Protocol of the Session on July 7, 2000

Bericht über das Personalentwicklungskonzept der Landesregierung Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/764

Der Sofortbericht ist signalisiert worden, aber die antragstellende Fraktion möchte die Begründung durch Herrn Abgeordneten Dr. Pidde vornehmen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach jahrelanger Blockade stimmte die CDU im Zusammenhang mit dem Haushalt 1998 endlich einem Entschließungsantrag zu, wonach die Landesregierung aufgefordert wurde, ein Gesamtpersonalentwicklungskonzept zu erstellen. Leider ist in der großen Koalition bis Mitte 1999 dieses Konzept nicht mehr realisiert worden. Der Rechnungshof hat dann in seinem Jahresbericht 1999 die fehlende Personalkonzeption innerhalb der Landesverwaltung bemängelt. Folgerichtig stimmte dann auch die CDU-Fraktion zu, als die SPD im Rahmen der Beratung des Rechnungshofberichts die Vorlage des Pesonalentwicklungskonzepts zum 30. Juni dieses Jahres forderte. Es folgte dann aber kein Konzept, sondern am 14. Juni 2000 eine Presseinformation mit der Überschrift "Personalentwicklungskonzept 2000 bis 2004/20005" und der Unterüberschrift "Landesregierung will 8.900 Stellen abbauen".

Außer dieser Presseinformation gab es für die Abgeordneten kein Konzept. Deshalb haben wir den Antrag auf Berichtsersuchen für die heutige Plenarsitzung gestellt. Vor einer Woche erhielten die Fraktionen eine Vorlage, eine Dreiviertelseite mit Stellenabbauzahlen. Ein Konzept wurde uns bis heute nicht vorgelegt. Oder sollte diese Dreiviertelseite etwa das Konzept der Landesregierung sein? Ich erhoffe von dem angekündigten Bericht der Landesregierung jetzt Aufklärung. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Der Bericht der Landesregierung wird durch Herrn Staatssekretär Brüggen gegeben. Ich bitte Sie.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wie Sie wissen, hat das Kabinett Mitte Juni das Personalentwicklungskonzept 2000 bis 20004/2005 beschlossen. Dabei hat sich die Landesregierung das Ziel gesetzt, basierend auf dem Haushalt 2000 insgesamt 8.904 Stellen bis 2004/2005 einzusparen. Zur Umsetzung des Personalentwicklungskonzepts hat das Kabinett das Finanzministerium beauftragt, die Festlegungen in den Entwurf des Doppelhaushalts 2001/2002 einzuar

beiten. In seinem Beschluss sieht das Kabinett vor, soweit wie möglich den Stellenabbau aus der Streichung derzeit nicht besetzter Stellen und durch frei werdende Stellen zu realisieren. Soweit diese Maßnahmen nicht ausreichen, sind Bedarfskündigungen auszusprechen. Solche Maßnahmen sollen möglichst sozialverträglich gestaltet werden. Darüber hinaus kann das Einsparen mittels Privatisierung und Kommunalisierung umgesetzt werden. Das Innenministerium wird zudem mittels eines Rahmen- und Maßnahmekonzepts zur Weiterentwicklung der Verwaltungsreform und der Organisation der Landesverwaltung Eckwerte für das weitere Vorgehen vorlegen. Soweit also noch einmal der Beschluss des Kabinetts.

