Meine Damen und Herren, es vergeht kein Tag, an dem es keine Meldungen über Ungereimtheiten bei der Umsetzung der Hartz-IV-Gesetze gibt. Bürokratisches Chaos und noch keine verlässliche Datenbasis, andererseits fast 150.000 Bedarfsgemeinschaften, die in Thüringen auf Arbeitslosengeld II und weitere Leistungen angewiesen sind. Für diese Menschen, meine Damen und Herren, die aufgrund ihrer Situation Ansprüche geltend machen müssen, ist das eine Expedition ins Unbekannte und Ungewisse. Unterkunftskosten und die differenzierte Handhabung erzeugen bei den Betroffenen massive Verunsicherung und Existenzangst. In Thüringen häufen sich die Fälle, in denen die den Betroffenen erstatteten Kosten der Unterkunft und Heizung zu niedrig sind und die notwendigen Aufwendungen nicht ausgleichen. Die Folge sind Mietschulden und drohende Zwangsräumungen.
Meine Damen und Herren, die Kommunen gehen sehr unterschiedlich mit den Kosten der Unterkunft um. Die mit Hartz IV den Kommunen übertragene Verantwortung für die Wohnkosten der Arbeitslosengeld-II-Empfänger verursacht einen Flickenteppich, weil jede Kommune selbst nach Kassenlage entscheidet, was angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung sind. Die Folge: keine einheitliche Vorgehensweise der Leistungsträger. Trotz gleicher gesetzlicher Voraussetzungen wird nach unterschiedlichen Vorgaben gehandelt. Diese differenzierte Handha
bung kritisieren wir, eben weil Betroffene Verwaltungshandeln nicht mehr nachvollziehen können und verunsichert sind. Deshalb heute hier unser Antrag. Ich denke, dass wir uns mit dieser Situation auseinander setzen müssen. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte sind seit In-Kraft-Treten des SGB II am 1. Januar 2005 gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit Träger der Grundsicherung für Arbeit Suchende. Den kommunalen Trägern obliegen die Leistungen für Unterkunft und Heizung, kurz KdU, die gesetzlich bestimmten besonderen Bedarfe sowie die Schuldnerberatung, Suchtberatung und psychosoziale Betreuung. Die Leistungen für die Unterkunft und Heizung sind von den 20 ARGEN und zwei Optionskommunen gemäß § 22 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit beurteilt sich beim Mieter wie beim Eigenheimbesitzer dabei immer nach den individuellen Verhältnissen des Einzelfalls, insbesondere nach der Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft, nach ihrem Gesundheitszustand sowie nach dem baulichen Zustand der Wohnung und der Art der Heizungsanlage. Für die Berücksichtigung solcher individueller Gegebenheiten bieten die Unterkunftsrichtlinien der kommunalen Träger entsprechende Ermessensspielräume. Neben den individuellen Verhältnissen werden von den ARGEN und Optionskommunen das örtliche Mietniveau und die Möglichkeiten des regionalen Wohnungsmarkts bei der Bestimmung der Angemessenheit berücksichtigt. Dabei dienen die jeweiligen örtlichen Mietspiegel bzw. die Regelungen des Wohngeldgesetzes als Orientierung. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft einen angemessenen Umfang übersteigen, werden sie dennoch für längstens sechs Monate ohne Kürzungen gewährt, soweit es der Bedarfsgemeinschaft nicht bereits vorher möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Untervermietung oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken.
