Protocol of the Session on February 22, 2002

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Maaßen, zunächst erst einmal eine Bemerkung zu Ihrer Einlassung bezüglich der Arbeitslosenzahlen. Sie wissen, wann die Zahl 3,5 Mio. entstanden ist, das war im Jahr 2000, als die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ganz andere waren. Richtig, wir liegen jetzt bei 4,3 Mio. Wegen der Wintersituation ist sogar noch eine Erhöhung zu befürchten, das wissen wir auch, dass der März noch schlechter aussehen könnte. Wir haben Probleme mit der allgemeinen Wirtschaftssituation. Ich darf bemerken, dass in diesen Arbeitslosenzahlen, wenn man die Vergleiche zu 1998 zieht, man die 400.000 Wahlkampf-ABM und -SAM natürlich berücksichtigen muss. Wir wissen, wie die Situation in der Bauwirtschaft aussieht. Ich habe verschiedene Runden durch die Arbeitsämter gedreht. Es gibt z.B. ein ganz interessantes Phänomen, was etwa die Arbeitsamtsdirektion Suhl betrifft. Wir wissen, wir haben hohe Entlastungen nach Bayern, etwa 21.000 Auspendler. Dort ist es oft im Handwerk und in der Bauwirtschaft so, dass die von Anfang an nur Zeitverträge bekommen, dass sie von Mitte Dezember bis Mitte März quasi arbeitslos sind, nach Thüringen kommen und hier wieder in das Arbeitslosengeld fallen. Es ist leider so, dass das bayerische Stammpersonal dann über das Jahr arbeitet und dass die Thüringer dann hinzukommen, um die Leistungsspitzen abzufangen. Darüber muss man auch reden. Verschleppung von Reformen durch die Bundesregierung, Frau Vopel, ich habe mich ja schon dazu geäußert - Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe -, warum das so lange dauert. Sie wissen ganz genau, dass dieses Thema nicht erst mit der Regierungsübernahme 1998 zu Stande gekommen ist, sondern dass es wahrscheinlich schon um die 20 Jahre alt ist, weil dieses Thema komplex ist. Ich komme dann noch dazu. Herr Professor Sinn, der macht Statistiken und zieht daraus seine Schlussfolgerungen. Wie kompliziert das Thema umzusetzen ist, das ist ja nicht seine Sache. Im Übrigen darf ich bemerken, dass die Länder selbst diese Modellversuche gewollt haben.

Noch etwas zu der Bemerkung Kreditaufnahme für Sozialhilfelasten. Ich bin ja nun gestandener Kommunalhaushälter, das wissen Sie. Eine Kommune hat einen Verwaltungshaushalt und einen Vermögenshaushalt. Sozialhilfelasten gehören in den Verwaltungshaushalt, Kreditaufnahmen in den Vermögenshaushalt. Wenn eine Kommune ihren Verwaltungshaushalt nicht ausgleichen kann, dann darf sie keinen Kredit aufnehmen. Insofern kann diese Beziehung nicht stimmen. Wenn sie Kommunen haben, dann müssten wir die ja der überörtlichen Rechnungsprüfung anzeigen, damit die dort einen Verwalter bekommen.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Sprechen Sie mal mit den Betroffenen.)

Ja, die gesetzliche Lage ist so. Die einzelnen Abschnitte des Berichtsersuchens der PDS erscheinen etwas ungeordnet; außerdem ist der Zeitpunkt unglücklich gewählt. Es gibt natürlich inhaltliche Zusammenhänge, aber eigentlich sind die Themen aus fachlicher Sicht voneinander zu trennen. In der Tat ist die Frage der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in jüngster Zeit viel diskutiert worden. Jedoch sind einige Beiträge von verschiedenen Seiten nicht gerade von Sachkenntnis, eher aber von Populismus getrübt. Offenbar kann - wie etwa beim Fußball - hier auch schon jeder mitreden. Ein Trost, dass es unseren Kollegen aus dem Bildungsbereich da nicht besser geht. Jedenfalls hat die Gesetzesnovelle zum Bundessozialhilfegesetz nur höchstens indirekt etwas mit der Frage der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu tun, aber dazu später.

