Ich möchte gern den 16-Jährigen das Recht belassen, 16 Jahre alt zu sein. Meine Damen und Herren, wer das nicht tut, der fördert nicht die Demokratie, sondern der verlangt Leuten in einem Alter eine Verantwortung ab, wo sie gut daran tun, sich auf diese Verantwortung vorzubereiten. Ich glaube, wir liegen mit den 18 Jahren in Deutschland insgesamt sehr richtig.
Unsere Landesverfassung ist dabei, sich zu bewähren, genauso wie das Grundgesetz in 50 Jahren sich bewährt hat und ja nicht zuletzt ein Magnet gewesen ist im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Überall in der Welt partizipiert man von unserer Verfassung und vor allem vom Grundgesetz. Das Grundgesetz hat einen Siegeszug durch die Welt angetreten. Vieles wird ganz oder in Teilen anderswo übernommen. Auch die plebiszitären Elemente in der Landesverfassung regen offensichtlich dazu an, von ihnen Gebrauch zu machen, meine Damen und
Herren, auch wenn die Erfahrung zeigt, dass man auch mit diesem Instrument Erfahrungen sammeln muss. Ich stelle mir beispielweise die Frage: Ist es tatsächlich richtig, dass wir die Unterschriftensammler auf die Straßen und Plätze schicken, oder wäre es nicht besser, wenn wir ihnen die Amtsräume hierfür öffneten?
Ich stelle mir beispielsweise die Frage, ob es tatsächlich richtig ist, der Landesregierung aufzutragen, die Verfassungsmäßigkeit von Begehren zu überprüfen, oder ob es nicht vielleicht richtiger wäre, bevor wir hier debattieren, den Verfassungsgerichtshof um ein Votum zu bitten; Dinge, die man aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre durchaus zur Diskussion stellen darf. Wenn man von mehr Demokratie spricht, dann geht es darum, dass die Bürger nicht dazu verleitet werden, Minderheiten in den einzelnen Regionen des Landes zu Mehrheiten zu erklären, sondern dann geht es darum, die Mehrheit im ganzen Land zu achten. Ich habe den Eindruck,
dass einige Sprecher, sei es, weil sie es nicht wollen, oder sei es, weil sie es nicht getan haben, die Texte nicht völlig gelesen haben.
Meine Damen und Herren, mit 5 Prozent der Bevölkerung kann ein einfaches Gesetz beschlossen werden. Ich will das nicht ausmalen. Aber das heißt ganz schlicht, die Einwohner von Erfurt können beschließen, dass Weimar keine Theaterzuschüsse mehr bekommt. Meine Damen und Herren, das heißt ganz einfach, Nordhausen kann beschließen, dass die Wartburg geschlossen wird und keine finanzielle Unterstützung mehr bekommt.
Das ist mit 5 Prozent bei der Einwohnerschaft in einer Stadt von fast 200.000 leicht möglich und das ist, wenn man auch die finanziellen Fragen dem Volksbegehren anheim gibt, selbstverständlich leicht möglich. Ich weiß natürlich, dass jetzt hohe Erregung ausbricht, dieser Fall wird doch nicht vorkommen. Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, wenn man 5 Prozent das Recht einräumt, Gesetze für das ganze Land zu verabschieden, dann majorisiert eine Minderheit die Mehrheit und das können wir nicht zulassen.
Man muss alles zu Ende denken und man muss sich immer wieder fragen, ob eine derartig ausgeformte und derartig veränderte Gesetzgebung tatsächlich zu verantworten ist. Natürlich bleibt die Verbesserung und natürlich bleibt die Sorge, wie können wir mehr Mitbeteiligung und mehr politisches Engagement erreichen, auf der Tagesordnung. Aber für die Landesregierung von Thüringen hat
die Debatte über diese Frage nicht mit der Einbringung des Volksbegehrens begonnen und sie wird auch mit dem Richterspruch von Weimar nicht enden, meine Damen und Herren. Im Übrigen, nicht wir, das Verfassungsgericht entscheidet darüber, wie es mit dem Gesetzentwurf jetzt weitergeht. Es entscheidet zunächst, ob er verfassungsgemäß ist oder nicht. Ist er nicht verfassungsgemäß, ist die Debatte über diesen Entwurf zu Ende. