Und auch die Kommunen müssen in diesen Prozess von vornherein einbezogen sein und alle Entscheidungen, die zuletzt auch Kostenfragen sind, dürfen nicht über deren Köpfe entschieden werden. Lösungsvorschläge aber müssen unvoreingenommen diskutiert werden und eine Konzeption muss her. Kirchturmmentalität hilft dabei genauso wenig wie herrschaftliche Arroganz.
Meine Damen und Herren, auf persönliche und öffentliche Sicherheit ist das Denken unserer Fraktion in Sachen Innenpolitik gerichtet. Sicherheitspolitik muss nah am Bürger und nicht nah am Staat sein. Ursachenbekämpfung muss dort politische Aufgabe sein, wo Art und Folgen der Kriminalität auf soziale Probleme verweisen. Davon ist hier in diesem Hause bei Regierungserklärungen, Berichten und anderen Debatten viel zu selten die Rede. Bei gleichzeitiger Abnahme der Gesamtzahl der Straftaten nehmen z.B. Eigentums- und Betrugsdelikte zu. Daneben haben sich Bildungs-, Jugend- und Sozialpolitik der Herausforderung der zunehmenden Anzahl von Rohheitsdelikten zu stellen. Gerade im sozialen Nahraum ereignen sich in Thüringen höchst brutale Verbrechen. Gewalt in der Familie ist eben
so ein signifikantes Problem wie eine hohe Zahl von Beziehungsdelikten. Hier stimmt etwas nicht mehr im sozialen Gefüge der modernen Gesellschaft. Hier sind Hemmschwellen gesunken, hier sind Umgangsnormen zerstört, Umgangsformen haben sich brutalisiert. Wenn das aber so ist, dann reicht eine allein auf Strafverfolgung orientierte Sicherheitspolitik nicht aus. Sie gelangt sehr schnell ans Ende ihrer Möglichkeiten. Wir brauchen ein anderes gesellschaftliches Klima, wir brauchen ein anderes Familienbild, wir brauchen eine öffentliche Ächtung - hören Sie zu - jeglicher Gewalt zur Durchsetzung von Interessen, wir brauchen kritisches Selbstverständnis der Medien
und, meine Damen und Herren, wir brauchen soziale Sicherheit. Das ist der gesellschaftliche Rahmen, innerhalb dessen man dann durchaus auch über erfolgreiche Sicherheitspolitik im engeren oder im engsten Sinne reden kann.
Meine Damen und Herren, es bleibt in unserer Auffassung dabei, wir brauchen mehr als Sicherheit und Ordnung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Innenminister, gespannt war ich schon auf die heutige Regierungserklärung, nicht so sehr auf den inhaltlichen Teil, so viel ist die letzten Wochen und Monate ja nicht passiert; nichts über das es sich wirklich lohnen würde, hier in einer Regierungserklärung vorzutragen. Gespannt war ich insbesondere darauf, wie der Innenminister mit den unbewältigten Problemen bei der Thüringer Polizei umgeht. Er hat leider meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Die Probleme werden weiter verschwiegen, die Bilanzen werden schöngeredet, Besserung wird versprochen für später. Spannend war für mich, wie Sie das Scheitern der Thüringer CDU auf dem Gebiet der inneren Sicherheit hier als Erfolg verkaufen wollten. Spannend war, wie Sie die desolate Situation bei der Thüringer Polizei als Erfolg schönreden wollen. Spannend war vor allem, was Sie so alles nicht erwähnen und weglassen, weil es peinlich ist und eben das Scheitern der Thüringer CDU auf diesem Gebiet dokumentiert.
