Protocol of the Session on October 11, 2002

(Beifall bei der SPD)

scheint es uns nun angebracht, dass man sich wieder auf das Notwendige und auf das Machbare zurückzieht. Wir haben Ihnen deshalb mit unserem Antrag Anregungen und die Gelegenheit gegeben, den Stellenwert von Erziehung in der Familie und Unterstützung von Familien, was Sie immer auch wieder einfordern, meine Damen und Herren, durch eine gesetzliche Verankerung in dem Thüringer Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetz zu erhöhen und dort zu verankern. Wir versprechen uns von einer gesetzlichen Verankerung auch eine Neuausrichtung und eine qualitative Steigerung von familienunterstützenden Angeboten. Ich sage auch, wir versprechen uns in dem gesamten Arbeitsfeld der Jugendhilfe und auch der damit verbundenen Bereiche - und ich will an diesem Punkt auch ganz deutlich den Bereich Schule nennen, aber auch die Kommunalparlamente, die ja für die Jugendhilfe vor Ort zuständig sind -, dass man sich mit einer größeren Sensibilität diesen Aufgaben widmet. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung und um Beratung unseres Antrags im zuständigen Fachausschuss. Dort könnten ja auch von Ihrer Seite, so denn auch weitere Anregungen vorhanden sind, weitere Anregungen mit eingebaut werden. Schließlich, meine Damen und Herren, ein Ausführungsgesetz wird ja nicht ständig novelliert, aber, ich denke, es gilt jetzt, dass Versprochenes und auch Überfälliges endlich eingebunden wird. Damit wollen wir auch dazu beitragen, dass Sie Ihre Versprechungen einlösen können. Wir haben ein fachliches Interesse an der Diskussion dieses Antrags im Ausschuss und bitten um Überweisung. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Arenhövel, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

(Zuruf Abg. Arenhövel, CDU: Nein, Herr Panse.)

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Kollege Stauch kann das aufklären, ich wollte reden.)

Herr Abgeordneter Stauch, in Ihrer Fraktion ist im Moment Unklarheit darüber, Sie hatten angemeldet Frau Arenhövel und der Abgeordnete Panse soll sprechen.

(Zuruf Abg. Stauch, CDU: Ist recht.)

Dann lassen wir den Herrn Abgeordneten Panse zu diesem Thema sprechen. Bitte schön, Herr Abgeordneter Panse.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Pelke, mit dem Interesse an der Familienpolitik kann es bei der antragstellenden Fraktion auch nicht so weit her sein angesichts von vier Zuhörern. Bei Ihrem Antrag gebe

ich Ihnen die Frage gleich zurück. Dann sollten Sie nicht auf andere Fraktionen schauen, sondern auf die antragstellende Fraktion.

Sehr geehrte Damen und Herren, im VIII. Buch des Sozialgesetzbuchs, dem SGB VIII, bzw. dem Kinder- und Jugendhilfegesetz sollte man nicht nur blättern und sich einzelne Themen und Paragraphen heraussuchen, man sollte es vor allem im Zusammenhang lesen. Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Kolleginnen der SPD-Fraktion, oder wer auch immer den Antrag geschrieben haben mag, auch auf die anderen Paragraphen geschaut hätten. Ich erläutere Ihnen gern, was ich damit meine. Die Länder haben den gesetzlichen Rahmen des Bundes, der durch das SGB VIII, das Kinder- und Jugendhilfegesetz, gesetzt ist, durch eigene Landesgesetze auszufüllen, zu ergänzen und zu erweitern. Sie tun dies unter anderem mittels des Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetzes. Es ist Aufgabe der Länder, die örtliche Arbeit zu unterstützen, zu fördern und zu ergänzen. Es ist nicht ihre Aufgabe, ihnen diese Arbeit abzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Dies besagt ganz konkret der § 82 des SGB VIII und ich zitiere dazu: "1. Die oberste Landesjugendbehörde hat die Tätigkeit der Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe und die Weiterentwicklung der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern. 2. Die Länder haben auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken und die Jugendämter und Landesjugendämter bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen." Die sachliche und örtliche Zuständigkeit ist allerdings darüber hinaus ganz klar in den §§ 85 ff des SGB VIII geregelt. Sie sollten dort nachlesen, für was der überörtliche Träger, das Land, Verantwortung trägt und für was eben nicht, weil dafür die örtliche Ebene, die kommunale Ebene, zuständig ist. Aber nun zurück zu Ihrem Antrag. In § 16 Abs. 3 des SGB VIII steht, und darauf zielen Sie mit Ihrem Antrag, dass das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie durch das Landesrecht zu regeln sei. Umfänglich wird dies in Thüringen bereits mit mehreren Richtlinien getan, unter anderem zu den ambulanten erzieherischen Hilfen, zur Förderung der Familienbildung, zur Förderung der Familienerholung und zur Förderung von Familienverbänden sowie Familienzentren und Beratungsstellen, einschließlich der dazugehörigen Investitionsförderrichtlinien.

