Dann werden eben keine 94 Prozent der Kinder mehr Kindertagesstätten besuchen und die Minister Zeh und Goebel werden die Eltern verantwortlich erklären und vermutlich die Bundesregierung, die ist bei dieser Landesregierung immer schuld.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch deshalb ist eine unabhängige Berichterstattung notwendig. Sie würde zumindest die Hürden erhöhen und vielleicht hier und da an die Verpflichtungen des ersten Buchstabens Ihrer Partei erinnern. Wer also die Kluft zwischen Arm und Reich tatsächlich verringern will, der muss zum Beispiel im Bereich der Wirtschaftspolitik, der Familienpolitik, der Bildungspolitik und der Arbeitsmarktpolitik, um nur einige wenige zu nennen, initiativ werden.
Und alle von mir beispielhaft genannten Politikbereiche betreffen sowohl die Bundespolitik als auch originär oder in wesentlichen Teilen Landes- und Kommunalpolitik. Deshalb sollten wir eine zeitnahe Verbindung der Berichterstattung von Bund und Land anstreben.
Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt die inhaltlichen Intentionen des eingeforderten Berichts; wir sollten uns unter anderem wegen der von mir vorgeschlagenen veränderten Verfahrensregelungen zunächst im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit da
mit befassen. In diesem Zusammenhang rege ich auch an, dort einen mitverfassenden Experten des Bundesberichts anzuhören und dann einen Vorschlag zum weiteren Verfahren zu unterbreiten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich hatte natürlich gehofft, Herr Panse, die Ausführungen von Ihnen noch zu hören, bevor ich hier an das Rednerpult gerufen werden, weil ich vielleicht dann noch mal antworten muss, aber das werden wir auch auf die Reihe bekommen.
Sehr geehrter Herr Pilger, die Hälfte meiner Rede lasse ich jetzt weg, weil sie fast identisch ist mit Ihrer Rede zur Begründung dieses Antrags.
Ja, wir können uns hier als PDS-Fraktion mit der Begründung zum Sozial-, Armuts- und Reichtumsbericht - wir haben es nun mal eingereicht - natürlich identifizieren. Ich möchte auch zuerst auf Ihre Änderungen eingehen, eine Berichterstattung zeitnah mit dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vorzulegen. Ich denke, wir können uns im Ausschuss durchaus dazu verständigen; es ist ja ein Diskussionsangebot auch für den Ausschuss gewesen.
Ich will aber noch ein paar Bemerkungen dazu machen, warum wir einen Sozial-, Armuts- und Reichtumsbericht einfordern, weil es einfacher ist, nur über Armut zu reden. Dann können wir alle gemeinsam konstatieren, wie schwierig momentan die wirtschaftliche Lage ist, wie leer die Kassen sind, die öffentlichen Haushalte sind, und wir unterhalten uns weiter darüber, was alles in Zukunft nicht mehr finanziert werden kann. Wenn wir aber gleichzeitig betrachten, wie viel Reichtum in Thüringen vorhanden ist, eröffnen sich auch neue politische Handlungsmöglichkeiten, dann gerät wieder in den Blick, wer sich an der Finanzierung dieses Landes beteiligt. Wir können dann über eine andere Steuerstruktur und darüber reden, wie die Einbeziehung hoher Einkommen die öffentlichen Haushalte entlasten kann. Die Daten für Deutschland reichen für uns nicht aus; wir brauchen wissenschaftlich fundierte Daten für Thüringen. Wir fordern einen Armuts- und Reichtumsbericht, um über die Lage unseres Landes umfas
send informiert zu sein. Wenn wir konkrete Fakten über Armut und Reichtum haben, können wir die zielgenaueren politischen Maßnahmen ergreifen. Ich kann mich nur den Ausführungen von Herrn Pilger anschließen, was zu den aktuellen Veränderungen zu Familie und Kindertagesstätten gesagt wurde. Mit solch einem Bericht können auch die konkreten Folgen von Regierungspolitik für die Menschen in diesem Land untersucht werden. Daran ist zu sehen, ob tatsächlich Familien gefördert werden, ob Armut verhindert wird oder ob die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander geht. Ein Armuts- und Reichtumsbericht muss die soziale Lage in diesem Land in all seinen Facetten unter die Lupe nehmen. Es wird Zeit, dass wir Armut und Reichtum als zwei Seiten einer Medaille diskutieren. Wenn wir einen sozialen Ausgleich und eine größere soziale Gerechtigkeit in diesem Land wollen, müssen wir alle Menschen in diesem Land einbeziehen. Dazu gehören nicht nur die Armen, sondern z.B. auch die 25 Einkommensmillionäre, die in Thüringen leben.
