Protocol of the Session on September 9, 2004

Viertens - Ausbau der Ganztagsschulen: Im Zusammenhang mit weiter auszubauenden ganztägigen Angeboten, wie sie von der Kommission angemahnt werden, gewinnt insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung von Ganztagsschulangeboten zu wirklich pädagogisch sinnvollen Angeboten an Bedeutung. Für Schüler der Sekundarstufe I ist je nach lokalem Bedarf ein schrittweiser Aufbau von entsprechenden

Ganztagsschulangeboten materiell und personell zu fördern und beratend zu begleiten. Hortkosten können in diesem Zusammenhang kontraproduktiv wirken, da sie konzeptionell zu Schulgeld werden. Im Sinne eines kindgerechten, gesunden Schulalltags gehören sie deshalb abgeschafft.

(Beifall bei der PDS)

Die heute angekündigte Kommunalisierung der Horte heißt bei der derzeitigen Finanzlage in den Kreisen und Städten brutal Abschaffung der Horte. Oder denken Sie wirklich, dass die Enquetekommission diese Aufgabe als Ein-Euro-Jobs angedacht hat? Eine weitere große Unsicherheit besteht zum Thema Schuljugendarbeit. Herr Minister Goebel, nur Sie kennen bislang die Eckzahlen des neuen Haushalts. Klare finanzielle Aussagen habe ich in Ihrem Bericht vermisst. Wie wird die weitere finanzielle Förderung aussehen? Dr. Krapp hat zum Ende der Legislatur die Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden angekündigt. Ist sie erreicht? Wie sieht das aus? Wird der Topf der Jugendpauschale, wie Sie eben gesagt haben, verdoppelt ober wie bisher weiter ständig vermindert, so dass die Kreise die Ausgleichszahlungen selbst aufbringen müssen? Die Schulen brauchen für ihre unmittelbare Arbeit schnellstmögliche Planungssicherheit, schließlich ist nach wie vor eine Menge Papier zu bewegen und das will niemand für den Papierkorb tun. Die Empfehlung, die institutionelle Fremdheit zwischen Schule und Sozialpädagogik abzubauen, ist dabei eine ganz wesentliche Forderung im Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau der Schuljugendarbeit. Umfangreiche Empfehlungen gibt die Kommission unter anderem auch zu Aus- und Fortbildung des pädagogischen Personals in Universitäten und Fortbildungseinrichtungen. Diese Empfehlungen nicht in die Tat umzusetzen heißt, auf wichtige Voraussetzungen für eine wirkliche Verbesserung der Unterrichtsqualität und Schullandschaft zu verzichten. Zum Schluss möchte ich noch meinen Kollegen Emde zitieren.

(Unruhe bei der CDU)

Zur Beratung des Abschlussberichts im Mai-Plenum sagte er: "Umso mehr muss es jetzt Ansinnen sein, die Ergebnisse in die breite Öffentlichkeit zu tragen und in Folge darüber zu diskutieren." Ich denke, wir sind uns dort einig, dass das, was hier an Vorschlägen erarbeitet wurde, wirklich breit diskutiert werden muss und auch zu politischer und örtlicher Umsetzung dann in den nächsten Jahren gelangen muss. Wie ernst ist dies dem einstigen Mitglied der Kommission und jetzigen Minister Goebel damit, wenn er äußert, ich zitiere: "... nur als Resultate einer momentanen Bestandsaufnahme zu betrachten, welche so nicht eins zu eins umgesetzt werden müssen". Eine sehr erstaunliche Deutung, lag doch bisher