(Beifall bei der CDU)

Mit Unterstützung des Landes werden diese Angebote bedarfsgerecht in kommunaler Verantwortung unterbreitet. Die Landesförderung zur Unterstützung von Familien ist in den letzten drei Jahren erfreulicherweise gestiegen und die beschriebenen Richtlinien haben dafür gesorgt, dass die Mittel effektiv und zielgenau eingesetzt werden. Nicht zuletzt der Haushalt des Landes ist ein deutlicher Beleg dafür, dass Ausgaben für Familien, Kinder und Jugend

liche höchste Priorität in Thüringen haben. Sie haben das in der letzten Plenarsitzung bei der Beratung der Großen Anfrage durchaus zu Recht hier auch vom Pult aus schon gehört. Auch im nächsten Doppelhaushalt werden bei allen Sparbemühungen erhebliche Finanzmittel zur Unterstützung der kommunalen Ebene zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben bereitgestellt.

(Beifall bei der CDU)

Zur Pflichtleistung der Kinder- und Jugendhilfe, wie bei Antragsbegründung von Ihnen gefordert wird, kann dies aber mit einer Änderung des Thüringer Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetzes gar nicht werden. Die Unterteilung in so genannte freiwillige und Pflichtleistungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist im Übrigen auch falsch, denn es handelt sich auch bei den so genannten freiwilligen Leistungen stets dem Grunde nach um Pflichtleistungen, nur die Höhe der Leistungen unterliegt verschiedenen Faktoren. Dem Grunde und der Höhe nach sind Leistungen mit einem Rechtsanspruch geregelt, wie z.B. die Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 des SGB VIII oder die Erziehungsberatung gemäß § 28 im SGB VIII.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Antrag der SPDFraktion greift durchaus unterstützenswerte Forderungen zur allgemeinen Förderung in der Familie auf. Er setzt allerdings darauf, dass die zu konkretisierenden Leistungen dann umfassend auf der kommunalen Ebene umgesetzt werden. Vor diesem Trugschluss warne ich mit Blick auf die finanzielle Situation der Gebietskörperschaften. Eine weitere Kompensierung von kommunalen Finanzierungszuständigkeiten durch das Land kann und wird es an dieser Stelle nicht geben. Wenn Sie, werte Kollegen von der SPD, etwas für Familien tun wollen, haben Sie zwei konkrete Möglichkeiten. Zum einen sollten Sie hingehen und die Familienpolitik Ihrer Bundespartei auf Vordermann bringen.

(Beifall bei der CDU)

Bis jetzt war diese nicht gerade familienfreundlich. Von den Koalitionsverhandlungen in Berlin kommen Signale, die auch keine Änderung dazu erkennen lassen. Ich sage nur als Stichwort, die vermutlich ausbleibenden Kindergelderhöhungen. Auch darüber haben wir beim letzten Mal schon hier gesprochen.

(Beifall bei der CDU)

Zum anderen sollten Sie sich bitte stärker mit uns vor Ort bei der Bereitstellung finanzieller Mittel in den kommunalen Haushalten und bei der örtlichen Familienplanung engagieren. Beides, das sage ich ganz deutlich, ist allerdings wesentlich arbeitsintensiver, als hier einen populistischen und fachlich nicht durchsetzten Antrag vorzulegen. Die von der SPD-Fraktion geforderte Erweiterung des Kinder- und Jugendhilfeausführungsgesetzes um zusätzliche Leistungen der allgemeinen Förderung in der

Familie wird von der CDU-Fraktion aus den beschriebenen Gründen folgerichtig abgelehnt. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Nitzpon zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Bezug nehmend auf den ersten Beitrag von Frau Pelke möchte ich sagen, ich habe mich nicht zu Wort gemeldet, weil es Jugendberichte gibt oder weil die Landesregierung irgendwann einmal etwas in diesem Fall versprochen hat, sondern ganz einfach, weil die Familienbildung notwendig ist, aber immer gesehen aus der Situation der Familien selbst.

