Protocol of the Session on April 5, 2001

1. Wie ist die unentgeltliche bzw. kostenermäßigte Beförderung von Schwerbehinderten im ÖPNV in Thüringen geregelt?

2. Wie werden die Fahrgeldausfälle an die Unternehmen rückerstattet?

3. Wie ist dazu die Verfahrensweise mit der Deutschen Bahn AG?

4. Ist daran gedacht, zur Verbesserung des Angebots für Schwerbehinderte in Thüringen Verkehrsverbünde zu schaffen und dadurch eine Lösung für den Anschluss an benachbarte Verkehrsverbünde zu finden?

Herr Minister Dr. Pietzsch, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Die Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter ist bundeseinheitlich im Schwerbehindertengesetz geregelt. Die Tarifbestimmungen der einzelnen Straßen-Personen-Nahverkehrsunternehmen berücksichtigen diese gesetzlichen Forderungen. Zum freifahrtsberechtigten Personenkreis gehören Inhaber von Schwerbehindertenausweisen mit den entsprechenden Merkzeichen und Kriegsbeschädigte. Die Möglichkeit der Freifahrt stellt für diese schwer behinderten Menschen in der Bundesrepublik eine wichtige Voraussetzung dar, um eine bessere Teilhabe an allen Lebensbereichen, insbesondere aber auch am Berufsleben, zu sichern. Der Schwerbehindetenausweis und das Beiblatt mit gültiger Wertmarke sind natürlich bei jeder Fahrt zum Nachweis der Anspruchsberechtigung mitzuführen.

Zu Frage 2: Rechtsgrundlage für die Erstattung der Fahrgeldausfälle und das Erstattungsverfahren ist der 13. Abschnitt des Schwerbehindertengesetzes. Die Fahrgeldausfälle werden auf Antrag nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr erstattet. Erstattungsbehörde in Thüringen ist das Landesverwaltungsamt.

Zu Frage 3: Nach § 65 Schwerbehindertengesetz trägt der Bund die Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr - soweit Unternehmen, die sich überwiegend in der Hand des Bundes oder eines mehrheitlich dem Bund gehörenden Unternehmens befinden, erstattungsberechtigte Unternehmer sind. Der Bund trägt auch die Kosten der Begleitperson im Fernverkehr. Hier ist Erstattungsbehörde das Bundesverwaltungsamt.

Zu Frage 4, was die Verkehrsverbünde angeht: In Thüringen ist die Schaffung von Verkehrsverbünden nach meinem Erkenntnisstand bisher nicht vorgesehen. Ziel ist vielmehr, regionale Kooperationen zu fördern. Verantwortlich dafür sind allerdings in erster Linie die Beteiligten, also die Landkreise, die kreisfreien Städte und Transportunternehmer.

Gibt es Nachfragen? Nein, ich sehe keine Nachfragen. Dann können wir die nächste Frage behandeln, eine Frage der Frau Abgeordneten Dr. Klaubert in Drucksache 3/1445. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Kultur als Pflichtaufgabe der Kommunen

Nach Pressemitteilungen äußerte sich der Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin zu einer möglichen Grundgesetzänderung. Dabei soll eine gemeinsame Verpflichtung von Bund und Ländern für die Kulturförderung in Deutschland festgeschrieben werden. Er regt an zu prüfen, ob nicht in den Ländergesetzen die Kultur über die bisherigen Regelungen hinaus zur Pflichtaufgabe der Kommunen erhoben werden könnte.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung den Vorstoß zu einer möglichen Grundgesetzänderung hinsichtlich der Verpflichtung, die Kulturförderung neu zu ordnen?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Anregung, Kultur zur Pflichtaufgabe der Kommunen zu erheben?

3. Sieht die Landesregierung durch solche Überlegungen die Kulturhoheit der Länder eingeschränkt oder gefährdet, und wenn ja, an welchen Punkten ist dies festzumachen?

Bitte, Frau Ministerin Schipanski.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Namen der Landesregierung beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu 1: Die Landesregierung sieht hinsichtlich der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern keinen neuen Regelungsbedarf. Der Bund fördert bereits Einrichtungen von gesamtstaatlicher und nationaler Bedeutung, in Thüringen z.B. die Stiftung Weimarer Klassik und die Stiftung Buchenwald, mit. Auch

kann er zeitlich begrenzt bei Sonderaufgaben wie beim Ausbau und Erhalt der kulturellen Infrastruktur in den neuen Ländern mitwirken. Eine neue Regelung im Grundgesetz dürfte kaum zu einer verstärkten finanziellen Kulturförderung des Bundes oder gar zu einer Neuordnung der Kulturförderung führen.

