Protocol of the Session on April 3, 2009

Ausbildungsplätzen. Vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag höre ich, wir werden in diesem Jahr einen Ausbildungsplatzeinbruch von 10 bis 14 Prozent haben und irgendwo dazwischen liegt doch die Wahrheit und auf diesen Weg müssen wir uns begeben. Allianz für Fachkräfte ist für mich nicht der richtige Weg. Ich habe es gerade gesagt, der Ausbildungspakt ist nach wie vor Teil der Fachkräfteallianz und der Ausbildungspakt war in keinem Jahr wirklich erfolgreich. Wir sprechen die ganze Zeit davon, dass es Förderprogramme gibt und so weiter und so fort. Ich glaube, die Landesregierung ist nicht auf die Finanzkrise und die Lehrstellensituation vorbereitet. Wir sprechen zum Beispiel über Opel, wir sprechen über den Erhalt von Opel in Eisenach und das hat auch etwas damit zu tun, wie die Ausbildungsplatzsituation in dieser Region aussehen wird. Wenn ich von der Autoindustrie spreche, genau da sind jetzt die Arbeitsmarktstelleneinbrüche und genau da befindet sich auch eine Masse an Ausbildungsplätzen, die man einfach nicht so hinwerfen darf.

(Beifall DIE LINKE)

Zu Punkt 3: Der Punkt 3 ist ja einer der interessantesten Punkte des Antrags, weil ich glaube, weder Landesregierung noch CDU-Fraktion wissen wirklich, welche Auswirkungen und welche Ausmaße das auf Thüringen haben kann. Natürlich gibt es seit Februar 2009 einen Vorschlag, wie ein nationaler Qualifikationsrahmen aussehen kann. Das Problem ist nur, wer ihn sich einmal angeschaut hat in seinen 8 Niveaustufen mit seinen 3 verschiedenen Einteilungen und so weiter, wird festgestellt haben, dass er völlig praxisuntauglich ist, abstrakt ist und ich würde sogar mit Ihnen eine Wette abschließen, wenn ich jetzt den Minister frage, an welcher Stelle wird dann jemand eingeordnet, der einen Hauptschulabschluss hat und nichts weiter, jetzt ins europäische Ausland gehen möchte und meinetwegen in Spanien eine Stelle annimmt, ist das Qualifikationsstufe 1, ist das die Null, ist das die 2 und die 3, ist das überhaupt nicht erfasst. Das ist alles nicht klar und, ich denke, dazu macht sich auch Thüringen zu wenig Gedanken. Die Beantwortung meiner Kleinen Anfrage dazu war auch äußerst unbefriedigend, das muss ich sagen. Wenn man noch ein bisschen recherchiert im Internet, dann stellt man fest, Thüringen hat gar nicht so viel Einfluss, weil alle Arbeitsgruppen, die benannt sind, sind ohne Thüringer besetzt und an dieser Stelle würde ich einfach vorschlagen, dass sich die Landesregierung da noch weiter ins Zeug legt. Wenn wir von dem nationalen Qualifikationsrahmen sprechen, dann reden wir von der Zukunft von Menschen, denn auch wenn Sie den europäischen Prozess verfolgt haben, geht es darum, mit diesem Qualifikationsrahmen auch Vergütungsstrukturen in Europa zu schaffen und jeder, den wir

in irgendeiner Art und Weise mit der Einstufung benachteiligen, wird Konsequenzen spüren.

Ich bin der Auffassung, die drei Punkte sind nach wie vor aktuell. Ich würde die CDU-Fraktion bitten, noch einmal zu überdenken, dem Antrag zuzustimmen. Alle Sachen, die ich gerade benannt habe, können im Juniplenum hier berichtet oder wahlweise dem Landesparlament zum 01.06. schriftlich vorgelegt werden. Der Minister hat gerade dargelegt, das ist alles nicht so dramatisch und er hat schon alles; von daher sollte das möglich sein. Ich bitte Sie darum, die Ausbildungssituation nicht immer als ein Anhängsel der Wirtschaftspolitik zu betrachten. Natürlich ist es voneinander abhängig, aber wenn wir nicht mit Leidenschaft um unsere jungen Menschen kämpfen und um ihre Situation, dann wird das leider hier nichts werden. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die Landesregierung wünscht Minister Reinholz noch einmal das Wort.

