Auch die "Klagekultur", ein in Deutschland weit verbreitetes Phänomen, das von politischen Scharlatanen auf dem rechten und linken Spektrum gefördert und auch ausgenutzt wird, schafft keinen einzigen neuen Arbeitsplatz.
Im Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren: Jammern kostet Kraft, die an einer anderen Stelle viel besser eingesetzt werden könnte. Jammern bindet Energie und lenkt davon ab, dass in erster Linie wir selbst für unseren persönlichen Lebenserfolg verantwortlich sind. Nicht der Staat, nicht die Sozialsysteme, sondern jedes einzelne Individuum trägt zuerst die Verantwortung. Eigenverantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren, stellt keinen Gegensatz zur Solidarität dar, sondern im Gegenteil, Eigenverantwortung ist die Voraussetzung für Solidarität. "Nur wenn jeder für sich selber das tut, was er kann, werden genügend Mittel frei, um denen zu helfen, die sich nicht allein helfen können", stellt der Publizist Robert Leicht in der "Die Zeit" in diesem Jahr mit Recht fest.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Staat zu viele Aufgaben erfüllt und dass auch zu viele Ansprüche an staatliches Handeln gestellt werden, diese Einsicht setzt sich in Deutschland immer mehr durch. Der Wohlfahrtsstaat, für den jahrzehntelang Schweden als Mustervorlage diente, hat Erwartungen geweckt, die sich auf Dauer nicht erfüllen lassen. Er ist auch in Deutschland nicht länger finanzierbar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber was für uns Menschen gilt, das gilt auch für den Staat. Es ist nicht ganz einfach, Übergewicht, lästige Pfunde wieder loszuwerden, auch wenn man es gerne möchte. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes liegt die Staatsquote in Deutschland nach dem Stand 2002 bei rund 49 Prozent. Wenn die Staatsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht deutlich gesenkt werden, fehlt der Euro in den privaten Geldbeuteln. Damit werden persönliche Entfaltungskräfte gehemmt, Kräfte, die wir zur Überwindung der aktuellen Konjunkturkrise dringend benötigen. Wer - wie ich - unter den Bedingungen eines zentralistischen Staates aufgewachsen ist, kennt die Unzulänglichkeit eines Systems, das alles "von oben" lenken will. Dagegen stellen wir das Prinzip der Subsidiarität, ein Prinzip, das gerade im Zeitalter der Globalisierung wichtiger ist denn je. Der Staat darf nicht alle Aufgaben übernehmen, die der Einzelne oder die jeweils kleinere Gemeinschaft aus eigener Kraft erfüllen kann. Was kleinere Einheiten ebenso gut leisten können, davon sollte, ja davon muss der Staat seine Hände lassen.
Die Forderungen nach dem "schlanken Staat", der sich auf seine Kernaufgaben beschränkt, ist berechtigt. Aber es bedarf einer genauen Aufgabenkritik, damit Strukturveränderungen zum Erfolg führen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich - bedingt durch wachsende Steuerausfälle in Thüringen, etwa 2,2 Mrd. Sie stellt uns vor große Schwierigkeiten, aber sie beschleunigt auch den Modernisierungsprozess und erhöht den Druck, die gesamte Verwaltung zu straffen und Verwaltungsabläufe im Interesse der Bürger und einer leistungsfähigen Wirtschaft zu vereinfachen. Eine bürgernahe, wirtschaftsfreundliche Verwaltung muss sich an dem Leitbild "Dienen und nicht Herrschen" orientieren. Verwaltung ist kein Selbstzweck, sondern vorrangig Dienst für Bürger und Unternehmen. Das bedeutet: Die Serviceleistungen der Behörden werden nicht nur nach den Endergebnissen, sondern auch nach der Art, wie sie erbracht werden, bewertet. Wir wollen, dass die Behörden in Thüringen zuverlässig, entgegenkommend, schnell und kompetent beraten und entscheiden. Das heißt, wir müssen Qualitätsmaßstäbe anlegen, die sich an den Erwartungen und Bedürfnissen der Bürger und Unternehmen und damit des Landes orientieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb werden die Neustrukturierungen auf Regierungsebene zu mehr Effektivität und zu Einsparungen in den Ressorts führen. Deshalb haben wir z.B. das frühere Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie das Kultusministerium zusammengelegt. Es ist für Bildung vom Kindergarten über Schule, Hochschule bis zur Erwachsenenbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens zuständig. Die Kultur haben wir in dieses Ministerium integriert, weil sie Basis, Mittel und Ziel von Bildung und Erziehung ist.