Zu Frage 2: In Artikel 30 der Landesverfassung des Freistaats Thüringen sind Kultur, Kunst und Brauchtum, Geschichte und Denkmale unter den Schutz des Landes und der Gebietsköperschaften gestellt. Daraus wird deutlich, dass sich Thüringen bereits verfassungsrechtlich zu der Verpflichtung der Förderung seiner Kulturgüter bekennt. Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften haben ihre Gestaltungsmöglichkeiten im Kulturbereich erkannt und nehmen sie auch entsprechend wahr. Eine darüber hinausgehende Verankerung als Pflichtaufgabe stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken - Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes - Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden.

Zu Frage 3: Nach der allgemeinen Kompetenzverteilungsregel des Artikel 30 Grundgesetz ist als Grundsatz die Kompetenz der Länder auszumachen, sofern nicht spezielle Zuweisungen an den Bund eingreifen. Bislang gibt es keine speziellen Kompetenzen des Bundes auf dem Gebiet der Kultur - mit Ausnahme der Regelungskompetenz zum Schutz deutschen Kulturgutes gemäß Artikel 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Grundgesetz. Vor diesem Hintergrund sieht die Landesregierung keinen Handlungsbedarf.

Es gibt eine Nachfrage. Bitte, Frau Abgeordnete.

Ich muss eine Vorbemerkung dazu machen, und zwar bezieht sich meine Frage dann auf die Antwort zur Frage 2. Diese Regelung, Kultur zur Pflichtaufgabe der Kommunen zu machen, taucht ja immer mal in der Debatte auf, insbesondere wenn es darum geht: Wie sichert man den kulturellen Bestand innerhalb der Kommunen? Nun ist diese Diskussion wieder aufgetreten durch die Äußerung des Kulturstaatsministers. Wird denn in einem Gremium, in welchem Bund und Länder vertreten sind, über diese Frage mal verhandelt, also es nicht nur mitgeteilt, sondern mal wirklich verhandelt?

Es ist derzeit als offizieller Tagesordnungspunkt in keinem Gremium vorgesehen. Ein mögliches Gremium wäre ja die BLK. Aber ich habe das in einem persönlichen Gespräch mit Staatsminister Nida-Rümelin, das ich vor einigen Wochen in Berlin hatte, erörtert und ihm unseren Standpunkt dargelegt.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Danke schön, Frau Ministerin. Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/1450. Bitte, Frau Abgeordnete Thierbach.

4. Thüringer Landespflegeplan

Wie mir mitgeteilt wurde, ist im Entwurf zum 4. Thüringer Landespflegeplan zu lesen, dass in der Stadt Gera der frei finanzierte Ersatzneubau eines Seniorenheims geplant ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Werden die frei finanzierten Investitionskosten für den Bau eines Seniorenheims auf die Heimbewohner umgelegt?

2. Falls ja, in welcher Höhe ist die Umlegung dieser Kosten auf die Heimbewohner zulässig?

3. Haben Träger von frei finanzierten Pflegeeinrichtungen, die im Landespflegeplan aufgenommen worden sind, Anspruch auf zusätzliche finanzielle Unterstützungen seitens der Landesregierung?

Als Ergänzung möchte ich sagen: Dieselben Inhalte sind auch im jetzt verabschiedeten 4. Landespflegeplan identisch zu lesen.

Bitte, Herr Minister Dr. Pietzsch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Landesregierung beantworte ich die Fragen folgendermaßen:

Die Entscheidung darüber, ob die Investitionskosten umgelegt werden, ist zunächst Sache des Einrichtungsträgers. Sofern er für die Einrichtung Pauschalfördermittel in Anspruch nimmt, und ich füge hinzu: nehmen kann, denn es richtet sich ja nach dem Landespflegeplan, bedarf die gesonderte Berechnung der Zustimmung der ständigen Landesbehörde. Nimmt der Träger allerdings keinerlei Fördermittel in Anspruch, dass heißt, bei einem völlig frei finanzierten Bau, hat er die gesonderte Berechnung lediglich der zuständigen Landesbehörde mitzuteilen.

