Protocol of the Session on January 25, 2001

Bad Salzungen sprechen, die keine weitere Schwächung ihrer Struktur, der Wirtschaft und der Beschäftigung vertragen kann.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Sie ist Kreisstadt geworden.)

Die Stadt Bad Salzungen war als reine Wohnstadt ohne nachhaltige eigene Infrastruktur auf Arbeitsplätze in der Region angewiesen. Ich habe das schon vom Kollegen Pohl gehört, Kali, Hartmetallwerk, Kaltwalzwerk - das war ein Verlust von mehr als 10.000 Arbeitsplätzen. Es wäre fatal, wenn die Anstrengungen der Stadt zum Ausgleich dieser Infrastrukturverluste, welche durch Millionen von Investitionen nach 1990 erkauft wurden, erneut einen derartigen Rückschlag hinnehmen müssten. Die im Falle eines gravierenden Abbaus folgenden und fehlenden Versorgungsleistungen der Bundeswehr sowie die fehlenden Investitionen wären kurz- oder mittelfristig nicht auszugleichen, schon gar nicht unter den eingeschränkten Finanzen der Gemeinden. Wir haben zurzeit in Bad Salzungen 1.750 Soldaten stationiert, dazu kommen 242 Zivilangestellte und 40 Azubis und Praktikanten. Am Standort Bad Salzungen wurden seit 1990 für Investitionen und Infrastruktur, man höre, 172 Mio. DM aufgewendet. Vielleicht darf ich Ihnen kurz den monatlichen Verbrauch von Verpflegung nennen, um Ihnen das mal zu veranschaulichen. Bei Backwaren sind das knapp 800.000 kg an Brot und Brötchen, 70.000 kg Fleisch- und Wurstwaren und 125.000 kg Obst und Gemüse, welches zu 90 Prozent aus der Region kommt. Die Betriebskosten der Kaserne belaufen sich jährlich auf 2,2 Mio. DM. Dazu kommen die Ausgaben im Bereich Pflege und Bekleidung und weitere Ausgaben von jährlich ca. 5 Mio. DM. Die zur Diskussion stehende 50-prozentige Reduzierung würde auch zu einem ohnehin schon erheblichen Verlust von Einwohnerzahlen beitragen und erneute Finanzlücken aufreißen. Die Stadt hat nachhaltig in ihrem Wirtschafts- und Strukturkonzept neben Kur und Gewerbe die Garnisionsstadt eingeplant, u.a. festgehalten und festgeschrieben im Status Mittelzentrum regionale Raumplanung. Auch die Südthüringer Region und insbesondere eine Kleinstadt von ehemals 22.000 Einwohnern, zurzeit noch 17.500, verträgt keinen Abzug in einer Größenordnung von 1.000 mit Dienstleistungen von Wohnungen bis Friseur zu versorgenden Menschen. Wir haben Bürger und Städte bis an die Schmerzgrenze der finanziellen Belastung gebracht, um Wirtschaftskraft, Arbeitsmarkt und Ausbildung für junge Leute zu sichern, wir dürfen es nicht zulassen, dass solche Entscheidungen dieses aufs Spiel setzen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Aus der Mitte des Hauses liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Bitte, Herr Minister Köckert.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im letzten Jahrzehnt erlebte die Bundeswehr einen fast permanenten Umbruch. Die wichtigsten Gründe für die Veränderungen sind bekannt. Ich erinnere an das Ende des kalten Krieges, wodurch sich die Gefahr eines konventionellen Angriffs verringert hat. Insgesamt gewachsen ist seit 1990 die Mitverantwortung Deutschlands bei der internationalen Konfliktverhütung und -bekämpfung. Ich nenne als Stichwort nur den Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Gerade vor dem Hintergrund all dessen war es natürlich erforderlich, die Strukturen der Bundeswehr zu ändern. Wenig andere Institutionen unserer Gesellschaft mussten zuletzt derart grundlegende Umwälzungen bewältigen. Heute ist die Armee des wiedervereinigten, des größer gewordenen Deutschlands kleiner als die alte Bundeswehr. Und die Landesregierung und die große Mehrheit der Thüringer haben mit großem Respekt verfolgt, wie Soldaten und zivile Mitarbeiter den notwendigen Umbruch und die damit verbundenen Belastungen gemeistert haben.

