Protocol of the Session on October 16, 2003

(Beifall bei der PDS)

Eine einseitige Kürzung der Beamtenbesoldung durch den Gesetzgeber ohne Berücksichtigung der Entwicklung des Tarifrechts kann allein schon deshalb nicht hingenommen werden, weil Beamten und Richtern die Möglichkeit verwehrt ist, hierauf mit Arbeitskampfmaßnahmen adäquat zu reagieren. Es ist untragbar, dass Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter für eine verfehlte Haushalts- und Finanzpolitik des Staates in die Verantwortung genommen werden sollen.

(Beifall bei der PDS)

Schließlich ist es auch nicht im Interesse eines effizienten öffentlichen Dienstes, wenn die bisherige bundeseinheitliche Lösung bei der Beamtenbesoldung preisgegeben wird. Die Aufgabe der Rechtseinheit wird schließlich zu einem Konkurrenzverhältnis zwischen reichen und armen Bundesländern mit der entsprechenden Folge einer Abwanderung qualifizierter Richter und Beamter.

Meine Damen und Herren, ich meine, so ganz nebenbei ist das auch ein weiterer Schritt in Richtung Entsolidarisierung der Bundesländer, denn die tragende Begründung der Öffnungsklausel war wohl, der unterschiedlichen finanziellen Leistungskraft der einzelnen Länder besser Rechnung tragen zu wollen. Wenn aber auf diese Weise die unterschiedlichen Lebensverhältnisse akzeptiert werden, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der weiteren Geschäftsgrundlage für den Länderfinanzausgleich. Meine Fraktion wird bei den Beratungen im Ausschuss die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zum Sonderzahlungsgesetz beantragen. Unserer Meinung nach gehört der Gesetzentwurf in den Innenausschuss als dem federführenden Ausschuss. Seine Beratung muss primär die Auswirkung des Gesetzentwurfs auf den Zustand des öffentlichen Dienstes und auf die Lebensverhältnisse der Beamten und Richter und deren Familien betrachten und nicht die Auffüllung der öffentlichen Kassen auf Kosten derer, die sich am schlechtesten dagegen wehren können, zum Ziel haben.

(Beifall bei der PDS)

Wir beantragen daher die Überweisung an den Innenausschuss als den federführenden Ausschuss. Danke.

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Müller, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich werde versuchen, mich etwas kürzer zu fassen als mein Vorredner. Es handelt sich um zwei Gesetzentwürfe, die sichtlich vor dem Hintergrund der momentanen finanziellen Situation des Freistaats erarbeitet wurden. Es ist für den ersten Gesetzentwurf sehr löblich, was den Verzicht bei den Staatssekretären betrifft. Mein Kollege Schemmel hat mich schon mehrfach diese Woche darauf hingewiesen, dass es ihn auch betreffen würde, also nicht nur die amtierenden.

Zu dem Gesetz über die Gewährung von Sonderzahlungen: Die Frage bei diesem Gesetzentwurf ist, ob er im Vergleich zu anderen Bundesländern die Thüringer Beamten nicht besonders negativ trifft. Es liegen uns Informationen vor, dass die Kürzungen in einigen der alten Länder viel geringer ausfallen. Das hat natürlich etwas mit deren Leistungskraft zu tun. Das hat aber die Konsequenz, dass sich die Schere zwischen Ost und West auch an dieser Stelle immer weiter auftut. Noch ist zu hinterfragen, ob die vorgesehene soziale Staffelung tatsächlich sozial ist. Schließlich schmerzt bei den kleinen Einkommen jeder Euro der fehlt. Uns liegt das Gesetz z.B. aus Mecklenburg-Vorpommern vor, das eine deutlichere Staffelung vorsieht zwischen 37,5 und 48,5 Prozent - während es hier nur zwischen 40 und 45 Prozent sind - und das ausgehend von der Bemessungsgrundlage West. Dabei werden bei den Polizeibeamten noch Sonderzulagenanteile in die Bemessung eingerechnet. In Thüringen werden dagegen die Polizeibeamten besonders belastet, denn wir verzeichnen hier seit langem einen Beförderungsstau.