Das neu geschaffene Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr ist für Städte- und Wohnungsbau, Verkehr, Landesplanung, Kataster und staatlichen Hochbau zuständig. Damit werden also die wesentlichen Infrastrukturmaßnahmen im Freistaat gebündelt und koordiniert.
Auch Sport und Tourismus gehören zusammen. Das hat nicht zuletzt die Biathlon-WM in Oberhof eindrücklich gezeigt. Deshalb ist der Wirtschaftsminister nun auch für den Sport zuständig. Die wirtschaftsnahe Forschungsförderung und die Technologieförderung haben wir ebenfalls im Wirtschaftsministerium gebündelt, weil Wirtschaftsunterstützung durch diese Maßnahmen besser gelingen kann. Von dieser Maßnahme erwarten wir wichtige Synergieeffekte.
Dem Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit sind die Koordinierungsstelle für Gewaltprävention, die Gleichstellungsbeauftragte, der Ausländerbeauftragte sowie das neu geschaffene Amt des Beauftragten für Menschen mit Behinderungen zugeordnet.
Die Stabsstelle Verwaltungsvereinfachung/Entbürokratisierung ist nun beim Thüringer Justizministerium angesiedelt. Sie wird, wie angekündigt, die Thüringer Gesetze und Verordnungen auf ihre Notwendigkeit hin abklopfen. Das gilt auch und gerade für neue Rechtsetzungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, künftig ist das Thüringer Finanzministerium auch für Spielbank- und Lotteriewesen zuständig und dem Finanzressort obliegt zusätzlich die Verantwortung für den Steuerungskreis Verwaltungsreform und für das EGovernment.
Für die Aufsicht über die Tunnelfeuerwehr A 71 ist zukünftig ausschließlich das Thüringer Innenministerium zuständig.
Dies sind einige wichtige Festlegungen, Neustrukturierungen in den obersten Landesbehörden, die auch auf eine deutliche Verschlankung verweisen. 10 von bisher 52 Abteilungen sind aufgelöst. Rund 400 Stellen, das sind etwa 15 Prozent der Beschäftigten, werden bis zum Ende der Legislaturperiode in den Ministerien eingespart.
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, Strukturen müssen regelmäßig überprüft und angepasst werden, um auch unter veränderten Bedingungen effizient arbeiten zu können. Das betrifft selbstverständlich auch die nachgeordneten Landesbehörden. Wir haben beschlossen, Standorte zu konzentrieren und Behörden aufzulösen.
3. Die Anzahl der Landwirtschaftsämter wird von jetzt 11 auf 7 reduziert, die Umsetzung erfolgt zum 1. Januar 2005.
4. Wir straffen die Forstverwaltung, statt 46 gibt es künftig maximal 28 Forstämter. Die Umsetzung erfolgt mit dem Doppelhaushalt 2006/2007. Ein entsprechendes Konzept werden wir im November dieses Jahres vorlegen.
5. Wir verschlanken die Justizverwaltung. Das heißt, in der laufenden Legislaturperiode verringert sich die
Anzahl der Amtsgerichte von bislang 30 auf 25. Eines von derzeit vier Landgerichten wird aufgelöst, ebenso eine von vier Staatsanwaltschaften.
6. Die Neustrukturierung in der Finanzverwaltung sieht vor, bis Ende 2007 die Zahl der Finanzämter von 20 auf 12 zu reduzieren. Die Bürgernähe bleibt durch zentrale Servicebüros vor Ort gewährleistet.
7. Der Landesanteil der Oberfinanzdirektion wird aufgelöst. Stattdessen errichten wir bis zum 1. Januar 2006 ein Landesamt für Finanzen mit den Bereichen Steuern, Zentrale Gehaltsstelle, Beihilfestelle und Zentrum für Informationsverarbeitung. Integriert wird zusätzlich das Thüringer Landesrechenzentrum.
8. Wir lösen den interministeriellen Arbeitskreis "Informationstechnik" auf und die Aufgaben werden in den Steuerungskreis E-Government beim Thüringer Finanzministerium integriert.
9. Das Landesamt für Denkmalpflege und das Landesamt für Archäologische Denkmalpflege werden zusammengelegt. Die Umsetzung erfolgt mit dem Doppelhaushalt 2006/2007.
10. Die Thüringer Gesellschaft zur Überwachung der Sonderabfallentsorgung wird spätestens bis Ende 2006 aufgelöst.
11. Die Verwaltungsschule Weimar und die Landesfortbildungsstätte Tambach-Dietharz werden verwaltungsseitig in das Bildungszentrum Gotha eingegliedert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird Einsparungen bedeuten, mehr Effizienz und mehr Bürgernähe. Deshalb müssen wir auch bisher staatliche Aufgaben überprüfen, ob sie nicht besser kommunalisiert oder gar privatisiert werden.