ein weit gehender Konsens zwischen allen in der Kommission Arbeitenden vor. Oder war doch nicht alles so ernst gemeint? Nach der heutigen Regierungserklärung wird mir angst, mit welcher Brutalität die Ergebnisse der Enquetekommission schon im ersten inhaltlichen Plenum in den Papierkorb gestampft werden. Denn wäre es anders, würde man am Eingang vom Kultusministerium oder in den Landratsämtern in den Prospektständern dieses Heftchen nicht vergebens suchen. Dort findet man neben anderem Bedienungsanleitungen für Kläranlagen, Wald-, Jagd- oder Fischberichte. Vielleicht sollte die rührige Pressesprecherin Frau Trommer-Huckauf aus dem Landwirtschaftsministerium ins Kultusministerium wechseln. Dann wäre der Enquetebericht vielleicht wirklich Arbeitsgrundlage für Interessierte. Die Erfahrungen meiner Kollegin Skibbe, die noch bis zum Sommer Regelschullehrerin war, werden Sie noch hören.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das stimmt. Ja.)

Wenn die Enquetekommission nicht nur Selbstbeschäftigung des Parlaments gewesen sein soll, so müssen Sie sich, Herr Minister Goebel, auch dafür stark machen und nicht bloß den breiten Rücken für Einsparungen hergeben. Es gibt viel zu tun, packen wir es endlich an. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Emde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Reimann, eigentlich kann ich nach dem Zitat, das Sie vorgetragen haben, gleich schon wieder aufhören,

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Zeit sparend.)

denn die Sache war vor der Sommerpause so und vor der Wahl so und ist jetzt natürlich auch noch so. Ich sehe auch überhaupt keinen Widerspruch zwischen dem, was ich gesagt habe, dass wir diese Vorschläge breit diskutieren wollen mit den Menschen im Lande, die Bildung und Erziehung vorantreiben, und der Aussage von Minister Jens Goebel, der sagt, nicht unbedingt eins zu eins umsetzen. Denn aus dieser Diskussion heraus werden natürlich Vorschläge erwachsen, die das Ganze konkre

tisieren und praktikabel machen. Herr Kollege Döring, zu Ihrer Begründung des Antrags muss ich sagen: Hatten Sie denn eigentlich in diesen zwei Jahren der Enquetekommission auch nur einmal den Eindruck, dass wir von Seiten der CDU-Fraktion und Landesregierung nicht konstruktiv und engagiert mitwirken und in den Beratungen waren? Glauben Sie wirklich, dass wir uns so intensiv bei den Beratungen eingebracht haben, um jetzt die ganze Sache in den Aktenschrank zu schieben? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Herr Döring, ohne auch nur einmal das Gespräch gesucht zu haben, überzieht die SPD, in Person Sie, den Minister und die CDU-Fraktion mit Vorwürfen und Unterstellungen. Es wäre guter parlamentarischer Stil, zunächst das Gespräch und den konstruktiven Dialog zu suchen.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das stimmt doch aber.)

Herr Matschie, Sie sind vielleicht neu hier, aber vielleicht könnten Sie ja, ich weiß nicht, wie die Gepflogenheiten im Bundestag sind, hier mal etwas mehr Konstruktivität einbringen von Seiten der SPD-Fraktion. Denn in der Presse laut Dinge voraustönen, dann aber im Ausschuss nicht entsprechend nachlegen, das sollte der Vergangenheit angehören.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Wir sind sehr konstruktiv.)

Und, Herr Matschie, will man die Fragen der Erziehung und Bildung lösen, braucht man eben einen breiten gesellschaftlichen Konsens, sonst kommen Sie hier nicht voran. Darüber waren wir uns in den wichtigsten Fragen auch einig in dieser Enquetekommission und zwischen den hier anwesenden Fraktionen. Nach außen hin wird aber von Ihrer Seite wiederholt so getan, als gäbe es nur strittige Punkte. Der Abgeordnete Döring fordert einen bildungspolitischen Neustart und echte Innovationen und nennt dann dazu gemeinsames Lernen bis Klasse 8, mehr schulische Ganztagsangebote und Eigenverantwortung der Schulen. Da frage ich: Wozu brauchen wir einen Neustart? Die Regelschule bietet die Möglichkeit für gemeinsames Lernen unter dem Aspekt der Förderung jedes einzelnen Schülers. Ich behaupte, es gibt an Thüringens Schulen mehr Ganztagsangebote als in jedem anderen deutschen Bundesland und unsere Schulen tragen bereits ein hohes Maß an pädagogischer Eigenverantwortung mit Blick auf die Eigenständigkeit von Schulen.