Familien, meine Damen und Herren, leisten Außerordentliches für das Fortbestehen und die Entwicklung unserer Gesellschaft. Familien pflegen und erziehen ihre Kinder, sie vermitteln ihnen verlässliche Werte für ein Leben in persönlicher und sozialer Verantwortung. Familien stellen sicher, dass die Renten auch in Zukunft gezahlt werden können, und sie leisten unbezahlte Familienarbeit. Diese nimmt auch unter dem Aspekt der zunehmenden Pflegebedürftigkeit zu. Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass die Lebensqualität durch die wirtschaftliche Sicherheit geprägt wird. Während ein Teil der Familien in ökonomischen Verhältnissen lebt, die ihnen eine weitgehend zufrieden stellende soziale Absicherung garantieren, gibt es in unserem Land zunehmend Familien, deren Familieneinkommen zu den Gering- oder Niedriglohnverdienern gehören. Die Schere zwischen den sozialen Schichten geht immer weiter auseinander und ich erinnere an dieser Stelle auch an die allein erziehenden Mütter und Väter und ich erinnere auch an die arbeitslosen Mütter und Väter in diesem Land. Diese wirtschaftlich unterschiedliche Ausgangslage führt natürlich auch zu ungleich verteilten Chancen. Wirtschaftliche Risiken, die sich vor allem in der Arbeitslosigkeit und damit einhergehenden Armut von Familien mit Kindern zeigen, aber auch neue Lebensformen und -stile sowie der Wandel der Gesellschaft hat durchaus den Familienalltag verändert. Mit den Brüchen der Erwerbsbiografie fehlt die Sicherheit im Berufsleben und damit aber auch die Sicherheit über den erreichten materiellen Standard und dies erschwert natürlich die eine verbindliche Lebensplanung, aber auch den Sozialisationsprozess der Kinder. Familien sind gefordert, sich neu zu orientieren in einer für sie unsicher gewordenen Welt, ich füge noch hinzu, in einer für sie unsicher gewordenen Arbeitswelt. Waren Kinder früher Teil der biografischen Sicherheit und Teil der sozialen Integration, werden sie heute als Risiko wahrgenommen, das man nur angemessen auffangen kann, wenn man eben vorher für genügend Sicherheit gesorgt hat. Einige der Erklärungen, weshalb weniger Kinder zur Welt kommen, werden aus der Studie "Frauenleben, Familienplanung im

