Protocol of the Session on September 14, 2000

Zu Frage 3: Grundsätzlich können Unternehmen, die sich im Wettbewerb beeinträchtigt fühlen, entsprechende Schritte zur Beseitigung wettbewerbsrechtlicher Hindernisse einleiten.

Zu Frage 4: Bei der von der TSI GmbH für den Winterdienst 1999/2000 durchgeführten europaweiten Markterkundung wurde von der Glückauf Sondershausen Entwicklungs- und Sicherungsgesellschaft kein Angebot unterbreitet. Es ist daher nicht bekannt, zu welchen Konditio

nen die GSES Streusalz bereitstellen könnte.

Danke schön. Gibt es Nachfragen? Es gibt keine Nachfragen. Danke, Herr Minister.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Es gibt Nachfragen.)

Es gibt doch Nachfragen, Herr Minister Schuster, bitte haben Sie Geduld.

In welcher Form fand denn die europaweite Markterkundung der TSI statt, fand sie in Form einer öffentlichen Ausschreibung statt?

Markterkundungen sind keine Ausschreibungen, das sind schriftliche Verfahren, um Angebote zu ermitteln.

Gibt es weitere Nachfragen? Vielen Dank, Herr Minister Schuster. Herr Buse, Sie hatten einen Antrag.

Namens der PDS-Fraktion stelle ich den Antrag, die Mündliche Anfrage an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zu überweisen.

Das werden wir dann abstimmen. Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik votieren will, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist ausreichend, die Frage ist damit überwiesen und sie ist für heute beantwortet. Eine Frage können wir noch behandeln. Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/896. Herr Abgeordneter Ramelow, bitte.

Regionale Fremdenverkehrsaktivitäten

Begrüßenswert sind regionale Aktivitäten zur Entwicklung des Fremdenverkehrs, wie z.B. das touristische Angebot zum Wasserwandern auf der Werra in den Kreisen Hildburghausen, Schmalkalden-Meiningen und dem Wartburgkreis, und damit einhergehend zur Schaffung von Arbeitsplätzen unter Einbeziehung von Programmen zur Arbeitsförderung des Freistaats (50 PLUS) und der Arbeitsämter (Strukturanpassungsmaßnahmen -SAM-) in den Regionen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die inhaltliche Vorbereitung und Planung solcher regionaler Aktivitäten finanziell zu bezuschussen?

2. Mit welchen Fördermöglichkeiten wird die Landesregierung die Realisierung solcher regionaler Maßnahmen unterstützen?

3. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, die Vorbereitung und Realisierung von regionalen Fremdenverkehrsaktivitäten durch Nutzung von Arbeitsförderprogrammen, die im Freistaat Thüringen zur Anwendung kommen, zu unterstützen?

4. Wie wird durch die Landesregierung darauf Einfluss genommen, dass die regionalen Aktivitäten in die Angebote der Thüringer Tourismus GmbH aufgenommen werden?

Herr Minister Schuster, bitte.

Frau Präsidentin, namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen von Herrn Ramelow wie folgt:

Zu Frage 1: Regionale Aktivitäten zur Entwicklung des Fremdenverkehrs sind im Landesinteresse und werden von verschiedenen Institutionen unterstützt.

Zu Frage 2: Dem regionalen Bedarf entsprechend werden Strukturanpassungsmaßnahmen zur Verbesserung der touristischen Infrastruktur gefördert. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Regelförderung von drei Jahren und bei 55-Jährigen von fünf Jahren. Um auch kostenintensive touristische Infrastrukturmaßnahmen mittels SAM durchführen zu können, erfolgt eine Verknüpfung von Arbeitsmarkt- und Infrastrukturförderprogrammen des Fremdenverkehrs, z.B. der GA oder des Landesprogramms "Fremdenverkehr", so dass Synergieeffekte entstehen. Des Weiteren werden Existenzgründungen in diesem Bereich gefördert.

Zu Frage 3: Die Landesregierung unterstützt alle Aktivitäten, die im Sinne der Entwicklung der Region und somit im Landesinteresse liegen. Öffentliche Fördergelder werden dabei effizient, d.h. auch unter Berücksichtigung von Schwerpunktaufgaben zum Einsatz gebracht. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu Frage 2.