In vielen Fragen sind wir in der Enquetekommission zu gemeinsamen Standpunkten gekommen: Höhe

re Wertschätzung der Bildung im Kindergarten; neue Wege bei der Sicherung der Qualität des Unterrichts in der Schule; bessere Darstellung der Regelschule als eine Schule mit gestuften Schulabschlüssen und durch deren Besuch jeder Schüler bis hin zur Hochschulreife gelangen kann; die Entwicklung von mehr Ganztagsangeboten mit Wertlegung auf deren inhaltlich qualitative Ausgestaltung, denn nicht Schule den ganzen Tag allein führt zu besseren Bildungsergebnissen oder auch bei der Erzieherausbildung einen Weg einzuschlagen, weg von der Breitbandausbildung hin zu spezifischerer Ausbildung für das Kinderalter in Kindertagesstätte und Hort; die qualifiziertere Ausbildung der Lehrer, insbesondere mit Blick auf deren Praxisbezug und Schwerpunktsetzung im pädagogisch-methodisch-didaktischen Bereich oder auch das Entwickeln niederschwelliger Angebote der Elternbildung, um in Zukunft diese Eltern besser zu erreichen, an die wir bisher nicht herankommen; und auch die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung sollte verbessert werden. Diese Liste der Gemeinsamkeiten ließe sich noch fortsetzen. Jetzt wird in den Pressemitteilungen und anderen öffentlichen Auftritten aber der Versuch unternommen, fehlendes Handeln und - noch schlimmer - fehlenden Willen zum Handeln bei der Union anzuprangern. Dem steht entgegen, dass wir bereits in der letzten Wahlperiode noch vor Abschluss der Kommissionsarbeit erste Erkenntnisse in politisches Handeln umgesetzt haben. Ich nenne die Leitlinien frühkindlicher Bildung, ich nenne die Schuljugendarbeit, ich nenne auch die Schulordnung zur Weiterentwicklung der Regelschule, um nur einige Dinge zu sagen. Andere Vorhaben sind angekündigt, nämlich ein Lehrerbildungsgesetz, Ausbau und Qualifizierung von Ganztagsangeboten, Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität von Bildungsprozessen. In jedem Falle werden wir dies aber im Gespräch mit den Beteiligten tun und insbesondere die Lehrer und Erzieher, aber natürlich auch die Eltern und Schüler in die Weiterentwicklung der Bildungslandschaft einbeziehen. Ich darf an dieser Stelle aber auch einmal daran erinnern, dass die SPD sechs Wochen vor Ablauf der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes eingebracht hat, von dem sie genau wusste, dass er nicht mehr beraten werden kann. Die Vorlage war fachlich grottenschlecht und der Umgang mit den Beteiligten im Lande ungehörig. Was die Entwicklung der Bildungslandschaft in Thüringen braucht, ist keine Kehrtwende oder ein Neustart, sondern Kontinuität und gezielte Innovation. Meine Damen und Herren von der SPD, wir haben Ihnen heute einen zweiten Sitz im Bildungsausschuss eingeräumt. Ich hoffe, Sie nutzen dieses Entgegenkommen,

(Unruhe bei der SPD)

um in der Ausschussarbeit mit konstruktiven Beiträgen zu glänzen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Wie gnädig.)

In der Aussprache hat sich der Abgeordnete Döring, SPD-Fraktion, zu Wort gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Wir waren immer konstruktiv.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in bunten Bildern wenig Klarheit, viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das haben Sie aber schön aufgeschrieben.)

