Protocol of the Session on August 22, 2002

Ich glaube, übers Ziel geschossen, ganz einfach an der Stelle im Sinne von Antrag nicht verstanden, wenn Sie sagen, wir würden hier Ergebnisse vorwegnehmen. Überhaupt keine Ergebnisse nehmen wir vorweg, sondern im Punkt 2 sagen wir ganz einfach: Den Bereich der Jungenarbeit innerhalb der Jugendhilfe, insbesondere der offenen Jugendarbeit, sowie der Jugendsozialarbeit zu errichten und zu fördern, sind Maßnahmen des Gender Mainstreaming. Was ist daran ein vorweggenommenes Ergebnis? Oder, was ist in 3. ein vorweggenommenes Ergebnis, dem Parlament über eingeleitete Maßnahmen zur Realisierung bis Ende Mai 2003 zu berichten. Das ist sogar so ergebnisoffen, dass der Antrag hätte kritisiert werden können. Wenn man sagt, der ist zu ergebnisoffen, das hätte ich ja noch verstanden. Aber, selbst wenn Sie dieser Meinung sind, dann könnte Ihnen ja nichts wehtun, indem Sie diesen Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und an den Gleichstellungsausschuss überweisen, denn dann könnte ja die Qualifizierung, die Sie angeregt haben, noch vorgenommen werden. Deswegen beantragt meine Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und an den Gleichstellungsausschuss mitberatend. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Bitte, Herr Panse, Sie wollten noch einmal das Wort.

Ich habe noch zwei kurze Fragen. Würden Sie mir zustimmen, dass die Angebote der Jugendhilfe in Thüringen zu weit über zwei Dritteln von Jungen genutzt werden und dass es ganze Bereiche gibt, die schlichtweg von Jungen auch so dominiert sind, dass sich mir schon die Frage stellt, wie man das denn noch ausbauen oder verändern sollte oder müsste? Zum Zweiten die Frage, ob Sie mir vielleicht noch einmal erläutern könnten, wie eigentlich diese jungenspezifischen Angebote aussehen könnten, denn ich habe bei Ihrem Ansatz nicht erkennen können, wie wir im Ergebnis erreichen sollten, dass wir mehr Kindergärtner, mehr Grundschullehrer als soziale Bezugspersonen vielleicht erreichen könnten, schon gar nicht durch Angebote der Jugendhilfe.

Also, die zweite Frage, Herr Panse, unterstelle ich Ihnen ganz gutartig, dass sie arg rhetorisch gemeint ist und unterstelle Ihnen, dass Sie selber mehr jungenspezifische Notwendigkeiten kennen, angefangen vom Rollenspiel, angefangen über die eigene Sozialisation bis hin zum

eigenen Geschlecht erkennen. Das unterstelle ich Ihnen positiv, dass Sie eigentlich das ganz rhetorisch gemeint haben. Zu der ersten haben Sie wieder bewiesen, wie notwendig Freiräume für Jungen sind und wie notwendig Gender Mainstreaming ist. Sie haben wieder davon gesprochen, das zwei Drittel der Jungen alles nutzen. Sie nutzen das doch nicht, weil sie von vornherein diesen Freiraum angeboten bekommen, sondern sie erobern. Das waren Ihre Begriffe, zwei Drittel dieser Eroberungen, sage ich jetzt, heißt doch, wir müssen überlegen, woher kommen die Ungleichgewichte und diese Diskussionen müssen geführt werden. Ich will den Jungen nichts wegnehmen, meine Fraktion auch nicht, wir wollen auch Gleichstellung nicht auflösen, sondern wir wollen weg von tradierten Verhältnissen für Jungen und Anhängselpolitik für Mädchen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Minister Pietzsch, bitte, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die PDS hat ein völlig neues Thema entdeckt.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich nur, wie wir eigentlich gelebt haben, bevor es den Begriff Gender Mainstreaming gab.

(Beifall bei der CDU)

Dass sich die Oppositionsfraktionen sehr intensiv damit befassen, damit Jungen und Männer nicht unterdrückt werden, das sieht man schon daran, dass kein Mann der Oppositionsfraktion sich hier ans Pult getraut hat offensichtlich.

