Meine Damen und Herren, nur Nein sagen, reicht nicht. Nein ist keine Alternative, denn diejenigen, von denen ich rede, den Arbeitnehmern, die hier arbeiten und Lohn erhalten, von diesem Lohn erhalten wir die Einkommenund die Lohnsteuer, also die Steuereinnahmen, die wir dringend brauchen. Nein sagen, reicht nicht.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ramelow, in dem Punkt Tariftreuegesetz werden wir mit Sicherheit nicht übereinkommen. Das ist völlig klar, weil Sie jetzt hier auch Positionen als Gewerkschafter deutlich vertreten haben, die für mich erkennbar, auch aus der Spitze des Dachverbandes herauskommen. Ich darf an der Stelle, weil Sie es zitiert haben und Herr Kollege Müller das gleiche Zitat gebracht hat, ja ruhig einmal zeigen, was hier beim Dachverband der Gewerkschaft und bei der IG Bau-Agrar-Umwelt zu dem Punkt geschrieben steht, woraus zitiert worden ist, dass die CDU-regierten Bundesländer das Gesetz am 31. Mai im Bundesrat stoppen werden. Ich erinnere nur einmal ganz nebenbei, ich komme dann noch einmal kurz darauf zurück, es trifft nicht nur die CDU-regierten Länder, sondern, ich glaube schon, dass auch ein Stück Unwahheit genau in diesem Punkt hier drinsteht. Deshalb bin ich froh, dass wir auf Antrag der CDU-Fraktion im Januar dieses Jahres zu dem Thema "Arbeitsplätze statt Tariftreue" gesprochen und einen Beschluss gefasst haben.
Ich bin auch der Landesregierung in dem Punkt dankbar, dass sie dafür sorgen muss, dass dieses Gesetz, was der Wirtschaft und dem Handwerk in Thüringen schadet, zu verhindern ist. Es ist noch gar nicht lange her, da haben 23 - das stand in der "Leipziger Volkszeitung" - Bundestagsabgeordnete gegen das Tarifvertragsgesetz Front ge
macht, wohl gemerkt SPD-Bundestagsabgeordnete, meine Damen und Herren, weil nämlich die Baubranche in den neuen Ländern durch dieses Gesetz zurückgeworfen wird und weil es auch eine Diskriminierung ostdeutscher Arbeitnehmer darstellt. Deshalb darf man auch ein Stück verwundert sein, dass gerade die Bundesregierung aufgrund des noch ausstehenden Bundesverfassungsgerichtsurteils überhaupt dieses Gesetz in die parlamentarische Behandlung gegeben hat. Das verwundert mich schon ein kleines Stückchen dabei.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Problematik, die Herr Müller angesprochen hat, dass durch die mein Kollege Jörg Kallenbach hat es ja gesagt - Änderungsanträge zum Gesetz eine andere Situation entstehen würde, weit, weit gefehlt. Ich darf an der Stelle auch einmal zur Kenntnis geben, wie es denn im Bundesratsverfahren zurzeit aussieht. Dort befindet sich die Beratung in den Ausschüssen und der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats hat mit deutlicher Mehrheit die Ablehnung des Gesetzes empfohlen, der Arbeits- und Sozialausschuss hat sich zu keinem Votum durchringen können, ebenso nicht der Wohnungsbauausschuss. In diesem Ausschuss, wohl bemerkt, befinden sich auch Länder wie Mecklenburg-Vorpommern. Das darf man an der Stelle vielleicht auch einmal erwähnen. Es ist klar, weil vom Kollegen Ramelow auch noch einmal die Kommission angesprochen worden ist, da bitte ich aber auch zu berücksichtigen, dass gerade an dem Punkt der Europäische Gerichtshof ein Urteil gesprochen hat, das zum gesetzlichen Mindestlohn verpflichtet. Genau das ist der Punkt, das wird in Thüringen auch in der Mindestlohnverordnung in unserer Auftragsvergabe realisiert. Da gibt es eine Richtlinie zur Mindestlohnerklärung vom Mai letzten Jahres, die kann sich jeder zu Gemüte führen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf die Richtlinie des öffentlichen Auftragswesens hinweisen. Thüringen hat hier in vorbildlicher Weise eine Reihe von Richtlinien, gerade zur Bekämpfung von Lohndumping, von ruinösem Wettbewerb, von Schwarzarbeit erlassen.
