Protocol of the Session on June 2, 2005

Das waren die einzigen, die dem Gesetz zugestimmt haben in einer Anhörung. Es sind die einzigen, die bis heute nicht gesagt haben, sie lehnen das Gesetz ab, sie wollen einen anderen Regelungsbedarf haben. Ich möchte sie wohl noch einmal konkreter benennen - Herr Worm hat einige aufgezählt -, die im Ausschuss waren. Hier sagen immer alle landläufig, es ist die Liga, die abgelehnt hat, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege. Wer verbirgt sich dahinter alles? DRK, Caritas, Diakonie, AWO ASB, sämtliche großen Verbände, die die Leistungsträger dann dieser Gesetze und der Pflege sind - die lehnen das Gesetz ab. Da muss man sich fragen, warum. Weil sie sagen, wir wollen die Ungleichbehandlung nicht in den Heimen und wir wollen vor allen Dingen nicht, dass wir als Träger diejenigen sind, die dann auch noch diesen immensen Verwaltungsaufwand, der nämlich genau mit diesem Verfahren wieder eingeführt wird, auch noch zu regeln haben. Jede Investition wird fünfmal überlegt aufgrund der Tatsache, dass der Eigentümer des Heimes, der Träger, der Betreiber des Heimes sich zehnmal mehr fragen wird, investiere ich oder investiere ich nicht, denn ich muss das auf meine Frau Müller, Herrn Schmidt umlegen im Sinne von: Ab dem Monat, wo sie dann auf diesem Bett sind oder dort in dem Zimmer wohnen, haben sie die Investition zu tragen. Das wird vehement abgelehnt. Interessant ist, dass es auch die privaten Anbieter ablehnen. Die privaten Anbieter lehnen das nicht ab aus dem Grund, sie könnten nicht genug verdienen, sondern sie haben genau an dieser Stelle dasselbe Problem. Und - für mich hochgradig interessant - wenn man die 35 Heime, die das betrifft, analysiert, dann sind es gar nicht die privaten Heime, die dort hauptsächlich jetzt diese Umlagerung vorzunehmen haben, sondern die lehnen das Gesetz ab aufgrund der Planungsstrukturen, dass sie nämlich sagen, es entsteht ein privater Investorenwildwuchs. Wir wissen alle, dass man über einen B-Plan oder über andere Dinge keinen Wildwuchs an Pflegeheimen im Sinne der Kapitalinvestitionen verhindern kann. Ich glaube, wir sollten noch mal darüber nachdenken.

Der Dritte im Bunde, der das ablehnt, sind die Pflegekassen. Was haben denn die Pflegekassen für einen Grund, dieses Gesetz abzulehnen? Sie sind nichts weiter als derjenige, der das Geld über die Pflegeversicherung gibt, der die pauschalen Beträge in den einzelnen Stufen gibt. Tiefer gedacht muss man einfach überlegen, die haben Verhandlungen für Pflegesätze zu führen. Soll etwa über Pflegesätze, die die Beitragszahler durch den Pflegeversicherungsbeitrag ermöglichen, ein noch höherer Anteil für Investitionen dann in den Pflegesätzen, die die Pflegeversicherung pro Platz bezahlt, enthalten sein? Das wäre ein großes Problem, denn daraus würde entstehen, dass die Pflegekassen nicht voller, sondern schneller leerer werden und wir im Prinzip ein Fi

nanzierungsproblem zusätzlich in den Töpfen der Pflegekassen haben.

