Ich wollte eigentlich dem Abgeordneten Ramelow, wenn er das gestattet, eine Frage stellen. Jetzt sitzt er schon wieder; ich kann sie aber vielleicht trotzdem stellen - oder?
Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor, deshalb kommen wir zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, der Ihnen in Drucksache 4/913 vorliegt, an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wir stimmen als Erstes über diesen Antrag ab. Wer ist für die Überweisung des Gesetzentwurfs der PDS? Wer ist gegen diese Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Es sind alle Abgeordneten von der CDU anwesend, es sind ebenfalls alle anderen Abgeordneten anwesend. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, der uns in Drucksache … Eine Wortmeldung? Herr Buse, bitte.
Es ist namentliche Abstimmung für den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS beantragt worden. Ich eröffne damit die Abstimmung.
Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Thüringer Gesetz zur Verwirklichung gesellschaftlicher Teilhabe behinderter Menschen, Gesetzentwurf der Fraktion der PDS in Drucksache 4/913
vor. Es wurden 83 Stimmen abgegeben: mit Ja haben 26 gestimmt, mit Nein 45, es gab 12 Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist damit abgelehnt (nament- liche Abstimmung siehe Anlage 1).
Wir kommen zum Zweiten zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 4/1008. Hier sind folgende Ausschussüberweisungen beantragt worden. Ich werde sie erst einmal kurz vortragen und noch mal rückfragen, ob wir alle erfasst haben: Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit, an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Bau und Verkehr und an den Gleichstellungsausschuss. Das dürfte alles sein. In dieser Reihenfolge lasse ich jetzt auch abstimmen.
Wer der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit folgt, den möchte ich jetzt um das Handzeichen bitten. Danke schön. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit ist das einstimmig geschehen.
Wer der Überweisung an den Innenausschuss folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte? Die gibt es nicht. Stimmenthaltungen? Es gibt einige Stimmenthaltungen. Mit einer Mehrheit ist die Überweisung an den Innenausschuss beschlossen worden.
Nun stimmen wir über die Überweisung an den Ausschuss für Bau und Verkehr ab. Wer dem folgt, den möchte ich jetzt um das Handzeichen bitten. Danke schön. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit ist das einstimmig geschehen.
Wer der Überweisung an den Gleichstellungsausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Das ist damit auch einstimmig geschehen.
Die Federführung soll beim Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit liegen. Wer der Federführung beim Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zustimmen möchte, den möchte ich jetzt um das Handzeichen bitten. Danke schön. Gibt es hier Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit liegt einstimmig die Federführung beim Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit.
a) Thüringer Gesetz über die Verga- be von Aufträgen der öffentlichen Hand an das Bau- und Dienstleis- tungsgewerbe (Thüringer Vergabe- gesetz) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/970 - ERSTE BERATUNG
b) Thüringer Gesetz zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Thü- ringer Vergabegesetz) Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 4/987 - ERSTE BERATUNG
Soweit mir bekannt ist, deswegen gab es vorhin etwas Irritationen, weil die Rednerliste weg war, gibt es keine Anträge zur Begründung aus den einreichenden Fraktionen. Ach doch, Frau Leukefeld für die PDS-Fraktion und den Tagesordnungspunkt 3 b. Bitte, Frau Abgeordnete Leukefeld.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, für die Vergabe öffentlicher Aufträge sind objektive Regeln nötig, die hohe Transparenz und fairen Wettbewerb gewährleisten. Öffentliche Aufträge stellen auch in Thüringen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar, denn der öffentliche Dienst ist ein bedeutender Abnehmer von Waren, Bau- und Dienstleistungen. Das gesamte Auftragsvolumen von Bund, Ländern und Gemeinden liegt zusammen bei mehreren 100 Mrd. € pro Jahr. Die PDS-Fraktion spricht sich dafür aus, dass die Politik in Thüringen ihrer Verantwortung nachkommt, einen geordneten Wettbewerb um öffentliche Aufträge zu gewährleisten, der nicht über Lohndumping und die Senkung von Qualitätsstandards geführt wird.
Das liegt im Interesse der Beschäftigten, aber auch der Unternehmen und nicht zuletzt auch der Auftraggeber in Landesbehörden und Kommunen. In diesem Wettbewerb dürfen tariftreue Unternehmen nicht länger benachteiligt werden.