Wer sich die zwölf Richtlinien einmal anschaut, der weiß ganz genau, dass wir in der Diskussion zum Vergabegesetz eigentlich ganz komplett ausgerüstet und ausgestattet sind, um genau diese Punkte, die angesprochen wurden, zu verhindern. Ich kann hier von der Stelle aus nur appellieren, dass natürlich auch die Positionen des Zweckverbunds ostdeutscher Bauverbände zu berücksichtigen sind, dass die Länder in der Abstimmung am 31. Mai 2002 im Bundesrat diesem Gesetz keine Mehrheit verschaffen. Denn der angesprochene wirtschaftliche Schaden, der entstehen würde - 5 Prozent Verteuerung der Aufträge auch nach der Änderung für die Bundesrepublik Deutschland. Wir rechnen damit, dass es in den neuen Ländern, bei den Strukturen, die wir haben, etwa 10 Prozent sein werden, um die sich die Aufträge verteuern würden. Ich glaube, Kollege Kallenbach hat die Auftragslage angesprochen,
wie viel Unternehmen, Handwerksbetriebe, kleine und mittelständische Unternehmen am Auftragsvolumen hängen, um zu diesen kostengünstigen Konditionen ihre existenzsichernden Aufträge in diesen Ländern zu erhalten. Deshalb glaube ich, dass dieses Gesetz mit seinen bürokratischen, fiskalischen und auch arbeitsmarktpolitischen Folgen keine Realität werden darf. Danke schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich vorweg anmerken, das konkrete Abstimmungsverhalten Thüringens zu dem fraglichen Gesetzentwurf wird erst kurz vor der Bundesratssitzung festgelegt. Die Landesregierung hat aber in den bisherigen Diskussionen keinen Zweifel daran gelassen, was sie von diesem Gesetz hält. Die Bindungen an den Tarif am Ort der Leistungserbringung ist für ostdeutsche Unternehmen nicht zumutbar.
Auch das beschlossene Stufenmodell ist willkürlich und verlagert das Problem auch nur um wenige Jahre. Es wird den Thüringer Handwerkern nicht ein Wettbewerbsvorteil genommen, sondern ein Wettbewerbsnachteil zementiert. Um keinen Zweifel daran zu lassen, auch die Landesregierung ist für Lohnangleichung und gegen Lohndumping. Dies haben wir bei vielen Diskussionen immer wieder klar gemacht. Es geht aber um die Frage, ob man dies erreichen kann, indem man hier alle Unternehmen über einen Leisten zieht.
Das Tariftreuegesetz, meine Damen und Herren, darin sind sich viele Unternehmen einig, ist der falsche Weg. Selbst tariftreue Unternehmen im Lande werden nach diesem Gesetz in einen Topf geworfen mit so genannten Billiganbietern. Sie werden des Lohndumpings und der Lohndrückerei bezichtigt und kriminalisiert, meine Damen und Herren.
Unternehmen, die hier in Thüringen Tarif zahlen, denen wird der Vorwurf gemacht, Lohndrückerei zu betreiben, wenn sie auf einer Baustelle in den alten Ländern arbeiten. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wenn das so wäre, würde man doch die Frage stellen, wozu brauchen wir dann noch Regionaltarife, wozu brauchen wir überhaupt Tarife, wenn das die Konsequenzen wären?
"Die Welt" hat in einem Artikel geschrieben, dass die Bundesregierung mit diesem Gesetz einen Marktbereinigungsprozess einleiten will, und zwar mit der gesetzlichen Keule. Tatsache ist, dass ein solches Gesetz dazu führen wird, dass viele unserer kleinen und mittleren Unternehmen praktisch vom Markt verdrängt werden, weil sie eben diese Bedingungen nicht erfüllen können. Wir wissen alle, dass die Tarifbindung abhängig ist von der Größe der Unternehmen. Da wir in unserem Land aber nicht typischerweise die großen Bauunternehmen haben, werden viele kleine Unternehmen von diesem Gesetz vom Markt verdrängt. Abgesehen davon erfasst dieses Gesetz etwa 10 bis 20 Prozent des Bauvolumens. Im privaten Bau wird sich diese Regelung ohnehin nicht durchsetzen lassen. Zu diesem Zweck so viel bürokratischer Aufwand, so viel Verzögerung, so viel Verteuerung von öffentlichen Investitionsvorhaben? Ich bin sicher, dass dieser Aufwand, der damit verbunden ist, unvertretbar höher ist.