Die Verkleinerung und die Belastbarkeit der Bundeswehr hat aber ihre Grenzen, meine Damen und Herren. Gerade nach den vielen Veränderungen der Vergangenheit ist es legitim und geboten, zu fragen, ob ein weiterer Abbau der Bundeswehr noch verantwortbar und mit den bisher konsenten Rahmendaten, wie z.B. einer allgemeinen Wehrpflicht, dauerhaft in Übereinstimmung gehalten werden kann. Es ist auch nicht zuletzt aufgrund der vielen Veränderungen und Belastungen innerhalb der letzten Jahre verständlich, wenn viele Soldaten und zivile Angestellte auf ein Minimum an Sicherheit für ihre eigene Lebensplanung pochen.

Der Bundesverteidigungsminister hat nun eine weitere Etappe einer Reform in Angriff genommen, die durch den Beschluss zur weiteren Verkleinerung der Bundeswehr die Frage der Anzahl und der Größe von Standorten in das Zentrum der Überlegungen gestellt hat. Dabei hat er selbst folgende Kriterien für seine Überlegungen genannt - ich zitiere: "Die Bundeswehr bleibt auch weiterhin in der Fläche präsent. Dies ist wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche Einbindung der Soldaten und ihrer Familien. Damit sind einer ausschließlich an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Stationierung Grenzen gesetzt. Ebenso berücksichtigt werden müssen regionale Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt, die Möglichkeiten der Nachwuchsgewinnung, Zustand und Verwertbarkeit der Liegenschaften, aber auch berechtigte Erwartungen der Soldaten und ihrer Familien." - Zitat Bundesminister Scharping. Zudem prägte er noch die Aussage, dass mit diesen Standortveränderungen keine Benachteiligung der neuen Länder einhergehen dürfe.

Wie stellt sich nun angesichts dieser Kriterien, die der Bundesverteidigungsminister selbst aufgestellt hat, die

Situation in Thüringen dar? Nehmen wir die Flächenpräsenz: Mit 16 Standorten befindet sich Thüringen am Ende der Länderreihung, wenn man bedenkt, Bayern hat so viele Standorte wie die gesamten neuen Länder gemeinsam. Auf die Bevölkerung bezogen haben wir vergleichsweise wenige Dienstposten in unserem Land. Hinzu kommt ja noch, und das wird oft vergessen bei den Überlegungen und Diskussionen, dass in den neuen Ländern keine Stationierung von Kräften unserer Bündnispartner stattfindet. Das ist durch den Zwei-plus-VierVertrag festgelegt. Von der Flächenpräsenz her sind die neuen Länder von vornherein benachteiligt gegenüber den alten Ländern, insbesondere Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Wenn der Bundesverteidigungsminister die regionale Wirtschaftskraft und Arbeitslosigkeit bei der Reduzierung der Bundeswehr wirklich berücksichtigen will, das ist ja ein weiteres Kriterium, wird in Thüringen kaum ein Abbau von Personal stattfinden können. Klein- und mittelständische Betriebe, die bisher Zulieferer für die Bundeswehr waren, würden sonst gravierende wirtschaftliche Einbußen erleiden, eine Arbeitsplatzvernichtung im großen Stil wäre die Folge. In Gefahr gerieten nicht zuletzt viele Ausbildungsplätze für junge Menschen. Gerade weil die Bundeswehr auch ein Großinvestor ist, soll sie im Land bleiben. Das liegt in unserem zentralen Interesse, auch und insbesondere wenn wir an die strukturschwachen Regionen unseres Landes denken.