Natürlich entscheidet jedes Land für sich, aber gerade in Thüringen mit seiner langen Grenze zu Bayern führt ein solcher Vorschlag wie im vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem verstärkten Abwanderungsdruck nach dem Süden aus materiellen Gründen. Es trifft die guten Fachkräfte, die uns in wenigen Jahren auch im öffentlichen Dienst fehlen werden. In einigen Bereichen spüren wir den Mangel bereits jetzt. Die SPD-Fraktion hat sich bekanntlich lange gegen die Massenverbeamtung in Thüringen gewehrt. Wir waren und sind in Sorge vor der zukünftigen Belastung unseres Landeshaushalts. Nun hat man durch die hohe Zahl von Beamten in Thüringen in der vorliegenden Frage die Bediensteten quasi in zwei Lager gespalten. Man kürzt zunächst bei den Beamten und setzt danach die Angestelltengewerkschaft unter Druck. Wenn die nicht mitmachen, kann man letztlich auch den Tarifverbund verlassen und eigene Wege gehen. Teile und herrsche - das konnten schon die alten Römer gut.

Es bleiben also eine Reihe von Fragen, die im Ausschuss zu besprechen sind. Wir beantragen die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss, der wegen der Anbindung der federführende sein müsste, und an den Innenausschuss mitberatend. Wir werden dort auch eine Anhörung beantragen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Jaschke, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, diskutiert man über Gesetze, die Besitzstände antasten, ist dies in der Tat keine ungetrübte Freude. Klar ist, man wird sich keines ungeteilten Beifalls erfreuen dürfen. Dies wissend, wundern mich die unterschiedlichen Debattenbeiträge in der Öffentlichkeit zum Thema nicht. Man darf sich aber schon wundern, wie wirklichkeitsfremd manche Beiträge sind. Dabei gibt es sicher keinen Streit um die Verzögerung der Bezugsanpassung in den beiden oberen B-Gehaltsgruppen bis 2005. Darüber geht man auch in der öffentlichen Diskussion gern hinweg.

Ich will es gerade deshalb deutlich sagen: Die Regierung selbst geht mit gutem Beispiel voran. Sie setzt sich gerade nicht dem Vorwurf aus, öffentlich Wasser zu predigen - sprich Sparen -, im Geheimen aber dem Weine zu frönen - sprich Gehaltsanpassungen wie selbstverständlich hinzunehmen. Danke. Das macht den notwendigen Sparkurs, den die Regierung eingeschlagen hat und über den wir in der Haushaltsdebatte debattierten, glaubwürdig.

Lassen Sie mich aber einige Bemerkungen anfügen über die Veränderungen bei den Sonderzahlungen. Thüringen steht mit dem Sparen bei den Personalkosten in der Bundesrepublik nicht allein da. Fast alle Länder setzen bei den Sonderzahlungen für Beamte den Streichstift an. Die einzelnen Länder, junge wie alte, unterscheiden sich aber beträchtlich in dem Wie der Veränderungen. Hier im substanziellen ist der Thüringer Gesetzentwurf erstens maßvoll, zweitens sozial und drittens - denke ich - leistungsbezogen.

Zu eins - maßvoll: Die Kürzungen an dieser Stelle sind vertretbar. Bei aller Diskussion um die Kürzung auch von den Betroffenen selbst, dem Beamtenbund oder gar von ver.di darf Folgendes nicht übersehen werden: Der öffentliche Dienst und insbesondere die Beamten haben einen der sichersten Arbeitsplätze, die es derzeit in der Republik gibt. Mögen Beamte im Freistaat auch Sorgen haben, aber die eine Sorge, die Tausende Thüringerinnen und Thüringer in der Tat haben, nämlich ist mein Arbeitsplatz sicher, habe ich im nächsten Jahr noch einen Job, diese Sorge haben sie in der Tat nicht. Bitte lassen

wir also die Kirche im Dorf. Maßvoll ist die Kürzung aber auch, wenn wir den Vergleich zu den anderen Ländern ziehen - Ost wie West. Die Kürzung für Beamtenkollegen in den anderen Ländern sind prozentual bedeutend höher als in Thüringen.