Meine Damen und Herren von der LINKEN und der SPD, es gibt ein altes Sprichwort, das sagt: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen.“ In Berlin tragen Sie Verantwortung als rot-rote Koalition. In Berlin ist der Anteil der geförderten Ausbildungsplätze viel, viel höher als in Thüringen und wenn Sie sich hier so stark artikulieren, dann sollten Sie sich einmal darum bemühen, dass in Berlin vielleicht mehr betriebliche Ausbildungsplätze entstehen und auch Berlin wird erst im Jahre 2011 evaluiert werden genau wie Thüringen und wir werden Ihnen dann im Jahre 2012 auch einen entsprechenden Evaluationsbericht vorlegen. Und noch eines: In der letzten Förderperiode, meine verehrten Damen und Herren von Links, hat Thüringen in der Evaluierung wesentlich besser abgeschnitten als das rot-rote Berlin, also kehren Sie erst einmal vor der eigenen Haustür, bevor Sie hier der Landesregierung Vorschriften machen wollen. Danke.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden. Demzufolge stimmen wir direkt über diesen Antrag ab. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 4/4897 zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Ich fra

ge nach den Gegenstimmen. Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Ich frage nach den Stimmenthaltungen. Stimmenthaltungen gibt es keine. Der Antrag ist abgelehnt. Gab es Stimmenthaltungen? Ich frage noch einmal nach den Stimmenthaltungen. 3 Stimmenthaltungen. Danke. Der Antrag ist abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 32.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 33

Fairer Wettbewerb im Schie- nenpersonennahverkehr (SPNV) Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/4906 -

Dazu habe ich einiges anzusagen, was die Fraktionen inzwischen miteinander vereinbart haben. Die Fraktion DIE LINKE hat nicht signalisiert, das Wort zur Begründung zu nehmen und mir ist eben mitgeteilt worden, dass man bereit ist, den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags im Ausschuss für Bau und Verkehr anzuhören und die Aussprache dazu auch … Gut, den Sofortbericht doch hier. Ich hatte das so verstanden, als ob der Sofortbericht nur im Ausschuss gegeben wird. So ist es mir vorhin einmal gesagt worden, aber da es jetzt offensichtlich eine andere Einigung dazu gibt, dann werden wir jetzt den Sofortbericht hören. Dann ist aber gesagt worden, ich weiß jetzt nicht, ob das Bestand hat, dass es keine weiteren Aussprachewünsche dazu gibt. Das können mir die Parlamentarischen Geschäftsführer nach diesem Sofortbericht ja mitteilen. Den Sofortbericht erstattet Staatssekretär Richwien.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, die Landesregierung hatte eine weitreichende Vergabekonzeption für die nächsten Jahre erarbeitet und die dazugehörigen Planungen im aktuellen Nahverkehrsplan des Landes verankert. Dieser ist seit wenigen und einigen Wochen auf der Homepage des Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Medien abrufbar. Die Drucklegung wird in Kürze abgeschlossen sein. Die Entwicklung einer weitreichenden Vergabekonzeption war erforderlich, da in den nächsten Jahren mehrere Verkehrsverträge auslaufen. Bei der Neuvergabe der Leistungen ist aufgrund der zentralen Lage Thüringens und der zahlreichen länderübergreifenden Linien eine enge Abstimmung mit den Nachbarländern erforderlich. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Nahverkehrsplanungen der benachbarten Aufgabenträger, die Vorbereitung und Durchführung der Vergabeverfahren, die Angebotsplanung sowie die Synchronisation der Verkehrsverträge. Die Vergabekonzeption der Landesregierung unterscheidet Verfahren, bei denen die Federführung beim Frei

staat Thüringen liegt und solchen, bei denen sich Thüringen an Verfahren des benachbarten Aufgabenträgers beteiligt. Die Konzeption geht von der heutigen Infrastruktur aus und berücksichtigt die im Bau befindlichen und geplanten Ausbauvorhaben.