In Thüringen ist das Landesverwaltungsamt Rechtsaufsichtsbehörde und das Wirtschaftsministerium oberste Rechtsaufsichtsbehörde für die Aufgaben der kommunalen Träger in den ARGEN. Wie in fast allen anderen Ländern - Ausnahme bildet hier ledig
lich Bayern - führen auch in Thüringen die Kommunen ihre Aufgaben nach dem SGB II im eigenen Wirkungskreis durch. Es besteht damit für den Bereich der Kosten der Unterkunft und Heizung keine Fachaufsicht. Die Aufsichtsfunktion des Landes erstreckt sich folglich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz, nicht jedoch auf die Ermessensausübung. Gleichwohl ist das Wirtschaftsministerium bemüht, neben der rechtmäßigen Aufgabendurchführung auch auf eine möglichst einheitliche und effiziente Verfahrensweise bei der Durchführung der KdU-Leistungen in den Thüringer Kommunen hinzuwirken.
Nun, meine Damen und Herren, zu den Fragen, die im Antrag der Linkspartei.PDS aufgeworfen wurden. Zur Problematik steigender Betriebskosten und zum örtlich differierenden Angebot an kleinem Wohnraum: Der Umstand, dass besonders in letzter Zeit die Betriebskosten in Folge erhöhter Gas-, Öl- und Stromkosten stark angestiegen sind, ist bei den Leistungen für die Unterkunft und Heizung entsprechend zu berücksichtigen. Soweit erforderlich, werden die Unterkunftsrichtlinien von den Landkreisen und kreisfreien Städten auch unter dem Gesichtspunkt der gestiegenen Betriebskosten überarbeitet. Zum Teil, meine Damen und Herren, ist das bereits geschehen, zum Beispiel im Altenburger Land, in Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen, im Saale-Orla-Kreis, in Sonneberg sowie in den kreisfreien Städten Erfurt, Gera und Suhl. Zum Teil enthalten die Unterkunftsrichtlinien aber bereits Öffnungsklauseln, wonach bei steigenden Preisen eine Kostenangleichung erfolgen kann, so zum Beispiel im Unstrut-HainichKreis. Hier ist eine Änderung der Unterkunftsrichtlinien dann natürlich nicht erforderlich.
Mit Blick auf das örtlich verhältnismäßig stark differierende Angebot an preiswertem kleinen Wohnraum wurden die kommunalen Träger vom TMWTA gebeten, darauf zu achten, dass Arbeitslosengeld-IIEmpfänger innerhalb der Kommunen in Wohngebieten mit einer guten sozialen Mischung und nicht geballt in einzelnen Wohnbezirken untergebracht werden, um damit der Schaffung von sozialen Brennpunkten in den Ortschaften vorzubeugen. Auch der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft wurde im Zusammenhang mit dieser Problemstellung gebeten, angebotsseitig entsprechende Möglichkeiten zu schaffen.
Nun zur Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Bescheide: Im Begründungsteil der Bescheide werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung gesondert, bezogen auf die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, ausgewiesen. Die Bundesagentur für Arbeit, die für Form und Inhalt der Bescheide verantwortlich zeichnet, wurde darauf hingewiesen, dass eine aufgeschlüsselte Berechnung der Leistungen erforderlich ist, um genügend Transparenz des Be
Im Weiteren zur Erforderlichkeit von Umzügen: Auf der Grundlage des SGB II erfolgen in Thüringen keine Anordnungen von Zwangsumzügen, da ein Umzug der Bedarfsgemeinschaft in eine preiswertere bzw. kleinere Wohnung lediglich eine Möglichkeit zur Kostenreduzierung darstellt. Sind im Einzelfall die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht angemessen, so wird der Hilfebedürftige durch den Leistungsträger aufgefordert, diese zu senken. Das kann durch Umzug in eine preiswertere bzw. kleinere Wohnung erfolgen. Die Senkung kann aber je nach Einzelfall auch durch Untervermietung, Verringerung der Kaltmiete durch den Vermieter bzw. Minderung der Verbrauchskosten durch Nutzung von Einsparmöglichkeiten erzielt werden. Darüber hinaus besteht für den Hilfebedürftigen auch die Möglichkeit, den die Angemessenheitsgrenze übersteigenden Betrag aus eigenen finanziellen Mitteln, Einkommen, Vermögen etc. zu erbringen. Diese Möglichkeit wird von Arbeitslosengeld-II-Empfängern in einer Vielzahl von Fällen genutzt, in denen die Miethöhe nur geringfügig über der Angemessenheitsgrenze liegt.