Meine Damen und Herren, fünf verlorene Jahre - das ist mein Resümee dieser Legislaturperiode. Herr Innenminister, ich will mit einigen wenigen Sätzen, mehr muss man dazu nicht sagen, direkt auf Ihre Regierungserklärung eingehen. Es war Ihr Wunsch, sie heute hier zu halten. Es war Ihr Wunsch, zu bilanzieren und einen Blick voraus zu werfen. Bleibt die Frage: Warum haben Sie es nicht getan? Sie versuchen uns hier ernsthaft immer wieder durch die Blume zu erklären, diese Legislaturperiode hat nach einem Betriebsunfall letztes Jahr im Sommer begonnen. Glauben Sie wirklich, dass das gelingen kann? Natürlich finden wir „null Toleranz“ gegen die Bandidos in Weimar gut, natürlich finden wir es gut, dass die Zentrale Bußgeldstelle ein leistungsfähigeres Computersystem bekommen hat, natürlich finden wir es gut, dass es für die Cops neue Autos gibt, und mich als Eisenacher freut es insbesondere, dass es Corsa sind. Natürlich sind 70 zusätzliche Schießtrainer bei der Thüringer Polizei etwas Gutes und natürlich bemerkt jeder, der es bemerken will, dass Sie bei Skinhead-Konzerten härter durchgreifen. Aber ist das Aneinanderreihen solcher Tatsachen und Aktionen eine Regierungserklärung? Nein!
Ich habe von Ihnen erwartet, dass Sie neben einer ehrlichen Bilanzierung die großen Fäden, die großen Linien Ihrer Innenpolitik darstellen. An dieser Stelle haben Sie komplett versagt. Ist Ihnen aufgefallen, dass in Ihrer Regierungserklärung der Begriff „Polizeientwicklungskonzept“ nicht einmal vorkommt? Ist Ihnen aufgefallen, dass Sie zu dem, was die Polizei so sehr bedrückt, Stellenabbaukonzept bei der Thüringer Polizei, nicht einen Satz verloren haben? Dass Sie über OPTOPOL nicht reden wollen, das habe ich mir fast gedacht. Aber halten Sie das in einer Bilanz für die Legislaturperiode für richtig? Der Begriff „Mehrarbeit“ ist in Ihrer Regierungserklärung nicht einmal gefallen. Was ich Ihnen ganz besonders übel nehme, ist, Sie haben nichts zu den Arbeitsbedingungen der Thüringer Polizei gesagt - keinen Satz,
keinen Satz über Besoldung, keinen Satz über Beförderung, keinen Satz über Streichung von Sonderzulagen - nichts. Dann sage ich Ihnen ganz ehrlich, wenn Sie sich damit begnügen, Polizeieinsätze zu loben und zu beurteilen, Sie haben den schwersten und kompliziertesten, den größten in dieser Legislaturperiode vergessen - den 1. Mai in Erfurt. Das halte ich für eine bodenlose Oberflächlichkeit. Ich kann mich noch daran erinnern, wie die Kollegen der Polizei diesen Einsatz beurteilt haben. Es war ein Ritt auf der Rasierklinge. Und was haben wir daraus
gelernt? Nein, meine Damen und Herren, Sie werden es mir nicht verübeln, ich werden nachholen, was Sie, Herr Innenminister, absichtlich verschwiegen haben, denn in den zentralen Problemfeldern im Bereich der inneren Sicherheit, meine Damen und Herren von der CDU, sind Sie eben nur durch Untätigkeit und sogar durch das Verschlimmern der Situation aufgefallen. Ich frage Sie: Was haben Sie für eine nachhaltige Personalentwicklung getan? Ich frage Sie: Was haben Sie für die Polizistinnen und Polizisten wirklich getan? Ich frage Sie: Was haben Sie für die Arbeitsbedingungen dieser Polizisten getan? Und ich frage Sie: Was haben Sie für die Attraktivität des Polizeiberufs getan? Wie haben Sie unseren Polizistinnen und Polizisten den außerordentlichen Einsatz gedankt, den sie Tag für Tag erbringen? Wie haben Sie es ihnen gedankt, dass sie sich Tag für Tag unter problematischen Bedingungen, aber mit ganzer Kraft, um die innere Sicherheit kümmern? Die Antwort lautet: Auf dem Gebiet einer nachhaltigen Personalpolitik haben Sie komplett versagt.