Lebenslauf von Frauen" abgeleitet und lauten unter anderem: Weil es so viele "konkurrierende Optionen" gibt und "weil die Ansprüche an die Erziehung der Kinder heute so hoch sind, dass sie gar nicht mehr erfüllbar sind". Die Kinderfrage, meine Damen und Herren, ist eine Zukunftsfrage. Dadurch, dass die Entscheidung für Kinder eine Festlegung für immer ist, kommt die Zukunft ins Spiel. Vielleicht ist deshalb der Bedarf nach Sicherheit auch so groß. Einfache Erklärungen reichen nicht aus, weder eine zunehmende Unfruchtbarkeit noch eine zunehmende Ablehnung von Kindern und materielle Gründe machen den Übergang zur Elternschaft schwer. Schwierig sind die vielfältigen und widersprüchlichen Anforderungen an das Leben, an die eigene Rolle als Mutter und Vater, Anforderungen und Optionen maximal zu nutzen und auch flexibel zu sein. Diese Anforderungen schrauben die Voraussetzungen hoch, die Männer und Frauen meinen erfüllen zu müssen, bevor sie Kinder bekommen. Der Bereich des Übergangs zur Elternschaft ist außerordentlich wichtig, weil elementar eben für weitere familiäre partnerschaftliche Entwicklung. In modernen Industriegesellschaften ist der Bruch, den ein Paar erlebt, das bisher nur auf Beruf und Freizeit fixiert war, bei der Erweiterung der Familie um ein Kind im Übrigen gravierender als in anderen Gesellschaften. Dieser absolute Bruch des bisherigen Lebens ist ein Teil der Schwierigkeiten junger Eltern in diesem Land. Dazu kommt noch die hohe Flexibilität und die ständige Verfügbarkeit durch den Arbeitsmarkt. Wie können wir als Politiker, aber auch die Gesellschaft Eltern mehr Sicherheit und Selbstvertrauen im Umgang mit ihren Kindern und der neuen Lebenssituation vermitteln. Ich denke, wichtigster Ansatz in der Familienarbeit ist die Stärkung der Elternkompetenz. Staatliche Unterstützung kann nicht allein auf finanzielle Förderung reduziert werden. Ein Problem möchte ich an dieser Stelle benennen: Die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und auch Sexualberatungsstellen werden nach dem KJHG gefördert. Sie beraten aber nicht nur Kinder und Jugendliche bis 27 Jahre. Viele, die die Beratungsstellen aufsuchen, sind älter. Die Förderung beschränkt sich jedoch nur auf das KJHG. Ich denke, hier muss sich unbedingt etwas in der Förderpraxis ändern, aber auch in der Erweiterung der Stellenbesetzung. Das ist nicht zu sehen im kommenden Haushalt und auch darauf werden wir unser Augenmerk legen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es geht heute nicht mehr darum, Eltern in Familienbildungseinrichtungen oder Elternschulungen, wie sie auch immer heißen, zu belehren und ihnen neue Kenntnisse zu vermitteln. Diese Kenntnisse sind heute vielleicht aktuell, aber morgen schon nicht mehr. Die wichtigste Aufgabe der Familienbildung ist heute, Eltern in ihrer Eigenverantwortung und in ihrer Kompetenz zu stärken, Eltern miteinander ins Gespräch bringen zu lassen. Eltern sollten Sicherheit in der Interaktion mit ihrem Kind bekommen und Vertrauen in ihre intuitiven Fähigkeiten. Eltern soll als Paar geholfen werden, ihre Ansprüche und Vorstellungen vom partnerschaftlichen Miteinander zu klären, anzupassen und auch zu vereinbaren mit der Lebensumstellung, die durch ein Le

ben mit einem Kind entsteht. Diese alltagsnahe Familienbildungsarbeit unterstützen wir uneingeschränkt. Familienbildung als Prävention und Leistung der Jugendhilfe nach § 16 KJHG schließt auch die aufsuchende Familienbildung mit ein und hier bestehen echte Defizite. Meine Fraktion wünschte sich auch in anderen Orten und nicht nur wie z.B. in Gera einen Kriterienkatalog für Familienund Kinderfreundlichkeit oder die Einführung des Familienpasses wie in Erfurt, der aber auch noch verbesserungswürdig sein kann. Damit plädiere ich aber für die Verankerung kommunaler Familienpolitik im gesetzlichen Rahmen. Herr Panse, ich kann das nicht nur auf die kommunale Ebene verschieben, ich denke, das sollte auch in einem Rahmen gesetzlich verankert sein und, ich denke, das ist möglich. In diesem Zusammenhang scheint es an der Zeit zu sein, dass aber auch die Förderpraxis thüringenweit bedarfsspezifisch und familienpolitisch zielorientiert überprüft wird und abgestimmt wird untereinander. Ich sehe darin ein erhebliches Potenzial für eine ausgewogene zielgerichtete Förderung von Familienpolitik. Es ist sicher eine schwierige Aufgabe, weil die Träger, die jetzt Förderung erhalten, um ihre Existenz fürchten, aber, ich denke, auch das muss nicht sein und auch darauf sollten wir im Haushalt achten.

