Protocol of the Session on April 6, 2001

(Beifall bei der CDU)

Wir repräsentieren alle Thüringerinnen und Thüringer, ob sie gewählt haben oder nicht, und das ist unsere Pflicht.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Dann tun Sie es auch.)

Ihre abenteuerliche Rechnung, dass 51 Prozent nicht die absolute Mehrheit wären sondern nur - ich kann die Zahl nicht mehr wiederholen, "36" haben Sie, glaube ich, gesagt,

(Zwischenrufe aus der SPD-Fraktion: Nein, nein.)

aber 31 Prozent, ist eben verfassungswidrig. In unserer Thüringer Verfassung steht in Artikel 53 - und das sollten Sie kennen: "Die Abgeordneten" - alle Abgeordneten in diesem Raum - "sind die Vertreter aller Bürger des Landes." Das Gleiche steht im Grundgesetz in

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Kummer, PDS)

Artikel 38: "Sie" - die Abgeordneten - "sind Vertreter des ganzen Volkes...", nicht derer, die sie gewählt haben, nicht derer, die die CDU gewählt haben, die PDS gewählt haben, die SPD gewählt haben, sondern des ganzen Volkes und deswegen müssen wir uns auch für die Belange des ganzen Volkes und auch die Zukunft des ganzen Volkes einsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte dieses Jonglieren mit Zahlen, wie Sie es anstellen auch im Blick auf Wahlbeteiligung, für einen gefährlichen Versuch, auch unsere Stellung als Parlament zu delegitimieren.

(Beifall bei der CDU)

Dann wird sehr häufig - heute nicht, aber in der Debatte, im Land ist das häufig auch als Element, als Beispiel vermittelt worden - die Schweiz als Vorbild eingebracht.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Noch nie davon gehört.)

Herr Schemmel, mag sein, dass Sie Veranstaltungen besucht haben, wo das niemand getan hat, ich habe mehrfach dieses Modell vorgestellt bekommen - ein Modell, das sehr stark auch auf direkt demokratische Elemente zurückgreift.

Erst einmal, die Schweiz hat eine andere grundgesetzliche Grundkonstitution. Das kann man nicht einfach vergleichen. Zweitens, Herr Schemmel, Sie sollten sich einmal die Wirkungen nach Jahrzehnten der Erfahrung aufmerksam anschauen. Die Häufung von Abstimmungen in der Schweiz hat eben nicht dazu geführt, dass die Beteiligung zunimmt, sondern hat zu erheblicher Wahlmüdigkeit geführt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dewes, SPD: Ein schönes Beispiel.)

In der Schweiz nehmen zurzeit um die 40 Prozent der Menschen noch an Volksbefragungen teil und bei den nationalen Parlamentswahlen 1995 und 1999 haben ebenfalls um die 40 Prozent, genau 42,2 und 43,4 Prozent, an den Wahlen teilgenommen. Also gar kein Beweis dafür, dass mehr direkt demokratische Elemente im Gegenzug automatisch eine höhere Partizipation der Menschen an Wahlen und Mitbestimmung zur Folge haben. In Deutschland liegt die Wahlbeteiligung, wenn wir auch darüber immer noch mit Recht sinnieren und versuchen das auch zu diskutieren, über 20 Prozent und 30 Prozent darüber, die Bundestagswahlen 1994 mit 79 Prozent und 1998 sogar mit 82,2 Prozent und auch die Thüringer Landtags