Ich überlasse Ihnen die Entscheidung darüber, ob die Worte des Theaterdirektors im Faust auf die Darlegung des Ministers zutreffen oder nicht. Aber eines möchte ich Ihnen gleich zu Beginn klar und deutlich sagen: Es reicht nicht aus, wirklich nur einige Ihnen genehme Empfehlungen herauszufiltern, Herr Minister. Sie haben hier im Krapp'schen Sinne sozusagen eine kleinteilige Agenda abgearbeitet. Das ist ehrenwert. Aber es fehlt, und das ist deutlich geworden, die Bereitschaft wirklich zur notwendig gewordenen bildungspolitischen Innovation in einem größeren Rahmen. Das ist gerade das, was die Enquetekommission uns eigentlich in den Stammbaum geschrieben hat. Sie hat nämlich vor allem in den Blick genommen, was Bildung heute leisten muss, damit sie zukünftigen Anforderungen gerecht wird. Wir brauchen daher eine umfassende Bildungsoffensive, die von der Vision einer menschlichen Leistungsschule getragen wird. Und sie darf nicht zu kurz greifen und nur an den Symptomen kurieren, sondern muss grundlegend neue Perspektiven eröffnen.

Meine Damen und Herren, unsere Bildungseinrichtungen müssen verstärkt ergebnisorientiert arbeiten, sie brauchen ein deutlich größeres Maß an Selbständigkeit und Verantwortung. Es geht im Kern um die Entwicklung einer neuen Lernkultur, einer ermutigenden, anregenden, anspornenden und einer ansprechenden Lernkultur. Es geht darum, dass Bildungseinrichtungen die Förderung des Einzelnen als ihren zentralen Auftrag verstehen und annehmen. Und dabei spielen natürlich Pädagoginnen und Pädagogen die entscheidende Rolle. Denn sie stellen

sich täglich den pädagogischen Herausforderungen, sie kennen den konkreten Handlungsbedarf und auch die notwendigen Gestaltungsspielräume und sie brauchen natürlich genau deshalb bessere Möglichkeiten der individuellen Hilfestellung und sozialen Begegnung, mehr Zeit für kollegiumsinterne Beratungen, nicht zuletzt verlässliche Unterstützungssysteme. Zu all diesen Fragen gibt die Enquetekommission mit ihren Empfehlungen wesentliche Impulse. Und viele dieser Empfehlungen können ohne lange Vorlaufzeiten in konkreten Reformschritten verwirklicht werden. Kollege Emde, es reicht also nicht, nur anzukündigen, Sie müssen auch endlich tun.

Lassen Sie mich exemplarisch nur einige solcher Schwerpunkte benennen, denen der Kultusminister nach meiner Meinung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat.

Bessere Förderung schulischer Ganztagsangebote: Wir haben ja die Debatte über diesen Punkt schon häufig hier im Plenarsaal geführt. Die Enquetekommission empfiehlt eine bedarfsgerechte Initiative zum schrittweisen Ausbau von Ganztagsschulen und die sind materiell und personell zu fördern. Wir wissen ja, zur materiellen Förderung hat sich der Bund in die Verantwortung gegeben. Bei der personellen Förderung, und die ist ja für die Qualität unabdingbar, ist das Land in der Verantwortung. Das Land nimmt aber diese Verantwortung bisher nicht wahr. Es reicht nicht aus, zu sagen, wir haben Schuljugendarbeit und damit haben wir die materiellen und personellen Voraussetzungen für Ganztagsangebote. Das ist zu kurz gegriffen. Viele Länder machen uns vor, dass man hier ganz konkret auch Stundendeputate den Schulen zur Verfügung stellen muss. Nur dann erreiche ich Qualität. Das müssen Sie endlich auch einmal zur Kenntnis nehmen und umsetzen. Wenn es darum geht, dass die Enquetekommission ein abgestimmtes Zusammenwirken von Unterricht und Hort als ein unabdingbares Qualitätsbeispiel nennt, dann sage ich: Was Sie hier mit dem Schulhort machen wollen ist kontraproduktiv. Sie schaffen den Schulhort ab, um dann wirklich eine Vernetzung, ein notwendiges Zusammenwirken von Hort und Schule - das, was wir sozusagen in Thüringen als Qualitätsvorteil über lange Jahre erhalten haben und wirklich als Bildungspolitiker verteidigt haben - einfach so aufzugeben, einfach zu sagen, wir geben das der Kommune, das ist für mich bei der Finanzlage wirklich bildungspolitisch einfach unmöglich. Wir werden versuchen, da noch einen Widerstand zu organisieren, dass das nicht gelingt.