Zum Schluss lassen Sie mich noch ein Wort an die SPDFraktion richten. Meine Damen und Herren, diesen Antrag hätten Sie entweder bereits vor 10 Jahren mit der Beratung des Ausführungsgesetzes zum KJHG einbringen können oder aber wenigstens in jener Zeit, als das Sozialministerium von Ihnen geleitet wurde, denn da hatten Sie Gestaltungsmöglichkeiten mehr als jetzt und jetzt ist dies sehr schwierig. Dennoch sagen wir, der Antrag ist richtig, es gibt auch in Thüringen Defizite von Familienbildung. Wir sollten im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit gemeinsam darum ringen, wie dies abgestellt werden kann. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, meine Kollegin Pelke hat bereits auf den 10. Jugendbericht und die damaligen Absichtserklärungen der Landesregierung hingewiesen. Nun wurde ja der Begriff "Familie" in die Ministeriumsbezeichnung neu eingefügt und es sollte angenommen werden, dass der Landesregierung die Umsetzung unseres Antrags ein ernsthaftes Anliegen ist, sozusagen eine Herzensangelegenheit. Aber Herr Panse hat ja schon den Sturm hier begonnen, schon im Grunde hervorgehoben, dass man diese Absicht hier nicht hat.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich der Vollständigkeit halber deshalb auch auf den aktuellen 11. Jugendbericht hinweisen. Dort heißt es in den zehn Empfehlungen u.a., ich zitiere, Frau Präsidentin: "Bedingungen für ein Gelingen des Aufwachsens sind neben der Stärkung der familiären Erziehung und Bildung qualifizierte Angebote für die Erziehung, Bildung und Betreuung aller Kinder in Kindertageseinrichtungen sowie verlässliche Schulzeiten." Während wir im Bereich der Kindertagesstätten mit Stolz auf eine gute Infrastruktur zurückgreifen können, besteht sowohl im Schulbereich als auch im Bereich der Stärkung familiärer Erziehung und Bildung Nachholbedarf. Wir liegen also mit unserem Antrag genau richtig. Deshalb sei es mir gestattet, auf Aussagen, die anlässlich der erst vor wenigen Tagen in diesem Raum erfolgten Vorstellung der Ergebnisse der 14. Shell-Jugendstudie getroffen wurden, zurückzugreifen. Der Mitverfasser Professor Hurrelmann berichtete u.a., dass ca. ein Drittel der Eltern Unterstützung und Hilfe bei der Erziehung benötigen würden. Er sprach sich eindeutig gegen eine staatliche Gängelung aus und betonte, dass Familienbildung und -beratung sehr viel niedrigschwelliger angeboten werden müsste. In Kindertageseinrichtungen, in Schulen sollten Eltern mehr Unterstützung, mehr Beratung erfahren und bei klaren Vereinbarungen sollten junge Menschen nicht nur in ihrer Leistung, sondern auch in ihrer sozialen Kompetenz gefördert und in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt werden. Gerade der Teil der Jugendlichen, der wenig selbstbewusst ist, wurde als die künftige Risikogruppe auch im Hinblick auf Aggressivität und Gewalt dargestellt. Es gibt immer wieder Beispiele, die genannt werden, auch Gutenberg. Ich möchte eigentlich noch hinzufügen, Sie sind leider nicht in den Prozessen vor dem Landgericht, wo Sie erfahren können, wie geht es in Familien zu. Dass ein Schwertfeger in einem Jugendgefängnis einen anderen brutal ermorden kann, einen 16-Jährigen, das würden Sie nämlich dann erfahren und wie wichtig das ist, dass man viel, viel mehr tun kann und muss. Innenminister Köckert hat daraufhin die Begriffe "Elternschule" und "Elternunterstützung" eingebracht und Herr Minister Pietzsch hat ausdrücklich betont, dass die Eltern besser als bisher erreicht werden müssen. Er hat dabei ausdrücklich die Phase des Übergangs von der Kindertageseinrichtung zur Schule als wichtige und entscheidende Möglichkeit der Unterstützung von Eltern dargestellt. So betrachtet, scheinen wir uns ja auch einig zu sein, dass sowohl ein pädagogischer Handlungsbedarf als auch ein landes- und kommunalpolitischer Handlungsbedarf gegeben ist. Die Politik muss für die notwendigen Strukturen sorgen, Finanzmittel verlangen oder neue bereitstellen und den Stellenwert der hier angesprochenen Leistungen erhöhen. Noch immer wird nämlich die Jugendhilfe in der Öffentlichkeit im Wesentlichen als ein Fachgebiet betrachtet, welches für Kinder in Heimen zuständig ist und bestenfalls noch für die Jugendhäuser. Jugendhilfe aber ist mehr und hat ausdrücklich einen präventiven Gestaltungsauftrag, auch und gerade bei der Unterstützung von Eltern. Dieser Auftrag gerät allerdings immer dann leicht unter die Räder, wenn öffentliche Finanzen knapp werden. Und er gerät pädagogisch leicht unter

die Räder oder besser in Vergessenheit, wenn der Schwerpunkt darauf liegen soll, diejenigen Eltern und jungen Menschen zu erreichen, die eben nicht ohne weiteres um Termine in Beratungsstellen bitten oder nachfragen. Da ist das Argument schnell zur Hand, dass diese Eltern nicht interessiert seien. Ich habe schon mehrfach in diesem hohen Haus dazu gesprochen. Nein, dieses Vorurteil sollten wir nicht pflegen. Deshalb haben wir in unserem Antrag ausdrücklich Wert darauf gelegt, dass der Zugang zu Familien aus bildungsungewohnten Milieus möglich ist und dass dafür besondere Sorge zu tragen ist. Ich freue mich ja, dass die beiden von mir genannten Minister, Herr Köckert und Herr Dr. Pietzsch, genau diese Notwendigkeit vor wenigen Tagen hier in diesem Raum ebenfalls betont haben. Wir werden sehen, ob dies auch eine Zustimmung bedeutet.