Wie viele Arbeitslosengeld-II-Bedarfsgemeinschaften zum Zweck der Reduzierung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Thüringen umziehen, wird nicht flächendeckend erfasst. Es ist zu berücksichtigen, dass Umzüge von Arbeitslosengeld-II-Empfängern auch logischerweise aus einer Vielzahl anderer Gründe, zum Beispiel familiären oder gesundheitlichen Gründen, erfolgen, so dass sich rein leistungsbezogene Umzüge nicht gesondert ausweisen lassen. Darstellungen, wonach die kommunalen Träger in Folge verordneter Zwangsumzüge Umzugswellen erwarten, sind nach Angaben der Thüringer ARGEN und Optionskommunen unzutreffend und stellen daher, meine Damen und Herren, reine Stimmungsmache dar.
Nun zur Umzugskostenerstattung: Wohnbeschaffungskosten sowie Mietkautionen bzw. Genossenschaftsanteile und Umzugskosten können nach vorheriger Zusicherung vom kommunalen Träger übernommen werden. Es ist Verwaltungspraxis, Mietkautionen und Genossenschaftsanteile darlehensweise gegen Abtretung des Rückzahlungsanspruchs gegenüber dem Vermieter zu gewähren. Umzugskosten erfassen alle im Zusammenhang mit dem Umzug anfallenden Kosten. Hierzu gehören neben dem Packen und Transport des Hausrats auch die Kosten für eine erforderliche Renovierung der alten und der neuen Wohnung. Entsprechend dem Erfordernis eines sparsamen und wirtschaftlichen Umgangs mit öffentlichen Mitteln ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsträger zunächst darauf drängt, einen Umzug oder eine Renovierung
nach Möglichkeit in Selbsthilfe durchzuführen und sich auf die Übernahme der in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten beschränkt. Erst wenn dem Leistungsempfänger bzw. der Bedarfsgemeinschaft ein Umzug oder eine Renovierung in Selbsthilfe nicht zugemutet werden kann, kommt die Übernahme der Kosten für ein Handwerks- bzw. Umzugsunternehmen in Betracht. In diesem Fall muss entsprechend dem Leitgedanken, Steuermittel sparsam zu verwenden, vorher ein Kostenvergleich zwischen mehreren Anbietern logischerweise vorgenommen werden.
Jetzt zum Thema der Jugendlichen unter 25 Jahre: Nach derzeitiger Rechtslage bilden Jugendliche mit Eintritt der Volljährigkeit eine eigene Bedarfsgemeinschaft. Sie erhalten damit unabhängig von den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende und können einen eigenen Hausstand gründen. Dies beinhaltet nach der derzeitigen Gesetzeslage die Möglichkeit, allein durch den Auszug aus der elterlichen Wohnung auch einen eigenen Anspruch auf KdU-Leistungen und Umzugskostenerstattung zu begründen. Von dieser Möglichkeit wurde in der Praxis in großem Umfang Gebrauch gemacht. Dies ist mit eine Ursache für den Anstieg der Zahl der Leistungsempfänger und die erheblichen Mehrkosten bei den SGB-II-Leistungen.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wurde daher vereinbart, dass unverheiratete, volljährige unter 25-jährige Kinder grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern mit einbezogen werden sollen. Außerdem soll vor dem Umzug in eine eigene Wohnung die Zustimmung des Leistungsträgers eingeholt werden.
Ich halte, meine Damen und Herren, diese Vereinbarung mit Blick auf den existenzsichernden Charakter der SGB-II-Leistungen für durchaus sachgerecht.
