Die Verabschiedung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen stellt daher einen wichtigen Schritt dar, denn wir haben nun ein Gesetz. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu gleichwertigen Lebensbedingungen für behinderte Menschen in unserem Freistaat. Ich sage aber auch, nicht ein Gesetz allein wird zu mehr Gleichberechtigung führen können, dazu brauchen wir die Menschen, dazu brauchen wir die gesamte Gesellschaft, zumal auch gilt, völlige Gleichheit, wird sich nie herstellen lassen. Behinderungen
sind ganz unterschiedlicher Art. Sie werden sich auch durch größte Anstrengungen nie ganz ausgleichen lassen. Diese realistische Einsicht bewahrt vor falschen Versprechungen.
Diese Einsicht wollen wir aber mit zwei Grundsätzen nicht opfern, die für uns im Gesetz wichtig waren. Das sind erstens, das Ziel der Gleichstellung dennoch mit Blick auf das Machbare konsequent zu verfolgen, auch zukünftig und zweitens, das Ziel der selbstbestimmten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ganz besonders ernst zu nehmen. Gleichstellung und Teilhabe bedeuten aber nicht, einen generellen Ausgleich von Nachteilen zu versprechen, wie er unmöglich geleistet werden kann.
Gleichstellung und Teilhabe bedeuten viel mehr, den anderen anzunehmen, wie er ist, die Barrieren in den Köpfen abzubauen, das Miteinander zu erleichtern, wo auch immer es geht. Menschen mit einem Handicap sind nicht in erster Linie behindert, sondern sie sind anders, so wie alle Menschen anders sind. Das Miteinander zu erleichtern, ist eine Aufgabe, vor der wir alle stehen. Es ist nicht in erster Linie eine politische, sondern vielmehr eine gesellschaftliche Aufgabe. Gleichwohl ist es die Pflicht der Politik, das Bestmögliche zu tun, um Hilfen für Menschen mit Behinderungen bereitzustellen. Gleichstellung und Teilhabe muss praktikabel gemacht werden. Das Thüringer Gesetz tut genau das. Sein Maßstab ist der Rahmen, der durch das Bundesgleichstellungsgesetz vorgegeben wird. Die Regierung überträgt diesen Rahmen in einer Form auf Landesebene, die der Haushaltssituation des Freistaats angemessen ist. Dabei haben wir nicht nur, aber eben auch auf die Kosten geschaut. Das gebietet die Verantwortung für dieses Land.
Deshalb ist der Entwurf der PDS unseriös gewesen. Er hätte jährliche Mehrkosten von mehr als 300 Mio. € verursacht. Das kann keiner schultern, Herr Nothnagel. Die Verwendung übrigens, Herr Nothnagel, der Ausgleichsabgabe bedarf natürlich einer Vereinbarung, weil wir nicht Geld ausgeben können, ohne eine solche Vereinbarung. Dass sie nicht zustande gekommen ist, liegt nicht an Thüringen; es hat kein Land eine ähnliche Vereinbarung zustande bringen können, auch nicht Mecklenburg-Vorpommern.
Hören Sie doch zu, Herr Nothnagel. Im diesem Jahr habe ich Frau Schmidt angeschrieben. Dies hat Bewegung in das Verfahren gebracht und heute sind so gut wie alle Gelder gebunden, die dem Sonderprogramm zur besonderen Förderung der Einstellung schwerbehinderter Menschen dient. Sie sind sozusagen bis Jahresende, vermute ich, auch ausgegeben.
Nun aber zu einigen Inhalten des Regierungsentwurfs. Dieser Regierungsentwurf belegt, dass dieses Gesetz ganz bedeutende Verbesserungen für die Menschen mit Behinderungen in unserem Land bringen wird. Ich nenne die zwei großen Bereiche:
Erstens: Das sind die Regelungen zur Barrierefreiheit in der öffentlichen Verwaltung, zum einen in baulicher Hinsicht, und zwar auch in Gebäudeteilen, die nicht nur für den Besucherverkehr vorgesehen sind, zum anderen aber auch in kommunikativer Hinsicht durch die Anerkennung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen.