Nehmen wir, meine Damen und Herren, die Personalentwicklung etwas genauer unter die Lupe. Seit 2002 befindet sich die Thüringer Polizei in einer permanenten Phase des Stellenabbaus, begonnen bei Innenminister Trautvetter, fortgeschrieben und gesteigert unter den Innenministern Gasser und Scherer. Trauriger Höhepunkt dieser Veranstaltung ist das Stellenabbaukonzept der Thüringer Landesregierung. Bis 2019 werden bei der Thüringer Polizei planmäßig - so hat es die Thüringer CDU beschlossen - 1.365 Stellen abgebaut. Laut Ihres Stellenvernichtungskonzepts verschwinden bis 2019 bei den Polizeidirektionen 761 Stellen, bei der Bereitschaftspolizei 200 Stellen, in den Bildungseinrichtungen 40 Stellen, beim LKA 17 Stellen. Herr Innenminister, wer das „eine Politik mit Augenmaß“ nennt, muss von Sinnen sein. Und diese Abbauorgie veranstalten Sie ohne jeden Plan. Ein Personalentwicklungskonzept, das in allen anderen Bundesländern zum Standard gehört, gibt es bei Ihnen nicht. Im Übrigen, Herr Innenminister, nur ein solches Konzept kann auf der Grundlage einer abgestimmten und anerkannten Strategie wesentlich zur Stabilisierung und Beruhigung des Personalkörpers bei der Thüringer Polizei beitragen. Ihr Personalhickhack in der Führungsspitze der Polizei trägt ganz sicher nicht zu einer solchen Beruhigung bei. Aber dazu später mehr.
Statt den Beschäftigten bei der Thüringer Polizei eine Perspektive aufzuzeigen, schwadronieren Sie durch das Land und wollen dafür gelobt werden, dass Sie 2008 und 2009 wahrscheinlich 80 Anwärter mehr
ausbilden. Herr Hahnemann hat das schon richtig gesagt, Sie wollten das doch gar nicht, das hat Ihnen der Landtag aufgedrückt. Aber was für mich noch viel frappierender ist, ist, was Sie verschweigen. Jahr für Jahr verliert Thüringen eine immer größere Anzahl von Polizisten, die nicht ersetzt werden kann. 2009 werden es mehr als 200 sein und diese Zahl wird sich in den kommenden Jahren dramatisch erhöhen. Einen Höhepunkt erleben wir dann 2011, dafür fangen wir jetzt an auszubilden, deshalb ist die Zahl 2011 für uns so wichtig, in diesem Jahr wird die Polizei mehr als 300 Beschäftigte verlieren, durch Altersabgänge, durch den Wechsel in die Freistellungsphase der Altersteilzeit, durch vorzeitige Versetzung in den Ruhestand und durch sonstige Abgänge. Das heißt, auch unter Ihrer Verantwortung wird in Thüringen bei der Polizei massiv unter Bedarf ausgebildet - wir bilden massiv unter Bedarf aus.
Und als wenn das alles nicht schlimm genug wäre, wird die Situation verschärft durch die alarmierende, schnell wachsende Zahl nur eingeschränkt und nicht dienstfähiger Beamter. Weil Sie nicht in der Lage waren, die Dramatik dieser Situation zu beschreiben, will ich das für Sie gern tun. 2005 - eingeschränkt oder gar nicht mehr dienstfähige Polizisten plus 151, 2006 - noch einmal plus 179; 2007 - noch mal plus 190. Fast 15 Prozent aller Polizistinnen und Polizisten bei der Thüringer Polizei sind nur noch eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr dienstfähig. Der Krankenstand von durchschnittlich 8 Prozent ist eigentlich ein Skandal, aber nimmt sich dagegen schon fast bescheiden aus. Diese Zahlen bedeuten den Negativrekord im bundesdeutschen Vergleich.