Die PDS hält ein speziell ausgestaltetes Vergabegesetz für geeignet, diese Ordnungsfunktion zu realisieren. Der Freistaat gehört zu einer Minderheit von Bundesländern, die auf eine gesetzliche Regelung verzichten, denn in Thüringen fehlt ein
solches Gesetz. Der vorliegende Entwurf der PDS kombiniert als eigenständiges Merkmal die tariftreue Bindung mit einem Mindestlohn von 1.500 € und führt soziale Vergabekriterien ein. Um es gleich vorweg zu sagen, weil es ja sicherlich mögliche Gegenargumente gibt, das EU-Vergaberecht erlaubt es, soziale Belange in die Vergabe einzubeziehen. Der Gesetzentwurf der PDS dient mehreren Zwecken. Beschäftigte erzielen höhere Einkommen und die Sozialversicherung wird entlastet, die Binnennachfrage nimmt zu und regionale Wirtschaftskreisläufe werden gestärkt und Korruption und Schwarzarbeit werden bekämpft. Ist ein Angebot, dem der Zuschlag erteilt werden könnte, 10 Prozent niedriger als das Folgende, muss seine Seriosität geprüft werden. Damit wird auch eine Forderung der Wirtschaftsverbände umgesetzt. Der Gesetzentwurf enthält zudem wirksame Sanktionsmöglichkeiten, darunter Vertragsstrafen und den Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.
Mit dem Gesetz, meine Damen und Herren, wird die Spirale von Arbeitsplatzabbau, niedrigem Einkommen und sinkenden Qualitätsstandards durchbrochen.
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache zu 3a) und b), und es hat sich für die Landesregierung als Erster Minister Reinholz zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, namens der Landesregierung nehme ich zu den Gesetzentwürfen wie folgt Stellung:
Das Thema "Vergabegesetz" in Form eines Tariftreuegesetzes wurde bereits im Jahr 2000 im Thüringer Landtag umfangreich diskutiert. Damals fand der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion keine Mehrheit, dem Beschluss ging eine umfassende Anhörung des Wirtschaftsausschusses voraus. Mit der Ablehnung des Gesetzentwurfs trug der Thüringer Landtag unter anderem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Anfang 2000 zum vergleichbaren Berliner Vergabegesetz Rechnung. Der Bundesgerichtshof geht von der Verfassungswidrigkeit des Berliner Tariftreuegesetzes aus. Zum einen hätten die Länder keine Gesetzgebungskompetenz, da der Bund mit dem Tarifvertragsgesetz und der darin vorgesehenen Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen von seiner Gesetz
gebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat. Zum anderen verstoße das Gesetz gegen die im Grundgesetz verankerte negative Koalitionsfreiheit. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus. Sie wird allerdings noch im Laufe des Jahres 2005 erwartet. Rechtlich betrachtet sind somit die Gesetzentwürfe damit nicht entscheidungsreif.
Soweit der PDS-Gesetzentwurf in § 3 Abs. 2 einen Mindestlohn von 1.500 € für einen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer vorsieht, ist anzumerken, dass mit einem Tariftreuegesetz nicht gleichzeitig ein Mindestlohn eingeführt werden kann. Das Land hat hier unabhängig von der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs keine Gesetzgebungskompetenz. Zur Abwehr ausländischer Billiganbieter wurde im Übrigen zur Umsetzung des Arbeitnehmerentsendegesetzes die Mindestlohnverordnung des Bundes erlassen. Im Baubereich - Bauhauptgewerbe, Dachdecker-, Abbruchgewerbe sowie Maler- und Lackierhandwerk - gibt es insoweit einen gesetzlichen Mindestlohn, den die auch nicht tarifgebundenen Unternehmen einzuhalten haben, ohne dass es eines Vergabegesetzes bedarf. Der Landesregierung ist bekannt, dass dennoch einige Länder Tariftreueregelungen verabschiedet haben, dies erfolgte jedoch unter ganz anderen Vorzeichen. So wurde primär ein Bundestariftreuegesetz gefordert, nicht zuletzt, um einer Zersplitterung der Märkte zu begegnen. 2002 scheiterte ein entsprechender Gesetzentwurf am Bundesrat. Da der Gesetzentwurf die Zahlung eines Tariflohnes am Ort der Baustelle vorsah, ohne eine Tarifgebundenheit des Auftragnehmers vorauszusetzen, verwiesen insbesondere die neuen Länder auf die drohende Benachteiligung ihrer einzelnen Unternehmen. Dass einige alte Länder das Scheitern des Bundesgesetzes zum Anlass nahmen, Landestariftreuegesetze zu verabschieden, während Sachsen-Anhalt sein Tariftreuegesetz ersatzlos aufgehoben hat, spricht da schon für sich. Auch der Hinweis auf Sachsen, meine Damen und Herren, geht fehl. Zwar hat Sachsen ein Vergabegesetz, aber kein Tariftreuegesetz. Sachsen hat vergaberechtliche Vorgaben wie den Grundsatz der Teil- und Fachlosvergabe gesetzlich geregelt und auf eine Tariftreueregelung jedoch ganz bewusst verzichtet.