Meine Fraktion ist der Meinung, auch aus diesem Grund hätte man das Gesetz ablehnen müssen. Wir werden es tun. Ein weiterer Grund, warum wir sagen, obwohl alle guten Dinge angeblich drei sein sollen, aber das dritte genau so schlecht wie Nummer eins und zwei ist, ist die Tatsache, dass es einen erweiterten Diskussionsbedarf in der Pflege gibt. Ich habe eben kein Wort zur ambulanten Pflege gesagt. Das Phänomen der Investitionsumlage wird ebenfalls in der ambulanten Pflege hochgerechnet durchschnittlich mit 73 € im Monat. Die Bandbreite beträgt 23 € bis 73 € im Monat. Wenn wir wollen, dass ambulant vor stationär tatsächlich über den Inhalt der Pflege geregelt wird und nicht über die Möglichkeit des Einzelnen, wie er es bezahlen kann, dann gibt es eine ganze Menge von Dingen, die in Thüringen in einem - von mir aus - Pflegekonzept, Landesentwicklungskonzept Pflege festgeschrieben werden müssen. Das beginnt mit der tatsächlichen Begründung einer Kapazität von ca. 20.000 Pflegeplätzen bei unserer gegenwärtigen demographischen Entwicklung. Das beginnt aber auch bei den Überlegungen, die man im Land erleben kann, über die dann unbedingt diskutiert werden muss: Ist eine Heimaufsicht zu privatisieren? Da gibt es ja nun schon wieder die tollsten Dinge. Nicht nur Landesverwaltungsämter kann man offensichtlich privatisieren, sondern auch den, der dann im Pflegeheim Qualitäten kontrolliert bzw. die Einhaltung eines Gesetzes. Ich finde das bedenklich.

Was hätte auch in ein Landesentwicklungskonzept Pflege gehört und diskutiert werden müssen, seitdem man weiß, dass das Sonderprogramm ausläuft; die Effizienz ambulanter Pflegedienste, die bis heute - oft allein gelassen - Pflegesätze haben, mit denen sie ihre Belastungen überhaupt nicht decken können, und am Ende aber die konkreten Partner in der Fläche sind und immer wieder damit konfrontiert werden, warum muss ich dieses oder jenes bezahlen. Es hätte die Förderung niedrigschwelliger Betreuungsangebote nach Pflegeleistungsergänzungsgesetz diskutiert werden müssen. Oder anders gefragt: Warum wurde ein Titel von 200.000 € für die Förderung von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten im Jahr 2005 auf 130 € gesenkt, obwohl doch so ein hoher Bedarf war? Oder die Aus- und Weiterbildung für Angehörige und Fachpersonal zur Verbesserung der Versorgung von Demenzkranken - klingt so abgehoben, ist nichts anderes, als dass alle überlegen sollten, wie wir das Problem der Demenzkranken überhaupt im ambulanten und im stationären Bereich in der Pflege geregelt bekommen. Was muss dafür im Lande Thüringen getan werden? Wir hätten tatsächlich über die Empfehlung des runden Tisches zur Pflege diskutieren müssen, indem ich ja interessan

terweise auch Minister Zeh entdeckt habe, aber bisher keine Aktivitäten zu den immensen Empfehlungen, die dort gegeben wurden, die nicht nur nach Berlin schielen, sondern die Handlungsempfehlungen für die Länder sind, wie Qualität der Versorgung chronisch und mehrfacher Pflegebedürftiger zur Vernetzung lokaler Angebote der Altenhilfe oder das professionelle und neutrale Management zum Aufbau lokaler Kooperations- und Vernetzungsstrukturen oder die Einführung und Versorgung Case-Management oder die wissenschaftliche Begleitung zu diesen gesamten Schwerpunkten oder die häusliche Pflege differenzierter und zielgruppenspezifischer auf den Bedarf und die Bedürfnisse umzusetzen. Ich könnte Ihnen diese Empfehlungen in Form von 38 Seiten weiter erzählen. Das möchte ich nicht tun. Ich möchte nur noch mal darauf hinweisen, dass wir in Thüringen ohne Schuldzuweisung einen Nachholbedarf an Diskussionen zur Entwicklung der Pflege im Lande Thüringen haben.

(Beifall bei der PDS)

Und wenn dieses durch das Ministerium tatsächlich angeregt würde, es gibt zwar eine Diskussionsrunde mit dem Vertreter der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, nur sind die immer noch ergebnislos, denn diese Diskussionsrunden sind entstanden, nachdem es Skandale in Pflegeheimen gab. Hier sage ich, Thüringen ist kein Skandalland. Thüringen hat eine gute Qualität. Aber wenn wir nichts tun, dann werden wir genau auf dem Level ankommen, den alte Bundesländer haben, weil sie kein Sonderinvestitionsprogramm hatten. Ich glaube, hier muss gemeinsam etwas angepackt werden.