Zweitens zum Sozialen: Der Gesetzentwurf schiebt nicht alle Betroffenen über einen Leisten, ich will sagen, er differenziert und das meines Erachtens sachgerecht. Die Sonderbezüge der Beamten des mittleren und gehobenen Dienstes werden weniger stark abgesenkt als die des höheren Dienstes. Der Familienzuschlag wird mit der neu einzuführenden Regelung von derzeit 63 Prozent Ost bzw. 84 Prozent West auf 100 Prozent angehoben. Nicht zuletzt wird der Sonderbetrag für Kinder beibehalten.

Drittens - leistungsbezogen: Der Gesetzesvorschlag geht ausdrücklich nicht von einem Festbetrag der Sonderbezüge aus, sondern koppelt diese an die monatlichen Bezüge. Damit führt eine Beförderung automatisch auch zu einem Anstieg der Sonderbezüge. Das Leistungsprinzip bleibt damit verknüpft auch mit der Zahlung der Sonderbezüge.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf zeigt Augenmaß, berücksichtigt soziale Belange und wahrt den wichtigen leistungsbezogenen Ansatz der Personalpolitik des Freistaats. Alles in allem zeigt dieser Gesetzentwurf deutlich, dass, auch wenn man sparen muss, trotzdem gestaltet werden kann. Ich bitte um Überweisung der beiden Gesetzentwürfe an den Haushalts- und Finanzausschuss und bedanke mich.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Feder- führung Innenausschuss.)

(Beifall bei der CDU)

Weitere Redemeldungen sehe ich nicht. Entschuldigung, eine kurze Ergänzung noch, richtig.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur zwei kurze Anmerkungen zu den Rednern der Opposition. Interessant ist, dass in dem Gesetzentwurf von Mecklenburg-Vorpommern, wo die PDS bekanntlicherweise mit in Regierungsverantwortung ist, keine Revisionsklausel, auch nicht so eine, wie wir sie haben, mit eingearbeitet ist, Herr Dr. Koch.

Zu Herrn Müller möchte ich kurz anmerken: Sie sagen, Beförderungsstau bei den Polizeibeamten. Der heute früh verabschiedete Nachtragshaushalt beinhaltet eben gerade deswegen 105 Stellenanhebungen vom mittleren zum gehobenen Dienst, um diese Beförderungsmöglichkeiten aufzumachen für die Polizeibediensteten. Wenn Sie sagen,

Herr Müller, andere Länder - Geberländer - würden nicht so stark kürzen, gerade Geberländer wie Hessen und BadenWürttemberg kürzen von 84 bis auf 50 Prozent der Sonderzuwendungen. Wir machen von 64 auf teilweise 45 Prozent, also da wird noch mehr gekürzt. Das nur zur Richtigstellung.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt sehe ich aber keine Redemeldungen mehr und kann die Aussprache schließen. Wir kommen zu den Abstimmungen über die Überweisungen, und zwar zunächst zu Punkt 9, das war die Drucksache 3/3624. Hier war beantragt einmal Haushalts- und Finanzausschuss, aber es gibt auch einen Antrag auf Überweisung an den Innenausschuss.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Feder- führung.)

Federführend wollen Sie das sogar bei Ihnen haben? Dann stimmen wir zunächst ab über die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Nicht der Fall. Enthaltungen? Auch nicht. Dann ist das auf jeden Fall an diesen Ausschuss überwiesen.

Und jetzt die Überweisung an den Innenausschuss. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen? Dann ist das mit Mehrheit abgelehnt. Dann brauchen wir auch nicht über die Federführung abzustimmen, das ist klar, Haushalts- und Finanzausschuss.

Dann die Ausschussüberweisung bezüglich des Tagesordnungspunkts 10 in Drucksache 3/3625, auch hier Innenausschuss und Haushalts- und Finanzausschuss als Beantragung. Wer stimmt mit der Überweisung an den Innenausschuss überein, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen? 1 Enthaltung, dann ist das aber mit Mehrheit abgelehnt.