Beginnen wir mit III. des Berichtsersuchens: Nach unseren Informationen gibt es in Thüringen keine Bewerber der örtlichen Sozialhilfeträger bezüglich der Anwendung der Experimentierklausel zur Pauschalierung in der Sozialhilfe - das scheint ja so zu sein, Herr Staatssekretär hat es vorhin auch bestätigt -, deshalb liegt die entsprechende Verordnung des Ministeriums seit Juni auf Eis. Außer Thüringen haben Berlin, Bremen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls diese Verordnung aus gleichen Gründen nicht in Kraft gesetzt. Grund ist der personelle und finanzielle Mehraufwand der Sozialämter, mit dem diese zunächst in Vorlage treten müssten; ergo kann die Landesregierung eigentlich nicht über eigene Erfahrungen aus diesem Bereich berichten. Sie hätte aber die Sozialämter aus meiner Sicht ermutigen müssen, diese Modellversuche anzugehen. Der Bundesgesetzgeber selbst geht davon aus, dass aussagefähige Ergebnisse in dieser Frage erst in 2003 vorliegen können.

Zu I.: Wegen der fehlenden Erfahrung z.B. in dem gerade angesprochenen Problemkreis, aber auch bei der Frage der Zuschüsse zum Einkommen bei Verdiensten unter dem Eckregelsatz, ist es notwendig, die Erprobungsphase der Modelle zu verlängern. 1996 wurde im Bundessozialhilfegesetz die Regelung eingeführt, bei Niedriglöhnen Zuschüsse bis zum Eckregelsatz und bis zu 12 Monaten zu gewähren. Dies wurde durch die Träger nicht angenom

men. Daraufhin wurde 1998 eine Öffnungsklausel in das BSHG geschrieben, die bis Ende 2002 die Möglichkeit eröffnet, in der Höhe und der Dauer von obigen Zuschussregelungen abzuweichen. Dies wird erst langsam wirksam, weil natürlich die finanziellen Leistungsmöglichkeiten der Sozialämter berührt werden. Wenn die Hilfeempfänger aber mittelfristig in feste selbst tragende Stellen gebracht werden können - und wir wissen, wie schwierig das in Thüringen ist -, so kommt es später zu einer Entlastung der örtlichen Sozialhilfeträger. Das Problem ist eben die finanzielle Vorleistung. Da dies ein langwieriger und schwieriger Prozess ist, sollen die unter I. genannten Übergangsregelungen bis Ende 2004 bzw. 6/2005 verlängert werden. Gleiches gilt für die Anbindung der Regelsätze an den aktuellen Rentenwert und die abzusetzenden Freibeträge für das erste und zweite Kind. Die Modellvorhaben in § 18 a und in § 101 sind bis Ende 2004 befristet. Somit ist noch nicht einmal eine vorläufige Auswertung vorhanden. Sinn und Zweck dieser Modelle ist es doch, die Regelung des BSHG einer verlässlichen und dauerhaften Lösung zuzuführen.

Zu II. - Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe: Auch hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass verwertbare Aussagen, die dazu angetan sind, aus dem Modellvorhaben MoZArT Dauerlösungen zu schaffen, erst in 2003 vorliegen können. Viele der bisher angewandten Modelle "Arbeit statt Sozialhilfe" führten aber gerade nicht zu Dauerarbeitsplätzen, sondern sie stellten lediglich eine Rotation zwischen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe dar. Die Kommunen erreichten mit dem Umstand, dass nach 12 Monaten in dem Programm ein neuer Anspruch auf Arbeitslosenhilfe entstand, eine partielle, finanzielle Entlastung. Zunächst muss bei dieser Fragestellung aber zwischen den Begriffen "Zusammenarbeit der Arbeitsämter und Sozialämter" und "Zusammenlegung" derselben unterschieden werden. Die Modellprojekte laufen ausdrücklich in Richtung Zusammenarbeit. Hier gibt es selbstverständlich noch erhebliche Reserven, auch über die Intention der Modellvorhaben hinaus.

