Protocol of the Session on April 6, 2001

(Beifall bei der CDU)

Um das Wort hat jetzt der Ministerpräsident Dr. Vogel gebeten.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Hahnemann hat vorhin in seiner kurzen Bemerkung den Eindruck erweckt und den Vorwurf anklingen lassen, die Landesregierung habe sich bisher nicht genügend mit diesem Volksbegehren beschäftigt.

Meine Damen und Herren, es ist genau festgelegt, wer Partner des Volksbegehrens ist bis zu dem Tag, wo die Frau Landtagspräsidentin das Zustandekommen verkündet, und es ist genau festgelegt, was die Landesregierung dann zu tun hat. Sie wissen das, es steht ausdrücklich in Artikel 82 der Verfassung. Es wäre ein unangemessener Eingriff, Herr Hahnemann, in die vom Souverän festgelegte Zuständigkeit des Landtags gewesen, wenn wir anders verfahren hätten.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Buse, Sie haben viele Worte darauf verwendet, wie man mit dem Souverän umgehen solle. Ich stimme Ihnen zu, er verdient Respekt und er verdient Beachtung und deswegen hat der Herr Innenminister den Respekt der Landesregierung für diese 363.000 Unterschriften ausdrücklich ausgedrückt. Ich schließe mich dem natürlich an. Nur, Herr Buse, wir haben genauso viel Respekt zu haben vor den 592.000 Bürgern dieses Landes, die uns das Mandat gegeben haben, dieser Regierung und der Mehrheitsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

Es geht nicht, dass man das eine Mal Souveränität und Hochachtung vor dem Souverän einfordert und das andere Mal mit ihm Schindluder treibt.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen bin ich ein bisschen verwundert über die öffentliche Diskussion mitunter und heute früh besonders deutlich: Das Verfassungsgericht anzurufen, ist kein unanständiges Sichwegdrücken, meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das stimmt.)

sondern das ist das Einbeziehen einer der wesentlichsten Säulen des demokratischen Rechtsstaats in der Bundesrepublik Deutschland und im Freistaat Thüringen.

(Beifall bei der CDU)

Es wird ja gerade so getan, als täten das anständige Leute nicht, das Verfassungsgericht zu fragen. Meine Damen und Herren, es wird zwar vollmundig über den Eid auf die Verfassung geredet, aber von dem Gesetz über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid haben zwei der drei Vorredner kein Wort gesagt.

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Genau!)

Herr Buse hat den Artikel 45 der Landesverfassung zitiert, aber nur einen Satz, weil zwar der erste Satz Ihre These stützt, aber der zweite Satz Ihre These umwirft. Ich bitte, dass wir doch so miteinander sprechen, dass wir zur Sache reden.

(Beifall bei der CDU)

Ich vermisse - ich will ausdrücklich sagen, ich werde die Texte noch einmal lesen, aber beim Hören -, ich habe weder bei Herrn Buse noch bei Herrn Schemmel einen einzigen Satz zu der Frage gehört, die in der ersten Lesung hier zu klären ist, ob diese Initiative mit der Verfassung übereinstimmt oder nicht. Nicht ein einziges Wort ist von Ihnen beiden dazu gesagt worden. Sie haben vie

le Leute gerühmt, Sie haben über die Weimarer Verfassung geredet, Sie haben andere angegriffen, aber zu der Frage, ob die Gesetzesvorlage mit der Verfassung vereinbar ist oder nicht, ob wir mit Recht zum Verfassungsgerichtshof gehen oder nicht, darum haben sich die beiden Redner völlig gedrückt.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben nicht einmal den Mut gehabt zu sagen, die Landesregierung muss gehen. Das verstehe ich. Aber Sie haben ja nicht einmal den Mut gehabt, der Landesregierung zu widersprechen, meine Herren, und das geht doch wohl in dieser Auseinandersetzung nicht.

(Beifall bei der CDU)

Und dann hat irgendjemand gehört, dass er jemanden kenne, der gehört haben will, dass Herr Meyer, der Generalsekretär der CDU, irgendein Wort zu Thüringen gesagt habe. Und weil jemand das gehört hat, dass er jemanden kennt, der etwas gesagt habe, wird das hier zitiert. Meine Damen und Herren, Herr Meyer hat sich mit keinem Satz zu unserer Situation geäußert. Wir haben gemeinsam im Präsidium den Antwortbrief an die SPD beschlossen und der ist völlig in Ordnung. Ich will sagen, das Papier des SPD-Präsidiums, verfasst von Frau Däubler-Gmelin, ist ein interessantes Diskussionspapier, nur in diesem Papier steht an drei entscheidenden Stellen drin, die Landesregierung muss zum Verfassungsgerichtshof gehen, denn das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, was wir hier vorhaben.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin mit Frau Däubler-Gmelin wahrlich nicht immer einer Meinung, aber sie ist eine der besten Juristen, die die deutsche Sozialdemokratie gegenwärtig hat. Es ist eine ganz klare Absage, dass man durch Volksentscheide

(Unruhe bei der PDS, SPD)

nicht finanzwirksame Gesetze beschließen kann - ganz eindeutig und klar.

