Protocol of the Session on January 27, 2000

Meine Damen und Herren, es ist schon schizophren, dass, wie bereits mehrfach erwähnt, unsere Änderungsanträge vor allem auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und des Gesundheitsschutzes abgelehnt wurden, während gleichzeitig Frau Arenhövel in den Medien von der Gefahr des wachsenden Drogenkonsums plauderte und einen Thüringer Suchthilfeplan forderte. Frau Arenhövel, da kann ich Ihnen nur sagen, hätten Sie einmal unsere Änderungsanträge besser gelesen, wäre so manches abgedeckt.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Fraktion hält es für dringend geboten, dass gesundheitspolitische Ziele für Thüringen benannt werden, um somit für die Gesundheit der Bürger Prioritäten zu setzen. Dafür wären Gesundheitskonferenzen, wie es sie bereits in anderen Bundesländern seit längerem gibt, gut geeignet. Den neu zu erstellenden Thüringer Krankenhausplan werden wir - es wird Sie sicherlich nicht überraschen - mit Argusaugen verfolgen, denn das haben wir beim Dritten Thüringer Krankenhausplan schon zu verspüren bekommen, Bettenabbau hat immer auch etwas mit Personalabbau zu tun und dies wirkt sich vor allem auf die Qualität in der Pflege am Patienten aus. Es wird heute schon deutlich, dass die Belastungszahlen nach Fällen pro Mitarbeiter im ärztlichen Pflegedienst in Thüringen bedeutend höher als in dem alten Bundesgebiet sind. Ich denke auch, meine Damen und Herren, im Plenum sowie im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit werden wir uns in den nächsten Wochen nochmals intensiv der Problematik des Klinikums in Erfurt widmen müssen.

An dieser Stelle lassen Sie mich eine Bemerkung zum Entschließungsantrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 3/259 machen. Meine Damen und Herren, in dem oben genannten Antrag unter der Nummer 9 fordern Sie, dass weitere Maßnahmen geprüft werden, dass landeseigene Einrichtungen in freie Trägerschaft überführt werden. Wie lange wollen Sie dieses Spiel noch fortsetzen? Thüringen war und ist das Experimentierfeld der Privatisierung vor allen Dingen bei Krankenhäusern. Schauen Sie sich doch einmal um im Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit - es gibt doch fast nichts mehr, was dort zu verwalten wäre. Der Überführung der drei Landespsychiatrien in freie Trägerschaft wird durch meine Fraktion ebenfalls nicht zugestimmt. Den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion lehnt die PDS-Fraktion strikt ab.

(Beifall bei der PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren, in den letzten Wochen haben eine Vielzahl Vereine und Verbände, wie z.B. die Liga der Wohlfahrtsverbände, die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, aber auch Vertreter der Kirchen, sich mit der Bitte an uns gewandt, Kürzungen im Sozialbereich nicht zuzulassen bzw. dafür Sorge zu tragen, dass die Kürzungen zurückgenommen werden. Werte Abgeordnete der CDU-Fraktion und ganz besonders Sie, Dr. Zeh, ich habe den Eindruck, Sie wollen nicht wissen, wovon ich rede. So möchte ich bloß einige Stellen aus der Zuschrift der Diakonie sinngemäß wiedergeben. In der Regierungserklärung von Ministerpräsident Dr. Vogel am 13. Oktober letzten Jahres, wo das Thema "Sozialpolitik" bloß auf eineinhalb Seiten abgearbeitet wurde, sagte er, ich zitiere: "Die Bemühungen zur Integration von Behinderten sollen fortgesetzt werden." Die Realität in dem mir vorliegenden Haushaltsplan sieht jedoch anders aus.

Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen und nicht nur mit billigem Populismus und Verweisen auf die DDR-Vergangenheit ablenken. Psychisch Kranke und geistig Behinderte brauchen tagtäglich eine lohnende Aufgabe. Da der erste Arbeitsmarkt dies nicht gewährleistet, dass behinderte Menschen eine Festanstellung bekommen, ist für sie ein Platz in einer Werkstatt für Behinderte leider immer noch die einzigste Alternative. Gerade in diesem Bereich, Minister Pietzsch, kommt es zu einer Reduzierung der Mittel. Für das Jahr 2000 sollen bloß 7,8 Mio. DM eingestellt werden. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Mitgliederversammlung des Fachverbandes Diakonische Behindertenhilfe am 06.12.1999 auf die Problematik der Bereitstellung des Eigenmittelanteils der Träger hingewiesen hat. Eines können Sie mir glauben, aus meiner eigenen Erfahrung der letzten Jahre weiß ich, dass es den meisten Trägern unwahrscheinlich schwer fällt, die geforderten Eigenmittel aufzubringen. Eine Erhöhung der Mittel vor allem zugunsten der vielen Tausend Menschen mit Behinderung wäre meinerseits begrüßenswert gewesen. Die PDS-Fraktion kritisiert ebenfalls die Kürzung der Mittel für betreutes Wohnen von Suchtkranken und psychisch Kranken oder die Kürzung der Mittel von Kontakt- und Beratungsstellen für psychisch Kranke und seelisch Behinderte.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich dachte immer, das C bei Ihnen steht für christlich, aber in den vergangenen Wochen meines Abgeordnetendaseins bin ich leider schon eines Besseren belehrt worden. Es gibt aber auch Ausnahmen, das sei auch an dieser Stelle gesagt. Sie müssten doch wissen, dass gerade das Streichen der Mittel für betreutes Wohnen bei Suchtkranken und psychisch Kranken zum so genannten Drehtüreffekt führt. Aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die wir seit zehn Jahren erleben, ist leider die Anzahl derjenigen enorm gestiegen, die eine ständige Betreuung und Begleitung benötigen. 1999 schrieb das so genannte Jahrhundertwerk SGB XI, auch Pflegeversicherung genannt, rote Zahlen, aber das sei nur am Rande erwähnt.

Nun komme ich zu den Kontakt- und Beratungsstellen. Hier haben Sie ganz locker mit einem Strich die Mittel um etwa 30 Prozent im Vergleich zu 1999 gekürzt. Diese Kürzungen sind umso schmerzlicher, weil es auch die sozialpsychiatrischen Dienste trifft. Können Sie sich vorstellen, was es für Angehörige und Betroffene bedeutet, wenn so sukzessive im Land in den Beratungsstellen das Licht ausgeht? Die Beratungsstellen sind meist die einzigsten Kontaktpunkte, wo Bürger in ihrer Not professionelle Hilfe und Unterstützung finden.

Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Haus wurde polemisch von allen Parteien in den letzten Jahren für den Sport immer eine Lanze gebrochen, stand dem Sport der Stellenwert zu, den er verdient. Natürlich gab es in den Fraktionen unterschiedliche Auffassungen, in welcher Höhe Sportvereine gefördert und Sportstätten saniert werden sollten, aber immerhin wurden die Sport

stätten im Wesentlichen kontinuierlich gefördert und es kam zu keinen nennenswerten Kürzungen. Im vor uns liegenden Haushalt, erstmals allein durch die CDU vorgelegt, ist dies anders. Das lässt weit blicken. 3,7 Mio. DM sind insgesamt weniger für Sportstätten veranschlagt als 1999, die Beschlussempfehlung hier mit eingeschlossen. Dies ist ein Rückschritt, den unsere Fraktion nicht akzeptiert.