Die Zusammenlegung ist aus objektiven Gründen gar nicht so einfach machbar. Die permanente verbale Forderung derselben ist schnell dahingesagt und verunsichert zunächst die betroffenen Träger und Hilfeempfänger. Zum einen stimmen dazu die administrativen Voraussetzungen nicht, da die Strukturen der Arbeitsverwaltung und der örtlichen Sozialhilfeträger aufeinander abgestimmt werden müssten. Schon das allein ist problematisch genug, wie die aktuelle Diskussion um die Strukturen der Arbeitsämter zeigt. Aus diesem Grund läuft in Thüringen der Modellversuch im Altenburger Land, weil dort Landkreis und Arbeitsamtsbereich zusammenfallen und damit sich nur ein Arbeitsamt mit einem Sozialamt abstimmen muss. Schwierig wird es nämlich dort, wo Arbeitsamtsbezirke Landkreise durchschneiden. Das war auch meine Erfahrung bei meiner Tour. Es gibt z.B. im Wartburgkreis erhebliche Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gotha und Suhl. Es ist halt so, dass die Arbeitsamtsbezirke weit vor der Gebietsre

form hier gemacht worden sind, und das muss irgendwann einmal angepasst werden. Das ist eine Voraussetzung, dass diese Verzahnung überhaupt administrativ vernünftig funktionieren kann.

Zum anderen setzt eine Zusammenlegung die Umfinanzierung unseres Gemeinwesens voraus. Die Sozialhilfe wird bekanntlich durch die Landkreise und kreisfreien Städte getragen - so genannte örtliche Träger - sowie durch die Länder - überörtliche Träger. Die Arbeitslosenhilfe erfolgt über die Bundesanstalt für Arbeit im Wesentlichen aus der Arbeitslosenversicherung, natürlich auch mit Zuschüssen. Das heißt, mit der Diskussion um die Zusammenlegung dieser Bereiche werden die Kommunalen Finanzausgleiche der Länder, der Länderfinanzausgleich, die Gemeindefinanzreform und die Lohnnebenkosten berührt. Wer hier schnelle Lösungen fordert, der weiß nicht, wovon er spricht.

(Beifall bei der SPD)

Damit ist z.B. auch die bei vielen kommunalen Mandatsträgern durch die oberflächliche Diskussion erweckte Begehrlichkeit, ihre Gebietskörperschaften von den Sozialhilfelasten zu entlasten, ad absurdum geführt. Auch die politischen Absichten, etwa aus wirtschaftsliberalen Kreisen in Richtung Kürzung der Regelsätze, die in diesem Zusammenhang auch zu Tage treten, sind hochgradig populistisch und gesellschaftspolitisch gefährlich. Sie schüren Sozialneid und Missgunst. Auch hier sollten diejenigen, die das fordern, sich zunächst erst einmal mit den grundgesetzlichen Ansprüchen an unser Sozialsystem befassen. Ich meine die Festschreibung des Sozialstaatsprinzips und die daraus erwachsenen gesetzlichen Regelungen und Rechtsansprüche.

Ich empfehle abschließend, die sachliche Beratung zu diesem hoch sensiblen Thema dann fortzusetzen, wenn gesichertes Datenmaterial vorliegt. Damit das geschehen kann, ist der Fristverlängerung im Bundessozialhilfegesetz zuzustimmen. Ich empfehle weiterhin dringend, dieses Thema aus dem Wahlkampf herauszulassen, weil es bekanntermaßen die rechten Randgruppen stärkt, die verbal für diese Fragen immer die resolutesten Lösungen haben. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung hat sich noch einmal Staatssekretär Maaßen zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte mir noch einige Bemerkungen zu dem Beitrag von Frau Thierbach erlauben. Frau Thierbach, Sie haben meine Ausführungen hier grundsätzlich gelobt, dafür bin ich dankbar.