Meine Damen und Herren, nun zu dem, was Sie angesichts dieser Missstände tun. Waren Sie in der Lage und willens, diese fatale Entwicklung, für die übrigens nur Sie verantwortlich sind, zu wenden? Nein, auf Ihrer Habenseite stehen ein paar Dutzend Beamte, die an die Basisstelle versetzt wurden. Einem Personalschwund im dreistelligen Bereich stellen Sie eine einmalige Versetzung einer Handvoll Polizeibeamter gegenüber; das ist bezeichnend. Bezeichnend ist übrigens auch, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung eine Rechnung über die Polizeientwicklung aufmachen, die jeder Beschreibung spottet. Sie nehmen aus der gesamten Legislaturperiode acht Monate heraus. Ja, Sie nehmen da einfach acht Monate heraus. Wir reden von einer Zeit von viereinhalb Jahren. Anhand dieser acht Monate wollen Sie eine positive Entwicklung darstellen. Wir wissen doch, dass der Rest dieser Legislaturperiode eine absolute katastrophale Entwicklung war.
Herr Innenminister, Ihre heutige Regierungserklärung hat gezeigt, Sie haben nach wie vor keinen Plan. Nur, wie das dann in solchen Situationen ist, für das Ministerium zeigen Sie eine klare Perspektive auf. In der Haushaltsverabschiedung für die Jahre 2008 und 2009 sind für das Ministerium mal locker zusätzlich 36 Stellen beantragt und bewilligt worden. Die Begründung: Erstens OPTOPOL - dazu muss ich wohl hier nichts mehr sagen - und zweitens, man wolle den juristischen Sachverstand im Innenministerium schärfen. Ich frage mich, warum sich das Ministerium dann aufgrund von Rechtsstreiten vor Gericht extern vertreten lässt. Auch das kostet Geld. Also ein Plus in den Personalstellen und dann trotzdem noch die Notwendigkeit den externen Sachverstands heranzuholen - ich kann das nicht nachvollziehen. Ihr Vorgänger, Herr Innenminister Scherer, hatte ja wenigstens noch einen Plan. Zugegeben, das war ein schlechter Plan, an dem er im Endeffekt und gemeinsam mit der Thüringer CDU zu Recht gescheitert ist. Dieser Plan hieß OPTOPOL. Das letzte Mal haben wir uns deshalb auch 2006 im Rahmen dieses Plans ausführlich über die Situation bei der Thüringer Polizei unterhalten. Von all dem, was uns die Landesregierung vor nur zwei Jahren als Analyse vorgelegt hat, von all dem, was Sie uns als Ausweg aus der verfahrenen Situation aufgezeichnet haben, von all dem möchten Sie heute nichts mehr wissen, von all dem kein Wort in Ihrer Regierungserklärung. Noch 2006 formulierte die Landesregierung, ich zitiere: „Aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen“ - gemeint ist der Stellenabbau - „ist eine grundlegende Weiterentwicklung der Strukturen notwendig.“ Oder: „OPTOPOL schafft die Voraussetzungen dafür, dass der Stellenabbau in der Polizei gerade nicht zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage führt.“ OPTOPOL haben wir nun nicht, den Stellenabbau sehr wohl. Heute, nur ein Jahr später, beschleunigt sich der Personalabbau immer weiter, von Strukturreformen ist keine Rede mehr, ja, der Innenminister leugnet sogar, dass eine Strukturreform umgehend notwendig und sinnvoll ist.
Meine Damen und Herren von der CDU, das Ergebnis ist niederschmetternd. Sie bauen immer weiter Personal bei der Thüringer Polizei ab, immer mehr Vollzugsbeamte sind polizeidienstunfähig, der Krankenstand ist extrem hoch und nichts passiert, um dem entgegenzuwirken. So treiben Sie Jahr für Jahr unsere Polizei ein Stückchen näher an den Ruin.