Ein weiteres Ziel des Freistaats ist es, möglichst homogene und räumlich abgegrenzte Netze zu definieren, um die Tarif-, Vertriebs- und Marketingverantwortung zu bündeln. Dabei kommt der Herstellung einer attraktiven Verknüpfung der Linien an den Schnittstellen der Vergabenetze sowie dem Fahrzeugeinsatz und der Traktionsart eine besondere Bedeutung zu. Grundsätzlich entsprechen die Netzzuschnitte den bestehenden Linienverläufen, so dass weder negative Auswirkungen auf Zugverläufe noch sonstige Nachteile an den jeweiligen Vergaben zu erwarten sind. Die länderübergreifende Planung und Vergabe gewährleistet nicht nur den Erhalt lange laufender Nahverkehrslinien, sondern ermöglicht die Schaffung neuer Direktverbindungen, wie z.B. Jena-SaalfeldNürnberg und Leipzig-Gera-Saalfeld. Durch einen netzweit einheitlichen Fahrzeugpark können die Werkstattkapazitäten und die damit verbundenen Kompetenzen optimal genutzt werden. Das geht auf die Kosten der Unternehmen und reduziert die Aufwendungen für den bzw. die Besteller. Der Fahrzeugeinsatz, der Zuschnitt und die Lage der Werkstätten sollen in der Kernverantwortung der Unternehmen verbleiben. Gleichwohl kann durch die im Nahverkehrsplan festgelegte Netzgestaltung und die technischen Vorgaben, wie z.B. Traktionsart und Neigetechnikeinsatz, Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und damit die Höhe des wirtschaftlichen Ausgleichs genommen werden. Hinsichtlich der Netzbildung gibt das Vergaberecht keine spezifischen Anforderungen vor. Nach § 5 Nummer 1 VOL/A ist lediglich zu beachten, dass eine Leistung in Losen ausgeschrieben werden soll, soweit dies zweckmäßig ist. Dies soll kleinen und mittleren Unternehmen die Teilnahme am Wettbewerb ermöglichen. Da eine Losaufteilung unter dem Vorbehalt der Zweckmäßigkeit steht, sind planerische, verkehrswirtschaftliche und technische Gesichtspunkte sowie Interessen der benachbarten Aufgabenträger zu beachten. Insofern garantieren die Planungen des Landes eine diskriminierungsfreie und vergaberechtssichere Ausschreibung der Verkehrsleistungen.

Die in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE gemachte Aussage, dass Wettbewerbsverfahren in anderen Ländern ausschließlich unter dem Aspekt der geringsten Kosten durchgeführt werden, erschließt sich mir nicht. Jedenfalls kann ich dieses für die Landesregierung nicht bestätigen. Festzustellen ist vielmehr, dass in der Folge der Verkehrsverfahren die Qualität des Schienenpersonennahverkehrs oftmals gestiegen ist. So werden neue Fahrzeuge eingesetzt und verbesserte Fahrplankonzepte sowie oftmals zu

sätzliche Fahrten umgesetzt. Dabei konnten die durch die Aufgabenträger zu zahlenden Ausgleichsleistungen trotz erheblich verbesserter Qualität verringert werden. Gestatten Sie mir, an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Ausgleichsleistungen für die Erbringung des Schienenpersonennahverkehrs um Steuergelder handelt. Es gibt überhaupt keinen Zweifel an der selbstverständlichen Pflicht, diese Mittel sparsam zu verwenden. Das heißt, Ziel muss es sein, optimale Verkehrsangebote bei möglichst geringen Kosten für die Allgemeinheit zu erreichen und dabei die Aufgaben der Daseinsvorsorge zu berücksichtigen. Dabei ist es auch ein selbstverständliches Ziel der Landesregierung, den Interessen der Beschäftigten bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen angemessen Rechnung zu tragen. Grundlage dafür sind die nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die Landesregierung wird die aufgrund dieser Bedingungen gegebenen Möglichkeiten nutzen, Sozialstandards durch die Definition bestimmter Qualitätsstandards im Sinne des Artikels 4 Abs. 6 der Europäischen Verordnung Nummer 1370/2007 bei den geplanten wettbewerblichen Vergabeverfahren vertraglich zu verankern. Dazu gehören z.B. bestimmte Anforderungen an Ausbildung und Weiterbildung des Personals.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern können bestimmte Anforderungen an die Fachkunde eines Unternehmens und seine Mitarbeiter vergaberechtssicher gestellt werden.