(Beifall bei der PDS)

Auch der Präsident des Landessportbundes, Herr Gösel, hat am 25.01. diesen Jahres zum parlamentarischen Abend des Sports darauf hingewiesen. Und, meine Damen und Herren, mit Ihrem Änderungsantrag setzen Sie dem Ganzen noch die Krone auf. Auf den ersten Blick erscheinen Ihre Vorschläge durchaus plausibel. 1999 haben die beiden Zuwendungsempfänger, Wohlfahrtsverbände und Landessportbund, aus den Überschüssen der Lotterien insgesamt 19,9 Mio. DM erhalten, so dass eine Reduzierung der Zuschüsse gerechtfertigt erscheint, wenn die diesbezüglichen Einnahmen jetzt insgesamt 22 Mio. DM übersteigen sollten. Allerdings wird dadurch eine gesicherte Finanzierung weder des 50-Plus-Programms noch eine einigermaßen berechenbare Erhöhung der Zuschüsse für Sportstätten, für Sofortmaßnahmen an Sportstätten und Badeanstalten erreicht, denn die Höhe der Einsätze, die laut Lotterie- und Sportwettengesetz dem Sport zugute kommen, sind frühestens im November feststellbar und dann bis Ende des Jahres weder in Sofortmaßnahmen für Sportstätten und Badeanstalten noch im 50-Plus-Programm wirksam zu machen. Der Deal funktioniert mit uns so nicht, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie aus meiner Rede unschwer erkennen konnten, wird die PDS-Fraktion den vorliegenden Einzelplan 08 in seiner Gänze ablehnen.

(Beifall bei der PDS)

Ich wurde vorhin darüber informiert, dass der Minister Pietzsch extra angerufen hat. Er verfolgt am Radio die Debatte. Obwohl er kaum sprechen kann,

(Beifall bei der CDU)

möchte er versichern, dass er sehr wohl den Worten der Rednerinnen und Redner lauscht.

Als nächste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Heß, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, vergleicht man die in diesem 08er Haushaltsplan für 2000 eingestellten Ausgabemittel mit denen von 1999, so ergibt sich ein optisches Plus von 42.103.000 DM. Herr Zeh, es ist aber eben nur ein optisches Plus gegenüber dem Vorjahr.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: 8 Mio. DM kommen noch dazu.)

Oberflächlich hört sich der höhere Haushaltsansatz gut an, aber betrachtet man, wie das Plus zustande gekommen ist, so kann man schon feststellen, dass sich bei zahlreichen Punkten die Landesregierung aus der Sozialpolitik langsam, aber sicher verabschiedet.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Allein in der Hauptgruppe 6 - Zuweisungen und Zuschüsse -, hier also, wo das Land gestaltend tätig werden kann, sind zwar 33 Mio. DM mehr eingestellt - aber wie entsteht diese Summe? Das ist nicht etwa eine Ausweitung der besseren Sozialpolitik, nein, es ist schlicht und ergreifend die Abarbeitung der Pflichtaufgaben. So mussten z.B. bei der gesetzlichen Aufgabe "Eingliederungshilfe für Behinderte" 40 Mio. DM mehr veranschlagt werden, weil die Ansprüche gestiegen sind. Weiterhin ist die Jugendpauschale mit 24,5 Mio. DM bisher in verschiedenen Titeln im Einzelplan 17 veranschlagt gewesen und jetzt zum Einzelplan 08 dazugekommen. Rein rechnerisch wäre also allein in der Hauptgruppe 6 des Einzelplans 08 ein Plus von 64,5 Mio. DM zu erwarten; es sind aber nur 33 Mio. DM mehr eingestellt bzw. umverlagert worden. Das heißt, dass an anderer Stelle kräftig gekürzt wurde, und zwar überwiegend bei den freiwilligen Leistungen. Ein für mich besonders krasses Beispiel ist der neu zusammengesetzte Titel "Maßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung, des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitshilfe". In diesem befinden sich so wichtige Projekte wie das betreute Wohnen sowohl für Suchtkranke als auch für seelisch Behinderte, Kontakt- und Beratungsstellen für psychisch Kranke und seelisch Behinderte oder psychosoziale Beratungsstellen. Schon Ende November waren einige dieser Titel ausgeschöpft bzw. weit überzogen. Eine Kürzung des Titels um 2 Mio. DM ist für dieses Land eine Schande.

(Beifall bei der SPD)

Ich zitiere Molière: "Du bist nicht nur für das verantwortlich, was du tust, sondern auch für das, was du nicht tust."