Es gibt, wenn man wirksam und nachhaltig etwas tun will, in diesem Problemfeld nur eine konsequente, schnelle Möglichkeit: Lassen Sie uns gemeinsam den
Ein entsprechender Initiativantrag dazu liegt Ihnen vor. Handeln Sie endlich nach viereinhalb Jahren! Hören Sie auf zu reden oder die Verantwortung in irgendwelche Arbeitsgruppen abzuwälzen. Angesichts Ihrer Planlosigkeit stellt sich doch die Frage, und das ist die zweite wichtige Frage, zu der Sie nichts gesagt haben: Wie kommen die Beschäftigten bei der Thüringer Polizei damit zurecht, wie geht es unseren Polizistinnen und Polizisten? Die Antwort ist: Schlecht. Die Stimmung ist mies. Es liegt übrigens auch an solchen Regierungserklärungen wie heute, zu groß ist die Kluft zwischen der Wirklichkeit und den Erfolgsmeldungen, Herr Innenminister, die Sie ständig verkünden. Ihre Politik hat die Thüringer Polizisten mit aller Härte getroffen: Personalabbau, dadurch natürlich Mehrarbeit, Beförderungsstau, Leistungskürzungen, Arbeitszeitverlängerungen und keinen Plan, wie es weitergehen soll. Das sind die Fakten. Was meinen Sie, welche Folgen es hat, wenn die Besoldungs- und Aufstiegschancen miserabel sind? Der Stellenanteil im gehobenen Dienst ist viel zu gering, bundesweit liegt er bei 60 Prozent, in Thüringen gerade einmal bei 30 Prozent. Auch hier sind wir Schlusslicht im Ländervergleich. Dass es eine Vereinbarung auf der Innenministerkonferenz gibt, dem Thüringen immer wieder zugestimmt hat, interessiert in diesem Kabinett überhaupt niemanden. Diese Vereinbarung wird ständig und regelmäßig gebrochen. Und es nützt den Polizisten überhaupt nichts, wenn Sie, wie Herr Hahnemann bei einem anderen Thema angesprochen hat, nach fünf Jahren uns immer noch versprechen, dass Sie es aber jetzt ganz zügig angehen wollen.
Meine Damen und Herren, die Wahrscheinlichkeit, dass 6.000 Thüringer Polizisten befördert werden, ist außerordentlich gering. Nur für rund 5 Prozent pro Jahr schafft die Landesregierung die Möglichkeit. Das bedeutet im Durchschnitt die lächerliche Zahl von 20 bis 30 Beförderungen je Behörde. In Thüringen ist die Gefahr real, dass Polizeibeamte mit ihrem Eingangsamt in den Ruhestand versetzt werden. Nirgendwo in Deutschland werden Polizisten so schlecht behandelt und so schlecht bezahlt wie in Thüringen. Das hat natürlich Folgen für die Motivation. Es gibt einen engen Zusammenhang von kritischen Arbeitsbedingungen und Perspektivlosigkeit und einem außerordentlich hohen Krankenstand. Herr Minister, wir brauchen keinen Arbeitskreis im Thüringer Innenministerium, um dieses festzustellen. Wir brauchen ordentliche Arbeitsbedingungen und wir brauchen vor allem eine gerechte Entlohnung für die Thüringer Polizisten.
Meine Damen und Herren, gesetzgeberisch war sicherlich unbestritten das Polizeiaufgabengesetz der Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode mit dem Ergebnis für die Landesregierung: Nicht bestanden. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben auf der einen Seite Ressourcen bei der Thüringer Polizei massiv abgebaut und auf der anderen Seite immer wieder nach Gesetzesverschärfung gerufen. Zwei Jahre haben Sie gebraucht, um auf einen Entwurf der Thüringer SPD zu reagieren. Das alles, obwohl eine Reihe höchstrichterlicher Urteile längst festgestellt hat, das Thüringer Polizeiaufgabengesetz war in wesentlichen Passagen verfassungswidrig. Das alles hat Sie nicht interessiert bzw. animiert, zeitnah eine angemessene Gesetzesnovelle vorzulegen. Nur verspätet und unvollständig haben Sie die Konsequenzen aus dem Urteil des Verfassungsgerichts gezogen. Der Auftrag, dabei für Ausgewogenheit zwischen Freiheit und Sicherheit zu sorgen, wurde und wird von Ihnen nicht ernst genug genommen. Meine Damen und Herren von der CDU, stattdessen gaukeln Sie den Thüringern mit immer neuen Eingriffsbefugnissen - ich nenne z. B. die Kennzeichenerfassung - einen Gewinn an Sicherheit vor. Nach unserer Auffassung ist auch das neue Polizeiaufgabengesetz in Teilen verfassungswidrig. Sie haben darauf verzichtet, Eingriffe in die Freiheitsrechte auf ein notwendiges Mindestmaß zu beschränken und einen effektiven Rechtsschutz gegen polizeiliche Maßnahmen zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass wir die neue Regelung in § 6 Abs. 2 des Polizeiorganisationsgesetzes für verfassungswidrig halten. Es widerspricht nach unserer Auffassung rechtsstaatlichen und demokratischen Anforderungen, wenn dem Parlament das Recht genommen wird, über die Zahl und die Standorte der Polizeidirektionen zu bestimmen. Deshalb haben wir im Januar dieses Jahres eine Normenkontrollklage gegen dieses Gesetz eingereicht.