Die Grundüberlegungen, die zu diesem Beschluss geführt haben, liegen eigentlich auf der Hand, ebenso wie die Ziele, die wir damit verfolgen. Sie lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen: Abbremsung der Neuverschuldung, Vorrang von Investitionen vor konsumtiven Ausgaben, Erhalt von Gestaltungsmöglichkeiten für die Zukunft. Wenn wir auch in Zukunft Gestaltungsspielräume für den weiteren Auf- und Ausbau unseres Landes erhalten wollen, dann müssen wir dem Ziel der Haushaltskonsolidierung alle Positionen des Haushalts unterordnen, dann müssen wir insbesondere alle Möglichkeiten zur Reduktion der Neuverschuldung nutzen. Hinzu kommt, dass wir diese Konsolidierungsanstrengungen in Zeiten leisten müssen, in denen sich die Einnahmesituation des Landes verschärft. Der Freistaat Thüringen erhält im Rahmen des Länderfinanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisung rund 4 Mrd. DM pro Jahr. Bekanntermaßen gestalten sich die Verhandlungen zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs sowie den Nachfolgeregelungen des Solidarpakts schwierig. Es muss mit Reduktionen des Transfervolumens gerechnet werden. Aufgrund der steuerpolitischen Pläne der Bundesregierung ist zudem mit einem Rückgang der Steuereinnahmen des Landes, insbesondere aus der Einkommens- und Körperschaftssteuer, zu rechnen. Es darf überdies heftig bezweifelt werden, ob das geplante Steuersenkungsgesetz in seiner derzeitigen Form dazu geeignet ist, einen sich selbst tragenden Aufschwung mit einer nachhaltigen Entlastung des Arbeitsmarkts in Gang zu setzen. Schließlich unterliegt die Haushaltskonsolidierung im Freistaat Thüringen auch den Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts, einen ausgeglichenen Haushalt ohne Neuverschuldung zu erreichen. Darauf, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, müssen wir uns einstellen. Am Sparen kommen wir nicht vorbei. Das gilt für das Land wie für die Kommunen. Sparen ist dabei kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für die Gestaltung unserer Zukunft. Wenn wir den Vorsprung, den wir uns in vielen Bereichen erarbeitet haben, erhalten und ausbauen wollen, dann müssen die Investitionsausgaben auf möglichst hohem Niveau fortgeführt werden. Eine massive und nachhaltige Kürzung der investiven Ausgaben muss vermieden werden. Sie würden zulasten unserer wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und damit auch zulasten von

Arbeitsplätzen gehen. Auch eine weitere Erhöhung der Nettoneuverschuldung ist nicht zu verantworten. Folglich kann das Spannungsverhältnis zwischen den drohenden Einnahmeausfällen einerseits und der Notwendigkeit der Erhaltung des Investitionsniveaus zulasten der konsumtiven Ausgaben gehen. Wir müssen in erster Linie konsequent und entschlossen bei den Personalausgaben ansetzen. Damit wird die Richtung des Kabinettsbeschlusses vom 21.06.1995, der eine Stellenreduzierung von 4.919 Stellen vorsah, weitergeführt.

Dass dies notwendig ist, zeigt der Vergleich mit den ostdeutschen Flächenländern. Thüringen hat hier derzeit eine der höchsten Personalbestände, wobei auch andere junge Länder in den nächsten Jahren Personal abbauen wollen. Sachsen hat jüngst wieder einen Beschluss gefasst und weiter das Sparziel herabgesenkt im Bereich der Personalkosten. Durch das Personalsoll 2004/2005 kommt Thüringen an den heutigen Durchschnitt der westdeutschen Länder heran, wobei hinsichtlich der Aufgaben und damit auch des Personalbedarfs berücksichtigt werden muss, dass die Auf- und Ausbausituation des Freistaats noch nicht abgeschlossen ist. Ziel des Personalkonzepts muss es sein, von den linearen Kürzungen im Haushalt oder quotierten Vorgaben abzugehen. Sie können nicht den Anforderungen nach einer individuellen Anpassung an den unterschiedlichen Personalausstattungsgrad der Aufgabenbereiche genügen. Der Rasenmäher ist der falsche Weg. Aufgabenbetrachtung und Haushaltskürzung sind zu verbinden. Neben einem konsequenten, an den Aufgaben orientierten Stellenabbau ist vor allem auch eine umfassende Strukturreform der staatlichen Verwaltung erforderlich. Damit ist gemeint das Thema Funktionalreform. Dazu muss neben der notwendigen Aufgabenkritik mittels der Delegation von Aufgaben aus dem Ministerialbereich, der Privatisierung und der Kommunalisierung von Aufgaben auch die Landesverwaltung insgesamt auf den Prüfstand. Hierzu soll eine Eckpunkteentscheidung des Kabinetts zur Organisation und Zielstellung der Verwaltungsreform herbeigeführt werden. Wir haben in einem Jahrzehnt deutscher Einheit viel erreicht, mehr als manchem Zweckpessimisten möglich schien und heute auch noch erscheint. In den kommenden Jahren wird es umso wichtiger, dass wir auf dem Erreichten aufbauen, dass wir unsere Kräfte und Ressourcen bündeln und dass wir uns auf die entscheidenden Aufgaben konzentrieren. Dank der Wählerinnen und Wähler, die sich im vergangenen Herbst für die klaren Verhältnisse in Thüringen entschieden haben, waren unsere Chancen dafür so gut wie nie zuvor.