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Ist er verfassungsgemäß, dann gibt es zwei Möglichkeiten, der Landtag kann ihn annehmen oder der Landtag kann ihn nicht annehmen. Im letzteren Fall müsste ein Volksentscheid angesetzt werden. Nimmt der Landtag die Vorlage in veränderter Form an, meine Damen und Herren, dann bitte ich sehr, dass man sich des § 19 des von mir vorhin zitierten dafür zuständigen Gesetzes erinnert. Ich wiederhole und zitiere: "Nimmt der Landtag innerhalb der Frist des § 18 den im Wege des Volksbegehrens unterbreiteten Gesetzentwurf nicht an, so hat die Landesregierung innerhalb von weiteren sechs Monaten einen Volksentscheid herbeizuführen; in diesem Fall kann der Landtag dem Volk zusätzlich einen eigenen Gesetzentwurf zur Entscheidung vorlegen." Absatz 2: "Nimmt der Landtag den begehrten Gesetzentwurf in veränderter Form an, die jedoch dem Grundanliegen des Volksbegehrens entspricht, so kann er auf entsprechenden Antrag einer der Vertrauenspersonen die Erledigung des Volksbegehrens feststellen. Die Einleitung eines Volksentscheides unterbleibt." Ich wollte das deutlich machen, weil vorhin in zwei oder drei Reden Vorstellungen entwickelt worden sind, die mich den Verdacht schöpfen lassen, dass man sich nicht ganz kundig gemacht hat in den Gesetzen. Wir werden - die vom Innenminister gerade vorgetragenen Sachargumente zwingen dazu - das Verfassungsgericht in Weimar anrufen. Wir werden selbstverständlich, wie wir das auch in anderen Fällen tun, an der Arbeit des Ausschusses und des Parlaments hier aktiv mitarbeiten und wir werden die Debatte über die Frage, wie wir die Formen der demokratischen Beteiligung im Freistaat Thüringen weiter stärken und verbreitern können, so wie wir sie vor dem Volksbegehren geführt haben, auch nach Abschluss der Debatte über das Volksbegehren weiterführen, auch von Seiten der Regierung.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vorweg, natürlich ist das heute eine besondere Debatte und, ich glaube, bei besonderen Debatten ist es wichtig, dass man denen zuhört, die anderer Meinung sind. So habe ich das bei dem Innenminister, Herrn Köckert, getan und insbesondere auch bei dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Althaus, getan.
Ich hatte so bis zu zwei Dritteln der Rede des Herrn Althaus wirklich das Gefühl, dass es um Argumente geht in dieser heutigen Sitzung, aber dass Sie, Herr Althaus, dann der SPD fehlende Verfassungstreue vorwerfen, ist eine ungeheuerliche Diffamierung.
Das hat nichts mit Argumentieren zu tun, das hat etwas mit Diffamieren zu tun. Herr Vogel, wenn Sie die Texte lesen, vielleicht gehen Sie mal auf Ihren Juniorchef zu und führen mit ihm das eine oder andere Wort über das Thema "politischer Anstand".
Herr Ministerpräsident, was Ihre eingeforderte Antwort auf die Frage Verfassungsgerichtshof betrifft, so verhält es sich bei der SPD wie bei der Landesregierung, Ihr Justizminister hat außerordentlich großen Wert darauf gelegt, erst die zwei Gutachten zu bekommen und dann damit ins Kabinett zu gehen. Bekommen wir die zwei Gutachten wir haben sie immer noch nicht -, werden wir damit in die Fraktion gehen, genau wie Sie, und werden uns dann eine Meinung dazu bilden.
Meine Damen und Herren, ich habe in den letzten Tagen eine Reise in die Geschichte des Thüringer Landtags gemacht, wohlgemerkt in die neuere Geschichte seit 1990, ich habe die alten Redeprotokolle aus Eisenach, aus Weimar und selbstverständlich hier aus Erfurt herausgeholt und habe mir mal durchgelesen, was hier so gesagt worden ist zum Thema: "Das Volk und der Wille des Volkes". Kein Redner, egal wo er hier politisch sitzt in diesem Haus, ist zu irgendeinem Zeitpunkt zu solchen Anlässen ohne das Volk, ohne die Bevölkerung, ohne die Bürger ausgekommen, so zur Wiedergründungsveranstaltung in Weimar, so die Regierungserklärung aller Ministerpräsidenten, so auf der Wartburg anlässlich der Verabschiedung der Thüringer Landesverfassung. Jeder hat sich natürlich auf seine Art und Weise vor dem Volk verbeugt, dem Thüringer Volk gedankt, erklärt, es zu verstehen, erklärt, mit ihm zusammenarbeiten zu wollen und natürlich auch immer wieder gern gesagt, auf den Rat des Volkes zu hören.
Vielleicht zwei Beispiele dazu. Der erste Ministerpräsident Josef Duchac in seiner Erklärung nach der ersten Regierungsbildung hier im Thüringer Landtag, ich zitiere: "Sie", er meint damit die Minister, "verstehen sich als Diener am Volk und wollen diese Aufgabe mit einem geschärften Gewissen beginnen. Das Volk von Thüringen ist der Souverän." Und als zweites Beispiel der Ministerprä
sident Herr Bernhard Vogel in seiner ersten Regierungserklärung vom Februar 1992: "Ich bitte jeden hier in diesem Haus und ich bitte die Bürgerinnen und Bürger im Land mitzuhelfen und uns mit Rat und Tat zu unterstützen."
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Na, da hat er doch Recht. Wo er Recht hat, hat er Recht! Was gibt es dagegen zu sagen?)