Als Letztes: Nach diesen fünf Begründungen, warum wir diesen Gesetzentwurf ablehnen, noch ein Wort zum Entschließungsantrag der SPD-Fraktion. Das Engagement der SPD-Fraktion war genauso wie unseres, dass wir gesagt haben, an diesem Gesetzentwurf kann man noch nicht einmal etwas verbessern. Das war die Begründung, warum wir auch nicht einen einzigen Änderungsantrag gemacht haben, weil eben die Debatte um die Probleme vorab gefehlt hat. Aber leider wird dieser Entschließungsantrag nach meinen Befürchtungen eben nicht mehr zur Abstimmung kommen, obwohl er im Sinne dessen, wie ich eben auch Probleme aufgeworfen habe, formuliert ist, weil, wenn der Gesetzentwurf angenommen würde, dann werden wieder einige denken, jetzt haben wir eine Weile Ruhe, jetzt brauchen wir uns nicht vordergründig mit dem Thema zu beschäftigten, was ich keinem Sozialpolitiker unterstelle, aber spätestens beim Haushalt sind dann wieder Gefahren. Es wohnen auch Blinde in Pflegeheimen, es wohnen auch mehrfach Behinderte nach wie vor in Pflegeheimen und alle wissen, was dort mit dem nächsten Haushalt auf uns zukommt. Unser Anliegen

wird sein, nach dem Verabschieden des Gesetzentwurfs durch die CDU-Fraktion, woran sie keinen Zweifel gelassen hat, all diese Probleme in Form von Anträgen, in Form von öffentlichen Veranstaltungen weiter fortzubewegen in der Hoffnung, dass auch in der CDU-Fraktion einige, deren Denken ich kenne, dann vielleicht eine Chance haben, aufgrund von öffentlichem Druck auch ihr persönliches Engagement, ihr persönliches Wollen mal gegen eine Fraktionsmehrheitsmeinung durchzusetzen, damit wir in den nächsten vier Jahren überhaupt eine Chance haben, in der Pflegeversicherung noch etwas zum Positiven zu verändern und nicht nur aus fiskalischen Gründen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat die Abgeordnete Künast, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe während der Beratung des Gesetzes die Hoffnung zunächst nicht aufgegeben, dass es doch noch zu nennenswerten Veränderungen im Sinne pflegebedürftiger alter Menschen kommt.

(Beifall bei der SPD)

Ja, ich habe gedacht, dass der eine oder andere Kollege oder die eine oder andere Kollegin aus den Reihen der CDU vielleicht aufgrund eigener Erfahrungen und Betroffenheit in der Lage ist nachzuvollziehen, was dieser Gesetzentwurf der Landesregierung tatsächlich bedeutet. Bei diesem Gesetzentwurf geht es um nichts anderes als um die finanzielle Belastung pflegebedürftiger Menschen und es geht um den Rückzug des Landes und leider auch der Kommunen aus der Verantwortung für eine bedarfsgerechte Infrastruktur stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen. Die künftigen Bewohner werden das ausbaden müssen. Sie werden monatlich in einer Größenordnung von zusätzlich 300 bis 400 € belastet. Darum geht es und darum, im Landeshaushalt zukünftig noch mehr einsparen zu können. Das Gesetz ist kein Ausführungsgesetz, sondern ein Sozialabbaugesetz.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Reduzierung in diesem Jahr von 4 Mio. € haben Sie diesen Weg schon aufgezeigt. Weil das irgendwann auch innerhalb der CDU jedem Abgeordneten klar sein musste, deshalb hatte ich die Hoffnung, dass es nach der Anhörung im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit doch noch zu nennenswerten Verbesserungen kommt. Die Trä

ger, die Sie dort unter anderem angehört haben, lehnten einmütig dieses Gesetzesvorhaben ab. Private Anbieter, die Wohlfahrtsverbände, die Pflegekassen und die Landesseniorenvertretung waren sich alle einig, dass dieses Gesetz einzig und allein zu Lasten alter Menschen geht. Nur die kommunalen Spitzenverbände haben den Entwurf begrüßt. Sie haben dafür zwei Geschenke von der Landesregierung erhalten: Die Verpflichtung der Mitfinanzierung bei ambulanten Pflegeangeboten ist zu künftigen KannLeistungen abgebaut worden. Aber auch dies werden die alten Leute spüren müssen. Die Revisionsklausel der dort ursprünglich genannten Termine wurde vorgezogen. Dieser Punkt ist im Interesse der Kommunen tatsächlich zu begrüßen. Es stellt aber dennoch keine Verbesserung für die pflegebedürftigen Menschen dar, sondern dient einzig und allein dem Zweck, wenigstens zwei Stimmen aus dem Kreis der Anzuhörenden zu haben, die diesen eiskalten Sozialabbau mittragen.