(Beifall bei der CDU)

Moment bitte, Herr Staatssekretär, Herr Abgeordneter Pidde hat eine Frage an Sie.

Herr Staatssekretär, ich habe nur eine kurze Frage, um ein Missverständnis aus dem Weg zu räumen, und würde Sie bitten, einfach mit Ja oder Nein zu antworten. Und zwar: Ist diese Vorlage 3/440, die dem Landtag in der vergangenen Woche zugeleitet worden ist, das Personalentwicklungskonzept der Landesregierung?

Was Sie bekommen haben als Drucksache sind die Zielzahlen, die es zu erreichen gilt. Wenn wir das genau hätten untersetzen müssen, hätten wir einen großen Teil des Haushalts mitliefern müssen, aber wir sind noch nicht im Haushaltsberatungsverfahren. Von daher ist das eine enge Verzahnung, das dürfen wir nicht übersehen. Das sind die Zielzahlen, die es zu erreichen gilt in der Umsetzung des Haushalts, wie die Landesregierung ihn derzeit berät und dann nach der Sommerpause auch einbringen wird. Das Zweite ist: Eine Zielzahlvorgabe braucht man, um zu wissen, welche Instrumente will ich eigentlich einsetzen, um diese Ziele zu erreichen. Diese Instrumente werden in der Eckwerteentscheidung des Kabinetts dann auch ihren entsprechenden Niederschlag finden.

(Beifall bei der CDU)

Auf Verlangen einer Fraktion oder von zehn Abgeordneten kann die Aussprache zu diesem Bericht eröffnet werden. Herr Abgeordneter Pidde.

Dann beantrage ich im Namen der SPD-Fraktion die Aussprache zum Bericht.

Dann eröffne ich die Aussprache und rufe gleich den Abgeordneten Fiedler, CDU-Fraktion, auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema Personalentwicklung beschäftigt uns, glaube ich, nicht zum ersten Mal. Immer wieder geht es um die gleiche Frage: Wie viel Personalkosten können wir uns leisten? Ich möchte an der Stelle einfügen, dass wir uns vielleicht als Land mal endlich ein Beispiel an unseren Kommunen nehmen sollten, die in den letzten Jahren unserer

(Unruhe bei der SPD)

Da braucht Ihr gar nicht zu widersprechen, liebe Kollegen. Die Kommunen haben es vorgemacht unter schmerzhaften Prozessen, dass in Größenordnungen Personal abgebaut werden musste. Und ich lege Wert darauf: abgebaut werden musste. Wir sollten uns als Land mal ein Beispiel nehmen, dass wir diesen steinigen Weg jetzt auch im Lande mitgehen müssen.

(Beifall bei der CDU)

In seinem letzten Bericht zum Haushaltsjahr 1998 hat der Rechnungshof die Personalsituation im Freistaat Thüringen einer eingehenden Prüfung unterzogen. Man kann es nachlesen auf der Seite 36 folgende. Auch wenn im Bericht deutlich gemacht wird, dass für eine Konsolidierung des Landeshaushalts nicht nur die Reduzierung der Personalkosten notwendig ist, trägt dieser Bereich doch einen erheblichen Anteil zur derzeitigen Haushaltssituation bei. Ein aktives Handeln in diesem Bereich ist daher notwendiger denn je. Zwar können wir nach diesem Bericht im Vergleich von 1997 zu 1998 eine Reduzierung der Personalausgabenquote von 25,97 Prozent auf 24,86 Prozent verzeichnen; dennoch ist diese Quote auf die Dauer nicht tragbar. Dabei ist auch nur wenig tröstlich, dass wir mit dieser Quote aus dem Jahre 1998 unter der Quote der anderen neuen Länder liegen. Denn wenn wir die Personalausgaben je Einwohner in den neuen Ländern vergleichen, so liegt Thüringen mit 1.911 DM nur noch im Mittelfeld der neuen Länder. Auch wenn hier gerade bei der letztgenannten Zahl zu konstatieren ist, dass sich nur in Thüringen diese Personalkosten je Einwohner im genannten Zeitraum reduziert haben, ist wohl unbestreitbar, dass wir uns eine so hohe Personalkostenquote nicht leisten können.