Meine Damen und Herren, man muss sich dann auch fragen, was die Konsequenzen für ein Unternehmen sind, käme dieses Gesetz. Jedes Bauunternehmen in unserem Land, das ein Angebot abgeben will in einem benachbarten Land, müsste zunächst die Tarifstrukturen ermitteln, z.B. in Coburg oder an jedem anderen Ort, um dann die Tarife von dort kalkulieren zu können. Man stelle sich einmal vor, welcher Aufwand es wäre, wenn der einzelne Handwerksbetrieb immer erst den jeweils gültigen Tariflohn ermitteln müsste.
Meine Damen und Herren, es ist doch klar, was mit so einem Gesetz passieren würde, es würde nicht realisiert. Es würde im Dickicht der Bürokratie stecken bleiben. Es hätte allerdings kontraproduktive Wirkung der Art, dass viele Arbeitsplätze im Bausektor bei uns verloren gingen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur noch einige Anmerkungen zu dieser Problematik, über die wir uns ja schon bei dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion - Thüringer Vergabegesetz - unterhalten haben, auch eine Anhörung dazu hatten, die einige, der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Sturkturpolitik zumindest, auch andere Kolleginnen und Kollegen besucht hatten und auf der drei Dinge, ich sage es völlig unpolemisch, für alle sichtbar waren.
Selbstverständlich haben wir die bestehenden Befürchtungen der ostdeutschen Bauwirtschaft zur Kenntnis nehmen müssen, bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in den alten Bundesländern zu kurz zu kommen, weil man ja des einzigen Wettbewerbsvorteils verlustig geht und das sind die noch deutlich niedrigeren Lohnkosten, die wir hier haben.
Zweitens haben wir aber auch zur Kenntnis genommen, dass im ÖPNV ein deutliches Interesse an einer derartigen gesetzlichen Regelung besteht. Dort sind die Probleme andere, weil drei Tarifgruppen bestehen, zumindest hier in Thüringen. Das ist in NRW auch so gewesen, dort hat man es allerdings gerichtet. Weil für den Bereich der öffentlichen Verkehrsdienstleistungen angesichts der bevorstehenden Liberalisierung in Europa eine ähnliche Situation zu erwarten ist. Auch hier droht ein rigoroser Preiswettbewerb über Dumpinglöhne, die die Qualität und die Quantität der Verkehrsdienstleistungen gefährden werden. Nun, so weit sind wir noch nicht, aber es wird kommen mit dieser angedrohten Liberalisierung, von der wir alle nicht viel halten
und die uns auch bewogen hat, unsere Verkehrsunternehmen gut auszustatten, auch finanziell gut auszustatten.
Selbstverständlich haben wir drittens bei der Anhörung ein nicht zu überhörendes Unbehagen über die Situation im Baugewerbe zur Kenntnis nehmen müssen. Das haben eigentlich alle Kammern und Verbände deutlich zum Ausdruck gebracht. In keiner Branche sind Recht und Ordnung so stark gefährdet, ausgedünnt, ja mit Füßen getreten wie gerade hier. Da ist die Nichtzahlung ortsüblicher Tarife an die Arbeitnehmer noch das geringste Übel, wenn man sich die Situation in der Bauwirtschaft betrachtet: Schwarzarbeit, Schmiergelder, jeder von uns kennt aus eigener Kenntnis und aus den Medien die entsprechenden Beispiele. Sie entstehen immer dann, wenn Angebot und Nachfrage in einem derartig eklatanten Missverhältnis wie gerade in der Bauindustrie, sei es Bauhauptgewerbe aber auch das Ausbaugewerbe, stehen. Wir haben bei unserem Vergabegesetz angesichts des Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs vom 18.01. die Wirksamkeit nur auf Hochbauleistung beschränkt. Wir haben also den ganzen Ballast aller anderen noch anstehenden Möglichkeiten abgeworfen. Damit wir überhaupt wissen, um welches Volumen es sich möglicherweise handelt, zuverlässige Angaben gibt es da nicht, Herr Minister Schuster hat vorhin von 20 Prozent geredet, im öffentlichen Hochbau, das sind aber nun statistische gesicherte Zahlen, werden in Deutschland 8 Prozent des gesamten Hochbauvolumens erbracht. Von den gesamten 100 Prozent Hochbauvolumen in Deutschland sind 8 Prozent staatlicher Hochbau, also Aufträge der öffentlichen Hand. Das waren im Vorjahr immerhin noch 34 Mrd. DM. Die restlichen 92 Prozent, von denen vor allen Dingen unsere Unternehmen partizipieren, in Bayern,