Zur Möglichkeit der Nachwuchsgewinnung ist festzuhalten, dass dies ja nicht allein unter demographischen Aspekten zu betrachten ist. Natürlich, der Geburtenrückgang, insbesondere der Zeit unmittelbar nach der Wende, ist Problem genug. Die Stationierung der Bundeswehr aber gerade auch deshalb zu reduzieren, weil mittelfristig die Nachwuchsgewinnung schwieriger wird infolge des Geburtenrückgangs, das geht meines Erachtens an einer vernünftigen Betrachtungsweise vorbei. Nehmen Sie nur das Beispiel des Standorts Sondershausen. Dort haben wir ein hohes Maß an Nachwuchsgewinnung. Man hat einen hervorragenden Anteil an neu hinzugewonnenem Nachwuchs an diesem Standort, denn es liegt eben nicht daran, ob man dort in der näheren Umgebung entsprechende Anzahl von Wehrdienstpflichtigen rekrutieren kann, sondern es liegt an der konkreten Truppe vor Ort, an der inneren Atmosphäre des Standorts, ob dort die jungen Wehrpflichtigen sich entscheiden für einen weiteren, zumindest zeitlich begrenzten Berufsweg in der Bundeswehr. Wir wollen den guten Weg fortsetzen, meine Damen und Herren, den wir seit 1990 mit der Bundeswehr im Land gehen und dazu brauchen wir die flächendeckende Präsenz der Bundeswehr. Im Übrigen frage ich, es ist ja hier schon angeklungen: Wäre es denn für manchen jungen Menschen aus Nord-, Westoder Süddeutschland nicht eine wichtige und gute Erfahrung, zumindest als Soldat einmal in Deutschlands starker und gastfreundlicher Mitte zu sein?

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, ist das nicht ein guter und zusätzlicher Beitrag zum Zusammenwachsen unseres Vaterlandes, gerade auch in der jungen Generation? Nehmen wir aber nicht zuletzt auch den Zustand und die Verwertbarkeit der Liegenschaften, ein weiteres vom Bundesverteidigungsminister genanntes Kriterium. In den letzten zehn Jahren sind zweistellige Millionensummen in die einzelnen Standorte geflossen als Sanierungsmittel. Die Standorte selbst sind in einem guten bis hervorragenden Zustand. Die Verwertbarkeit dieser Liegenschaften allerdings ist gering. Oder können Sie mir eine Verwertungsmöglichkeit z.B. der Karl-GünterKaserne in Sondershausen nennen? Sollen dort, wo der Wohnungsleerstand schon um sich greift, noch mehr Wohnungen aus umstrukturierten Kasernen errichtet werden? Oder die Löberfeldkaserne in Erfurt, wo doch die Bundeswehr jetzt schon mit der Verwertung und Vermarktung der Steigerkaserne vor einem fast unlösbaren Problem steht, oder in Bad Frankenhausen oder Bad Salzungen, von denen man ganz schweigen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich aber noch auf einen anderen wichtigen Punkt hinweisen. Die Bundeswehr ist als Wirtschaftsfaktor sehr wichtig, ganz sicher, aber sie ist als Faktor des gesellschaftlichen Lebens nicht weniger wichtig und nicht zu unterschätzen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir in Thüringen wissen, was wir an der Bundeswehr haben. Sie ist bei uns fest in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt und sie genießt hohes Ansehen bei der übergroßen Mehrzahl der Thüringerinnen und Thüringer. Sie ist im gesellschaftlichen Leben vor Ort in einem sehr hohen Maße integriert und dafür gibt es viele, viele Beispiele an den einzelnen Standorten. Darin beruht das hohe Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz der Bundeswehr und ihrer Angehörigen in Thüringen, eine gesellschaftliche Akzeptanz, die unsere Soldaten für ihre Arbeit brauchen und nötig haben. Hier zeigt sich nämlich, die Bundeswehr ist nicht nur Gebender, sondern hier bei uns in Thüringen steht sie auch in der hervorragenden Situation, auch Nehmender zu sein. Das ist, meine Damen und Herren, nicht in jedem Land der Bundesrepublik der Fall. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollen und müssen wir den Bundesverteidigungsminister beim Wort nehmen: keine Benachteiligung der neuen Länder, keine Benachteiligung Thüringens. Ja, die bisherige Schlechterstellung der neuen Länder und Thüringens darf nicht noch vertieft werden durch die neue Umordnung der Bundeswehr. Ich erwarte von den Politikern aller Parteien, dass sie ihre Mittel und Möglichkeiten nutzen, für die Interessen unseres Landes einzutreten.