(Beifall Abg. Wunderlich, CDU)

Dabei sollte auch nicht vergessen werden, dass wir, anders als die alten Länder, noch sehr geringe Pensionslasten zu tragen haben. Diese Quote wird aber in dieser Dekade deutlich zunehmen, so dass sich die jetzige Ausgabenquote deutlich verschlechtern wird. Auch Sachsen hat für den Zeitraum 1991, Herr Staatssekretär, bis 2000 eine Vergleichsanalyse vorgelegt. Danach wird Thüringen im Jahr 2000 bei seinen Personalausgaben mit 2.195 DM je Einwohner leicht über dem Durchschnitt der neuen Flächenländer mit 2.189 DM liegen, während der Freistaat Sachsen auf nur 2.105 DM kommen wird. Ich glaube, diese Zahlen sprechen für sich. Sie verdeutlichen in plastischer Weise, dass wir auch in diesem Bereich dringend aktiv werden müssen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir allein über diesen Bereich die notwendige Haushaltskonsolidierung erreichen müssen. Vielmehr müssen auch Leistungsgesetze und Förderprogramme auf den Prüfstand gestellt werden. Wollen wir aber den Gestaltungsspielraum nicht nahe null bringen, müssen wir auch bei den Personalkosten ernsthaft nach Veränderungsmöglichkeiten suchen. Ich glaube, dass die SPD da sicher konstruktiv mitwirken wird, und ich

hoffe auch, die rechte Seite des Hauses.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Die linke.)

Aus diesem Grunde ist die Entscheidung der Landesregierung, ein Konzept zur Personalentwicklung vorzulegen, sehr zu begrüßen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns den Vorschlag der Regierung, sobald er endgültig vorliegt, im Zusammenhang mit dem einzubringenden Doppelhaushalt sehr genau ansehen und unsere Vorstellungen dazu einbringen. Dabei werden wir, falls erforderlich, auch gegen Widerstände einiges verteidigen. Zudem werden wir darauf hinwirken, dass dieses Personalentwicklungskonzept in engem Zusammenhang mit einer durchzuführenden Verwaltungsreform steht. Denn lediglich eine Personalkostenreduzierung ohne Straffung bzw. Optimierung der Verwaltungsstrukturen im Freistaat Thüringen kann und darf nicht unser Ziel sein. Bitte? Ich dachte, die Finanzstaatssekretärin hat eine Anmerkung, aber ich glaube, sie hat nur geschwatzt.

(Beifall und Heiterkeit im Hause)

Im Rahmen dieser Überprüfung des Konzepts werden wir auch einem Aspekt besonders Rechnung tragen, der aus meiner Sicht bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Die gegenwärtigen Überlegungen dürfen nicht dazu führen, dass Neueinstellungen praktisch ausgeschlossen werden. Wir sind es der nachwachsenden Generation schuldig, auch hier tätig zu werden. Gleichzeitig müssen wir dafür Sorge tragen, dass in der Verwaltung aufgrund der Personalstrukturen Beförderungsstaus vermieden werden. In diesem Sinne bin ich zuversichtlich, dass der jetzt vorzunehmende Einschnitt eine gute Grundlage sein wird, auch dadurch das Ziel einer spürbaren Haushaltsentlastung zu erreichen und unser Land weiterhin zukunftsfähig zu gestalten, auch für unsere Kinder und Enkel, dass noch Spielräume da sind. Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat sich in der Aussprache der Abgeordnete Dittes, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Meine Damen und Herren, es ist schon bedauerlich, wie in der deutschen Politik zwischenzeitlich die deutsche Sprache missbraucht wird, um die wahren politischen Ziele zu verschleiern. Die Thüringer Landesregierung spricht vom Sparen, spricht von Sparbeschlüssen und Sparhaushalten, aber, meine Damen und Herren, Sparen heißt doch eigentlich im ursprünglichen Sinne von etwas Vorhandenem etwas zur Seite legen, um in Zukunft darauf zurückgreifen zu können. Die Landesregierung