Für mich als PDS-Politikerin ist es unglaublicher gesellschaftlicher Skandal, dass auf der einen Seite in den zurückliegenden Jahren das gesamte Nettovermögen in Deutschland um knapp 20 Prozent gestiegen ist, also von 4,2 Billionen € auf rund 5 Billionen €, dass aber auf der anderen Seite die Mehrheit der Deutschen von diesem Zuwachs nichts abbekommen hat. Im Gegenteil, die Verteilung der Gesamtvermögen hat sich weiter konzentriert. Wissen Sie, meine Damen und Herren, die Vermögen des reichsten Zehntels in diesem Land sind in den vergangenen Jahren stetig angewachsen. In nur fünf Jahren - und die Zahl liegt vor, von 1998 bis 2003 - ist das Nettogeldvermögen dieser Menschen im Osten Deutschlands um mehr als 46 Prozent gewachsen.
Alle Analysen bestätigen - das sage ich Ihnen -, dass diese Vermehrung des Reichtums auf der einen Seite zu einer steigenden Verarmung auf der anderen Seite führt. Das sagen führende Studien aus. Ich möchte hier nur zwei Fakten aus der Antwort zu unserer Großen Anfrage zur Situation der Familien in Thüringen erwähnen. Über 150.000 Familien mit Kindern müssen in Thüringen mit weniger als 900 € im Monat auskommen, das sind über 15 Prozent. Davon haben 31 Familien sogar weniger als 500 €. In Thüringen lebt also fast jede sechste Familie unterhalb der Armutsgrenze. Hier, das will ich ganz ausdrücklich sagen, brauchen wir eine wissenschaftliche Bewertung und Schlussfolgerungen
für die festgestellten Daten. Denn das, was die Landesregierung an Bewertung in diesem Fall in der Beantwortung der Großen Anfrage anzubieten hat, ich glaube nicht, dass das Wissenschaftler genauso tun würden.
Nun zu der Frage: Wer ist eigentlich arm? Die Diskussion, denke ich, werden wir natürlich auch im Ausschuss noch führen. Es gibt ja viele Definitionen, die in Wissenschaft und Politik gerne für den Armutsbericht herangezogen werden. Nach einer Definition der OECD-Studie sind diejenigen arm, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens vergleichbarer Haushalte verfügen. Für Alleinstehende waren das im Jahr 2003 knapp 940 €, das ist bundesweiter Durchschnitt. Bricht man diese Summe auf Thüringen runter, müssen wir nach aktuellen Zahlen von einer Summe von 624 € ausgehen. Diesem liegt ein durchschnittliches Einkommen von 1.040 € zugrunde. Das alles ohne Berücksichtigung der Auswirkungen von Hartz IV, die das mit Sicherheit verschärfen werden. Lassen Sie mich noch ein paar Worte sagen zu den erschreckenden Zahlen, wenn wir uns Kinder und Jugendliche ansehen. 25,3 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Osten werden als arm eingestuft; bei den 11- bis 20-Jährigen sind es sogar 22,9 Prozent im Westen und 26,3 Prozent im Osten. Das ist mehr als jedes vierte Kind.
Meine Damen und Herren, die Tendenz ist sicherlich auch mit den Auswirkungen von Hartz IV steigend. Das heißt noch nicht unmittelbar, dass diese Kinder hungern, obwohl - und das alleine ist schon ein Skandal - die Zahl der Kinder, die alleine zu den Suppenküchen kommen müssen, ebenso wächst wie die Zahl derjenigen, die in Kitas - und das ist eine wirklich steigende Zahl - und Schulen nicht mehr am Essen teilnehmen können. Wie viele das sind und wie sich diese Entwicklung in Thüringen weiterentwickelt, das soll auch so ein Bericht zum Ausdruck bringen.