Der vorliegende Antrag geht in der Begründung im Wesentlichen auf europarechtliche Normen ein. Abgesehen davon, meine Damen und Herren, dass die EU-Verordnung Nummer 1370/2007 erst am 3. Dezember 2009 in Kraft tritt, sind zur Gewährleistung einer rechtssicheren Vergabe von Verkehrsleistungen jedoch insbesondere die nationalen vergaberechtlichen Vorschriften zu beachten. So dürfen nach § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Die Verwendung vergaberechtlich unzulässiger Bestimmungen und Anforderungen verletzt Bieter in ihren Rechten. Auf entsprechende Nachprüfungsanträge von Bietern hin würde das Verfahren aufgehoben und müsste ohne die unzulässigen Bestimmungen wiederholt werden, meine Damen und Herren.

Ich weise in diesem Zusammenhang auf eine entsprechende Entscheidung durch die Vergabekammer Lüneburg im Mai letzten Jahres hin, nach der

eine Ausschreibung von Eisenbahnverkehrsleistungen aufzuheben war, weil dem Bieter vergaberechtswidrig eine Tariftreuepflicht auferlegt werden sollte. Bei den im Antrag der Fraktion DIE LINKE geforderten Standards handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um eindeutige vergaberechtswidrige Kriterien. So, meine Damen und Herren, lässt sich keine vernünftige und schon gar keine rechtssichere Verkehrspolitik entwickeln. An dieser Stelle gestatten Sie mir den Hinweis, dass alle Leistungen im Schienenpersonennahverkehr in Thüringen auf der Grundlage gültiger Tarifverträge erbracht werden, die von den bekannten Branchengewerkschaften ausgehandelt werden. Es ist in Deutschland nicht üblich, dass sich der Staat in die Tarifautonomie einmischt. Einen staatlich auferlegten Einheitstarifvertrag lehnt jedenfalls die Landesregierung ab. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich frage jetzt vorsichtshalber: Wird die Aussprache zum Sofortbericht gewünscht? Das ist nicht der Fall.

Damit stelle ich fest, dass das Berichtsersuchen zu Nummer 1 dieses Antrags erfüllt ist.

Jetzt müsste noch der Antrag gestellt werden, dass die Nummer 2 überwiesen wird. Herr Abgeordneter Schröter.

Im Einvernehmen aller Fraktionen beantragt die CDUFraktion, die Nummer 2 des Antrags an den Ausschuss für Bau und Verkehr zu überweisen.

Dann stimmen wir darüber ab, die Nummer 2 des Antrags der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 4/4906 an den Ausschuss für Bau und Verkehr zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall.

Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 33 und rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf

Für einen wirksamen Schutz minderjähriger Flüchtlinge Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/4909 -

Die Fraktion DIE LINKE hat nicht das Wort zur Begründung gewünscht. Ich rufe als Erstes für die SPD

Fraktion Frau Abgeordnete Pelke auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE, der unter dem Titel „Für einen wirksamen Schutz minderjähriger Flüchtlinge“ steht, gibt es einige wenige Dinge anzumerken. Der Antrag beinhaltet zwei Schwerpunkte, nämlich mittels des Bundesrats dafür Sorge zu tragen, dass die Schutzfunktion des Kinder- und Jugendhilfegesetzes gegenüber dem Asylbewerberleistungsgesetz vorrangig ist und zum Zweiten, dass auf Landesebene bereits jetzt dafür Sorge zu tragen ist, dass die Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bei der Betreuung minderjähriger Flüchtlinge in jedem Falle angewendet werden. Zum Hintergrund gleich noch einige Sätze.

Bei der Unterbringung über 16-jähriger minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge wird unterschiedlich verfahren. Während Mädchen zur Vermeidung sexueller Übergriffe in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden, bringt man die Jungen in Gemeinschaftsunterkünften unter. Das ist mit sehr unterschiedlichen Kosten verbunden. Der Tagessatz in Jugendhilfeeinrichtungen liegt oberhalb von 100 €, der in Gemeinschaftsunterkünften beträgt nur einen Bruchteil davon. Das ist auch aus unserer Sicht eigentlich der Grund, weshalb hier unterschiedlich verfahren wird, in der Sache aber aus unserer Sicht ein falsches Verfahren. Das pädagogische Angebot in Jugendhilfeeinrichtungen liegt weit oberhalb des Niveaus von Gemeinschaftsunterkünften, sofern man dort überhaupt von einem Betreuungsangebot sprechen kann.