Zu den Handlungsempfehlungen - darauf komme ich gern nachher noch einmal zurück - der Thüringer Landesregierung: Das TMWTA begleitet die Umsetzung des SGB II im Rahmen seiner Rechtsaufsicht seit In-Kraft-Treten des Gesetzes. Es hat diesbezüglich zur Anwendung und Umsetzung der Vorschriften an die Leistungsträger Handlungsempfehlungen und Vorgaben erlassen, die unter Beachtung der aktuellen Rechtsprechung zu diesem Leistungsbereich kontinuierlich fortgeschrieben werden. Sie beziehen sich insbesondere auf die Angemessenheit der Unterkunft und Heizung, die Umzugskosten sowie die Besonderheiten bei Eigenheimen und Eigentumswohnungen. So weit zu den wesentlichen Fragen der
Meine Damen und Herren, in Thüringen gibt es Ende November rund 150.000 Bedarfsgemeinschaften mit rund 257.000 Personen. Davon sind 200.900 erwerbsfähige Hilfebedürftige. In Anbetracht dieser großen Zahl und der insgesamt schwierigen Rahmenbedingungen läuft die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen durch die ARGEN und optierenden Kommunen in Thüringen relativ gut und ohne größere Probleme, auch wenn oftmals schwierige Einzelfälle zu beurteilen sind. Das SGB II ist in der Umsetzung, insbesondere auch bei den Kosten für die Unterkunft und Heizung, recht kompliziert und sehr verwaltungsaufwendig.
Die Landesregierung setzt sich im Rahmen der bevorstehenden Optimierung des SGB II neben erforderlicher Klarstellungen bei den gesetzlichen Zuständigkeiten und der Finanzierung insbesondere für mehr Spielraum und Verwaltungsvereinfachungen, z.B. durch Pauschalierungen und eine Verlängerung des Regelbewilligungszeitraums auf ein Jahr, ein, um die praktische Umsetzung des SGB II vor Ort zu erleichtern und dadurch mehr personelle Kapazitäten für die sehr schwierige Vermittlung in Arbeit und Ausbildung einsetzen zu können. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Ich frage jetzt die Fraktionen, ob die Aussprache zum Sofortbericht gewünscht wird. Die Linkspartei.PDS-Fraktion möchte das. Dann treten wir in diese Aussprache ein. Ich rufe für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Pilger auf.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, jede Information zur Umsetzung des Sozialgesetzbuches II ist für uns hilfreich. Deshalb begrüßen wir den Antrag der Linkspartei.PDS auf diesen Informationsbericht.
Allerdings möchte ich einem Eindruck vorbeugen, den zumindest die Begründung des Linkspartei.PDS-Antrags aufkommen lässt. Die kreisfreien Städte und Landkreise gehen nicht mit leichter Hand bei der Erstellung der Verwaltungsrichtlinien für den Wohnbedarf um. Dass hier in aller Regel sehr verantwortlich gehandelt wird, das ist sowohl der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Sedlacik in der Drucksache 4/1333 als auch dem heuti
gen Bericht des Wirtschaftsministeriums zu entnehmen. Die Verwaltungsrichtlinien basieren in aller Regel auf den langjährigen Erfahrungen der Sozialämter, die bei der Regelung der Unterkunftskosten der Sozialhilfeempfänger gemacht wurden. Was wir derzeit an öffentlicher Diskussion und Befürchtungen im Zusammenhang mit den Unterkunftskosten bei Hartz IV erleben, ist nämlich nicht erst seit der Inkraftsetzung des SGB II für einen Teil der Bevölkerung Alltag. Nur wurde die Wohnsituation der Sozialhilfeempfänger bis zum Ende des vergangenen Jahres leider kaum zum Gegenstand derartiger Debatten. Deshalb kann ich nur noch einmal betonen, es ist gut, dass wir uns dank der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe endlich mit der Lebenssituation derer auseinander setzen, die vorher als Sozialhilfeempfänger weitgehend aus dem Blickpunkt der politischen Öffentlichkeit verschwunden waren. Und natürlich ist es erforderlich, dass die Landkreise und kreisfreien Städte auf Preissteigerungen, insbesondere bei den Betriebskosten, entsprechend schnell reagieren. Das scheint hier auch der Fall zu sein. In der Beantwortung der bereits genannten Kleinen Anfrage wird von vielen Landkreisen berichtet, die ihre Unterkunftsrichtlinien aufgrund der gestiegenen Betriebskosten bereits überarbeitet haben oder dies beabsichtigen. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Weil einfach nicht alle Entwicklungen bei der Erarbeitung von Richtlinien abzusehen sind, hat der Landkreis, aus dem ich komme, der Unstrut-Hainich-Kreis, von Anfang an eine entsprechende Öffnungsklausel vorgesehen.