(Beifall bei der SPD)

Ja, meine Damen und Herren von der Landesregierung und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es geht um Sozialabbau. Alles andere rund herum in diesen Argumentationen sind nichts anderes als Schutzbehauptungen, Schutzbehauptungen eines Angeklagten, der versucht, die Tat zu verschleiern. Die Tat besteht darin, alle künftigen Lasten auf die Bewohner der Altenheime und bei den Nutzern ambulanter Pflegeeinrichtungen abzuladen und sich klammheimlich aus der Verantwortung herauszustehlen.

(Beifall bei der SPD)

All dies geschieht zu einem Zeitpunkt, zu dem wir genau wissen, dass in den nächsten Jahren ein dramatisch steigender Bedarf sowohl bei der stationären Pflege als auch bei der ambulanten Pflege zu erwarten ist, weil diese Gesellschaft älter wird.

Die Vorsitzende der Landesseniorenvertretung hat uns allen in der Anhörung eindrucksvoll dokumentiert, was dies jetzt schon für erkennbare Auswirkungen hat. Sie hat darauf hingewiesen, dass hundertste Geburtstage in den Einrichtungen keine Seltenheit mehr sind, und sie hat die Zunahme an Demenzkranken betont. Sie hat die Landesregierung daran erinnert, dass diese selbst noch vor wenigen Monaten von zusätzlich 3.000 Pflegeplätzen sprach. Sie hat aber vor allen Dingen sehr deutlich gemacht, mit welchen Problemen Familien konfrontiert sind. Familienpolitik, meine Damen und Herren, beschreibt diese Landesregierung in all den Sonntagsreden immer wieder als Schwerpunkt. Ich ahne langsam, dass Schwerpunktzuschreibungen in der Zeit der Landesregierung eines Herrn Ministerpräsidenten Althaus immer ver

bunden sind mit mehr oder weniger gut getarntem Sozialabbau. Was wird denn in der Folge dieses Gesetzes zum Beispiel innerhalb der Familien geschehen? Was wird geschehen, wenn 300 bis 400 € monatlich mehr an Belastung zu erwarten sind? Da braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie der selbst fast pflegebedürftige Ehepartner noch länger versucht auszuhalten bei der Betreuung des pflegebedürftigen Ehemannes oder der pflegebedürftigen Ehefrau. Es braucht nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass Töchter und Söhne, vor allen Dingen aber Töchter, im Alter von häufig auch über 60 Jahren versuchen, irgendwie den pflegebedürftigen Vater oder die pflegebedürftige Mutter weiter zu versorgen, und sich damit häufig selbst gesundheitlich überfordern. Es braucht vor allem keine Phantasie, um sich vorzustellen, welche Angst in all diesen Familien auftreten wird und welche Scham, wenn die eigenen finanziellen Möglichkeiten aufgebraucht sind oder nicht ausreichen. Dieser gesamte Druck wird zukünftig verstärkt auf den Familien lasten und sie werden dabei allein gelassen. Die Hürden für die Inanspruchnahme ambulanter Hilfen werden erhöht. Auch hier geht es schließlich um Mehrkosten. Die Schwelle für eine rechtzeitige Inanspruchnahme stationärer Hilfe wird entscheidend erhöht. All dies hat uns die Vorsitzende des Landesseniorenbeirats eindrucksvoll in der Anhörung dokumentiert. Man kann ihr bestimmt keine Trägerinteressen unterstellen. Nein, und wir können und müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie die Lebenswirklichkeit pflegebedürftiger Menschen und ihrer Familien sehr eindrucksvoll in diesen Ausschuss eingebracht hat. Deshalb, meine Damen und Herren von der CDU, habe ich noch auf Veränderung gehofft. Ich habe mir in Erinnerung gerufen, wie Minister Pietzsch vor zwei Jahren in diesem Haus mit Blick auf die Finanzierung nach Beendigung des Artikels 52 Pflegeversicherung betont hat - ich erlaube mir zu zitieren: „Eines ist klar, es wird kein Heimbewohner aus rein finanziellen Gründen auf die notwendige stationäre pflegerische Betreuung verzichten müssen.“ Ich habe damals nicht geahnt, dass das kleine Wörtchen „müssen“ so viel Zynismus in sich birgt. Denn wenn dieses Gesetz verabschiedet wird, dann werden potenzielle Heimbewohner und pflegebedürftige alte Menschen auf die notwendige stationäre und ambulante pflegerische Betreuung verzichten. Wenn auch nicht aus Verwaltungssicht, so doch aus der Sicht der betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen werden sie verzichten müssen. Das ist nicht für Verwaltungsjuristen, aber für die Menschen ein entscheidender Unterschied. Also werden sie noch länger als bisher notwendige Hilfe hinausschieben und sie werden dies zumindest aus eigenem Verständnis heraus auch müssen. Denn sie werden Angst haben, wenn die finanziellen Mittel völlig aufgebraucht sind, und sie werden Scham haben bei der Antragstellung bei den Sozial- und