Meine Damen und Herren, dass die Thüringer CDU nicht souverän die Fragen der inneren Sicherheit beantworten kann, dokumentiert sich auch in den Vorgängen, die ca. ein halbes Jahr zurückliegen. Der damalige Innenminister wurde sprichwörtlich gefeuert. Aber ich habe es schon einmal gesagt: Nicht nur der Innenminister, auch die Thüringer CDU ist gescheitert. Sie haben in der gesamten Legislaturperiode keine Antwort auf die zentralen Fragen im Bereich der inneren Sicherheit gefunden. Dafür werden dann von Ihnen immer Innenminister, Staatssekretäre und Abteilungsleiter abgestraft, das sind quasi die Bauernopfer; ein Neuanfang folgt dem anderen.
Die Politik dieser Landesregierung hat in den einzelnen Führungsbereichen der Thüringer Polizei einen personellen Scherbenhaufen hinterlassen. Heute erklären uns diejenigen, die mit Gasser gescheitert sind und über Monate und Jahre behauptet haben, nur OPTOPOL sei die Antwort auf alle Fragen der Polizei, dass nun, und zwar unabwendbar, der neue Innenminister Scherer uns aus dem irdischen Jammertal führen wird.
Meine Damen und Herren, Herr Scherer ist nicht Teil irgendeiner Lösung, er ist ein Teil des Problems.
Er tut genau das, wozu er in seinem Amt gebracht wurde - Probleme vertagen, lächelnd über die Dinge hinweggehen und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. An Ihrem Verhalten, meine Damen und Herren von der CDU, merkt man, das ist genau das, was Sie wollten. Uns Sozialdemokraten ist das zu wenig. Dass der neue Innenminister Teil des Problems ist, sehen wir deutlich an der Überstundenaffäre. Seit Jahren gibt es ungeahnte Rechtsverstöße. Seit Jahren ist die Mehrarbeitsproblematik ungelöst und belastet die Thüringer Polizei. Sie hat ihren Ursprung in der Zeit, als Herr Scherer Staatssekretär im Innenministerium war. Der Beauftragte der Landesregierung, Herr Sauter, kam zu folgendem Ergebnis, ich zitiere: „Eine konsequente und effektive Dienstaufsicht auf diesem Gebiet ist bis zum Jahre 2004 nicht ausgeübt worden.“ Herr Scherer, Sie waren bis 2004 Staatssekretär des Innenministeriums; als Dienstvorgesetzter der Abteilung Polizei waren Sie der Hauptverantwortliche für jahrelang andauernde strafbare Handlungen und Dienstpflichtverletzungen im Bereich der Mehrarbeitsvergütung. So ist es natürlich verständlich, dass Sie insbesondere bei dieser Problematik kleinreden und abwiegeln. Frappierend ist für mich auch, wie Sie, Herr Innenminister, in den ersten Wochen Ihr Haus neu sortiert haben. Unter der Überschrift „Nur wer richtig versagt hat, ist auch in der Lage, eine Führungsposition zu bekleiden“ fanden für mich bis heute nicht nachvollziehbare Personalverschiebungen im Innenministerium und dessen Verantwortungsbereich statt. Ich erwähne ausdrücklich - ich werde ja so gern gezielt missverstanden -, ich meine damit nicht die Berufung der neuen PD-Leiter. Der Beauftragte der Landesregierung zur Aufarbeitung der Überstundenaffäre - der Beauftragte der Landesregierung - ist mit keiner Polizeibehörde so hart ins Gericht gegangen wie mit dem Landeskriminalamt. So schreibt Herr Sauter dem ehemaligen Präsidenten des LKA folgende Beurteilung, ich zitiere: „Die Stellungnahme des Präsidenten zeigt mit aller Deutlichkeit, dass man im Thüringer Landeskriminalamt die Regelungen zur