Meine Damen und Herren, ich will die Probleme, die sich für Bezieher des Arbeitslosengeldes II für Unterkunft und Heizung ergeben, wirklich nicht bagatellisieren. Wenn wir uns die bisherigen Berichte anschauen, so sind die Aufforderungen zur Reduzierung der Kosten für Unterkunft und Heizung offensichtlich doch beträchtlich. Dass die Anzahl der deshalb veranlassten Umzüge sehr viel niedriger ist, scheint mir ein Beweis dafür zu sein, dass die Kommunen verantwortlich mit den gegebenen Entscheidungsspielräumen umgehen. Allerdings sollten wir uns mit zwei Entwicklungen besonders auseinander setzen: Mehr als bisher müssen wir uns hier im Landtag und in den Landkreisen und kreisfreien Städten klar machen, dass mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum SGB II die Arbeitsmarktpolitik zu einer wesentlichen Gestaltungsaufgabe der Kommunalpolitik geworden ist. Das bedeutet, dass nicht nur Verwaltungsumsetzung, sondern auch die Grundphilosophie des SGB II - fördern und fordern - als Gestaltungsauftrag in den Kommunalparlamenten und den Verwaltungen ankommen muss. Die Art und Weise der Förderung beinhaltet vor Ort u.a. den Umgang mit den Unterkunftskosten. Hier darf sich kein Wettbewerb um die schlechteren Wohnbedingungen zwischen den Landkreisen und
kreisfreien Städten entwickeln. Deshalb ist es sinnvoll, seitens des Landes zumindest eine Empfehlung zur Umsetzung von § 22 SGB II gegenüber den kommunalen Leistungsträgern abzugeben. Dies geschieht in anderen Bereichen kommunaler Zuständigkeit auch und es ist keine Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung. Es erhöht aber die Sensibilität der Kommunalparlamente und Kommunalverwaltungen und es mindert die Gefahr einer Spirale nach unten. Eine derartige Entwicklung würde nämlich nicht nur den betroffenen Menschen schaden, sondern auch dem sozialen Frieden in den Städten und Dörfern und damit sehr schnell auch der Attraktivität der Kommunen. Ein Blick nach Frankreich in den letzten Wochen sollte uns warnen. Dort war zu erleben, welche Gefahren, welche Eigendynamik soziale Brennpunkte entwickeln können. Soziale Brennpunkte entstehen aber ganz maßgeblich in der Folge einer verfehlten kommunalen Wohnraumpolitik. Noch sehe ich diese Gefahr nicht, aber wir sollten rechtzeitig Sensibilität entwickeln und gegensteuern.
Es gilt, Fehlentwicklungen bei der Gründung eigener Bedarfsgemeinschaften junger Menschen zu verhindern. Wir haben in den vergangenen Monaten sehen müssen, dass die gesetzlichen Möglichkeiten in nicht wenigen Fällen von gut situierten Eltern ausgenutzt wurden und zu einer ungeahnten Ausweitung an Bedarfsgemeinschaften von jungen Menschen geführt hat. Ganze Abiturklassen sollen so den Zeitpunkt bis zur Studien- oder Ausbildungsaufnahme überbrückt haben. Das kann nicht der Sinn der Sache sein.