(Beifall bei der CDU)

Da verhält sich der SPD-Landesvorsitzende in den letzten Tagen merkwürdig ruhig und etwas auf dem Rückzug. Und vom SPD-Fraktionsvorsitzenden hört man in dieser Richtung überhaupt nichts. Dass die PDS heute ihre Chance vertut, sich zur Bundeswehr zu bekennen, das war zu erwarten, anders als die sächsische PDS, die um den Erhalt der Bundeswehrstandorte in Sachsen kämpft, aber der Horizont der sächsischen PDS scheint etwas größer zu sein als hier in Thüringen, meine Damen und Herren. Die CDU-Landesregierung hat in der Vergangenheit und wird auch weiterhin auf allen Ebenen bis hin zum Ministerpräsidenten durch ihre Gesprächskontakte das Ihrige versuchen, um eine Benachteiligung Thüringens zu verhindern und das gute Miteinander von Bundeswehr und Land weiter im Land zu erhalten. Ich wäre dankbar, wenn dies auch die anderen Parteien, die sich unserem Land verpflichtet fühlen, in einem eben solchen Maße tun. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat sich der Abgeordnete Gentzel zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zwei Bemerkungen von meiner Seite. Ja, ich gebe gern zu, dass ich mir vor 15 oder 20 Jahren nicht vorstellen konnte, um einen Militärstandort in Thüringen zu kämpfen, aber es ist schon so, wie es hier in der Sitzung gesagt worden ist. Die Akzeptanz ist eine andere geworden. Dieses ist einfach nur zu unterstreichen. Aber ich will und muss ganz einfach eine Bemerkung machen, was die Frage nach dem SPD-Landesvorsitzenden und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden betrifft. Wir haben, Herr Köckert, nach dem was Sie hier von sich gegeben haben, in Arbeitsweise und Auffassung nur einen Unterschied und der besteht darin, dass wir die konkrete Kritik dann äußern, wenn die Liste des Ministers Scharping am Montag vorliegt. Darin unterscheiden wir uns. Wir schreien nicht vorher "Hallodrio", das Spiel ist ja klar. Wir nehmen mal Sondershausen. Wird Sondershausen nicht geschlossen, hat es jetzt die CDU durch ihre Demonstration gemacht. Genauso kommt das und das ist ein politisches Spielchen um diese Standorte und um das Militär in Thüringen, dann sage ich Ihnen klar, dieses Spielchen machen wir nicht mit, aber wenn das eintritt, was keiner hofft, werden wir uns genauso gut die Freiheit nehmen, wie wir den Minister Rühe kritisiert haben, auch den Minister Scharping zu kritisieren, wenn er sich selber an die von ihm gegebenen Standards nicht hält.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, die Vorgehensweise des Ministers war mehr als korrekt. Zuerst das Gespräch mit den Generälen, dann die Gespräche mit den Ministerpräsidenten und am Montag dann mit der Liste in die Öffentlichkeit und dann die Möglichkeit, über diese Dinge zu reden, wie sich dieses gehört. Also noch mal ganz klar: Herr Köckert, große Übereinstimmung mit vielem, was Sie gesagt haben, aber in der Handlungsweise ein Unterschied. Wir reden dann, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Ihr redet dann, wenn es zu spät ist.)

Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht. Wir können damit den Tagesordnungspunkt 17 a abschließen und kommen zum zweiten Teil des Tagesordnungspunkts 17

b) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: "Fachkräftemangel in Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/1291

Als Erster hat sich der Abgeordnete Lippmann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, in den letzten Tagen und Wochen ist nicht immer, aber immer öfter, in der Zeitung von Meldungen und Veranstaltungen berichtet worden, die sich mit einem möglichen Fachkräftemangel, und zwar nicht im Moment, sondern Mitte dieses Jahrzehnts wohl etwa befassen. Man soll es nicht dramatisieren, gleichwohl muss man Vorsorge treffen, soweit dies im Rahmen der Politik und der Arbeit der Politik mit der Wirtschaft und mit den Gewerkschaften möglich ist.