Auch nach Informationen der Ministerien - dieses Thema wurde auch bereits schon mal in einem der letzten Gleichstellungsausschuss-Sitzungen behandelt - handelt es sich derzeit in Thüringen um fünf - ich wiederhole das noch mal in Worten „fünf“ - unbegleitete minderjährige männliche Flüchtlinge. Gemessen an der Gesamtzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, ist Thüringen ohnehin nur in geringer Weise betroffen und liegt weit unter dem Königssteiner Verteilungsschlüssel. Natürlich muss auch Thüringen sich anteilmäßig an den Kosten beteiligen hinsichtlich der Flüchtlinge, die auch in anderen Bereichen Deutschlands untergebracht werden. Aber letztendlich, so haben auch die Ministerien argumentiert, ist die Frage der gewährten Unterkunft eine Frage der Rechtsauslegung. Das Innenministerium selbst bezieht sich dabei auf das Asylverfahrensgesetz und das Gesetz zum Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet. Demnach werden über 16-jährige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Asylverfahren

Volljährigen gleichgestellt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kollidiert mit den Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, wonach die Jugendhilfe in solchen Fällen bis zum Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich zuständig ist. Ich denke auch, dass man sich des Themas ganz intensiv annehmen muss. Es nützt nichts, an der einen oder anderen Stelle hier darüber zu reden, dass gerade männliche Jugendliche größere Probleme haben und wir an vielen Ecken und Kanten, insbesondere auch in Sportvereinen oder in anderen Bereichen, versuchen, diese jungen Menschen zu integrieren. Nein, dieses muss auch gleich in Verbindung mit der Unterkunft geregelt werden. Bei allem Verständnis, dass man hier auch ein besonderes Auge auf weibliche jugendliche Flüchtlinge legt, aber auch männlichen Jugendlichen sollte entsprechend diese Verfahrensweise, die ihrem Alter und ihrer Situation angemessen ist, zukommen.

Wie das so ist in vielen Fällen, wenn man nicht mehr weiter weiß, dann kommt es zu einem Arbeitskreis. Auch auf Bundesebene ist eine Arbeitsgruppe der Länder eingerichtet worden, die aber auch nach Mitteilung der zuständigen Ministerien bisher noch zu keinem Ergebnis gekommen ist. Deshalb sagen wir angesichts des in der Regel vorhandenen wirklich ganz speziell individuellen Betreuungsbedarfs der Menschen, die zu uns kommen, und da mache ich jetzt an dem Punkt keine Aufteilung mehr zwischen männlich und weiblich, da gibt es ja die verschiedensten Situationen, z.B. infolge von Traumataerfahrungen, angesichts dieses Betreuungsbedarfs, der in Gemeinschaftsunterkünften nur unzureichenden Angebote - darüber haben wir hier an dieser Stelle schon öfter geredet - und auch der aus unserer Sicht erforderlichen Gleichbehandlung zwischen Jungen und Mädchen und dann noch hinzu kommend der sehr geringen Anzahl der betroffenen Minderjährigen, ist das Verfahren, wie hier in Thüringen gehandelt wird, unverständlich. Deswegen werden wir als SPD-Fraktion dem Antrag der LINKEN zustimmen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Stauche zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, wir haben hier wieder mal einen Antrag der Fraktion DIE LINKE, der wieder Bundesrecht betrifft. Da wir eigentlich alle wissen, dass wir hier keinerlei Kompetenz haben, wird die Landesregierung wieder gebeten, sich im Bundesrat für

dieses und jenes einzusetzen. Wie mit dem Schutz der minderjährigen Flüchtlinge in der Verwaltungspraxis in Thüringen umgegangen wird, scheint die Antragsteller dabei nicht so besonders zu interessieren, denn sonst hätte man sich mit dieser Frage an das Innenministerium gewandt und dort Auskunft erbeten. Aber nein, nach dem Motto „Herr Lehrer, ich weiß was“ wird wieder einfach eine Antwort auf eine parlamentarische Frage der Bundesregierung genutzt, um diese hier bei uns im Landtag zu thematisieren. Ich weiß, dass man mir jetzt wieder unterstellt, dass wir das Thema nicht hinreichend würdigen, aber wir täten besser daran, unsere Zeit und Arbeitskraft auf die Themen zu konzentrieren, für die wir auch im Gesetzgebungsverfahren Zuständigkeit haben.