Wer wie ich in der Jugendhilfe und der Sozialhilfe tätig war, der weiß aber auch, dass es hier zu differenzieren gilt, der weiß, dass ein zu laxer Umgang bei der Gründung eigener Haushalte jungen Menschen nicht hilft. Es ist nicht richtig, dass Eltern von ihrer Unterhaltspflicht mit leichter Hand entbunden werden, und es ist in vielen Fällen ebenfalls nicht richtig, Probleme zwischen Generationen durch Flucht vor der Auseinandersetzung zu lösen.
Das gilt mit Blick auf die Persönlichkeitsentwicklung eines jungen Menschen, es gilt mit Blick auf deren erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt und es gilt auch mit Blick auf die kommunalen Haushalte. Das heißt aber trotzdem, dass im begründeten Fall der Auszug aus dem Elternhaus möglich sein muss. Deshalb ist es gut, dass innerhalb des SGB II in dieser Hinsicht nachgesteuert wird.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der heute gegebene Bericht sollte ein weiterer Anlass dafür sein, dass wir uns die Umsetzung des SGB II in Thüringen Anfang des nächsten Jah
res in diesem Hause genauer anschauen. Es ist eben nicht damit getan, dass sich das Land zurücklehnt und seine Arbeit im Wesentlichen auf die Verteilung und Verwaltung der ESF-Mittel konzentriert. Währenddessen wird die Beratung und Unterstützung der Kommunen und Regionen Jahr für Jahr mehr zum Stiefkind. Es gibt faktisch keine wahrnehmbare Landesarbeitsmarktpolitik mehr. Die Rückgabe von Fördermitteln für aktive Arbeitsmarktförderung und die Anzahl der Langzeitarbeitslosen sollten ein weiteres Warnsignal sein. Fördermittel sind eben nicht alles.
Ich bin davon überzeugt, dass wir prüfen müssen, welche Strukturen wir in Thüringen brauchen, um die gesetzlichen Möglichkeiten besser umzusetzen, welche Strukturen wir aber vor allen Dingen brauchen, um den Menschen besser als bisher zu helfen. Da wurde in den vergangenen Jahren und auch in diesem Jahr manches Sinnvolle zerstört. Ich erinnere nur an die Probleme der Arbeitsloseninitiativen und an die ABS’en. Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, allein das Warten auf ein Wirtschaftswachstum ist politisch nicht weiter zu verantworten. Deshalb sollte sich die Landesregierung endlich dieser Situation stellen. In diesem Sinne betrachte ich den heutigen Bericht als einen Auftakt für die bevorstehende parlamentarische Auseinandersetzung mit der Arbeitsmarktpolitik des Landes und der Arbeitsmarktpolitik in den Kommunen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Herrn Minister Reinholz für die Berichterstattung und die ausführlichen Auskünfte, die dem Grunde nach den Informationsbedarf der Antragsteller schon weitestgehend gedeckt haben dürften. Trotzdem noch ein paar Anmerkungen von mir und meiner Fraktion zu dem nicht ganz unwichtigen Thema.
Vorab eins, Frau Kollegin Enders, ich schätze Ihr Engagement für die kommunale Seite sehr, auch als Bürgermeisterin
aber an dem Punkt bei Ihrer Begründung verweisen Sie darauf, dass Hartz IV Arbeitsplätze schaffen sollte. Das ist schlechthin einfach falsch. Es war nie Sinn des Gesetzes und der Zusammenlegung beider Leistungssysteme, Arbeitsplätze zu schaffen. Das funktioniert anders, nämlich durch vernünftige Arbeitsmarktpolitik. Aber das steht heute nicht auf der Tagesordnung.