Hätte man das Thema vor fünf Jahren aufgerufen, hätte es bestenfalls Heiterkeit gegeben hier in dem Haus, denn vor fünf Jahren hat noch kein Mensch über dieses Problem gesprochen und ich gebe zu, keiner von uns hat daran gedacht, dass wir möglicherweise vor einer derartigen Situation stehen könnten. Heute schlagen ja nicht nur Hochschulinstitute und Soziologen Alarm, mit Recht sicherlich, sondern, und das ist bedenklicher und das macht die Sache auch schwerwiegender, auch die Wirtschaft selbst, die Unternehmen selbst, und zwar Unternehmen im industriellen Bereich, der Bereich, der für die wirtschaftliche Prosperität Thüringens in den letzten Jahren Sorge getragen hat. Was sagen Sie? Sie sagen, wir tappen in eine Situation, viele nennen es sogar Falle, die sich zum einen aus der demographischen Situation nach der Wende ergibt und dem Geburtenknick, den wir

hatten, und den geringeren Kindern, den geringeren Lehrlingen, den geringeren Facharbeitern, die dann später mal daraus werden, zum anderen aus den Folgen dieses brutalen Strukturwandels, den der Osten, selbstverständlich auch Thüringen, durchgemacht hat. Erinnern Sie sich, wir haben von 360.000 Arbeitsplätzen in der gewerblichen Wirtschaft 200.000 eingebüßt, was nicht nur Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, sondern selbstverständlich auch Auswirkungen hatte auf die Altersstruktur der Unternehmen. Sie sagen ferner, der Geburtenknick und die Verrentungswelle, das sind die Kurven, die Sie sicherlich auch aus der Presse und aus Unterlagen alle kennen, begegnen sich in einer Art und Weise, dass zu erwarten ist, dass Mitte des Jahrzehnts - 2005/2006 - der Bestand des Facharbeiterpersonals als außerordentlich gefährdet bezeichnet werden kann. Da ist etwas dran, vor allen Dingen in solchen Unternehmen, die hoch qualifizierte Facharbeiter beschäftigen müssen, die nicht ausweichen können auf ungelernte Arbeitnehmer. So kommt möglicherweise in wenigen Jahren eine völlig absurde Situation zustande, dass wir mit Arbeitslosen, deren Zahl sicherlich in fünf, sechs Jahren deutlich geringer sein wird als heute, mit so einer großen Zahl von Arbeitslosen, die wir dann sicherlich noch haben werden, leider haben werden, dass uns plötzlich die Facharbeiter fehlen, zumindest in bestimmten Berufen fehlen. Das hat seine Ursachen und die sind uns allen mehr oder weniger bewusst.

Die erste Ursache ist selbstverständlich die, die natürlich auf der Hand liegt. Zum einen gehen die Facharbeiter natürlich, weil sie in Hessen, Baden-Württemberg oder Niedersachsen besser entlohnt werden, und der Unterschied ist deutlich. Aber das ist nicht der Grund allein.

Als zweiten Grund möchte ich sagen, das liegt nicht so sehr auf der Hand, ein qualifizierter Facharbeiter verlässt ein Unternehmen möglicherweise auch, weil ihm die soziale Bindung fehlt. Das ist ein typisches Ostproblem, das kann man in Hessen oder in Bayern nicht erklären, aber diese soziale Bindung ist ein Teil der Arbeitsbiografie unserer Menschen hier gewesen und das ist vor allen Dingen im mittleren Alter der Fall, die diese Defizite spüren.

Der dritte Punkt, er verlässt das Unternehmen auch, weil er die dauerhafte Solidität des Unternehmens bezweifelt, das ist völlig klar. Und das ist vor allen Dingen die Generation derer, die so zwischen 35 und 50 sind, die Eigentum bilden wollen und zuverlässig ihr Unternehmen bewerten. Und da schauen sie nicht einmal auf die geringere Entlohnung, sie schauen darauf, was wird aus dem Unternehmen und hat es Bestand.