Zweitens, die Interessenvertretungen für Menschen mit Behinderungen. Dazu zählt eben auch der Landesbehindertenbeauftragte. Herr Nothnagel, das war kein Schachzug, auch kein Druck der außerparlamentarischen Initiative, das war eine ganz bewusste Entscheidung - auch vom Ministerpräsidenten auf den Weg gebracht - im Interesse der Behinderten in diesem Land. Es ist vor allen Dingen - das darf ich ausdrücklich sagen - eine exzellente Besetzung durch Herrn Dr. Brockhausen.
Der führt sein Amt unabhängig und ressortübergreifend. Den Anmerkungen von Herrn Panse möchte ich nichts hinzufügen über die ehrverletzenden Bezeichnungen, die heute hier gefallen sind. Aber zu Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen zählen auch der Landesbehindertenbeirat und die kommunalen Behindertenbeauftragten. Hinzu kommt die Bildung einer Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Beauftragten, die es so in keinem anderen Land gibt.
Sowohl die parlamentarische Diskussion als auch die Anhörungen haben gezeigt, der Grundtenor des Gesetzes und seine grundsätzlichen Regelungsinhalte werden über alle Fraktionsgrenzen hinweg und auch bei den Behindertenverbänden mitgetragen und auch begrüßt. Zugegeben, viele Vorschriften stehen auch unter dem Vorbehalt des Haushalts, aber gerade deshalb halte ich den Entwurf der Landesregierung für eine realistische Lösung, die die Gleichstellung behinderter Menschen und deren gleichberechtigte Teilhabe Schritt für Schritt voranbringt.
Meine Damen und Herren, Herr Nothnagel, der § 20 ist eben kein „zahnloser Tiger“. Die Wirkung der Wahrnehmung der Prozessstandschaft der Verbände stärkt die individuellen Rechte der Behinderten. Es nützt aber niemandem, Illusionen in Gesetzesform zu gießen und Hoffnungen zu wecken, die sich letztendlich nicht erfüllen können. Ich denke, Regierung und Opposition sind sich einig in ihrem Willen, die Situation der Menschen mit Behinderungen weiter zu verbessern. Wir brauchen dafür Augenmaß, das das Mögliche vom Unmöglichen unterscheiden kann. Ich sage ausdrücklich, Herr Nothnagel, die Linkspartei.PDS lässt dieses Augenmaß eben vermissen. Sie fordern, was das Zeug hält und was sich eben nur fordern lässt. Ich zähle nur einiges auf: die Einführung von Assistenzgeld, Gehörlosengeld und sonstige Nachteilsausgleiche.
Meine Damen und Herren, zum Nachteilsausgleich allgemein noch einmal gesagt, dieser Sozialstaat kann nur langfristig Bestand haben, wenn Folgendes gilt: Derjenige, der die Kraft hat, der das Einkommen und der auch das Vermögen hat, sich und sein Leben zu gestalten, dem muss die Verantwortung für die Gestaltung seines Lebens auch abgefordert werden. Nur derjenige, der sich nicht selbst helfen kann, dem muss die Solidargemeinschaft der Gesellschaft auch helfen. Genauso funktioniert es beim Blindengeld. Das Blindengeld wird nicht ersatzlos gestrichen, sondern es tritt ein Wechsel, der demjenigen, der auf die Hilfe des Staates angewiesen ist, diese Hilfe auch künftig zuteil werden lässt. Diese Hilfe ist nicht schlecht, so meine ich, denn jemand, der 962 € netto bekommt, hat noch einen Anspruch auf die volle Blindenhilfe von 586 €. Selbst jemand, der 2.000 € netto hat, natürlich unter Berücksichtigung seiner Vermögenssituation, wird immer noch 170 € als Blindenhilfe erhalten. Ich halte dieses für eine gute Förderung, aber auch für eine notwendige Förderung.
Die Forderungen eines allgemeinen Nachteilsausgleichs sind unter Berücksichtigung der finanziellen Situation des Landes und auch der Kommunen völlig unrealistisch. Es ist unredlich, bei den behinderten
Menschen mit solchen Forderungen falsche Hoffnungen zu wecken, wohl gemerkt, unredlich nicht nur dem politischen Gegner gegenüber, sondern auch vor allem unredlich den Betroffenen gegenüber.
Aus diesem Grund hat der Landtag bereits den Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS in der 19. Plenarsitzung am 30.06.2005 abgelehnt. Auch die beteiligten Ausschüsse des Thüringer Landtags sowie der federführende Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit haben sich gegen die von der Linkspartei.PDS gestellten Änderungsanträge ausgesprochen.