(Zwischenruf Abg. Reimann, PDS: Ein Skandal!)

(Beifall bei der SPD)

Bessere Flankierung bei der Einführung der Schuleingangsphase: Wir haben ja die Schuleingangsphase im Gesetz beschrieben. Aber allein ein Gesetz heißt noch nicht, dass die Umsetzung funktioniert. Es gab im vergangenen Jahr, am Ende des Jahres, eine Weiterbildung im ThILLM zu diesem Thema. 800 Grundschullehrerinnen sind gekommen, es ist ein Riesenbedarf. Die Enquetekommission sagt: Wir brauchen hier ein Unterstützungssystem zur Kompetenzentwicklung der Lehrerinnen und Lehrer und Erzieherinnen und Erzieher. Das ist notwendig. Ansonsten reden wir von der Schuleingangsphase, aber sie ist nicht Schulwirklichkeit. Hier sagt die Enquetekommission klar, was zu tun ist. Ich hätte mir gewünscht, Herr Minister, dass Sie hier deutlich sagen, was Sie machen wollen. Mehr Qualität und Verbindlichkeit in der frühkindlichen Bildung, Sie haben die Leitlinien angesprochen. Sie wissen aber, dass die Leitlinien nur ein erster Schritt sein können. Wir brauchen, Sie haben es angekündigt, einen verbindlichen Bildungsrahmenplan. Es gilt, wirklich Lernbereiche, Entwicklungsrichtung und Bildungsziele zu benennen, die eine systematische Einführung in wesentliche Wissens- und Erfahrungsbereiche für Kinder ermöglichen. Und wir haben hier einen strukturellen Vorteil. Ich finde es ja sehr lobenswert, dass die Kindertagesstätten in den Bereich der Bildung jetzt integriert sind. Das sollte uns wirklich dabei helfen, hier konsequent diesen Bildungsrahmenplan anzugehen. Die Enquetekommission hat klare und deutliche Optionen dazu geschrieben, Handlungsoptionen auch, wie man sie zusammensetzt, auch generell welche Wege zu gehen sind, welche Inhalte. Also besser kann man das doch gar nicht bekommen. Man muss nur endlich die Impulse aufnehmen. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Empfehlungen, die zu realisieren sind. Ich will sie nur aufzählen, weil nicht die Zeit ist, sich intensiv damit auseinander zu setzen. Es geht um den Ausbau der Kindertagesstätten als Anlaufpunkt/Unterstützungsservice für Eltern, wie stellen sie sich das vor, wie soll das entwickelt werden. Es geht um einen Modellversuch Hochschulstudiengang für Erzieherinnen und Erzieher. Sie haben was von Zusatzqualifikation gesagt, das ist ein erster Schritt - wie soll es dann weitergehen. Sie haben etwas gesagt zur Weiterentwicklung der Schulkultur. Ein entscheidender Punkt sind aber die Rahmenbedingungen für die Differenzierung des Unterrichts zur individuellen Förderung. Welche Vorstellungen haben Sie, Herr Minister, um wirklich individuelle Förderung an den Schulen zu ermöglichen? Das hat nämlich intensiv mit Rahmenbedingungen zu tun und hier erwarte ich auch Umsetzungsvorschläge. Es geht um die kooperative Gestaltung des Bildungsraums durch schulpädagogisches und sozialpädagogisches Personal, eine ganz entscheidende Frage, wie wirklich auch sozialpädagogische Optionen in den Schulen wirksam werden können. Es geht um die Anregung von Kooperationsver

