer älter und damit morbider werdenden Patientenstamm betreuen. Schon jetzt verzeichnet die Mehrzahl der Hausärzte deutlich mehr Behandlungsfälle als die Kollegen in den Altländern, manche sogar über 30 Prozent mehr. Dass sich an dieser Entwicklung kurzfristig nichts ändern wird, liegt daran, dass es zu wenig Nachwuchsärzte gibt, die bereit sind, sich in bestimmten Thüringer Regionen niederzulassen. Der Grund ist auch einsehbar. Hier in Thüringen müssen Ärzte durchschnittlich deutlich mehr als ihre Kollegen in den Altländern behandeln und das auch noch für weniger Honorar. Das ist sozusagen, wenn Sie so wollen, das dritte Stichwort, nämlich „Angleichung der Arzthonorare“. Das im Vergleich zu den alten Ländern niedrigere Vergütungsniveau von ca. 75 Prozent - ich wiederhole noch mal: 75 Prozent, weil ja die Zahlen gelegentlich anders in der Öffentlichkeit genannt werden - ist ein klarer Standortnachteil für Thüringen und für die jungen Länder insgesamt. Diesen Standortnachteil müssen wir so schnell wie möglich überwinden. Ein wichtiger Schritt zum Angleich der Verhältnisse war daher das Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte. An diesem Gesetz hat Thüringen seinerzeit maßgeblich mitgewirkt. Entsprechend Artikel 4 dieses Gesetzes sollten im Jahr 2005 dessen Auswirkungen hinsichtlich der Höhe der Kopfpauschalen für die ambulante vertragsärztliche Versorgung in den jungen Ländern überprüft werden. Dies ist bislang jedoch noch nicht geschehen. Das Bundesministerium für Gesundheit muss hier seinen Verpflichtungen endlich nachkommen. Es muss entschieden werden, ob die weitere stufenweise Angleichung der Vergütung der Vertragsärzte in den jungen Ländern möglich ist. Mit § 85 Abs. 3 d im SGB V wurde die diesbezügliche Regelung vorgegeben und diese sah vor, die Einkommen aus vertragsärztlicher Tätigkeit in den jungen Ländern durch entsprechende Erhöhung der Vergütung in Schritten bis 2006 auch
anzugleichen. Ich sprach vorhin von 75 Prozent Niveau bei den Einkommen. Die Bundesregierung hat einen Eckwert von 96 Prozent angenommen. Dieser Wert berücksichtigt leider nicht die Mehrarbeit der Ärzte in den jungen Ländern. Ich habe immer gesagt, um wirklich 96 Prozent zu erhalten, müssen die Ärzte ungefähr 130 Prozent arbeiten wie in den Altländern. In Thüringen wird diese Rechtsvorschrift nun durch Anhebung in drei Schritten umgesetzt, jeweils 1,26 Prozent in 2004, 2005 und 2006. Und das reicht bei Weitem nicht aus, denn am Ende ist die Differenz ja nicht 4 Prozent, sondern, wie schon erwähnt, ist die Differenz dann 25 Prozent. Das heißt also, wir haben in 2007 noch einen Anpassungsbedarf von ca. 20 Prozent. Hierzu brauchen wir eine weitere gesetzliche Grundlage auf Bundesebene, um dies anzugleichen.
1. Es handelt sich um ein Einspruchs- und kein Zustimmungsgesetz. Die Einflussmöglichkeiten Thüringens auf dieses Gesetz, Frau Thierbach, sind also begrenzt. Das ist kein Hin- und Herschieben zwischen Erfurt und Berlin - leider.
2. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass im Jahr 2005 die Arzneimittelkosten um 17,2 Prozent gestiegen sind im Vergleich zu 2004. Das führt natürlich zu Beitragssteigerungen bei den Kassen. Es sind im Durchschnitt 0,25 Prozent angegeben. Weil durch diese Steigerungen die Lohnnebenkosten steigen, das wiederum Arbeitsplätze gefährdet, muss die Bundesregierung hier gegensteuern.
3. Das vorgelegte Gesetz ist meines Erachtens in der jetzt diskutierten Form noch nicht handhabbar, aber die Bundesregierung hat Entgegenkommen signalisiert. Ich denke, bevor das endgültige Gesetz noch nicht vorliegt, können wir dieses Gesetz leider noch nicht abschließend bewerten.
Es bleibt also dabei: Die Koalition in Berlin muss das große Projekt „Gesundheitsreform“ endlich in Angriff nehmen, um nicht ständig neue Kostendämpfungsgesetze auf den Weg zu bringen, die leider nicht die Probleme an der Wurzel anpacken. Vielen Dank.