Auch der Änderungsantrag der SPD-Fraktion hinsichtlich der Streichung des § 2 des Regierungsentwurfs lässt die Haushaltslage außer Betracht, und zwar die Haushaltslage der Kommunen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen muss aber bei der Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtungen berücksichtigt werden. Ich möchte an der Stelle, Frau Künast, auch noch einmal darstellen: Die im Entwurf der Landesregierung enthaltenen Verpflichtungen gelten grundsätzlich auch für die Kommunen. Das ist bei Weitem nicht in allen Ländern der Fall. Es ist aber wichtig, weil die Kommunen in den meisten Fällen die direkten Anlaufstellen der Bürger sind. Zugleich haben wir auch dafür Sorge getragen, dass die Kommunen nicht überfordert werden.
Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass das Gesetz trotz der Kompromisse, die wir eingehen mussten, den Vergleich mit den Gesetzen anderer Länder nicht zu scheuen braucht. Deshalb empfehle ich dem hohen Hause, dem vorliegenden Entwurf zuzustimmen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die DDR mal wieder herhalten musste nach über 15 Jahren, ich verstehe es bald nicht mehr, was diese Nummer hier heute soll bei einem Landesgleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen im Freistaat Thüringen...
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Vielleicht haben Sie die Dinge nicht erlebt, die da- mals geschehen sind.)
Also entschuldigen Sie, Herr Minister, jetzt muss ich mal laut lachen. Ich habe 23 Jahre lang in diesem Staat gelebt, und das als behinderter Mensch,
und ich habe ganz andere Wahrnehmungen zum Teil gehabt als Sie und das war nicht nur negativ, was behinderte Menschen betraf. Das gab es auch, aber nicht nur. Dann sehen Sie bitte nicht immer nur schwarz-weiß. Die Welt ist nicht so, sie ist grau und sie war damals schon grau und nicht schwarz-weiß.
Nun zu Herrn Panse, zu den Änderungsanträgen der CDU, was den Behindertenbeauftragten betrifft und was auch das barrierefreie Bauen betrifft. Herr Panse, es mag eine kleine Verbesserung sein, aber das macht das Schlechte nicht viel besser. Aus dem Grunde brauchen wir darüber auch nicht weiter zu diskutieren. Nachteilsausgleiche - Sie haben gesagt, Sie hätten gerne mit uns darüber diskutiert; leider habe ich bis jetzt nichts von einer Diskussion gemerkt. Sie haben das prinzipiell von vornherein einfach abgelehnt.
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Weil wir Menschen haben, die sich gekümmert haben.)
Ich habe aber auch vorhin in meiner Rede noch mal gesagt, was die persönliche Assistenz zum Teil für positive Effekte haben kann. Das scheinen Sie bis heute völlig auszuklammern.
Herr Minister, Ehrverletzungen von Herrn Dr. Brockhausen - ich habe von den Rednern der Opposition hier nichts von Ehrverletzungen des Herrn Dr. Brockhausen gehört. Das war letztendlich nur eine Feststellung dessen, was in diesem Gesetz steht und was Sie Dr. Brockhausen letztendlich damit antun. Es hat nichts mit dieser Person zu tun, die ich sehr schätze. Es hat was mit diesem Amt zu tun und ich finde es bedauerlich, was Sie mit behinderten Menschen dort machen. Ein prinzipielles Problem hat sich für mich in dieser Diskussion wieder sehr deutlich gezeigt, das ist nämlich das Behindertenbild, was Sie hier gezeichnet haben. Es geht wirklich nicht darum, Herr Minister, Behinderungen wegzumachen. Wir sind nun mal behindert und das ändert es auch nicht. Aber es gibt zwei Dinge in unserem Leben als Menschen mit Behinderungen: Das sind nämlich die Dis
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Das habe ich genauso gesagt.)
Das sind gesellschaftliche Dinge und das kann man nur mit Gesetzen regeln. Dass man natürlich die Menschen mitnehmen muss, das steht wohl völlig außer Frage; das kann ja nicht im luftleeren Raum passieren.
Ihre Erklärung, die Sie hier wieder zur Abschaffung des Landesblindengeldes gegeben haben, ich glaube, das müssen Sie denen da draußen noch mal erklären - den Blinden, die vor der Tür stehen. Die haben bis heute noch nicht Ihre Argumentation verstanden. Ich verstehe sie bis heute auch nicht.