(Beifall bei der SPD)

Folgt man der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu Beginn der Legislatur, müsste der Titel "Betreutes Wohnen" ausgebaut statt reduziert werden. Wa

rum tun Sie das nicht; warum setzen Sie gerade hier den Rotstift an?

(Beifall bei der SPD)

Dem Mediziner Dr. Pietzsch müsste man doch nicht erklären, dass Suchtkranke und psychisch Kranke besonderer Zuwendung bedürfen. Jeder weiß, dass betreutes Wohnen erstens humaner und zweitens kostengünstiger ist. Man trägt das Sparprogramm auf dem Rücken der Schwachen aus und gönnt sich selbst mit dem Landtagsneubau Luxus.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Schämen Sie sich! Es grenzt schon an Überheblichkeit, wenn unsere Änderungsanträge, obwohl mit vernünftigen Deckungsvorschlägen und Begründungen versehen, niedergestimmt werden. Hier kann man nur sagen: Die Arroganz der Macht lässt grüßen. Oder nehmen wir unseren Antrag zur besseren Ausstattung der Opferverbände des SED-Unrechtsregimes. Erst nach der Intervention der SPD-Fraktion wurde ein spärlicher Antrag der CDU, das Budget für die Opferverbände aufzustocken, nachgeschoben. Im Investitionsbereich der Hauptgruppe 8 sieht es ähnlich aus. Allein für die laufenden Investitionsfinanzierungen in Pflegeeinrichtungen, im Übrigen auch eine gesetzliche Pflichtaufgabe, vom Bund gefördert, wurden 25 Mio. DM mehr eingestellt. Auch hier lohnt es sich genauer hinzusehen. Durch die vielen Kürzungen in den unterschiedlichsten anderen Investitionstiteln bleibt nämlich unterm Strich nicht mehr viel übrig von dieser Mehrausgabe. Investive Maßnahmen sind naturgegebenermaßen einmal abgeschlossen, aber mit dieser Planung wird so getan, als gäbe es keine weiteren dringend notwendigen Investitionen in dem Bereich Soziales, Familie und Gesundheit. Ich denke dabei an die Kürzung in Höhe von 12,5 Mio. DM bei der Pauschalförderung der Krankenhäuser. Neben dem und nach dem Auslaufen des Artikels 14 des Sonderprogramms besteht auch weiterhin ein großer Investitionsbedarf. Hat man vergessen, dass die ersten neuen medizinischen Geräte abgeschrieben werden und die Anschaffung neuer bereits ansteht?

Abschließend ist festzustellen: Im Einzelplan 08 sind sozialpolitische Schwerpunkte nicht erkennbar. Ich bin schon heute gespannt, wie Sie das den Trägern sozialer Einrichtungen in Zukunft erklären.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Jetzt weiß ich nicht so richtig, wie viel Zeit uns zur Verfügung stehen müsste, um den nächsten Beitrag, den die Frau Abgeordnete Arenhövel halten würde, noch zu schaffen. Könnten Sie mir bitte mit den Fingern ein Zeichen geben?

(Zwischenruf aus dem Hause: 10 Minuten.)

Dann würde ich vorschlagen, dass wir schließen, wenn dem keiner widerspricht, denn wir haben vereinbart, dass spätestens um 13.00 Uhr Schluss ist, weil die Veranstaltung, die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus mit der Kranzniederlegung, in Buchenwald stattfindet.

Bitte gestatten Sie mir noch eine Bemerkung, weil es auch Fragen dazu gab: Der Bus, für den sich einige angemeldet haben, fährt um 13.30 Uhr vor dem Verwaltungshochhaus ab und gegen 16.00 Uhr wieder von Buchenwald zurück. Das heißt, es gab die Möglichkeit, sich dort anzumelden über die Landtagsverwaltung. Ich weiß im Moment nicht, inwiefern noch Zustiegsmöglichkeiten vorhanden sind.

Wir setzen dann am morgigen Tag um 9.00 Uhr mit der weiteren Beratung zum Einzelplan 08 fort.

E n d e d e r S i t z u n g: 12.56 Uhr