Grundsicherungsämtern. Das, meine Damen und Herren, wird die Auswirkung dieses Gesetzes sein. Das hat Ihnen Frau Vogel als Vorsitzende des Landesseniorenbeirats offenbart. Es soll also keiner in der CDU anschließend sagen, er habe es nicht gewusst.

Lassen Sie mich nur der Vollständigkeit halber hier noch erwähnen, dass die vor In-Kraft-Treten des Artikels 52 Pflegeversicherung geförderten Einrichtungen im Land Thüringen und ihre Träger in der Folge dieses Gesetzes massiv benachteiligt werden. Sie haben damals Auflagen des Sozialministeriums zum Betrieb und zum Bau erhalten. Sie haben sich aufgrund dieser Auflagen in finanzielle Verpflichtungen gestürzt. Sie haben auf die langfristige Mitförderung des Landes vertraut. Sie werden nun wirtschaftlichen Schaden nehmen. Dies ist bezeichnend für den Umgang des Landes mit Trägern weit über die Pflegeeinrichtungen hinaus. Träger werden heute umworben, Versprechungen werden abgegeben und morgen gilt das Geschwätz von gestern nicht mehr. Wir erleben dies aktuell gerade ebenfalls bei den Kindertagesstätten. Ich hoffe, dass freie Träger bei all diesen Lehrstücken der Landesregierung verstanden haben, was ihnen blüht, wenn sie heute bei Alteneinrichtungen, Kindertagesstätten und in Zukunft sogar bei Horten auf Versprechungen bauen. Wenn nicht morgen, dann spätestens übermorgen gilt keines dieser Versprechungen. Irgendeine Ausrede, irgendein Gerichtsurteil wird sich da schon finden.

Meine Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion unternimmt mit dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag einen weiteren Versuch, dieses Sozialabbaugesetz für alte Menschen in der Landesregierung nochmals zu überdenken und zu verändern. Der Ihnen vorliegende Antrag ist in ähnlicher Form schon einmal von der CDU-Mehrheit im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit abgelehnt worden. Aber wir wollen es nicht versäumen, in der parlamentarischen Auseinandersetzung dieses Hauses auch das letzte Quäntchen Hoffnung noch zu nutzen. Wenn selbst das CDU-regierte Saarland mit einem innerhalb der CDU sozialpolitisch doch hoch gehandelten Ministerpräsidenten wesentliche Elemente dieser unserer Forderung im dortigen Ausführungsgesetz verankert hat, dann, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, sollte Ihnen doch die ideologische Zustimmung zumindest etwas leichter fallen. Deshalb meine Bitte: Führen Sie sich insbesondere die Ausführungen von Frau Vogel nochmals vor Augen! Nehmen Sie Familienpolitik auch für ältere Menschen und für pflegende Angehörige ernst! Nutzen Sie z.B. die inhaltliche Vorlage des CDU-regierten Saarlandes und ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück!

(Beifall bei der PDS, SPD)

Überarbeiten Sie ihn im Sinne unserer im Entschließungsantrag aufgeführten Prämissen!