Ich komme zum Wiederaufruf des Tagesordnungspunkts 7. Wir haben den Sofortbericht der Landesregierung heute Vormittag gehört. Mir liegen jetzt Wortmeldungen zur Aussprache zum Sofortbericht von allen Fraktionen vor. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Gerstenberger, Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin immer noch ein bisschen verunsichert, ob wir hier wirklich in Anbetracht der anschließenden Mittagspause den vollständigen Bericht des Ministers der Staatskanzlei gehört haben. Ich darf vielleicht hilfsweise noch einmal den Antrag, der ja auch noch von der CDU-Fraktion kommt, verlesen. Finanzielle Vorausschau und Stand der Planungen zur nächsten EU-Förderperiode 2007-2013 heißt die Überschrift. Die Thüringer Landesregierung wird gebeten, dem Thüringer Landtag in seiner Sitzung am 26./27. Januar 2006 zu den Ergebnissen des Europäischen Gipfels am 16./17. Dezember 2005 zur finanziellen Vorausschau der Europäischen Union sowie über den Stand der Planungen zur EU-Förderperiode in Thüringen für den Zeitraum 2007-2013 zu berichten. Da erwartet man doch, wenn man einen solchen Antrag hört, einen sachlichen und allumfassenden Bericht und eine möglichst komplette Darstellung, denn wir sprechen nicht über Marginalien. Wir sprechen immerhin über ein zentrales Förderinstrument des Freistaats für Wirtschaft, Infrastruktur, Landwirtschaft und Umwelt und über das zentrale Förderinstrumentarium der Arbeitsmarktpolitik. Allerdings, was Sie vorgetragen haben, Herr Wucherpfennig, lässt sich in Abwandlung eines Ausspruchs von der ehemaligen Abgeordneten Frau Arenhövel so beschreiben: Sie wollten gar nicht sagen, was diese Landesregierung im Verborgenen tut und dem Parlament auch nicht mitteilen will. Das, Herr Wucherpfennig, ist eine Frage des Umgangs mit dem Parlament. Dort sind wir in aller Regel in der Vergangenheit von Ihnen nicht verwöhnt worden, der heutige Bericht stellte einen solchen gewissen Gipfelpunkt der Unverschämtheit dar und das widerspricht auch EU-Forderung, die verlangt, öffentliche Diskussionen mit den Akteuren aus Wirtschaft, Sozialbereich und für mein Verständnis gehört dazu auch öffentliche Diskussion mit dem Parlament und das umfassend.
Zunächst einige Vorbemerkungen, Herr Wucherpfennig: Sie haben im Wesentlichen nur abgestellt auf die finanziellen Auswirkungen, aber das, was Sie gesagt haben, das war bekannt. Alle wussten, dass Thüringen in der neuen Förderperiode weniger Geld erhält, wie viel, war offen und wie viel, ist offen. Was das Land Thüringen an Kofinanzierung leisten kann, ist nach Ihrer Rede völlig unklar geblieben, denn dazu
haben Sie vorsichtshalber gar nichts gesagt. Das Entscheidende, ob Sie sich tatsächlich Gedanken machen, was Thüringen erreicht hat mit den Fonds, die wir die letzten Jahre genutzt haben, und was es erreichen wollte, also die Bewertung dessen, was geschehen ist, dazu war völlige Fehlanzeige. Aber genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, will diese Landesregierung auch dem Landtag nicht mitteilen, denn der Chef der Staatskanzlei schrieb an die Präsidentin am 28. November 2005 bezüglich der Evaluierung der Förderprogramme: „Der Endbericht wird nunmehr bis zum 31. Januar 2006 vorgelegt“ und zwei Sätze später: „Die Evaluierung“, gemeint ist die der Förderprogramme, „ist nicht auf die Bewertung der Politik der vergangenen Jahre ausgerichtet.“ Nein, meine Damen und Herren, Selbstherrlichkeit ist halt grenzenlos und deshalb würde eine solche Bewertung der Politik der Landesregierung eher störend wirken und noch dazu eine Bewertung und eine Kritik von Dritten und dann noch an der Politik dieser Landesregierung. Das wäre allein schon undenkbar, deshalb macht man eine Evaluierung ohne das Ziel der Bewertung der Politik.