(Heiterkeit bei der PDS)

Aber, ich glaube, einige Ausführungen gehen ein bisschen an dem Problem vorbei, das wir hier haben. Ich darf Folgendes sagen: Niemand hat mir inzwischen einen Beleg dafür bringen können, dass die Regelsätze so, wie wir sie in Thüringen und allgemein in der Bundesrepublik festgesetzt haben, nicht den notwendigen Lebensbedarf abdecken. Das ist eine Behauptung, die erst einmal vernünftig untersetzt werden will. Deswegen hat der Gesetzgeber auch, egal welcher Bundesregierung, den Auftrag gegeben, dass man sich hier darum kümmert, wie man das untersetzen kann. Aber in dem Zusammenhang mit Arbeit und Arbeitslosigkeit hat sich herausgestellt, dass unsere Sozialhilfesätze, dass unsere Arbeitslosenhilfesätze teilweise für einige Betroffene so lukrativ sind, möglicherweise auch in Zusammenarbeit mit Schwarzarbeit, dass sie dann gar nicht mehr bereit sind, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Das muss doch hier einfach einmal angesprochen und gelöst werden. Ich habe eher den Verdacht in Bezug auf die Lösung der Arbeitslosenproblematik, dass möglicherweise unsere Sozialhilfe und sonstigen Arbeitslosenhilfesätze eher tendenziell zu hoch sind. Das zeigt auch der Vergleich mit anderen europäischen Ländern, und da brauchen wir gar nicht bis nach Amerika zu gehen, dass wir hier ziemlich hohe Leistungen haben.

Frau Abgeordnete Thierbach, Sie müssen auch zwischen den verschiedenen Gruppen der Sozialhilfeempfänger unterscheiden. Wie soll ich denn mit einem Regelsatz das Problem der Asylsuchenden, die Sozialhilfe beziehen, hier lösen? Das hat damit überhaupt nichts zu tun, das hat etwas mit dem Zuwanderungsproblem zu tun. Wenn Sie die Familien mit kleinen Kindern betrachten, dann hat das auch nichts mit dem Problem der Arbeitslosigkeit und der Höhe der Regelsätze zu tun, sondern dann hat es ausschließlich etwas damit zu tun, dass wir in unserer Gesellschaft zu wenig für diese Familien mit Kindern, insbesondere für die Kinder selbst, tun. Deswegen wollen wir auch in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags ein Familiengeld einführen und damit diese Problematik des Hereinreichens der Eltern mit Kindern in die Sozialhilfe lösen.

Herr Abgeordneter Dr. Müller, ich möchte zu Ihrem Beitrag noch eines sagen. Ich bedauere es feststellen zu müssen, dass die Arbeitslosen, die wir ja jetzt haben, nicht so lange warten können, bis verwaltungsmäßig alle Probleme zwischen den verschiedenen Behörden gelöst werden.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen brauchen wir jetzt und unmittelbar eine Lösung und dafür haben wir eine Bundesregierung und einen Bundestag gewählt, damit er an diese Lösung herangeht. Das kann doch nicht daran scheitern, dass manche Dinge verwaltungsmäßig schwierig zu lösen sind. Ich wehre mich dagegen. Das ist hier das Problem, wir haben jetzt und heute 4,3 Mio. Arbeitslose in Deutschland, wenn die Zahlen

stimmen. Denn wenn bei der Vermittlung die Zahlen nicht stimmen, dann können sie eventuell auch bei der Zahl der Arbeitslosen nicht stimmen, dann kann es nämlich sein, dass die Zahl der Arbeitslosen möglicherweise noch höher ist. Aber ich will das gar nicht vermuten. Ich sage nur, wir müssen unmittelbar greifende Lösungen haben und die müssen angegangen werden. Dazu wird dann auch eine andere Mehrheit im Deutschen Bundestag die Lösung auf den Tisch legen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Dr. Müller?