Nun zu weiteren Aspekten unseres Antrags: Wir wollen, dass die Abstimmung mit anderen Bildungsangeboten gewährleistet wird. Auch hier kann ich mich auf Minister Pietzsch beziehen, der anlässlich der vorgestellten ShellStudie ausdrücklich betont hat, dass Jugendpolitik Querschnittaufgabe ist. Also werden wir zu regeln haben, dass die Jugendhilfe das Recht und die Pflicht hat, ihre Bildungsangebote mit anderen abzustimmen und damit auch das Recht zur Einmischung hat. Ich betone dies deshalb so, weil schon der vorgelegte Entwurf zum Schulgesetz genau diese Aspekte völlig unzureichend berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, es ist die Aufgabe und der Auftrag der obersten Landesjugendbehörde und damit des zuständigen Fachressorts in der Landesregierung, Jugendhilfe weiterzuentwickeln, anzuregen und gegenüber den Landkreisen und kreisfreien Städten die unterschiedlichen finanziellen Leistungsmöglichkeiten auszugleichen. Wir sagen daher ausdrücklich, dass die Landkreise und kreisfreien Städte bei der Umsetzung einer derartigen Aufgabenstellung und bei der gesetzlichen Verankerung nicht allein gelassen werden dürfen. Die Förderung der Erziehung in der Familie im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes muss inhaltlich ähnlich wie in der Jugendarbeit dorthin verlagert werden, wo der tatsächliche Gestaltungsauftrag existiert, nämlich in die Jugendämter und in die dortige Jugendhilfeplanung. Aber es ist die Verpflichtung des Landes, diese dabei finanziell und inhaltlich zu unterstützen. Lassen Sie mich deshalb meine Anmerkungen mit einer Bitte verbinden, die sich schon unmittelbar auf den Haushaltsentwurf bezieht. Meine Damen und Herren von der Landesregierung und von der Mehrheitsfraktion, wenn Sie Familienförderung und die Stärkung der Erziehung in der Familie ernst nehmen wollen - und ich bin bis zur Abstimmung bereits bereit dies anzunehmen und je nach Ergebnis auch darüber hinaus -, dann können wir nicht die Pflegeelternberatung um mehr als die Hälfte kürzen, die Zuschüsse zur Familienerholung für sozial schwache Familien um ca. 20 Prozent reduzieren - vielleicht sagen Sie, die nehmen die sowieso nicht in Anspruch -, die Förderung freier Träger von Familienzentren um 100.000 "$ *tive Förderung freier Träger zum Bau und zur Verbesserung von Familienein