Meine Damen und Herren von der CDU, Tausende alter Menschen und ihre Familien würden Ihnen dies danken. Die Träger, ob Wohlfahrtsverbände oder private Anbieter, sind ganz offensichtlich zu einer konstruktiven Auseinandersetzung bereit. Die seit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes erfolgten Einsparungen in der Sozialhilfe verschaffen Ihnen den finanziellen Spielraum. In diesem Falle besteht tatsächlich keine finanzielle Not, denn die Aufwendungen des Landes wären ohne das Pflegeversicherungsgesetz um viele, viele Millionen höher. Ich darf deshalb um Unterstützung unseres Entschließungsantrags bitten und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Panse, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Kollegin Thierbach, Sie haben es gerade schon gesagt, wir haben heute zum dritten Mal das Thema hier im Thüringer Landtag und wir haben es uns weiß Gott nicht leicht gemacht, da darf ich auch für die CDU-Fraktion sprechen. Wenn wir dieses Gesetz heute beraten und auch beschließen werden, dann dürfen Sie uns, denke ich, abnehmen, dass wir es uns die letzten zwei Male nicht leicht damit gemacht hatten, dass die Landesregierung es zurückgezogen hatte, dass wir es überarbeitet haben, dass wir Anregungen in diesen Gesetzesgang haben einfließen lassen. Wir tun es, dass wir das Gesetz heute beschließen, weil wir Einsicht in die Notwendigkeit der Beschlussfassung zu diesem Gesetz durchaus haben. Sie haben bei Ihren Eingangsworten, Frau Thierbach, dargestellt, dass wir in den letzten Jahren eine Unmenge an Förderungen sowohl in die Heime nach Artikel 52 gesteckt haben als auch in die Heime, die wir nach Landesförderung gefördert haben, sehr massiv gefördert haben. Sie haben allerdings mit keinem Satz erwähnt, warum wir das in diesem Umfang getan haben. Ich glaube, das gehört an dieser Stelle dazu. Wir haben eine Heimstruktur in den letzten Jahren gehabt, wo in den 15 Jahren dringend erheblicher Investitionsbedarf da war, wesentlich mehr an Investitionsbedarf als in den alten Bundesländern. Genau das ist der Grund, weswegen wir mit dem Artikel-52-Gesetz sehr aufwändig und mit sehr viel Geld in diese Heime hineingegangen sind. Sie selber müssten als Erfurter Abgeordnete ja die Situation kennen, wie es in Pflegeheimen am Juri-Gagarin-Ring, am

Ententeich aussah, und Sie müssten an dieser Stelle, und da bitte ich Sie sehr herzlich darum, auch hin und wieder einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir in den letzten 15 Jahren vieles in die Heimstruktur investiert haben und dass sich da sehr, sehr vieles glücklicherweise zum Besseren getan hat. Wir haben, das sagten Sie, eine neue Ungleichbehandlung, wenn wir dieses Gesetz heute in dieser Form beschließen.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Eine zusätzliche.)

Eine Ungleichbehandlung haben wir aber nur dann, wenn es keinen sachlichen Grund dafür gibt. Dieser sachliche Grund, und genau das haben wir in den Ausschussberatungen schon diskutiert, besteht dann, wenn wir die Landesförderung in dieser Form nicht aufrechterhalten können. Ich verhehle gar nicht, dass natürlich die Knappheit der finanziellen Mittel dabei eine Rolle spielt, aber wenn diese Landesförderung in diesem Umfang nicht aufrechterhalten werden kann, ist es keine per se Ungleichbehandlung, selbst wenn bei zwei Heimbewohnern in einer Einrichtung der eine Bestandsschutz hat und der andere nach dem 01.07. gekommen ist und nicht mehr in diesem Umfang gefördert werden kann.

Ein weiterer Punkt: Sie hatten angeschnitten, dass - da bin ich Ihnen auch dankbar, dass Sie das heute so gesagt haben - nicht jeder Heimplatz mit 15 € durchschnittlich mehr belastet wird. Bei der Einbringung des Gesetzentwurfs in erster Lesung geisterten hier noch Zahlen durch das Haus von 300 bis 450 € Mehrkosten. Wir haben damals schon darüber diskutiert, dass das die Maximumkosten sind, allerdings nicht die durchschnittlichen Kosten. Ich werde nachher noch einmal darauf eingehen, warum das durchaus wichtig ist.