(Beifall bei der SPD)

Also, ich vermute mal, die Unterdrückung ist bei Ihnen sehr ausgeprägt. Von daher ist das sicher ein wichtiges Thema.

Meine Damen und Herren, tun wir doch nicht so, als wäre das was ganz Neues. Es geht um eine Strategie, die die Geschlechterperspektive als Querschnittsaufgabe beinhaltet, die Defizite und Nachteile bei Frauen und Männern in ihrer Chancengleichheit aufdeckt und die Chancengerechtigkeit herstellt. Meine Damen und Herren, aber das ist nichts Neues, da brauchen Sie nicht zu beauftragen. Das werden wir auch nicht in den nächsten eineinhalb Jahren lösen, sondern das ist eine dauernde Aufgabe, die wir haben. Es ist ein rechtlich verankerter Prozess im Amsterdamer Vertrag vom 1. Mai 1999. Auch was die Landesregierung angeht, brauchen Sie uns nicht zu beauftragen. Die Thüringer Landesregierung, insbesondere Frau Staatssekretärin

Dr. Meier, hat bereits im Gleichstellungsausschuss angekündigt, zum Thema Gender Mainstreaming einen eigenen Arbeitsplan zu erstellen. Da sind beide Teile berücksichtigt. Ich möchte Frau Meier in dieser Hinsicht ganz besonders danken.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es bedarf keines speziellen Antrags, um die Landesregierung zu beauftragen, wie Sie es höflich formulieren, Gender Mainstreaming in der Jugendhilfepraxis zu verankern. Meine Damen und Herren, es gibt seit langem entsprechende Rahmenbedingungen, die in Thüringen umgesetzt werden. Dass es nicht in jedem Bereich der Jugendhilfe ist,

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Aber nicht ausreichend.)

ja, verehrte Frau Thierbach, es gibt solche und solche. Das werden wir nicht per Dekret ändern können.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, dass gerade Kinder- und Jugendhilfe gut darauf vorbereitet ist. Denken Sie bitte daran, bereits 1991 bei Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes hat der Gesetzgeber ausdrücklich aufgefordert, die unterschiedlichen Lebenslagen der Mädchen und Jungen in den Angeboten der Jugendhilfe zu berücksichtigen. 1991 - natürlich wussten sie nicht, was sie damals taten, denn sie kannten das Wort ja noch nicht, aber sie haben trotzdem dazu aufgefordert. Vor diesem Hintergrund haben sich in den letzten 10 Jahren auch in Thüringen spezielle Angebote für Mädchen und Jungen entwickelt.

Meine Damen und Herren, anzumerken auch unsere Richtlinie zur Jugendpauschale, die kennen Sie doch, die ausdrücklich darauf verweist, dass bei der Umsetzung die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen sind, mögliche Benachteiligungen abgebaut werden und die Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen zu fördern ist.

Meine Damen und Herren, natürlich brauchen wir mädchen- und jungenspezifische Angebote und wir brauchen auch Angebote für beide.

(Beifall bei der CDU)

Hören wir doch endlich mal auf - ich sage immer, ich bin weder als Arzt noch als Politiker Extremist gewesen mit diesem Entweder-oder, sondern wir müssen für beide, für Jungen und Mädchen, Angebote bereithalten.

(Beifall bei der CDU)

Übrigens erinnere ich mich gern der lebhaften Debatte hier im Plenum zur Mädchenarbeit, wo Sie nicht nur auf

Gleichberechtigung, sondern auf spezifische Förderung und auf Bevorzugung gedrängt haben, meine Damen und Herren, und das kann es eben nicht sein.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Die Be- vorteilung von Jungen und von Mädchen.)

Meine Damen und Herren, nun zum Antrag der PDS: Mit Ziffer 1 des Antrags will die PDS die Landesregierung zu einem umfangreichen Maßnahmenkatalog verpflichten. Dabei übersehen Sie erst einmal, dass zum Beispiel die beiden ersten aufgeführten Maßnahmen, nämlich die Evaluation einer Zustandsanalyse "Verwaltungshandeln der Jugendämter" und der "Vollzug der Jugendhilfeplanung" überhaupt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Landesregierung fallen. Es ist schlicht Aufgabe der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, meine Damen und Herren, und ein Eingriff in den Vollzug der örtlichen Jugendhilfeplanung seitens der Landesregierung ist nicht vorgesehen und ist eigentlich auch rechtlich nicht möglich. Meine Damen und Herren, dahinter verbirgt sich natürlich wieder mal so ein obrigkeitsstaatliches Denken der PDS, dass wir alles hier zu normieren und vorzuschreiben haben.