Arm sein, und das hat Herr Pilger auch schon gesagt, bedeutet vor allem den weitgehenden Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben und es bedeutet, schlechtere Bildungschancen, schlechtere Wohnverhältnisse und eine schlechte Gesundheit. Nicht von ungefähr sind immer mehr Kinder in diesem reichen Land fehlernährt und nicht von ungefähr gibt es zunehmend Kinder, die an Altersdiabetes leiden. Das alles wird mit der neuen Gesetzgebung nicht besser.
Spätestens seit dem 1. Januar wird auch in Thüringen deutlich, dass die Schieflage weiter zunimmt. Die ersten Erhebungen aus den Thüringer Land
kreisen und kreisfreien Städten machen deutlich, dass die Mehrzahl der ehemaligen Sozialhilfeempfängerinnen zwar jetzt ALG II bezieht, dass aber keineswegs eine Verbesserung ihrer sozialen Situation eingetreten ist.
Ich kann nur noch einmal betonen, wir brauchen, um Politik in diesem Land zu machen, Fakten und Erkenntnisse über die tatsächliche Verteilung des Reichtums und auch von Arm und Reich in Thüringen. Der nationale Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat gezeigt, wie groß die Schere inzwischen geworden ist zwischen Arm und Reich und immer weiter auseinander geht. Aus diesem Bericht geht auch hervor, dass es wesentliche Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern gibt. Wir fordern Sie als Landesregierung auf, regelmäßig Bericht - über welchen Zeitraum können wir gern noch beraten - zu erstatten, wie sich die Armut in diesem Land entwickelt, und wir wollen wissen, wie es mit der Entwicklung des Reichtums aussieht.
Wir brauchen auch nach dem Bericht eine Grundsatzdebatte über Armut in einem reichen Land. Wir müssen darüber diskutieren, inwieweit beispielsweise das Wachsen des Geldvermögens die Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen zur Voraussetzung hat, aber auch darüber, inwieweit der Reichtum von Männern auf dem niedrigen Einkommen der Frauen beruht, inwieweit Einkommen und Vermögen sich als Resultat der Aneignung eigener oder fremder Arbeit darstellt. Wir müssen über soziale Gerechtigkeit diskutieren. Ich werbe einfach, dass unser Antrag im Ausschuss noch einmal beraten wird und diesen Landtag hier passiert. Danke.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich fange vorab erst einmal mit ein paar Bemerkungen zu dem an, was Sie hier gerade vorgetragen haben. Ich beginne bei dem, Frau Fuchs, was Sie gesagt haben. Sie haben Bezug genommen auf den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und haben das auch umfänglich begründet, dass der erschreckende Zahlen offenbart, was unter Rotgrün sich da in den letzten paar Jahren augenscheinlich entwickelt hat. Ich hatte aber bei Ihrer Antragsbegründung schon ein wenig den Eindruck, Ihnen fehlt offensichtlich die Debatte zu diesem Thema im Bundestag und insofern verlagern Sie diese Debatte hier in den Thü
den Bericht der Bundesregierung, dann gern wieder diskutieren, im Bundestag sollten Sie entsprechend dazu noch einmal die Gelegenheit haben, aber wir reden hier zunächst über das, was in Thüringen beantragt ist und was wir in Thüringen für eine Sozialberichterstattung wollen. Insofern hätte ich mir gewünscht, dass Sie bei Ihrer Antragsbegründung vornehmlich darauf eingehen und nicht auf das, was Sie sich im Rahmen des Bundesberichts gedacht oder gewünscht hätten.
Zum Zweiten, Herr Abgeordneter Pilger, es ist schon eine Unverschämtheit, wenn Sie behaupten, der letzte Sozialbericht wäre eine Hofberichterstattung gewesen. Erstens sage ich Ihnen, Sie waren augenscheinlich nicht dabei, als wir den beraten haben, denn wir haben ihn nicht nur hier im Thüringer Landtag beraten, sondern auch im Ausschuss, im Ausschuss sehr intensiv, wir haben uns die Punkte Punkt für Punkt vorgenommen und darüber diskutiert. Ich weiß, woher Sie das mit der Hofberichterstattung haben, das hat Ihre Kollegin Bechtum vorher hier mal verkündet, aber ich würde Sie einfach herzlich bitten, als neuen Kollegen im Thüringer Landtag, machen Sie sich doch ggf. kundig, was wir damals dazu diskutiert haben, da lassen Sie auch solche Unterstellungen von einer Hofberichterstattung.