Ich möchte einen weiteren Punkt aufgreifen. Sie haben die regionale Verteilung angesprochen. Ja, es ist richtig, wir haben eine Pflegesituation in Pflegeeinrichtungen, die sich nicht an Kreisgrenzen deckungsgleich an der Einwohnerzahl orientiert. Wir haben aber auch in der Belegung der Pflegeeinrichtungen eine Situation, dass sich das nicht an dem Wohnortprinzip der Bewohner orientiert, sondern oftmals an ganz anderen Kriterien. Sie wissen, wir haben Pflegeeinrichtungen in Thüringen, wo zu Pflegende aus anderen Bundesländern sind. Wir wissen, dass es zu Pflegende gibt, die in Pflegeheime in andere Kreise gehen, weil dort Angehörige leben. Insofern kann man es sich nicht so einfach machen und sagen, wir brauchen eine Landespflegeplanung, die überall pro Kopf die gleiche Anzahl an Pflegeplätzen in den Kreisen vorhält. Dazu ist unser Land auch zu klein, dazu ist die Situation durchaus auch über die Kreisgrenzen zu verschieden.

Ich möchte einen Punkt noch ansprechen, weil das auch Frau Künast so anschnitt, die Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände. Wenn Sie denen per se unterstellen, dass sie von der Landesregierung ein Geschenk bekommen haben, dass sie da gekauft wurden, dann muss ich das schon als eine recht infame Unterstellung zurückweisen. Das ist nicht so geschehen, Sie waren bei der Ausschussberatung dabei. Die kommunalen Spitzenverbände haben ihre Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf signalisiert, bevor ein Änderungsantrag auf dem Tisch lag. Die CDU-Fraktion hat infolge der Anhörung einen Änderungsantrag auf den Tisch gelegt. Insofern, Frau Künast, bleiben Sie dann bitte bei der Wahrheit an dieser Stelle und unterstellen Sie nichts, schon gar nicht den kommunalen Spitzenverbänden, die es sich mit diesem Gesetzentwurf weiß Gott auch nicht leicht gemacht haben.

Ich sage Ihnen noch etwas, Frau Künast, weil Sie die Frage gestellt haben - es klang ja auch bei Frau Thierbach an -, was müssen wir für die Pflege in Zukunft tun. Natürlich müssen wir uns mit der Pflege weiter beschäftigen. Das werden wir auch tun. Da kehrt keine Ruhe ein, weil wir heute den Gesetzentwurf beschlossen haben. Aber wir müssen auch gleichzeitig den Finger in die Wunde legen und sehr deutlich fragen: Was geschieht denn an dieser Stelle auf Bundesebene? Ich habe es bei der Einbringung des Gesetzes hier im Landtag noch gesagt, da fand ich das noch ganz erfreulich, dass die Bundesregierung angekündigt hat, man könnte im Herbst sich ja mit der Reform der Pflegeversicherung auseinander setzen und etwas tun.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Es hat auch so lange keine Gespräche gegeben.)

Zwischenzeitlich erleben wir, dass es einen Bundeskanzler gibt, der sich da heimlich, still und leise aus der Verantwortung schleicht, ohne überhaupt die notwendigen Reformgesetze noch auf den Weg zu bringen.

(Unruhe bei der SPD)

Auch das ist etwas, da bitte ich Sie herzlich, kehren Sie bei Ihren Kollegen vor der eigenen Tür in der Bundestagsfraktion und mahnen Sie dort etwas an. Wir werden auch in der Pflegeversicherung auf Bundesebene etwas tun müssen, insbesondere auch deswegen, weil - Frau Thierbach hat das völlig richtig beschrieben - auch die Frage der Demenz eine stärkere Rolle finden muss, weil wir uns mit der ambulanten Pflege stärker auseinander setzen müssen.

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Herr Panse, die Länder wollten das so und jetzt, wo es Geld kostet. Sie haben es an sich gezogen.)

Aber stellen Sie das bitte nicht so dar, als ob wir hier die alleinige Verantwortung dafür hätten, wie es mit der Pflege auch auf Bundesebene weitergeht.

(Unruhe bei der SPD)

Nein, das haben wir eben nicht. Vielleicht ab September können Sie diese Diskussion wieder mit uns führen, ob wir überall für alles verantwortlich sind und daran Schuld sind,

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Doch, ihr wolltet das so.)

aber in der jetzigen Situation bitte ich Sie doch herzlich, fragen Sie Ihre Kollegen in der Bundestagsfraktion.

(Beifall bei der CDU)