wahlen haben hier deutlich andere Ergebnisse. Das zeigt ganz deutlich, dass stark ausgebaute plebiszitäre Elemente im politischen System nicht automatisch auch das Bürgerengagement stärken, und das zeigt nach meiner Auffassung auch, dass wir in Thüringen von 1990 bis 1994 ein ausgewogenes Modell in die Tat umgesetzt haben ein ausgewogenes Modell aus parlamentarisch repräsentativer Demokratie und der Beteiligung durch direkt demokratische Elemente, denn Bürgerbeteiligung, und das macht die Schweiz deutlich, ist eben nicht vor allen Dingen eine Frage des Quorums. Viel wichtiger ist es doch, dass die ganze Palette der Möglichkeiten, Bürger in und an Politik zu beteiligen, betrachtet wird. Da sind die Wahlgesetze und deren Ausgestaltung, da ist die Weiterentwicklung vielfältiger ehrenamtlicher Strukturen, die Verstärkung der Kommunikation politischer Parteien und vieles mehr. Hier liegen die Stärkungspotenziale für eine lebendige Demokratie und nicht in der Form einer Systemveränderung, die erstens grundgesetzlich ausgeschlossen ist und zweitens von vornherein nicht verbirgt, dass damit positive Veränderungen erfolgen. Das ist für uns als Fraktion entscheidend, natürlich auch die rechtliche Frage, aber entscheidend ist für uns, dass wir meinen, dass nach elf Jahren in Thüringen sich Demokratie erfolgreich entwickelt und bewährt hat und dass wir auf diesem Weg fortsetzen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb sprechen wir nicht gegen die Initiatoren und die Menschen, die unterschrieben haben, sondern gegen den Inhalt, der vorgelegt worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Wir unterscheiden eben zwischen Überschrift und Inhalt. Mehr Demokratie wollen wir alle wagen, indem wir das bürgerschaftliche Engagement der Menschen stärken. Aber wir wollen nicht eine größere Handlungsfähigkeit für direkt demokratische Elemente, die dann die parlamentarische Demokratie handlungsunfähig macht. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Im Vortrag des Herrn Schemmel ist die Haltung der Landesregierung noch einmal kritisch angesprochen worden. Sie haben auch da nicht vollständig den Eid zitiert: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Verfassung und Gesetze wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das war ich nicht.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, PDS: Das war Herr Buse.)

Herr Buse, Entschuldigung. Wer Verfassung und Gesetze wahren und schützen will und muss, einen Eid darüber geleistet hat, der muss bei dem Inhalt dieses Volksbegehrens den Verfassungsgerichtshof anrufen, weil die Stabilität der parlamentarischen Demokratie mit diesem konkreten Inhalt in Gefahr steht.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion hat die Einrichtung eines Verfassungsausschusses beantragt. Oder die PDS-Fraktion?

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Beide.)

Also die große Koalition der Opposition hat den Verfassungsausschuss beantragt.

(Unruhe bei der PDS, SPD)

Ja, wenn Sie so darauf Wert legen, dass die drei Buchstaben immer wieder gemischt werden. Ich denke, auch das ist für die CDU-Fraktion ganz klar, die Thüringer Verfassung ist erarbeitet in einem Verfassungsausschuss. Sie ist mit über 70 Prozent von den Menschen angenommen worden. Damit hat dieser Verfassungsausschuss seine Arbeit sehr erfolgreich in der 1. Legislaturperiode gestaltet. Es gibt überhaupt keinen Grund, die jetzt vorgelegte Änderung in einem neuen Verfassungsausschuss zu beraten, sondern, ich denke, der zuständige Justizausschuss kann diese Änderung kompetent beraten.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Die absolute Mehrheit ist dort zur Zweidrittel- mehrheit geworden.)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Kollege Schemmel, mäßige dich.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns dazu beitragen, dass das bürgerschaftliche Engagement in Thüringen weiter gefördert wird, vor allen Dingen durch Verbesserung - und das ist auch eine Aufforderung an uns selbst, an mich und die CDU - der politischen Dialogfähigkeit, aber auch der Vervollkommnung

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Da hätten Sie heute die Chance dazu gehabt.)

also so ganz schlecht scheinen wir nicht zu sein, weil uns immerhin über 51 Prozent Zustimmung hier zur gestaltenden Kraft gemacht hat

(Beifall bei der CDU)

und Weiterentwicklung der Strukturen und ganz entscheidend auch der politischen Bildung. Ich denke, in Thüringen ist die Demokratie erfolgreich aufgebaut. Ich stelle das auch für die gesamte CDU-Fraktion fest. Ich würde gerne für uns sagen, wir wollen diesen Weg weitergehen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Althaus, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Abgeordneten Schemmel?

Herr Althaus, finden Sie es richtig, die Überweisung an den Justizausschuss zu beantragen, einem Ausschuss, in dem gerade Ihre absolute Mehrheit im Landtag fälschlicherweise durch eine Zweidrittelmehrheit abgebildet wird, da dort 6 Abgeordnete sind, 4 der CDU und nur 2 der Oppositionsparteien? Halten Sie eine Beratung in einem solchen Ausschuss, der so fälschlicherweise das Parlament abbildet, in dieser wichtigen Frage für richtig?

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS, SPD)

Erstens halte ich das für richtig und zweitens verwahre ich mich dagegen, unsere Geschäftsordnung als unrechtmäßig darzustellen.