Im Interesse der Vermeidung einer Überregulierung sind in Thüringen die Konkretisierungen verschiedener vergaberechtlicher Vorgaben in die Vergabe-Mittelstandsrichtlinie aufgenommen worden. Im Gegensatz zum Vergabegesetz von Sachsen enthält die Vergabe-Mittelstandsrichtlinie schon seit Mitte der 90er-Jahre tarifrechtliche Bestimmungen für die Vergabestellen. Die derzeit geltende Verfassung der Vergabe-Mittelstandsrichtlinie vom 22. Juni 2004 sieht u.a. vor, dass Bieter, die gegen allgemeinver
bindliche Tarifverträge verstoßen, rechtswidrig handeln, und solche Bieter sind als ungeeignet aus der Wertung auszuschließen. Die Richtlinie knüpft damit an das Eignungskriterium der Zuverlässigkeit an und damit nicht an ein vergabefremdes Kriterium, wofür ein Gesetz notwendig wäre. Da es in vielen Dienstleistungsbereichen, sei es bei der Bewachung oder der Reinigung, allgemeinverbindliche Tarifverträge gibt, ist auch hier die Vergabe-Mittelstandsrichtlinie das Mittel der Wahl. Höhere Löhne können hier jedoch weder durch ein Vergabegesetz noch durch eine Richtlinie durchgesetzt werden, da beide von den bestehenden Tarifverträgen letztendlich ausgehen. Im Hinblick auf die Wertung unangemessen niedriger Angebote geht die Vergabe-Mittelstandsrichtlinie sogar noch weiter als die Gesetzentwürfe von SPD und PDS. Sie formuliert die Vermutung eines unangemessen niedrigen Preises, auf den der Zuschlag nicht erteilt werden darf, wenn das billigste Angebot 10 Prozent unter dem nächsten Angebot oder der Preisvorstellung des Auftraggebers liegt. Damit will sie den Vergabestellen die Prüfung ja gerade erleichtern. Wenn in diesem Zusammenhang der angeblich nicht ausreichende Vollzug der Vergabe-Mittelstandsrichtlinie beanstandet wird, stellt sich die Frage, ob dem durch ein Gesetz begegnet werden kann oder ob es nicht eher die Macht des Faktischen ist, die zur Vergabe an Billigangebote verleitet. Das TMWTA hat in seinem Internetauftritt unter der Überschrift „Billig muss nicht wirtschaftlich sein“ anhand von Beispielen dies anschaulich dargestellt. Die Aussage im Vorblatt des Gesetzentwurfs der SPD, dass die Qualität der Auftragsausführung im Vordergrund stehen muss, kann voll inhaltlich unterstützt werden. Vergaberechtlich kann die Qualität an erste Stelle gesetzt werden und der Preis an die letzte; der Haushalt muss es allerdings hergeben. Die Beschäftigung von Frauen, die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen und Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte sind alles Ziele, die auch die Landesregierung verfolgt. Dies über das Vergaberecht erreichen zu wollen, ist jedoch ein recht untauglicher Versuch. Sinn und Zweck der Vergaberegeln ist die wirtschaftliche Beschaffung unter sparsamer Verwendung der dafür eingesetzten Steuergelder und nicht die Umsetzung sozialpolitischer Ziele. Wie soll zum Beispiel ein Händler bei einem Papierlieferauftrag die Erfüllung der Voraussetzungen durch ihn und womöglich den Hersteller überhaupt nachweisen? Das ist nicht praktikabel und führt zu einem nutzlosen Personal- und Sachkostenaufwand für das Unternehmen und für die öffentliche Verwaltung. Ich denke, damit ist niemandem geholfen. Im Ergebnis sind damit keine Gründe ersichtlich, die eine Änderung der Beschlusslage von 2000 hier in diesem Hause rechtfertigen. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ziel unseres Gesetzentwurfs ist es, Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften und Unterlaufen bestehender Tarifverträge entstehen. Unser Entwurf bestimmt zu diesem Zweck, dass öffentliche Auftraggeber Aufträge über Baumaßnahmen und Dienstleistungen nur an solche Unternehmen vergeben dürfen, die das in Tarifverträgen vereinbarte Arbeitsentgelt am Ort der Leistungserbringung zahlen. Das Vergabegesetz soll für Aufträge des Landes, der Gemeinden, Gemeindeverbände und deren Einrichtungen und Unternehmen gelten.