Baden-Württemberg, Hessen oder sonst wo, die geschehen im völlig privatwirtschaftlichen Rechtsverkehr und sind davon überhaupt nicht betroffen. Das ist völlig klar, damit wir nur die Geringfügigkeit sehen. Ich wäre Ihnen verbunden, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin selbst nicht an die Zahlen gekommen, wenn ich auch nur ein Beispiel hätte, wo eine Thüringer Firma einen Hochbauauftrag der öffentlichen Hand aus Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen bekommen hätte. Sagen Sie mir ein Beispiel der öffentlichen Hand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Rathaus in Neckarsulm oder Ingolstadt von einer Thüringer Firma..., also die öffentliche Hand in den alten Bundesländern ist bei der Vergabe ihrer Aufträge deutlich restriktiver als wir mit unserer Großzügigkeit hier in Thüringen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß, dass dieses Gesetz im Bundesrat nicht durchgehen wird oder im Vermittlungsausschuss, dass es seine Zeit braucht, dafür noch Regelungen zu schaffen. Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass...
Ja, Frau Präsidentin macht die Zäsur. Gut, ich gebe der Hoffnung Ausdruck, dass wir es vielleicht nicht gleich haben, aber dass wir es irgendwann einmal haben werden, ein derartiges Gesetz. Vielen Dank.
Herr Lippmann, ich will Ihnen das geforderte Beispiel gern liefern. Die Firma Hochtief hier in Erfurt führt derzeit Aufträge nicht nur in Thüringen aus, sondern im Interesse der Erhaltung der Arbeitsplätze von Thüringer Arbeitnehmern auch in den alten Ländern.
(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Herr Schuster, das ist sowieso ein Tarifunterneh- men... der öffentlichen Hand.)
Würde sie in Baden-Württemberg, Bayern oder wo immer sie tätig ist, eben die dortigen Tarife bezahlen müssen, dann hätte sie ein Problem, wie sie die Mehrkosten noch abdecken könnte. Die Folge wäre, man behandelt sie in Baden-Württemberg oder Bayern so wie die Billigstanbieter, obwohl dieses Unternehmen hier den Tariflohn bezahlt, Herr Lippmann, das kann doch wahrhaft nicht gewollt sein. Man kann sich genau vorstellen, welche Wirkungen dies für solche Unternehmen hat in unserem Lande.
(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das war der typische kleine bzw. mittlere Unterneh- mer, der bodenständig in Thüringen wirkt.)
b) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: "Aufmarsch extremer Gruppen in Thüringen - gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Versammlungsrecht" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/2436
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich darf Sie noch einmal an die Regierungserklärung des Justizministers Dr. Andreas Birkmann erinnern. Es ging um Weimar, um den 20. April und um das Urteil des OVG. Ich darf zitieren, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: "Die zum Teil sehr unsachliche Kritik an dem Gericht und an den Richtern ist nicht berechtigt. Gerichte haben das geltende Recht anzuwenden, und zwar in richterlicher Unabhängigkeit. Dies ist ein zentraler Bestandteil jedes demokratischen Rechtsstaates, der nicht angetastet werden darf. Nein, nicht die Richterin ist das Problem, die Rechtslage ist das Problem." Die Rechtslage ist das Problem, meine Damen und Herren, es geht um die Konkretisierung der Rechtsgrundlage. Die Bilder von extremistischen Aufzügen gehen um die ganze Welt. Solche Situationen, wie z.B. am 20. April dieses Jahres in Weimar, blamieren und diskreditieren nicht nur die Stadt Weimar, nein, unser ganzes Land, die ganze Bundesrepublik.
(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Für Sie ist also das Ansehen das einzige Problem, rechts- extreme Ideologien interessieren Sie nicht.)