Teilweise haben Sie allerdings Recht, die rotgrüne Bundesregierung hat im Rahmen der Gesetzgebung handwerklich schlecht gearbeitet. So wurde eben bezüglich der Angemessenheit für die Kosten der Unterkunft per Gesetz keine einheitliche Regelung in Form einer Rechtsverordnung getroffen, sondern nur ein Richtwert vorgegeben. Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist tatsächlichen den kommunalen Leistungsträgern, also den Landkreisen und kreisfreien Städten, überlassen worden, die hierfür Richtlinien zu den Kosten der Unterkunft erlassen haben. Trotz, dass bundesweit regional differenzierte Unterkunftsrichtlinien existieren, sind in Thüringen keine enormen Abweichungen festzustellen.“ Dieses Zitat habe ich entnommen dem Parlamentsreport PDS-Fraktion 2/05 vom 2. Januar 2005. Die Sache der Umsetzung der Verwaltungsrichtlinien ist eine Angelegenheit vor Ort. Das Land hat, wie Herr Minister Reinholz ausgeführt hat, hier keine Zuständigkeit oder Mitwirkungshandlung. Bei den Aufgaben und Zuständigkeiten für die Kosten der Unterkunft handelt es sich um Tätigkeiten im eigenen Wirkungsbereich. Das Land hat lediglich die Rechtsaufsicht; das Land ist also der falsche Adressat für Einflussnahme auf die Verwaltungsrichtlinien der Kommunen. Hier können wir als Kommunalpolitiker dann wieder ansetzen und entsprechende Beschlüsse fassen. Dennoch gibt es Handlungsempfehlungen für Verwaltungshandeln, um Recht und Gesetz einzuhalten. In der Regel werden die Kosten der Unterkunft und der Heizung in tatsächlicher Höhe von den kommunalen Leistungsträgern übernommen. Übersteigen die Kosten die Angemessenheitsgrenze, die sich nach der persönlichen Situation, der Art des Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen am Wohnort richten, erhalten betroffene Zuwendungsempfänger von ALG II eine Kostensenkungsaufforderung, falls möglich und zumutbar. Die Kosten werden bis zur Kostensenkung, jedoch längstens im Regelfall für 6 Monate in tatsächlicher Höhe übernommen. Ist dann der Zugang zum Wohnungsmarkt erschwert und die Gegebenheiten vor Ort verweisen auf einen angespannten Wohnungsmarkt, ist nicht nach Regelfall zu verfahren. Auch werden Zuwendungsempfänger verpflichtet, durch Eigenbemühungen nachzuweisen, dass keine Alternative verfügbar und zugänglich ist. Entsprechende Hilfeleistung wird hier amtlicherseits immer gewährt, natürlich in sehr unterschiedlicher Art und Weise. Flächendeckend wurden nach der Einzelfallprüfung durch die ARGEN eine Reihe von
Leistungsempfängern von ALG II aufgefordert, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken. Den Betroffenen wird eingeräumt, ihre Kosten, wie gesagt, auf unterschiedlichste Art zu reduzieren. Die bereits vom Minister genannten Ermessensspielräume verdeutlichen die individuellen Lösungsmöglichkeiten für die Betroffenen.
In Anbetracht ständig steigender Preise von Energie oder Heizstoffen ist es erforderlich, die Unterkunftsrichtlinien ständig an die aktuelle Situation anzupassen. Auch das erfolgt in der Regel durch Beschluss des Kreistags. Alle von Ihnen angesprochenen Fragen in Ihrem Antrag sind dort zu beraten und zu regeln und in diese Richtlinien einzuarbeiten - örtliches Mietniveau, Übernahme der Kosten bei Umzug, Mietkaution, sehr wichtig Abtretungserklärung an Wohnungsgenossenschaften bzw. Vermieter, denn nicht immer kommt das Geld auch dort an, wo es hin soll. Was erkennen wir? Ihr Antrag, liebe Kollegen, trägt den falschen Adressaten, macht aber deutlich, wo die Nachbesserungen des Gesetzes der neuen Bundesregierung ansetzen sollten, aber dazu komme ich nachher noch.