Zu Frage 4: Wenn entsprechende touristische Produkte vorhanden sind, werden diese auch durch die TTG vermarktet. Aufgabe der TTG ist es, die touristischen Produkte über die zur Verfügung stehenden Mittel, z.B. dem

Thüringer Reservierungs- und Buchungssystem und Informationssystem Thüris, zu vermarkten.

Vielen Dank. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Wir schließen die Frage ab und ich stelle gleichzeitig fest, dass die Zeit für die heutige Fragestunde ausgeschöpft ist. Wir schließen den Tagesordnungspunkt 21.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: "Die soziale Situation von Kindern in Thüringen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/851

Als Erstes hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wort gemeldet. Bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die soziale Situation von Kindern hängt entscheidend von der Situation der Eltern ab. Die ist in Thüringen überdenkensund verbesserungswürdig. Gespräche mit Leiterinnen Erfurter Kindergärten machen die soziale Situation von Kindern, d.h. von Familien, sehr deutlich. Ich zitiere daraus: "Viele Kinder haben ein Elternhaus ohne geregeltes Familienleben. Ursachen sind in erster Linie Arbeitslosigkeit eines oder beider Elternteile. Wenn die Eltern ihrer Zahlungspflicht drei Monate nicht nachkommen, werden die Kinder aus dem Kindergarten ausgeschlossen. Für Kinder ist das sehr schlimm. Oft ist es Scham der Eltern, die sie nicht um Hilfe bitten lässt. Manchmal mangelt es an drei Mark für den Besuch eines Puppentheaters. Wenn man indessen in der Zeitung liest, dass das Land Thüringen seine Zuschüsse für Kindergartenplätze in freier Trägerschaft um 17 Mio. DM kürzen will und somit der Landeszuschuss von 50 DM auf 40 DM pro Kindergartenplatz abgesenkt wird, wodurch eine weitere Gebührenerhöhung unumgänglich sei, würden immer mehr Kinder ins soziale Abseits gedrängt. Dann seien die Kindergärten bald nur noch für die "Wohlhabenden" da. Der Sozialdienst im Jugendamt hilft in manchen Fällen, aber die Hürden sind hoch angesetzt. Junge Mütter seien oft mit der ganzen Situation überfordert. Häufig arbeiten die Männer auf Montage und können sie nicht unterstützen oder sie sind allein erziehend." Soweit die Meinung von Kindergärtnerinnen zu dieser Problematik.

Ähnliches trifft auf Schulen zu. Die geplante Elternbeteiligung an den Hortkosten wird kritisiert, auch wenn die Gebühren gestaffelt werden sollen. Ich kann Ihnen Fa