Ein weitere Punkt, Herr Pilger, was Sie angesprochen haben zum Thema Familienpolitik, da gehe ich auch gleich vorab darauf ein. Es ist schon ziemlich dreist, wenn Sie sich anschauen, was mit dem Bundeserziehungsgeld durch die Bundesregierung veranstaltet wurde, wie Jahr für Jahr die Einkommensgrenzen dazu reduziert wurden, wie die Anspruchsgrundlage Jahr für Jahr für immer weniger Eltern von Kindern gegeben waren; dann stellen Sie sich hierher und kritisieren, dass wir ein einkommensunabhängiges Landeserziehungsgeld wollen - wohlgemerkt, für die Eltern von allen Kindern. Wir differenzieren nämlich nicht nach der Herkunft der Kinder und wir sagen nicht, aus welchen Verhältnissen sie kommen, sondern uns sind Kinder gleich viel wert, egal aus welchen Verhältnissen sie kommen.
Deswegen wollen wir dieses Landeserziehungsgeld einkommensunabhängig, im Gegensatz zu dem, was die Bundesregierung an dieser Stelle betreibt und
Schritt für Schritt das Bundeserziehungsgeld zertrümmert. Ein Weiteres: Wenn wir hier in Thüringen einen Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz ab zwei Jahren einführen wollen, dann sollten Sie sich unter Ihren Kollegen in den SPDgeführten Ländern mal umhören, ob das dort überhaupt denkbar oder vorstellbar wäre, und dann sollten Sie sich nicht hier hinstellen und das schlechtreden, was wir an familienpolitischen Maßnahmen vorhaben, wenn Sie keine besseren Konzepte
Ein weiterer Punkt: Frau Kollegin Jung, Sie haben den Großteil Ihrer Rede damit verbracht, uns hier Ihre Darstellung zum Thema Reichtum zu erklären. Das zeigt ja auch so ein Stück die Stoßrichtung, wo es offensichtlich hingehen soll. Sie haben darüber diskutiert, wie wir hier mit den 25 Einkommensmillionären in Thüringen umgehen sollen. Ich sage Ihnen nur, Sie werden keinem einzigen Menschen helfen, Sie werden niemandem hier im Freistaat Thüringen helfen, wenn sie Einkommensmillionäre, Investoren aus dem Land treiben. Davon wird die Situation von keinem einzigen hier im Freistaat Thüringen besser, insofern lassen Sie so etwas, in so einer Robin-Hood-Mentalität, zu meinen, man müsste den Reichen nur möglichst viel wegnehmen und da würde die Situation sich auch bessern. Wir haben keinen Einfluss darauf, was die Steuerpolitik angeht hier in Thüringen. Wir können lange darüber streiten. Aber unterbreiten Sie uns hier nicht Vorschläge, die realistisch überhaupt nicht umsetzbar sind.
Nein, am Ende meiner Rede, danke schön. Jetzt zu dem Antrag: Wissen Sie, wenn man in der Schule sich beim Abschreiben erwischen lässt, gibt es die Note 6, zu unseren Zeiten, die meisten von Ihnen, als die in der Schule waren, war es die Note 5, in jedem Fall ging es darum, wenn es um das Abschreiben ging, dass man sich möglichst nicht erwischen lassen sollte. An dieser Stelle, was Sie uns heute hier vorgelegt haben, das ist das wörtliche Abschreiben eines Antrags, ich gebe es zu, des eigenen Spickzettels der PDS-Fraktion aus der letzten Legislaturperiode. Sie haben mit der Drucksache 3/65
im November 1999 genau das Gleiche eingereicht, genau das gleiche Thema wörtlich abgeschrieben. Insofern muss ich Ihnen aber auch sagen, es sind noch die gleichen Mängel an diesem Antrag.
Es hat sich nichts geändert. Wir könnten die Diskussion abkürzen und darauf verweisen, was wir damals dazu diskutiert haben, und da würden Sie sehen, wir würden genau an der gleichen Stelle wieder an den Punkt kommen, wo Sie auch von unserer CDU-Fraktion die gleichen Antworten erhalten,
(Unruhe bei der SPD) (Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ha- ben Sie vor fünf Jahren auch schon er- zählt; hören Sie auf, Herr Panse!)