Zu Frage 2: Die gesonderte Berechnung der oben angeführten Kosten wäre in der Höhe zulässig, wie sie für den Betrieb einer Pflegeeinrichtung notwendig sind und eben nicht durch öffentliche Förderung vollständig gedeckt werden. Nicht durch öffentliche Förderung, das heißt beispielsweise durch Pauschalfördermittel; Voraussetzung ist Aufnahme in den Landespflegeplan.

Zu Frage 3 - haben Träger von frei finanzierten Pflegeeinrichtungen - und jetzt wieder der entscheidende Passus, den Sie ja drin haben in Ihrer Frage - die im Landespflegeplan aufgenommen worden sind: Ja, in Form der Pauschalförderung auf der Grundlage von § 10 Thüringer Ausführungsgesetz zum Pflegeversicherungsgesetz.

Gibt es eine Nachfrage? Nicht. Danke schön, Herr Minister. Sie sind so auf dem Sprung, Frau Abgeordnete Thierbach - wollen Sie einen Antrag stellen? Auch nicht. Ja, leider muss ich Sie enttäuschen, wir haben das Zeitkontingent der heutigen Fragestunde erschöpft, morgen ist aber noch mal die Möglichkeit in der Fragestunde.

Ich schließe also den Tagesordnungspunkt 17 und rufe den Tagesordnungspunkt 18 a auf

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: "Vorbereitung auf mögliche Auswirkungen der Maul- und Klauenseuche in Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/1414

und bitte als erste Rednerin Frau Abgeordnete Dr. Klaus an das Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nachdem wir heute früh schon über BSE gesprochen haben, ist die Maulund Klauenseuche an der Reihe. Ich freue mich, dass unser Parlament sich so ausführlich diesen wichtigen landwirtschaftlichen Fragen widmet. Es sind ja schließlich nicht nur landwirtschaftliche Fragen, sondern inzwischen von größtem Interesse auch innerhalb unserer Bevölkerung, das muss man sagen, so, wie das in den letzten Jahren nicht mehr gewesen ist. Zum Glück - das können wir konstatieren zum heutigen Tage und das ist keine Selbstverständlichkeit - haben wir keine Maul- und Klauenseuche in Thüringen, aber die Gefahr ist bei weitem noch nicht gebannt. Und das Positive zuerst: Es ist gut, dass man inzwischen auch das Wort "Impfen" in den Mund nehmen kann, ohne von den so genannten Impfabstinenzlern auf der Stelle beschimpft zu werden.

(Beifall bei der SPD)

Hier hat es schon, das muss man ganz klar sagen, Gott sei Dank, auch im Interesse unserer Tierbestände ein Umdenken in den letzten Wochen gegeben, sicherlich nicht ganz einfach, aber nichtsdestotrotz umso notwendiger. Allerdings, die Kurve, in die man hier eingeflogen ist, muss langsam tatsächlich in einen Bogen münden, wenn wir hier rechtzeitig die richtigen Dinge tun wollen. Zur Diskussion gehört, dass man hier auch ganz klar sagt, dass das Verhalten der EU an diesem Punkt vollkommen unakzeptabel ist.

(Beifall bei der SPD)

Wie will ich eine Tierseuche, über die im Gegensatz zu BSE alles bekannt ist, und das seit vielen Jahrzehnten, sinnvoll bekämpfen, wenn die EU nicht sagt, welche Rahmenbedingungen letztendlich hier bestehen, sei es für den Handel, sei es für weiter gehende Sanktionen. Das ist ein großes Problem. Aber, meine Damen und Herren, auch wir hier in Deutschland sind noch längst nicht am Ende der Diskussion angelangt. Da gehen in den vergangenen Wochen Bauern vor Gericht, um ihre Tiere impfen zu lassen. Gestern konnte man lesen, dass ein Münchner Stadtrat, Herr Fricke, sein einzelnes Schaf hat impfen lassen und irgendwo auf einer Alm versteckt, um das zu bewahren. Meine Damen und Herren, wo sind wir hier überhaupt hingekommen, frage ich mich, wenn Politik und Bauern sich über die Gerichte miteinander unterhalten. Das kann ja wohl nicht die Art der Seuchenbekämpfung hier in Deutschland sein.

(Beifall bei der CDU, SPD)