milien nennen, die seit der Wende noch nicht einmal mit ihren Kindern in den Urlaub gefahren sind, weil sie es sich finanziell nicht leisten können. Mit finanziellen Schwierigkeiten haben besonders allein Erziehende zu kämpfen. Laut Statistik vom April 1999 gibt es in Thüringen 68.000 allein erziehende Frauen, von denen 21.000 zwei und mehr minderjährige Kinder haben. Kinder sind ein Berufsrisiko für Frauen und ein Armutsrisiko für Familien. Das ist bundesweit so. Und man braucht sich nicht zu wundern, wenn junge Leute verstärkt ihrem natürlichen Wunsch nach Kindern, nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie zuungunsten der Kinder zurückstellen. Da hilft auch das von der katholischen Kirche ausgesprochene Verbot der Erteilung von Beratungsscheinen bei der Schwangerenkonfliktberatung nicht. Wenn Kinder spüren, dass sie bedingt durch die Mittellosigkeit ihrer Eltern in der Klasse benachteiligt sind, weil sie zum Beispiel nur unter größeren Entbehrungen der gesamten Familie oder überhaupt nicht an Klassenfahrten oder anderen Veranstaltungen teilnehmen können, wird in ihnen bereits häufig der Keim für Gewalttätigkeit geweckt. Die Gewalt gegen Schwächere, Randgruppen, Mitschüler, Fremdenfeindlichkeit ist nur ein äußeres Zeichen. In Wirklichkeit wollen sie die Gesellschaft treffen, wollen auf sich aufmerksam machen. Dabei haben Kinder und Jugendliche durchaus einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Und es liegt an den Erwachsenen, auch an denen, die politische Verantwortung tragen, Einfluss auf ihre Entwicklung zu nehmen. Die Bundesregierung bemüht sich darum, die soziale Situation von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, z.B. auch bei der nächsten Erhöhung des Kindergeldes ab Januar 2001 auf 300 DM für das erste und zweite Kind, auch die Schaffung von Ausbildungsplätzen für alle Jugendlichen und anderes. Dass Eltern und Familien durchaus bemüht sind, einen bestimmten Lebensstandard zu sichern und ihren Kindern eine gute Ausbildung und Bildung zukommen zu lassen, beweist die Tatsache, dass 73 Prozent aller Mütter einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wogegen es nur 48 Prozent der kinderlosen Frauen sind (auch laut Statis- tik). Fazit: Familienarbeit, Familienhilfe sind wichtig. Beratungsstellen, Familien-, Frauenzentren müssen aber den Bedürfnissen und dem Bedarf unserer Zeit entsprechend Möglichkeiten und Formen ihrer Arbeit finden und auch das berücksichtigen, was hier gebraucht wird. Familien müssen vor allen Dingen erreicht werden. Ich möchte Ihnen auch noch sagen: Es ist viel Geld vorhanden. Wir tun sehr viel, aber es könnte viel besser und konzentrierter eingesetzt werden, wenn die bestehenden Einrichtungen kooperieren würden. Es ist mir wiederholt passiert, wenn ich in das Frauenzentrum komme und mit sechs Frauen oder vielleicht auch nur vier einen Vortrag, der ein paar hundert Mark kostet, dort erleben kann, ich glaube, da ist irgendwas, was wir bedenken müssten. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bechthum. Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Arenhövel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Situation von Kindern ist ein Thema, über das kann man mit der CDU-Fraktion jederzeit diskutieren, denke ich. Ich glaube, wir haben uns hier im Thüringer Landtag auch schon intensiv mit der Situation von Kindern beschäftigt und uns für sie eingesetzt. Das ist für mich als Abgeordnete des Thüringer Landtags, aber auch als Mutter von vier Kindern eine Selbstverständlichkeit. Nur, Frau Bechthum, wir nehmen auch das Bild ernst, wenn es Kindern schlecht geht, wenn Notlagen auftreten, wir leugnen das auch nicht und wir tun aber auch etwas dagegen. Deswegen ist es schon eine Ungebührlichkeit, wenn Sie sich hier in den Landtag stellen und sagen, die Kinder können nicht in den Kindergarten gehen, weil ihre Eltern kein Geld haben. Das stimmt einfach nicht.

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Das wis- sen Sie doch gar nicht!)

Natürlich weiß ich das. Die Elternbeiträge für Kindergärten werden sozial gestaffelt und die gehen in der Stadt Erfurt beispielsweise ab null Mark los, wenn nämlich eine Mutter kein Geld hat.

(Beifall bei der CDU)

Das dürfen wir hier nicht verschweigen; deswegen muss ich diesen Punkt hier richtig stellen.

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Dann sprechen Sie doch bei den Kindergärtnerin- nen vor. Die sagen Ihnen das. Das war nicht meine Meinung. Das war nicht auf meinem Mist gewachsen!)

Frau Bechthum, dann müssen Sie es aber auch so sagen.

Bitte lassen Sie diese Dispute. Frau Abgeordnete Arenhövel, fahren Sie bitte fort, ohne eine Zwiesprache abhalten zu müssen.

Ansonsten bin ich gespannt, was die PDS uns hier zu bieten hat, denn sie hat diese Aktuelle Stunde beantragt und dieses Thema möchte ich mir eigentlich auch erstmal hier von dieser Fraktion anhören. Ansonsten verweise ich auf die Regierungserklärung am morgigen Tag, die sich intensiv mit Familie und Jugend befassen wird. Vielen

Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete Thierbach zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Arenhövel, bieten möchte ich Ihnen nichts, sondern die Aktuelle Stunde hat zum Ziel, dass wir versuchen zu betrachten, ob tatsächlich alles so ist wie im bunten Blätterwald. Das Fernsehen oder viele Dinge zeigen, dass es nämlich wirklich Kinder gibt, die glücklich und zufrieden sind und dass es wirklich Feste für Kinder gibt, dass es am 01.09. und in seinem Umfeld immer unheimlich viel Würdigung von Kindern gibt, aber die Beiträge über Straßenkinder, die Beiträge über Kinder, die in Mülltonnen kramen, die werden eben nicht so wahrgenommen. Ich spreche Ihnen nicht ab, dass Sie versuchen aus Ihrem Bild heraus, sich tatsächlich realistisch einzusetzen für eine gescheite Kinderpolitik. Dazu gehört aber, dass wir uns wirklich über den Tellerrand hinaus begeben und nicht nur unser individuelles Bild darstellen. Ich könnte niemals behaupten, meinen Kindern ginge es schlecht oder Ihren oder Frau Bechthums, aber wir sind nicht für uns da, sondern wir haben das wahrzunehmen, was an Kritiken, an Problemen tatsächlich besteht. Und wenn der Satz stimmt, dass Kinder die Zukunft des Landes sind, dann habe ich Angst, dass Thüringen keine Zukunft hat. Warum? Die Situation von Kindern wird weltweit im Tenor mit Begriffen wie Kindergesundheit, Kinderpornografie, Prostitution, Kinderarmut, Hunger, Krankheiten bestimmt. Oft werden diese Inhalte mit Ländern der so genannten Dritten Welt in Verbindung gebracht. In Deutschland werden diese Widersprüche, diese Aufgaben, diese Probleme nicht so krass dargestellt, was daran liegt, dass bestimmte Probleme einfach nicht offen und öffentlich gemacht werden - und trotzdem sind sie da.

In Thüringen werden sie oft versteckt oder leider schon an den Rand der Städte gedrückt. Von einer verlorenen Kindheit redet noch niemand öffentlich in Thüringen, ich sage öffentlich, das heißt nämlich, es gibt sie schon. Und immer wieder hören wir die Argumentation wie eben, dass es doch in anderen Ländern und in anderen Bereichen den Kindern schlechter geht. Es ist eben die Tatsache, ob man das Glas halb voll oder halb leer betrachtet. Für den, für den es halb leer ist, stellt die soziale Situation von Kindern ein großes Problem dar. Rein statistisch gab es 1998, auf 1.000 Haushalte in Thüringen geschaut, nur 435 Familien überhaupt mit Kindern und davon sind rund die Hälfte nur Ein-Kind-Familien. Daraus lässt sich die Frage ableiten, inwieweit ist diese Gesellschaft in der Lage, eine Zukunft zu entwickeln, inwieweit hat Thüringen eine Zukunft. Und es gibt auch rein statistisch jetzt schon

die Aussage, die in ihrer Abstraktion eben stimmt, dass Kinder ein Armutsrisiko darstellen. In Thüringen steigt die Anzahl der Kinder und Jugendlichen unter 25, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen. Seit 1994 geht dieser Prozess leider stetig. 1994 waren es in dieser Altersgruppe 18.649 Kinder und Jugendliche, 1999 waren es bereits 27.515 - das ist die Größe einer mittleren Stadt in Thüringen. Bezüglich der Wohnungssituation von Kindern verweist das Landesamt für Statistik im Jahr 1998 auf eine durchschnittliche Wohnfläche für Kinder - wie gesagt 1998, nicht 1990 - pro m² von 4,2 bei arbeitslosen Familien und 7 bei Erwerbstätigen. Die Hundeverordnung zur Sicherung einer tiergerechten Art und Haltung möchte ich hier nicht nennen, aber Sie können selber nachlesen, wie viele Quadratmeter dafür bestehen.

Deutlich wird die Kluft auch beim näheren Hinschauen bezüglich der Wohnsituation von Kindern in Mietwohnungen oder in elterlichem Wohneigentum. Kindern, deren Eltern Wohneigentum besitzen, steht durchschnittlich eine Quadratmeterzahl von 10 bis 15,3 zu. Nun können Sie sagen, diese Beispiele sind exemplarisch schlecht und sie sind absichtlich gesucht. Ich glaube aber, sie sind sehr prägnant, zumindest für die Probleme bei den Kindern 27.515 - ein starkes soziales Problem. Und die Veränderung dieser Situation ist tatsächlich nur möglich, wenn durch die Gesellschaft diese Veränderung vorgenommen wird.