Nicht alle Thüringer, aber immerhin 363.123 gaben dem Ministerpräsidenten und dieser Landesregierung und dem Thüringer Landtag einen Rat, nämlich den: Behandelt uns wirklich als den Souverän, bezieht uns öfter mit ein, gebt uns etwas mehr Demokratie, beteiligt uns! Und schon war das bei der Thüringer CDU alles nicht mehr so gemeint, wie es ursprünglich gesagt war. Sie scheint insgesamt so überrascht gewesen zu sein zu einer wirklichen Bürgermeinung, dass es die ersten Monate so ziemlich drunter und drüber ging. Ich will das einmal belegen: Am 06.12.2000 verkündete dpa - ich zitiere: "Althaus zieht Alternativgesetz einer Verfassungsklage vor." Am 20.03. formuliert Althaus dann folgendermaßen - ich zitiere: "Wir glauben, dass die parlamentarische Demokratie ganz entschieden infrage gestellt wird." Und weiter Zitat: "Es ist noch nicht entschieden, ob wir einen Alternativvorschlag machen." Heute wissen alle Beteiligten im Saal: Althaus zieht eine Verfassungsklage einem Alternativgesetz vor.
Ähnlich geradlinig benimmt sich in gleicher Sache der Thüringer Justizminister. Sagte er noch am 22.06.2000, die Thüringer Verfassung hat sich bewährt, die Quoren für Volksentscheide müssen hoch sein, so vermeldete der gleiche Herr Birkmann am 11.02. - Zitat: "Ich kann mir schon vorstellen, dass man Quoren herabsetzen kann. Die 14 Prozent für ein Volksbegehren sind kein Heiligtum." Richtig, Herr Justizminister, aber getan haben Sie seitdem nichts dafür.
Ganz anders mit dieser Problematik geht die Thüringer Landtagspräsidentin um. Für sie ist dieses Ergebnis ein überzeugender Beleg dafür, dass ein beachtlicher Teil der Bürgerinnen und Bürger direkte demokratische Verfahren stärker nutzen und selber politische Fragen auf die Tagesordnung setzen will.
Frau Lieberknecht bemerkt weiter: Die Abgeordneten des Landtags sind jetzt gefordert, eine Antwort darauf zu fin
den. Eine Antwort hat der Fraktionsvorsitzende der Thüringer CDU schon am 31. März - ich zitiere aus einer ADN-Meldung: "Der Fraktionsvorsitzende der CDU lehnt Gespräche mit der Bürgerinitiative über Kompromissvorschläge zum Gesetzentwurf kategorisch ab."
Meine Damen und Herren, und wie immer, an den Irrungen und Wirrungen in der CDU kommt dann der Ministerpräsident auch nicht vorbei. So vermeldet dpa am 21.12., dass Vogel nicht ausschließt, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, um eine fachkundige Aussage einzuholen. Dass er die Aussage nicht bekommt, hätte ihm natürlich jeder von vornherein sagen können. Es ist nämlich nicht die Aufgabe des Landesverfassungsgerichtshofs, Gutachten für die Landesregierung zu erstellen, auch nicht, wenn es darum geht, ein Bürgerbegehren zu verhindern.
Nur am Rande will ich kurz auf das eingehen, was dann auch außerhalb Thüringens passiert. Herr Fraktionsvorsitzender Althaus, Sie haben in Ihrer unnachahmlichen Art treffend berichtet aus NRW und aus dem Saarland, aber Sie haben natürlich auch in Ihrer üblichen Art nicht alles berichtet. Diese Ausgangslage haben Sie natürlich richtig beschrieben. Aber warum haben Sie denn die Zielvorstellungen Ihrer Parteifreunde hier verschwiegen? Eventuell, weil sie identisch mit denen sind,
die die Bürgerinitiative hier in Thüringen vorträgt? Aber zumindest in großen Teilen und das wissen Sie und deshalb haben Sie diese Zielvorstellungen nicht mitgetragen.
- Laurenz, na ja, mein Gott -, Ihr Laurenz hat sich längst dazu geäußert, als er nämlich noch nicht Generalsekretär war, sondern noch Landtagsabgeordneter in NRW, da hat er die Initiative von Rüttgers natürlich bis in die Tiefe unterstützt und mitgetragen. Also, auch dort ist kein Schweigen, dort ist ein Stückchen anderes Verhalten als hier in Thüringen.
Meine Damen und Herren, nach diesen Irrungen und Wirrungen haben Sie nun heute im Thüringer Landtag endlich und konsequent Nein gesagt. Sie haben zu den Zielen dieser Bürgerinitiative Nein gesagt. Und ich sage ausdrücklich, es gehört in einer Demokratie dazu, dass man zu einem Gesetzentwurf Ja oder Nein sagt. Man muss nicht die Argumente des politisch anders Denkenden bis in die Tiefe nachvollziehen können, aber man muss dieses Ja und dieses Nein akzeptieren. Was wir aber nicht
akzeptieren werden, Herr Althaus: Warum nehmen Sie Ihre Argumente nicht alle unter den Arm und gehen auf die Bürgerinitiative zu und man redet einmal miteinander?