Wodurch sind angebliche Einschnitte der unternehmerischen Freiheit nicht tarifgebundener Unternehmen gerechtfertigt? Wir sehen die Rechtfertigung in den teilweise gravierenden Missständen bei öffentlichen Vergaben und den dadurch verursachten wirtschaftlichen und sozialen Problemen: von Lohndumping, mangelnder Qualität der Auftragsausführung, wirtschaftlicher Existenzbedrohung, tariflich bezahlender Unternehmen bis hin zur Abwanderung der qualifizierten Fachkräfte. Der Blick auf die öffentliche Vergabepraxis zeigt, dass wir in den von unserem Gesetz genannten Bereichen Regelungen dringender denn je brauchen. Gerade im kommunalen Bereich ist der Druck zur Sparsamkeit bei öffentlichen Vergaben enorm gestiegen. Dieser Druck wird aufgrund der in diesem Hause von der CDU-Mehrheit beschlossenen erheblichen Kürzungen für die Kommunen weiter stark zunehmen. In dieser Finanzsituation räumen die in Haushaltsjahren denkenden und handelnden kommunalen Gremien kurzfristiger Sparsamkeit nur allzu oft den Vorrang vor langfristiger Wirtschaftlichkeit ein. Dabei wird nicht gefragt, ob die beauftragten Unternehmen im Rahmen ihres Angebots Gehälter bezahlen können, von denen ihre Mitarbeiter existieren können. Es wird nicht gefragt, ob diese Mitarbeiter auf zusätzliche staatliche Leistungen angewiesen sind. Es wird auch nicht gefragt, ob diese Unternehmen qualifizierte Fachleute halten können. Die kaum noch zu verantwortende Folge ist, dass gerade der öffentliche Vergabesektor dem Lohndumping in Thüringen massiv Vorschub leistet. Welche Arbeitsbedingungen manche Beschäftigte ertragen müssen, habe ich vor kurzem in einem Artikel anschaulich beschrieben gesehen. Dort wurde davon gesprochen, dass an manchem Arbeitsplatz dragon blood fließen würde.
Hinzu kommt, dass der Staat und die Gesellschaft für die Folgen dieser Niedriglohnpolitik an anderer Stelle teuer bezahlen müssen. Zum einen kann ausschließlich mit Billiglohnkräften keine ausreichende Qualität der Auftragserbringung sichergestellt werden. Das verteuert die Aufträge langfristig gesehen. Neben den Kosten durch mangelnde Qualität der Auftragserfüllung führt die systematische Bevorzugung von Billiglohnbetrieben zu einer Benachteiligung von tariflich gebundenen Unternehmen. Ein Vergabegesetz kann daher auch dazu beitragen, die wirtschaftliche Existenz solcher Unternehmen zu sichern, die qualifizierten Fachkräften Perspektiven und Einkommen in Thüringen bieten können.
Ein zweiter, nicht zu unterschätzender positiver Effekt einer tariflichen Bezahlung tritt hinzu. Sie steigert die Kaufkraft der Beschäftigten und stabilisiert die sozialen Sicherungssysteme. Auf einen einfachen Nenner gebracht kann man feststellen: Mit unserem Vergabegesetzentwurf stärken wir bei öffentlichen Aufträgen den Wettbewerb und die bessere Qualität der Auftragsausführung. Wir verhindern den Wettbewerb um die niedrigsten Lohnkosten. Die Gewichtung stimmt hier nämlich schon lange nicht mehr.
Ein wichtiger und unter den politischen Parteien auch umstrittener Punkt ist die Frage des Anwendungsbereichs des Gesetzes. Wir haben uns entschlossen, den gesamten Bereich des Baugewerbes in den Anwendungsbereich des Gesetzes aufzunehmen. Eine Unterscheidung nach Hoch- und Tiefbau haben wir nicht vorgenommen. Auch uns ist bekannt, dass der Bundesgerichtshof insbesondere die Tariftreueklausel für den Straßenbau im Berliner Vergabegesetz für verfassungsrechtlich problematisch gehalten hat. Er hat diese Frage zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Er hat selber nicht entschieden, er hat nur Bedenken angemeldet. Der BGH ist davon ausgegangen, dass im Stadtstaat Berlin gerade im Straßenbau etwa die Hälfte der Aufträge durch die Stadt selbst vergeben werden, der Rest entfalle auf den Bund und Private. Das Land Berlin habe damit eine marktbeherrschende Stellung, die es nicht mit seinem Vergabegesetz, das Unternehmen an die in Berlin geltenden Tarifverträge bindet, ausnutzen dürfe. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht dieser Auffassung folgen sollte, halten wir die Situation nicht mit der Thüringens vergleichbar. Zum einen ist die Situation in einem Stadtstaat eine andere als in einem Flächenstaat. Ein Stadtstaat, dabei muss man dessen Unternehmen mit betrachten, ist staatliche und kommunale Ebene zugleich. Er fällt als Auftraggeber wesentlich mehr ins Gewicht. Daher ist hier eine marktbeherrschende Stellung eher anzunehmen als in einem Flächenland, wo neben dem Land auch die Kommunen Auftraggeber sind. Insbesondere in Ostdeutschland fällt auch der Bund als Auftrag