Zur Tatsache, dass in Thüringen selbstverständlich auch minderjährige Flüchtlinge gut und sicher untergebracht sind, wird sicher das Innenministerium uns noch was sagen. Die Kollegin hat es ja gerade gesagt, wir haben in Thüringen derzeit sechs minderjährige männliche Flüchtlinge, von denen zurzeit fünf auf die Landkreise verteilt sind. Dort wird sicher auch kontrolliert, dass sie dort eine gute soziale Betreuung erhalten. Wir werden deshalb diesen Antrag ablehnen, weil wir nicht dafür zuständig sind. Aber wenn Sie möchten, ich nehme das Problem im Herbst gern mit in den Bundestag. Danke.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat sich zu Wort gemeldet Abgeordneter Dr. Hahnemann, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Stauche, ich weiß nicht, ob es gut ist, auf diese Weise über ein solches Thema zu reden. Ich bin auch überzeugt davon, dass Sie, wenn Sie das Problem im Herbst mit in den Bundestag nehmen, auch bei nicht unmittelbarer Zuständigkeit des Thüringer Landtags das Problem für Thüringen damit noch lange nicht erledigt ist.

Frau Berninger hat im Januar eine Presseerklärung herausgegeben, deren Überschrift lautet „Männliche jugendliche Flüchtlinge dürfen nicht schlechtergestellt sein!“, und enden tut diese Überschrift mit einem Ausrufezeichen und nicht, wie man erwartet hätte, mit einem Punkt, der ja das Satzzeichen der Selbstverständlichkeit ist, denn Gleichstellung von Kindern und Jugendlichen ist keine Selbstverständlichkeit, ganz im Gegenteil. Die männlichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge über 16 Jahre werden bisher in Thüringen, sofern kein Jugendhil

febedarf festgestellt wird, in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht.

Die Landesregierung verfährt hierbei nach dem Asylverfahrensgesetz mit dem Argument, sie müsse nach Bundesrecht handeln. Und wie Frau Kollegin Pelke schon festgestellt hat, diese ausländerrechtliche Regelung kollidiert mit einem anderen Bundesgesetz, nämlich dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Nach diesem Bundesgesetz ist das Jugendamt verpflichtet, Kinder und Jugendliche in seine Obhut zu nehmen, wenn sie unbegleitet nach Deutschland kommen und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte hier aufhalten. Mädchen und Jungen, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge das 16. Lebensjahr vollendet haben, werden also in der Bundesrepublik - nicht nur in Thüringen - einfach unterschiedlich behandelt. Die Mädchen belässt man, um mögliche Schädigungen in den Gemeinschaftsunterkünften z.B. durch sexuellen Missbrauch vorzubeugen, in der Obhut des Jugendamts, Jungen dagegen nicht, jedenfalls nicht immer und nicht automatisch. Warum nicht? Weil ein Bundesgesetz für gewichtiger gehalten wird als ein anderes, deshalb werden minderjährige Jungen schlechtergestellt als gleichaltrige Mädchen.

Das, meine Damen und Herren, entspricht unseres Erachtens weder den Bestimmungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch der UN-Kinderrechtskonvention. Warum also verhält sich die deutsche Politik so? Haben nicht Jungen den gleichen Anspruch auf Schutz des Kindeswohls? Sind sie nicht auch, genau wie Mädchen, durch den Kinder- und Jugendschutz zu behüten? In der Frage der Schlechterstellung männlicher unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge - übrigens ein Wortungetüm, das nur deutschen Juristen einfallen kann - und zur Frage der Ungleichbehandlung jugendlicher Flüchtlinge streiten sich nämlich auf der Bundesebene die Experten. Ich bin gespannt, wie Sie mit dieser Mitnahme, Frau Stauche, dann zurande kommen. Der Innenminister meint nämlich, die Asylgesetzgebung gehe vor. Hätte man die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau von der Leyen, gefragt, die hätte wahrscheinlich anders geantwortet. Für Frau von der Leyen wäre wahrscheinlich das Kindeswohl ausschlaggebend und selbstverständlich, würde zumindest ich meinen.