Herr Staatssekretär, geben Sie mir Recht, ich habe zur Frage Zusammenlegung "Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe" gesprochen, dass dies eine Umfinanzierung des Systems bedeutet, die durch den Bundesrat zustimmungspflichtig ist und die sogar verfassungsändernde Dinge nach sich ziehen kann?

Herr Abgeordneter Dr. Müller, das Letztere kann ich Ihnen nicht bestätigen. Ich sehe dort überhaupt nicht eine verfassungsmäßige Relevanz, sondern ich sehe nur hier das Problem, dass wir natürlich eine gesetzliche Lösung brauchen und dass die, Gott sei Dank, die Zustimmung des Bundesrats erfordert.

Frau Abgeordnete Thierbach, eine Anfrage oder eine weitere Redemeldung? Bitte schön.

Ich möchte noch einmal wiederholen

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Jetzt kommt wohl alles noch mal?)

ich weiß, Sie erwarten, dass jetzt alles noch mal kommt, es kommt nicht alles noch mal -, dass es uns um den Regelsatz geht, um die Bedarfsberechnung. Herr Staatssekretär, wenn Sie sagen, es gäbe viele, für die sich Arbeit nicht lohnt, weil sie schwarzarbeiten oder weil das Einkommen zu gering ist, dann frage ich Sie, da muss man doch nicht die Sozialhilfe verringern oder irgendwie verändern, da muss man etwas gegen Schwarzarbeit tun. Als Zweites muss man etwas für Einkommen tun, damit die Einkommen, für die man tagtäglich arbeiten geht, tatsächlich so sind, dass nicht - wie der Ist-Zustand in Thüringen im letzten Sozialbericht konstatierte - 17 Prozent im erwerbsfä

higen Alter befindlichen Sozialhilfeempfänger tagtäglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie bringen doch selber die Beispiele, dass nicht die Höhe der Regelsätze das Problem ist, sondern dass wir ein schlechtes Lohngefüge haben und dass deswegen Arbeit falsch und zu gering bezahlt wird; dass wir dadurch letztendlich auch Erscheinungen haben, die ursprünglich mit der Sozialhilfe gar nichts zu tun haben. Wir gehen davon aus, dass derjenige, der von Sozialhilfe leben muss, weil er kein anderes Einkommen hat, armutssicher leben muss, und da gibt es politisch unterschiedliche Auffassungen. Wir kennen diese Aussage des Ersten Sozialberichts, in dem die Landesregierung formuliert hat, dass Sozialhilfe bekämpfte Armut ist. Es gibt aber in Europa auch die Tatsache, dass der Regelsatz und das Niveau, wie das in Deutschland gehandhabt wird, einer europäischen Definition nicht standhalten würde, wo eindeutig gesagt wird, es muss jeder ein ganz anderes Existenzminimum zur Verfügung haben und dieses muss - Sie kennen diese Definition genauso gut wie ich - 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens der adäquaten Berufsgruppe sein. Hier gibt es politisch unterschiedliche Auffassungen, die muss man ausdiskutieren. Da darf man nicht mit politischen Verhältnissen sagen, so ist es und so bleibt es.

Noch ein Punkt zu den Familieneinkommen: Ich möchte mich mit Ihnen gegenwärtig überhaupt nicht streiten, ob die CDU-Position zum Familieneinkommen richtig, falsch oder irgendwie eine Lösung ist. Die CDU-Fraktion hat eine Große Anfrage zur Familienpolitik gestartet. Wir werden sehen, welche Antworten kommen. Aber eines rechtfertigt doch die Tatsache, dass Sie andere Vorstellungen von Familien haben, überhaupt nicht: Es rechtfertigt nicht, dass das Kindergeld, das eine Unterstützung für Familien sein soll, dann bei der Berechnung der Sozialhilfe berücksichtigt wird. Da wird doch Kindergeld entwertet, wenn der Begriff am Ende dazu führt, dass auf Kosten einer Erhöhung einer Geldleistung, die Kindern zur Verfügung gestellt werden soll, dann zur Begleichung bzw. zur Abschmelzung des Sozialhilfebezugs führt. Daran müssten Sie umgehend ein Interesse haben, dass dieses nicht, egal wie in Berlin die Wahlen ausgehen, geregelt wird. Wenn Sie dieses auch so sehen, dann kann man eben Übergangsverordnungen nicht verlängern.