richtungen um mehr als 500.000 "$  Stelle einen neuen Haushaltsansatz - ich zitiere - "Information und Beratung für Familien" in Höhe von 1 Mio.  zu installieren. Ich habe da schon geschluckt. Bei mir kommt der Verdacht auf, dass zulasten der Familienförderung an den genannten Stellen irgendein noch nicht näher definiertes Geschenk in Richtung 2004 - wenn dann Wahlen sind - gemacht werden soll. Ich rede dabei noch gar nicht von den Kürzungen an anderer Stelle, wo es zum Beispiel darum geht, benachteiligte junge Menschen und ihre Eltern bei der beruflichen Integration dieser Jugendlichen zu unterstützen. Professor Hurrelmann betonte als Fazit seiner Ausführungen, ich zitiere daraus, ich habe mir einige wichtige Gedanken dazu notiert: "In Familie liegt der Schlüssel." Er sagt, 80 Prozent der jungen Menschen sagen, dass sie ihre Kinder so erziehen möchten, wie sie selbst erzogen wurden. Weiter sagt Prof. Hurrelmann: "Zu viele Eltern, ungefähr ein Drittel, können nicht erziehen, sind überfordert. Viele Eltern sind keine kompetenten Begleiter ihrer Kinder." Deshalb: Familienbildung ist das A und O und die Vorbereitung auf das Elternwerden, auf Kindeserziehung ist das Allerwichtigste. Er hat dort auch den Ausdruck gebraucht: "Es gibt viele 'Wischiwaschi-Eltern'." Diese Eltern, die eben nicht erziehen können, sich sicherlich bemühen, geben dann auch die Grundlage für Gewalt. Man muss auf die Eltern zugehen, insbesondere in den Kindertageseinrichtungen. Diese Eltern kommen nicht allein. Hilfsangebote muss man machen, niedrigschwellige Angebote. Hier kann über die Schule auch eine sehr gute Chance bestehen, die aber eben leider viel zu wenig genutzt wird, weil die Lehrer dazu überfordert sind - Schulsozialarbeit. Wenn wir die Aussagen dieser Studien und auch Jugendberichte ernst nehmen, wenn ich die Aussagen der beiden Minister ernst nehme, dann kann und darf offensichtlicher Handlungsbedarf nicht dadurch gedeckt werden, dass aus anderen Bereichen der Familienunterstützung Geld abgezogen wird. Meine Damen und Herren, ich möchte Sie deshalb noch einmal zu einer fachlich fundierten Diskussion im zuständigen Ausschuss auffordern. Ich erhoffe mir davon, dass die dann zusammengetragenen Anregungen ein wirklich wichtiges Fundament für das hier beantragte Gesetzesvorhaben darstellen.

Herr Panse, ich muss Ihnen auch noch einmal sagen: Sicherlich, Sie haben das alles richtig zitiert. Aber Sie wissen selbst, dass Richtlinien - ich habe selbst meine Erfahrungen dazu -, dass ein Gesetz immer etwas anderes, eine Grundlage ist, und Berlin hat dieses Ansinnen bereits als Gesetz formuliert, Bayern ist dabei, so wurde mir zugetragen. Bei der Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung jetzt an der Fachhochschule - ich hätte mir gern auch von Ihnen Vertreter dort gewünscht - wurde ganz besonders hervorgehoben von einem Prof. Homfeld, dass es wichtig wäre, diese Familienbildung in jedem Land gesetzlich zu verankern, so wie wir uns das hier wünschen. Ich bitte deshalb nochmals - ich unterstütze das, was Frau Pelke sagte um weitere Beratung im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Abgeordnete Bechthum, der Abgeordnete Panse

(Zuruf Abg. Bechthum, SPD: Nein.)

darf Ihnen keine Frage stellen.

Für die Landesregierung hat sich Minister Dr. Pietzsch zu Wort gemeldet.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Bechthum, Sie haben den Innenminister und den Sozialminister zitiert oder das wiedergegeben, was wir gesagt haben, völlig zu Recht und da brauche ich auch keinen Abstrich zu machen. Wir sind uns, wie ich aus Ihrem Beitrag gehört habe, in vielen Dingen inhaltlich einig und da machen wir auch keinen Abstrich. Nur ist auf der anderen Seite der Unterschied zwischen SPD und CDU ganz deutlich geworden. Sie wollen Gesetze, Verordnungen, Berichte und wir tun etwas.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Das ist ein gravierender Unterschied. Denn Sie haben einen Antrag vorgelegt, der fordert, wenn ich das richtig verstehe, dass wir das Gute, was wir in Thüringen tun, nun - soweit es nicht schon geschehen ist - in eine Gesetzesform gießen. Es wird ausdrücklich nicht gefordert, dass wir die Leistungen für die allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie ändern oder verbessern sollen, sondern dass wir die Leistungen, die wir in Thüringen erbringen, gesetzlich fixieren sollen, sicherlich auch vor dem Hintergrund schwieriger finanzieller Auseinandersetzungen. Ich muss hier Herrn Panse ausdrücklich aufgreifen, wir würden natürlich auch den Kommunen neue Verpflichtungen auferlegen. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, ob dieses in der gegenwärtigen Situation machbar ist. Ich würde Sie von der SPD-Fraktion herzlich bitten, wirken Sie auf die Bundesregierung ein, dass eine Steuerreform gemacht wird, dass die Kommunen nicht so Not leidend sind, wie sie im Augenblick sind, und dass sie diese Aufgaben auch wahrnehmen können.

(Beifall bei der CDU)