einbarungen zwischen Schulen, ihren Partnern im Rahmen von Schulprogrammen; es geht um ein gemeinsames Fortbildungsangebot in diesem Bereich Schule und Partner, das ja vom ThILLM, von den Fach- und Hochschulen und vom Landesjugendamt zu tragen ist. Es geht um die Reform der Thüringer Regelschulen über den bisherigen Rahmen hinaus, nämlich um gestufte Bildungsabschlüsse bis zur Hochschulreife. Es geht um die Integration, nämlich verstärkte Ausbildung von Sonderpädagogen zur Unterstützung von Schülern in den allgemein bildenden Schulen; Empfehlungen zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung sind intensiv festgeschrieben; Modelle zur Arbeitszeitgestaltung, Entwicklung von Modellen "Selbständige Bildungseinrichtungen". Zu all diesen Punkten haben wir heute von Ihnen, Herr Minister, kaum etwas gehört.

Meine Damen und Herren, Ministerpräsident Althaus, damals noch Fraktionsvorsitzender, hatte in der Debatte zur Einsetzung der Enquetekommission verkündet, dass im Ergebnis mehr praktische Konsequenzen aus der Arbeit der Kommission gezogen werden können. Ich zitiere: "Wir werden dann auch die Kraft haben, sie" - also die Ergebnisse der Enquetekommission - "hier im Landtag umzusetzen." Zu welchen praktischen Konsequenzen diese Kraftanstrengungen führen, haben wir in der Regierungserklärung erfahren: Abschaffung von Schulhort und Lernmittelfreiheit, substanzielle Kürzung der Erwachsenenbildung. Nach diesen Ankündigungen habe ich große Zweifel, ob die Landesregierung wirklich willens ist, die Empfehlungen der Enquetekommission ernsthaft umzusetzen. Wir werden trotzdem die Landesregierung nicht aus ihrer Pflicht entlassen und regelmäßig den konkreten Stand der Umsetzung hier im Hause thematisieren, Herr Minister, darauf können Sie sich verlassen. Sie haben es angekündigt, dass Sie das auch umsetzen werden. Wir werden uns also noch zu diesem Thema einige Male hier im Landtag in der Debatte gemeinsam streiten - im positiven Sinne streiten. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Skibbe zu Wort gemeldet.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nicht die eine Schule für alle, sondern die richtige Schule für jeden. So war es kürzlich in den Beilagen von "TA", "OTZ" und "TLZ" zu lesen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Gut so.)