Herr Schemmel, über Weimar gibt es viel Literatur und Sie sollten sich mal intensiv damit beschäftigen, das ist hochinteressant, ich meine die Weimarer Republik. Nur ich hätte gern gehört, ob die beiden Fraktionen der Überzeugung sind, dass der Text des Gesetzes, der hier zur Beratung steht, mit der Verfassung in Einklang steht und dass wir zu Unrecht nach Weimar gehen oder dass wir zu Recht nach Weimar gehen.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das ist doch der Sinn der Beratung.)

Das jedenfalls müsste zumindest in der Beratung, wenn hier nicht nur eine allgemeine Debatte und Aufgeregt

heit dargelegt werden soll, sondern wenn wir zur Sache kommen, bitte noch nachgeholt werden.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Wenn Sie uns die Gutachten zuleiten.)

Das können Sie mit und ohne Gutachten. Lesen können Sie sogar ohne Gutachten. Ich kann Ihnen vielleicht ein Vergrößerungsglas leihen, aber die Fragen, die wir gestellt haben, die Fragen, die Herr Innenminister behandelt hat, waren doch ganz eindeutig.

(Unruhe im Hause)

Ich bitte auch hier, die Gespräche einzustellen und Herrn Ministerpräsident fortfahren zu lassen.

Gnädige Frau, es ist aber schon ruhiger geworden.

Meine Damen und Herren, mehr Demokratie hört sich sehr gut an. Nur geht es hier nicht um mehr Demokratie, sondern - Herr Althaus hat das gerade sehr richtig gesagt - es geht um andere Formen von Demokratie. Es wird doch niemand ernsthaft die Behauptung wagen, die Vereinigten Staaten seien demokratischer wie Großbritannien oder die Schweiz sei demokratischer wie Frankreich.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dewes, SPD: Als.)

In Süddeutschland darf man auch "wie" sagen, Herr Dewes, und davon mache ich Gebrauch - wie - nach dem Komparativ.

(Zwischenruf Abg. Dr. Koch, PDS: Wir sind aber hier in der Mitte Deutschlands.)

(Heiterkeit bei der CDU)

Sehen Sie, wenigstens da folgen Sie der Landesregierung, ich bedanke mich für diesen Zwischenruf.

(Beifall bei der CDU)

Es geht um andere Formen von Demokratie und doch nicht um mehr Demokratie. Es geht um mehr Engagement, um mehr Partizipation, um mehr Beteiligung und ich stelle die Frage, wer in Deutschland oder speziell in Thüringen das nicht wollte. Unsere Demokratie braucht Leute, die mitmachen, die sich engagieren, die vorausdenken, die neue Vorschläge machen, die initiativ werden. Der Beitrag des Volksbegehrens, eines Volksbegehrens - ganz gleich welches - kann zwar punktuell zu mehr Engagement führen, das ist wahr, aber ob er den mündi

gen Staatsbürger dauerhaft und auf Grundsätzliches hin stärkt, das wage ich in Frage zu stellen. Wir engagieren uns jedenfalls seit Jahren dafür, die Möglichkeiten zu Engagement und Einflussnahme der Bürger zu vergrößern. Ich lege Wert darauf, dass ich schon vor Jahr und Tag, nach den letzten Landtagswahlen beispielsweise, den Vorschlag gemacht habe, das Landtagswahlrecht weiterzuentwickeln, die Möglichkeit des Panaschierens zu schaffen und jedem Bürger noch mehr Mitwirkung an der Auswahl des Personals der Landtagsabgeordneten zu geben.

Und, meine Damen und Herren, ich lege Wert darauf, dass beispielsweise das Kommunalwahlrecht natürlich noch mehr Möglichkeiten zur Differenzierung bietet und dass sich übrigens die Einführung von Panaschieren und Kumulieren beim Kommunalwahlrecht großartig bewährt hat und andere jetzt dazu übergehen und es uns nachmachen. Die Hessen haben es jetzt beschlossen, Jahre nach uns. 5Prozent-Klausel, Sie wissen, vor dem Verfassungsgericht ist diesbezüglich ein Verfahren anhängig, lassen Sie in dieser Frage den Verfassungsgerichtshof entscheiden. Auch hier, es spielt in wenigen Fällen eine Rolle, meine Damen und Herren, weil sie in der Regel für ein Mandat nach der Einwohnerschaft mehr als 5 Prozent brauchen, wird sehr viel Wind gemacht um sehr wenig Inhalt. Außerdem, meine Damen und Herren, wer für die Abschaffung der 5-Prozent-Klausel ist, öffnet auch radikalen Gruppen den Zugang zum Rathaus. Das muss man bitte mit bedenken

(Beifall bei der CDU)

im Vorgriff auf die Debatte zu einem anderen Tagesordnungspunkt, der noch abgehandelt werden wird. Und um auch das klar zu sagen, für ein Wahlrecht für 16-Jährige bin ich nicht.

(Beifall bei der CDU)