Der vierte und letzte Grund, vielleicht gibt es noch mehr, da würde ich sagen, er verlässt das Unternehmen auch - und das sind auch Jüngere -, weil er nicht mehr daran glaubt, irgendwann einmal in absehbarer Zeit

einen gleichen Lohn wie sein Kollege in Hessen oder in Niedersachsen zu bekommen. Man kann noch sehr viel darüber reden, das kann man sogar wissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich erklären, im Grunde läuft alles auf die zentrale Frage hinaus: Was ist zu tun, um dieser Situation Herr zu werden? Ich weiß, wie eingeschränkt die Möglichkeiten der Politik hier sind. Was ist zu tun? Da könnte man sagen, man muss alle die Gründe in Wegfall bringen lassen, die dazu führen, dass die Leute gehen. Da geht es natürlich erst mal um die Entlohnung, aber das ist Sache der Tarifpartner. Dabei haben wir Gott sei Dank

Herr Abgeordneter Lippmann, bitte kommen Sie langsam zum Schluss.

nicht viel zu sagen. Ich möchte sagen: Mehr ausbilden, um es jetzt verkürzt zu sagen, auch über Bedarf hinaus, die soziale Bindung zu verstärken, dazu gehört auch Eigentumsbildung in irgendeiner Form der Gewinnbeteiligung, und ich erwarte, dass diese Landesregierung sich diesem Problem stellt, so weit es in ihrem Verantwortungsbereich ist. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin bitte ich Frau Abgeordnete Vopel ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Lippmann: Die Bindung der Arbeitnehmer in Thüringen, die ist viel stärker als sonstwo in der übrigen Bundesrepublik Deutschland. Und wenn Sie am vergangenen Mittwoch bei diesem DGB-Fachkongress dabei gewesen wären, hätten Sie das gehört. Da wird darüber geklagt, dass sie zu starr ist und dass nicht genügend Junge hineinwachsen können. Nur so viel dazu. Und ich fand es schon interessant, dass zeitgleich - fast zeitgleich - zu dieser Fachtagung des DGB von Ihnen dieser Antrag kam, Fachkräftemangel in Ostdeutschland - "Thüringen" haben Sie ja später erst nachgeschoben -, das war nämlich genau der Titel dieser Fachtagung, die übrigens sehr interessant und sehr gut war. Und, Frau Kollegin Heß, Sie hatten leider nicht viel Zeit. Wenn Sie die ganze Zeit dabei gewesen wären, hätten Sie mit Sicherheit Ihre Fraktion animiert, diesen Antrag zurückzuziehen, weil man dieses Thema in einer Aktuellen Stunde wirklich nicht abhandeln kann. Es ist viel zu komplex und man müsste viel intensiver darüber reden, als man das in 5 Minuten tun kann.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das machen wir dann, wenn Sie die Redezeit- begrenzung beschlossen haben. Dann kann man das auch zum normalen Tagesordnungs- punkt machen!)

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, das Problem ist erkannt, mittlerweile auch bei der Wirtschaft. Und, Herr Lippmann, ich weiß nicht, ob Sie nicht zugehört haben, aber gerade Herr Minister Schuster hat schon vor Jahren gesagt, das Wichtigste für Thüringen ist eine ordentliche Erstausbildung und eine gute Fort- und Weiterbildung. Er hat mehr als einmal darauf hingewiesen und hat sich von Ihnen zum Teil auslachen oder auch beschimpfen lassen müssen, wenn es darum ging, dass er gesagt hat, lieber mehr Qualität als Quantität, vor allem was die Weiterbildung anbelangt. Ich denke, das ist überall nachzulesen.

Was die Ausbildung unserer jungen Leute anbelangt, da kann ich nur sagen, da ist immer noch eine Verbesserung möglich, aber immerhin haben im Jahr 2000 80 Prozent der Jugendlichen eine Ausbildung im betrieblichen Bereich begonnen. Das ist eine enorm große Zahl. Sicher, auch die kann man noch verstärken. Im Übrigen, auch Herr Schuster hat schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass es in bestimmten Bereichen schon Fachkräftebedarf gibt, z.B. in der Region Eisenach. Auch das ist eigentlich in diesem Haus mehr belächelt worden und man hat viel lieber über irgendwelche Beschäftigungsprojekte gesprochen, die vielleicht noch ein bisschen mehr Geld brauchen könnten.