Bekannt ist ja spätestens seit dem Umgang mit dem kritischen „Start e.V.“, dass solche Vereine und Verbände, die sich kritisch gegenüber der Landesregierung äußern, sukzessive der Fördermittel beraubt werden, diese ihnen entzogen werden und letzten Endes die Förderung für die Vereine gänzlich eingestellt wird. Das wollte man offensichtlich diesem Evaluierungsinstitut ersparen, ansonsten hätte man tatsächlich evaluiert mit dem Ziel der Bewertung der Politik. Ich frage mich, was ansonsten das Ziel einer solchen Evaluierung sein soll, es sei denn, dieses Papier war nicht so ernst gemeint und mehr zur Beruhigung der Gemüter der Abgeordneten und die eigentliche Arbeit der Landesregierung beschränkt sich auf einen anderen Raum. Bei einer Politik, Herr Wucherpfennig, des „Weiterso“ und „unser Weg ist richtig“ wären diese Bewertungen eben genau die falschen. Ich halte das für den falschen Weg und ich hoffe, dass uns nun wenigstens bis zum 31. Januar die entsprechenden Evaluierungsberichte auch als Abgeordnete zugänglich sind und dass die Ergebnisse, die Sie in diesem bewussten Schreiben an die Präsidentin dargestellt haben, auch uns Abgeordneten zur Verfügung stehen, denn es wäre schon interessant, einen Blick in eine umfangreiche Datenbank zu den Förderprogrammen des Freistaats Thüringen und deren Bewertung nach einer wissenschaftlichen Methode zu erhalten. Es wäre schon interessant, Indikatoren pro Förderrichtlinie, die die Basis für ein Controlling der Förderprogramme bilden können, und Bewertungsschemata, die für die Prüfung vor der Einführung neuer Fördertatbestände herangezogen werden, auch als Abgeordnete zu erfahren und zu diesen Fragen zu diskutieren. Nehmen Sie das also als Bitte aus dieser Aussprache mit,
dass wir im Laufe der nächsten Woche gerne Ihren Bericht und Ihre Materialien zur Kenntnis nehmen und auch die Möglichkeit der Einsichtnahme in entsprechende Unterlagen, auch, und das sage ich noch einmal, wenn Sie es vorgezogen haben, in Ihrer Rede heute darauf nicht zu verweisen. Nun zu dem, was uns im Zusammenhang mit der EU erwartet.
Der Rahmen, und das wurde gesagt, der Förderung wird nicht ausgeschöpft. Trotzdem hat Bundeskanzlerin Merkel diesen Rahmen als Schlichtungsantrag in die Diskussion eingebracht und hat versucht, damit die Kuh vom Eis zu bringen. Das heißt, sie ist einverstanden damit, dass mit diesem geringeren Rahmen, diesem nicht ausgeschöpften Rahmen, auch eine ganze Reihe von Aufgaben nicht erledigt wird. Denn ursprünglich gab es eine Resolution des Europäischen Parlaments vom 8. Juni 2005, in der gefordert wurde, 1,18 Prozent des Bruttosozialproduktes der EU, das wären 984,8 Mrd. gewesen und nicht die mehr als 100 Mrd. weniger, die Sie jetzt hier bekannt gegeben haben und die offensichtlich der Kompromissvorschlag sind. Das Parlament hat diese Zahlen nicht aus der Luft gegriffen, sondern es gab eine Begründung dafür: Die Mitgliederzahl der EU wächst von 15 auf 25; das Gebiet, was unter 75 Prozent des Bruttosozialprodukts des EU-Durchschnitts produziert, wächst um die gleiche Anzahl und es existieren enorme soziale Differenzen. Ein ehemaliges Gefälle im Sozialniveau vom Verhältnis 2 : 1 in der EU hat sich heute in der EU 25 auf 7 : 1 erhöht zwischen den ärmsten und den reichsten Regionen. Deshalb ist dort dringend geboten, dass entsprechende Ausgleichspolitiken, Kohäsionspolitiken, stattfinden und dass dafür auch die Mittel zur Verfügung gestellt werden. Und das Parlament stellte fest: Forschung, Bildung, Kultur und Jugend bedürfen einer deutlichen Mittelerhöhung, um diese europäischen Güter wesentlich stärker zu fördern als bisher. All das geht mit dem geringen Mittelansatz, der jetzt durch den Rat beschlossen wurde, nicht und daraus - Herr Wucherpfennig, auch das hätte zur Ehrlichkeit gehört - begründet sich die Ablehnung des Parlaments zu diesem Haushaltsansatz und wird es weitere Verhandlungen geben. Das ist das Problem und das ist die Crux des angeblich so glücklichen und zielführenden Konsensvorschlags, den die Bundeskanzlerin gemacht hat.
Das Zweite ist die Mittelverteilung zwischen Ost- und Westdeutschland, Herr Wucherpfennig, auf die Sie gar nicht eingegangen sind. In der letzten Förderperiode - und da kann ich Ihnen einige Zahlen nicht ersparen, weil die auch politische Schwerpunktsetzungen deutlich machen - von 2000 bis 2006 erhielt Deutschland 30 Mrd. €, in der neuen 23,1 Mrd. €; das sind rund 7 Mrd. € weniger. Ostdeutschland erhielt in der letzten Förderperiode 20,7 Mrd. €, in der neuen Förderperiode 13,3 Mrd. €; das sind reich