Die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss, wer stimmt dem zu, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Gegenstimmen? Nicht. Enthaltungen? 1 Enthaltung auch hier. Gut. Dann ist das mit Mehrheit angenommen. Beide Gesetzentwürfe sind also an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen und ich kann die Tagesordnungspunkte 9 und 10 schließen.

Ich komme jetzt zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 11 in den Teilen

a) Drittes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, PDS und SPD - Drucksache 3/3651 ERSTE und ZWEITE BERATUNG

b) Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, PDS und SPD - Drucksache 3/3652 ERSTE BERATUNG

Begründung durch die Einreicher wird nicht gewünscht. Ich kann dann zur Aussprache kommen. Möchten Sie begründen? Aussprache? So eifrig, da nehme ich Sie gleich als Ersten dran.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Herr Abgeordneter Schemmel, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben dieses verfassungsändernde Gesetz oder diesen Gesetzentwurf und auch den Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Landeswahlgesetzes mit eingebracht mit den beiden anderen Fraktionen in diesem Haus, weil es für uns sinnvoll ist, wenn wir im November über Verfassungsänderung beraten wollen bezüglich dieses ganzen Komplexes Volksbegehren und Volksentscheid, dass es auch möglich sein sollte, im November dann auch diese Verfassungsänderung zu beschließen, wenn wir uns darauf einigen, weil doch die Änderung der Verfassung nun nicht gerade in jeder Plenarsitzung auf der Tagesordnung stehen sollte.

(Beifall bei der SPD)

So weit sind wir uns also einig. Gleichwohl habe ich mit dem bisherigen Wortlaut des Textes einige Schwierigkeiten, wenn ich den Satz vorlese: "Der Landtag wird auf fünf Jahre gewählt, die Neuwahl findet frühestens 57, spätestens 61 Monate nach Beginn der Wahlperiode statt und die Neuwahl für die fünfte Wahlperiode findet im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 30. September 2009 statt", dann erschließt sich mir dieser Text nicht bzw. er ist in sich für mich ein Stück widersprüchlich. Deshalb denke ich, dass wir uns im Justizausschuss noch darüber verständigen müssen, wie wir diesen Text wirklich so formulieren, dass die mir erscheinenden Widersprüche daraus verbannt werden, und wenn wir uns dann wirklich so einigen könnten, dann wäre auch die Abstimmung in dritter Lesung für das verfassungsändernde Gesetz in der

Novembersitzung mit möglich. Deswegen halte ich es für notwendig, dass wir uns hier noch mal intensiv beraten, auch mit Hilfe der Landtagsverwaltung, denke ich, und möchte bitten, dass wir diese beiden Gesetzentwürfe an den Justizausschuss überweisen.

(Beifall bei der SPD)

Noch einmal: Ausschussüberweisung an den Justizausschuss? Weil hier immer noch die Frage erste und zweite Beratung steht. Wollen wir dann nach der zweiten Beratung darüber abstimmen an den Justizausschuss oder jetzt nach der ersten Beratung? Das hieße aber, wir hätten jetzt keine zweite Beratung. Bitte.

Ich würde bitten, Herr Schemmel, dass Sie diesen Antrag für die zweite Beratung zurückstellen, die wir heute auch noch durchführen wollen, denn sonst würden wir jetzt darüber abstimmen, ob wir es nach der ersten Beratung - dann könnten wir keine zweite Beratung anschließen. Hier geht es um das Prinzip.

Ja. Mir geht es jetzt nicht darum, das am Formellen scheitern zu lassen, sondern mir geht es darum, dass wir zu einer vernünftigen Beratung im Justizausschuss kommen und da kann ich diese Bitte dann auch in der zweiten Lesung formulieren.

Ich glaube, es ist doch der Konsens, der abgesprochen war, dass im Justizausschuss beraten wird, aber eben nicht nach der ersten, sondern dass man es dann zur zweiten Beratung beantragen muss.

Jetzt habe ich den Abgeordneten Wolf, CDU-Fraktion.