Das Thema "Zweite Karriere" ist angeschoben, ich denke, das sind alles Dinge, die doch eigentlich schon angesprochen worden sind. Was ganz wichtig ist, das sind Bedarfsanalysen. Auch da ist schon viel Vorarbeit geleistet, sowohl durch einige Studien, aber auch z.B. die Berichte der Qualifizierungskoordinatoren geben uns eine gute Grundlage, auch z.B. diese Fachtagung des DGB. Ich denke, alle diese Daten müssen zusammengefasst werden, um auf diese Bedarfe, die sich daraus artikulieren, flexibel reagieren zu können. Was wir nicht machen dürfen, wir dürfen nicht in Panik verfallen. Deswegen ist das zwar ein wichtiges Thema, aber nicht so, dass wir da heute ganz dringend dran arbeiten müssen, weil wir morgen nicht genügend Leute zur Verfügung haben, wenn ein Investor hierher kommt. Die derzeitige Lage darf nicht dramatisiert werden, aber wir müssen die Zukunft im Blick haben, denn es ist tatsächlich so, wenn wir nicht gegensteuern, wird es ab dem Jahr 2006 zu großen Problemen kommen. Ich sage mal, auf Vorrat ausbilden, auch das ist ein Thema, was wir immer angesprochen haben, was wir immer präferiert haben, und ich kann Ihnen nur sagen: Man kann nur mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung den Menschen die Möglichkeit geben auch gute Arbeitsplätze einzunehmen. Eines steht doch fest: Aus dieser recht ordentlichen wirtschaftlichen Entwicklung im gewerblichen Bereich re

sultiert ja der derzeitige Fachkräftebedarf in manchen Bereichen, wenn ich an Elektro- und Metallberufe denke. Ich denke, es ist ja immerhin bemerkenswert, dass Sie das nun mittlerweile auch anerkennen, dass sich da durchaus eine gute Entwicklung vollzogen hat. Was wir nicht vergessen dürfen, ist, dass das Gleiche für den Dienstleistungsbereich gilt. Auch da müssen wir aufpassen, dass wir in Zukunft genügend Leute haben. Anreize zu schaffen ist richtig und Fachkräfte zu halten oder wieder zurückzugewinnen ist auch richtig. Dazu muss man den Leuten auch sagen, dass sie durchaus hier eine Chance haben. Ich möchte nur mal so einen Punkt nennen, der vorige Woche angesprochen worden ist. Wenn ich höre, dass diese Firmen, die sich zusammengeschlossen haben, diese Optikfirmen Optronet, dass sie das Ziel verfolgen, von jetzt 6.000 auf 17.000 Arbeitskräfte aufzustocken, ich denke, dann ist das ein Weg und dann ist das auch eine Perspektive für junge Leute zu sagen, in diesem Jahr noch nicht, aber vielleicht im nächsten Jahr kann ich hier eine vernünftige Stelle bekommen. Und im Übrigen, die Bundesregierung bezahlt im Rahmen des Jugendsofortprogramms Mobilitätshilfen. Ich denke, diese Mobilitätshilfen dürfen nicht nur von Ost nach West gehen, die müssen vielleicht auch anders herum gezahlt werden

Bitte, Frau Abgeordnete, kommen Sie zum Schluss.

und die müssen auch innerhalb Thüringens gezahlt werden. Es ist richtig, wir werden noch eine Zeit lang parallel reden und Lösungen suchen, was Arbeitslosigkeit anbelangt, aber auch wie wir genügend Fachkräfte bekommen. Ich denke, wir haben da schon gut vorgearbeitet und sind auf einem guten Weg. Wir verschlafen die Zeit mit Sicherheit nicht, Herr Lippmann.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Da sind wir uns ja einig!)

(Beifall bei der CDU)