1. Die Staatlichen Umweltämter werden abgeschafft. Ihre Aufgaben werden teilweise an das Landesverwaltungsamt abgegeben und zum Teil kommunalisiert, aber auch privatisiert.
2. Im Zuge der Reform des Kataster- und Vermessungswesens werden bisher hoheitliche Aufgaben an Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure übertragen. Der Entwurf des Gesetzes liegt Ihnen zur Beratung mit dem heutigen Tag vor.
3. Das Landesamt für Soziales und Familie, das Landesjugendamt, die Versorgungsämter und die Ämter für Arbeitsschutz werden aufgelöst und die notwendigen Aufgaben sollen teils dem Thüringer Lan
desverwaltungsamt, teils dem Sozialministerium zugeordnet und teils kommunalisiert werden. Anträge auf Leistungen sollen bei den Kommunen abgegeben werden und bis November 2004 wird das Umsetzungskonzept erarbeitet.
4. Die Aufgaben der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau, der Fachschule für Agrar- und Hauswirtschaft, der überbetrieblichen Ausbildungsstätte für Landwirtschaft und Hauswirtschaft, des Staatlichen Bildungsseminars für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt sowie der Landeswaldarbeiterschule werden zentralisiert und neu geordnet. Die Umsetzung erfolgt mit dem Doppelhaushalt 2006/2007.
5. Die noch nicht im Thüringer Liegenschaftsmanagement integrierten Liegenschaften werden weiter zusammengefasst und unter diesem Dach vereinigt. Die Umsetzung erfolgt mit dem Reformhaushalt 2005. Wir werden versuchen, das Panorama in Bad Frankenhausen zu privatisieren. Die Umsetzung soll mit dem Doppelhaushalt 2006/2007 erfolgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, diese Straffung der Strukturen führt nicht nur zu mittelfristigen Einsparungen, sondern schafft auch mehr Deregulierung, mehr Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger.
Darüber hinaus wollen wir die Strukturen der Thüringer Aufbaubank, der Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung, der Landesentwicklungsgesellschaft, der Tochtergesellschaften der LEG, der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung sowie der Thüringer Tourismus GmbH straffen und weiterentwickeln. Bis Ende 2004 wird eine entsprechende Umsetzungsvorlage erarbeitet sein. Die Ressorts sind beauftragt worden, den Abbau von Landesbeteiligungen zu prüfen.
Darüber hinaus habe ich den Auftrag erteilt, ein Konzept über eine Bündelung der Städtebauförderung und der Dorferneuerung vorzulegen. Dasselbe gilt für die Städtebauförderung und die städtebauliche Denkmalförderung, um Synergien zu erschließen.
Geprüft wird auch, ob die Landesanstalt für Umwelt und Geologie, die Landesanstalt für Landwirtschaft sowie die Landesanstalt für Wald, Jagd und Fischerei fusioniert und gegebenenfalls Aufgaben privatisiert werden können. Bis zum Sommer 2005 wird diese Prüfung abgeschlossen sein.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten eine leistungsfähige Polizeiorganisation und deshalb werden wir auch dort die Strukturen straffen. Der Bericht zur Umsetzung wird dem Kabinett bis zum Herbst 2005 vorgelegt sein.
In meiner Regierungserklärung vom 6. Mai der letzten Legislaturperiode habe ich angekündigt, ein modernes und bürgerfreundliches Abgabenrecht für den Wasser- und Abwasserbereich zu schaffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Beiträge und Gebühren, die die Bürgerinnen und Bürger zu entrichten haben, müssen nachvollziehbar, verträglich und auch transparent sein. Dafür werden wir den Rahmen, das heißt das Kommunalabgabengesetz, ändern. Bereits am 25. Mai hat das Kabinett einen ersten Gesetzentwurf vorgelegt und auch zur öffentlichen Diskussion gestellt. Wir haben - wie angekündigt - eine umfassende Anhörung durchgeführt. Gegenwärtig werden die Stellungnahmen ausgewertet. Wir werden dem Landtag einen Gesetzentwurf vorlegen, der rechtlich und verfassungsrechtlich seriös ist
und das Problem der Wasser- und Abwassergebühren bzw. der Beiträge in ausgewogener Weise löst, sowohl für die Abgabenpflichtigen als auch für die Aufgabenträger. Selbstverständlich gilt meine Zusage: Wir werden das neue Kommunalabgabengesetz bis Anfang Oktober in den Landtag einbringen.