Meine Damen und Herren, in einer freiheitlichen Gesellschaft haben die Kommunen auch eine Eigenverantwortung und Gott sei Dank nehmen sie diese Eigenverantwortung auch wahr.

Für Ziffer 2 des PDS-Antrags gilt Vergleichbares. Mit Ziffer 2 will die PDS, im Übrigen schwer verständlich, meine Damen und Herren, grammatikalisch und rechtlich unsauber ausgedrückt "den Bereich der Jugendarbeit innerhalb der Jugendhilfe, insbesondere der offenen Jugendarbeit, sowie der Jugendsozialarbeit zu errichten und zu fördern".

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Die Be- vorteilung von Jungen und Mädchen.)

Ja, man kann es auch einfacher ausdrücken, gemeint ist wohl schlicht die Schaffung und Förderung von Jugendarbeit.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Nein.)

So einfach kann man manches ausdrücken. Meine Damen und Herren, wir sollten uns ein bisschen einfacher ausdrücken, sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn bei PISA unsere Kinder und Enkel versagt haben.

Meine Damen und Herren, Jugendarbeit ist gemäß § 85 SGB VIII eine Aufgabe der örtlichen Jugendhilfeträger, so dass das Land, ich sage es noch einmal, keine Befugnis hat, Jugendarbeit zu errichten. Meine Damen und Herren, alles in allem betrachtet, beinhaltet der Antrag entweder Maßnahmen, die außerhalb der Zuständigkeit der Landesregierung liegen oder bringt im Wesentlichen nichts Neues.

Deswegen kann ich diesen Antrag nicht nachvollziehen und kann eigentlich nur empfehlen, ihn abzulehnen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

War das jetzt noch mal eine Wortmeldung, Frau Abgeordnete Wolf? Bitte schön.

Ich werde Ihnen jetzt nicht den Gefallen tun, das künstlich hinzuziehen, damit Sie nicht noch einen Tagesordnungspunkt abarbeiten müssen, aber einige Punkte müssen einfach noch gesagt werden: Herr Panse und auch Herr Pietzsch, Sie haben immer wieder hervorgehoben, dass der Antrag der PDS so eine Katastrophe ist, weil wir Mädchen und Jungen gegeneinander ausspielen. Gerade das soll es eben nicht sein, meine Damen und Herren, denn auch gerade Mädchen haben etwas davon, wenn mit Jungen ordentlich gearbeitet wird.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe und Heiterkeit bei der CDU)

Nicht nur gleich in der Schule, nicht nur gleich, weil Jungen auch mit Mädchen anders umgehen, wenn sie ein Gefühl dafür haben, sondern eben auch später als Männer, Ehemänner oder was auch immer.

(Beifall bei der PDS)

Herr Panse hat völlig Recht - eine künstliche Aufregung hier, das ist ja unglaublich -, zwei Drittel der Angebote im Moment in der Jugendarbeit werden von Jungen genutzt, völlig richtig. Kritisiere ich genauso, sage ich, kann eigentlich nicht sein, aber eben diese quantitative Zahl hat nichts zu tun mit einem qualitativen Anspruch an Jungenarbeit.

(Beifall bei der PDS)

Jugendarbeit ist nicht gleich geschlechtsspezifische Arbeit in dem Bereich und das ist unbedingt notwendig. Ich will doch nicht alle Angebote gleich ummüntzen und sagen, das muss sein, ich will einfach nur Angebote. Ein Beispiel:

Kleinen Moment bitte mal, Frau Abgeordnete. Es ist ja nicht mehr lange hin, bis wir diese Sitzung heute abschließen. Darf ich Sie bitten, noch ein bisschen Ruhe zu bewahren - auch bei diesem Thema.