Feststellung und Abrechnung von Mehrarbeit immer noch nicht begriffen hat oder“ - was diesseits für wahrscheinlicher gehalten wird - „noch immer nicht bereit ist, diese zu akzeptieren und anzuwenden.“
Er wirft ihm auf gut Deutsch Rechtsbruch vor. Das geschah im Dezember 2007. Der Verantwortliche für diese rechtswidrige Praxis im LKA ist heute Leiter der Abteilung Polizei im Ministerium. Ein gewisser Herr Jakstat, der über Jahre und Monate federführend die Arbeitsgruppe OPTOPOL leitete und mit ihr furios scheiterte, ist heute Leiter des LKA. Aber es gibt Hoffnung. Seit Mitte Dezember klagt der vormalige Abteilungsleiter, Herr Klüber, vertreten von der Anwaltskanzlei des ehemaligen Innenministers Gasser, gegen diese Personalentscheidung. Das Hauen und Stechen innerhalb des Thüringer Innenministeriums kennt keine Grenzen und vor allen Dingen keine Maßstäbe mehr. Vielleicht macht Herr Klüber ja wirklich einmal etwas Gutes. Vielleicht tritt er eine neue Personalrochade los. Und vielleicht - die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt - hat der Innenminister die Fehler, die er bei seinem Amtsantritt gemacht hat, bereits registriert und bekommt dann die Chance, diese zu revidieren.
Meine Damen und Herren, noch vor 20 Jahren, also zu Zeiten der DDR, gab es viele treffende Sprüche, mit denen die Arbeitsweisen der sogenannten Elite bedacht wurden. Einer der bekanntesten lautete: „Wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis“. Zwar ist der Innenminister kein Hiesiger, aber mit dem Spruch kennt er sich hervorragend aus. Nehmen wir zum Beispiel das Problem der eingeschränkten Dienstfähigkeit und des hohen Krankenstands - der Innenminister überweist es an eine Projektgruppe. Problem: Verschlafene Umstrukturierung bei der Thüringer Polizei - der Innenminister gründet den Arbeitskreis Polizeimanagement. Problem: Entlastung der Thüringer Polizei von polizeifremden Aufgaben, dazu haben Sie heute auch nichts sagt - der Innenminister Scherer überweist es an den Arbeitskreis Polizeimanagement. Bis Ende 2008 wollten Sie - und das war Ihre Zeitplanung, Herr Scherer - übrigens eine abschließende Regelung für die Problematik Überstunden bei der Thüringer Polizei vorstellen. Sie wollten die Arbeitszeitordnung reformieren und eine automatische Arbeitszeiterfassung einführen. Sie haben bis heute, entgegen Ihrer Zusage Ende 2008, keine Lösung präsentiert. Aber immerhin, Sie haben in bestimmten Teilen noch die Fähigkeit, Probleme wahrzunehmen und zu beschreiben. Einer der Höhepunkte in Ihrer Amtszeit war für mich die Reaktion auf das Problem der Nachwuchsgewinnung. Sie wollen dem entgegensteuern, indem Sie die Eingangsvoraussetzungen etwas niedriger gestalten. Gleichzeitig be
richten Sie, dass beim Rechtschreibetest gleich mehrere Hundert Bewerber durchgefallen seien und überlegen nun, ob der Test nicht zu schwierig war.