Ein großes Ziel, Herr Minister Goebel, dessen Umsetzung ich nach der Regierungserklärung jedoch ernsthaft bezweifle. Natürlich begrüßen auch wir, dass mit der Bildung der neuen Landesregierung das neue Kultusministerium auch für den Bereich der frühkindlichen Bildung, für den Bereich der Kindertageseinrichtungen zuständig ist. Leitlinien für frühkindliche Bildung als verpflichtende Arbeitsgrundlage in den Kindergärten, die flexible Schuleingangsphase, bereits im vergangenen Schuljahr nach Erprobung in verschiedenen Thüringer Schulen eingeführt, sowie die Einstellung von Lehrern und Erziehern im Grundschulbereich benennen Sie als positive Schritte. Ich frage Sie aber: Was bedeutet die Übernahme des Bereiches frühkindliche Bildung in Ihrem Ministerium für die Jugendämter vor Ort? Es hat mich schon gewundert, von Ihnen, Herr Minister Goebel, in der Zeitung zu lesen, dass der Bericht der Enquetekommission "Erziehung und Bildung in Thüringen" nicht eins zu eins umgesetzt wird, da er nur eine momentane Bestandsaufnahme sei. 16 Monate Arbeit als momentane Bestandsaufnahme abzutun - na ja. Noch mehr wundere ich mich darüber, dass in Schulen und Kindergärten dieser Bericht offensichtlich kaum eine Rolle spielt. Wie auch, wenn dieser Bericht nicht einer breiten Öffentlichkeit zugeführt wird, wenn noch nicht einmal die direkt an diesem Diskussionsprozess Beteiligten, die Hauptträger der notwendigen Veränderungsprozesse, die Lehrer und Erzieher, über die Ergebnisse und Empfehlungen der Enquetekommission informiert werden. Erkundigt man sich vor Ort und spricht Lehrer oder Erzieher diesbezüglich an, so erntet man zumeist Verwunderung und Erstaunen darüber, dass es solch eine Kommission gab, ganz zu schweigen von einer Kenntnis der Resultate. Aus meinen beruflichen Erfahrungen denke ich, dass Lehrer, Eltern und Erzieher mit ins Boot geholt werden müssen, um an der Umsetzung der Empfehlungen der Kommission mitzuwirken. Eine Verteilung der Kurzfassung des Berichts an alle Schulen, Kindertagesstätten und Schulämter ist in großem Umfang und dringend nötig. Denn wir können wohl kaum davon ausgehen, dass sich diese Einrichtungen, mit Ausnahme der Schulämter vielleicht, den umfangreichen Bericht aus dem Internet ziehen. Einige Empfehlungen betreffen die Arbeit mit den Eltern. Klar, thematische Elternabende spielen nicht mehr überall eine große Rolle. Das sollte sich aber ändern. Die Verbreitung neuer Erkenntnisse der Familienforschung und zur kindlichen Entwicklung, in der Enquetekommission benannt, können schon einige Defizite mildern. Bei der Ergänzung der einladenden Elternarbeit durch eine aufsuchende sehe ich sowohl Potenzial für eine gute Zusammenarbeit zwischen den Erziehungsträgern als auch Konfliktpotenzial, wenn die Zusammenarbeit nicht gewünscht wird oder Unsicherheit besteht in Erziehungsfragen. Es ist manchmal erschreckend, wie wenig Eltern über die kindliche Entwicklung wis

sen und somit in der Erziehung vieles dem Selbstlauf überlassen. Fernseher und Computer gehören heute schon in vielen Kinderzimmern zum Standard und manche Eltern glauben, dadurch ihrem Kind etwas Gutes zu tun. Sprache, Bewegungsabläufe und Selbständigkeit werden dadurch nicht aktiv entwickelt. Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn unsere Kinder im zunehmenden Maße Verhaltensauffälligkeiten, Konzentrationsschwächen und Sprachstörungen haben. Um diese Entwicklung aufzuhalten bedarf es der Aufklärung einerseits und eines ganzen Netzwerks von Fachdiensten, die das Fachpersonal an den Kindertageseinrichtungen unterstützen.

(Beifall bei der PDS)

Fakt ist noch immer, je eher man auf Entwicklungsstörungen eingeht, desto größer ist die Chance, diese zu beheben. Oft habe ich es in den letzten Jahren erlebt, dass Auffälligkeiten zu spät erkannt wurden oder erst spät reagiert wurde. Das hat durchaus differenzierte Ursachen: Zu wenige Psychologen an den Kindereinrichtungen für immer mehr Fälle, aber auch ein Wegschieben nach dem Motto, vielleicht platzt ja der Knoten noch, und das hoffentlich bald. Und es besteht auch eine Rechtsunsicherheit bei den Eltern im Hinblick auf die Mitsprache bei der Bildungslaufbahn ihres Kindes. Man weiß heute nicht, dass der Schulpsychologe nur eine Empfehlung ausspricht und die Eltern entscheiden. So werden die Ratschläge von Lehrern und Erziehern einfach ignoriert. Viel Fingerspitzengefühl ist notwendig, um dies zu ändern. Ich begrüße daher ausdrücklich die Weiterarbeit mit den Ergebnissen der Enquetekommission, wie bereits von Frau Lieberknecht in ihrer Rede angekündigt. Wichtige Akzente sollten gemeinsam mit den Hauptträgern der notwendigen Veränderungsprozesse gesetzt werden. Ich freue mich auf die konstruktive Arbeit in den Ausschüssen. Danke.

(Beifall bei der PDS)