(Beifall bei der PDS)

Für die Landesregierung, Herr Staatssekretär Maaßen, bitte schön.

Ich bitte Frau Präsidentin um Nachsicht, dass ich noch eine kurze Bemerkung nur zu dem letzten Beitrag machen möchte.

Frau Abgeordnete Thierbach, wenn wir etwas gegen die Schwarzarbeit tun wollen, dafür bin ich sehr,

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Ich auch.)

dann müssen wir diese Leute in Arbeit bringen, und das ist das Rezept.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Na, dann tun wir es doch... auch die Sozialhilfe- empfänger.)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor. Es ist beantragt worden von der PDS-Fraktion, die auch die Aussprache zum Bericht verlangt hat, den Antrag im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit fortzuberaten. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Danke schön, das ist eine Mehrheit. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Der Antrag zur Fortberatung ist abgelehnt.

Ich stelle damit fest, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, falls dem nicht widersprochen wird. Es wird nicht widersprochen, dann ist das so und ich schließe den Tagesordnungspunkt 12.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 13

Mögliche Auswirkungen fehlerhafter BSE-Tests auf den Verbraucherschutz Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/2201

Mir ist signalisiert worden, dass es trotzdem eine Begründung gibt. Frau Abgeordnete Dr. Klaus.

Meine Damen und Herren, da es hin und wieder bei diesem Thema Anlass gibt zu befürchten, dass Missverständnisse aufkommen, möchte ich hier erst einmal vorab sagen, dass es das Anliegen unserer Fraktion ist, Kenntnisse zu erlangen, wie es denn mit dem Verbraucherschutz in Thüringen bestellt ist, weil wir alle wissen, dass Handelsbeziehungen nicht an Landesgrenzen Halt machen. Nicht nur die Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses, ich denke, man kann für das ganze Parlament sprechen, sind froh, dass inzwischen - ein reichliches Jahr nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland - wieder bei den Verbrauchern das Vertrauen in Produkte gewachsen ist, die aus einheimischen Landen kommen, umso problematischer und Besorgnis erregender ist diese Frage. Ich denke, deswegen hat dieser Punkt heute auch verdient, dass die Landesregierung in einem Sofortbericht den Verbrauchern mitteilt, wie es denn in Thüringen bestellt ist und möglichst zahlreiche Fragen aufgreift, damit die Thüringer Produkte weiterhin einen guten Ruf genießen bzw. landwirtschaftliche Produkte generell. Es ist schon ein großes Problem, wenn man feststellen muss, dass Kontrollen, auf die die Bürger bauen, weil sie

selbst überhaupt nicht in der Lage sind, ersatzweise für den Staat zu handeln und sich selbst in gewisser Weise zu schützen, wieder ins Gerede kommen. Niemand von uns hat sich das gewünscht, dass das passiert. Leider hat es solche Vorfälle gegeben und, ich denke, deswegen ist es richtig, heute auch mit diesem Thema umzugehen. Vielen Dank.

Für die Landesregierung gibt Staatssekretär Maaßen den Bericht.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr gern, und ich sehe das auch so, wie Sie das eben ausgeführt haben, Frau Dr. Klaus. Die Brisanz des Themas - fehlerhafte BSE-Tests in Privatlabors und seine Bedeutung für die Verbraucher, die Erzeuger und die Fleisch verarbeitenden Betriebe - erfordert einen Sofortbericht der Thüringer Landesregierung, den ich hier abgeben werde.

Frau Präsidentin, wenn ich mich nicht verständlich machen sollte, dann machen Sie mich bitte darauf aufmerksam. Aber, ich glaube, jetzt kommt meine Stimme an.