legt aber nichts beiseite, nein, sie kürzt Ausgaben, insbesondere die Personalausgaben für den Freistaat Thüringen. Und zur politischen Ehrlichkeit, meine Damen und Herren, gehört eben auch dazu, dass man Dinge auch als solche benennt, was sie sind oder darstellen. Die Thüringer Landesregierung und die sie stellende CDUFraktion begründet ihre Kürzungspolitik vornehmlich mit der Begrenztheit der Landeshaushalte. Ein Personalentwicklungskonzept kann natürlich nicht losgelöst, meine Damen und Herren, vom Umfang der Personalausgaben betrachtet werden und Vergleiche zwischen den neuen Bundesländern können dabei hilfreich sein, wenn man berücksichtigt, dass die Vergleichbarkeit natürlich nicht in jedem Falle immer gegeben ist. 1998 hatte in diesem Vergleich Thüringen die günstigste Personalausgabenquote mit rund 25 Prozent; bei den Personalausgaben je Einwohner liegt Thüringen genau im Mittelfeld. Sachsen und Brandenburg haben hier geringere Personalausgaben pro Einwohner. Herr Fiedler, diese Statistik hier zu versuchen als negativ darzustellen, kann ich nur schwerlich nachvollziehen. Aber, meine Damen und Herren, auch einen internationalen Vergleich sollten wir uns hier nicht ersparen. In der Bundesrepublik Deutschland sind von den 40 Mio. erwerbstätigen Menschen 9 Prozent beim Staat im öffentlichen Dienst angestellt, in Österreich beispielsweise sind es 14 Prozent, in Frankreich 15 Prozent, in Schweden 21 und in Dänemark sogar 23 Prozent und auch in den Vereinigten Staaten liegt der Prozentsatz der Beschäftigungsquote im öffentlichen Dienst um 2 Prozent über der Quote der Bundesrepublik Deutschland.

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion sagt es deutlich, die Krise der öffentlichen Finanzen ist nicht nur ein Ausgabenproblem, fehlende Einnahmen sind für die Kassenlage der öffentliche Haushalte ebenso verantwortlich. Ein solides Haushaltskonzept muss deshalb sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite beinhalten. Sie aber, meine Damen und Herren der Landesregierung, handeln offensichtlich konzeptionslos, anders sind Ihre ständigen Kürzungspläne nicht mehr zu erklären. Man kann ja über vieles reden, auch mit unserer Fraktion über vieles reden, selbst auch über die künftige Personalpolitik des Freistaats Thüringen, aber, meine Damen und Herren, eine solche Diskussion darf nicht am Beginn eines Konsolidierungs- und Reformprozesses stehen, sondern muss darin integriert sein. Sie stellen jedoch die Diskussion zum Personalentwicklungskonzept auf den Kopf und schaffen damit insbesondere bei den Betroffenen Unklarheiten und schüren Ängste. Sie geben ein Streichungsziel vor, das besagt, dass bis zum Jahr 2004 rund 9.000 von gegenwärtig 62.000 Stellen gestrichen werden sollen, danach zeigen Sie einen Weg auf, der alles und nichts beinhaltet. Jeder Bürgermeister einer Gemeinde kann ein solideres Konzept vorlegen, meine Damen und Herren. Ihr Maßnahmenkatalog, den Sie vor einer Woche dem Thüringer Landtag schriftlich zugeleitet haben und heute, Herr Brüggen, nur wiederholt haben, ohne ihn inhaltlich zu begründen, und inhaltlich heißt eben in diesem Fall, eine ganz klare

Aufgabenbeschreibung vorzunehmen und das Personalentwicklungskonzept eben nicht nur orientierend hier darzustellen an den Eckpunkten eines zukünftigen Haushalts, wie Sie es sich in Ihrem Kopf vielleicht gegenwärtig schon darstellen. Aber Sie haben mit diesem Maßnahmenkatalog folgende Vorhaben angekündigt: Nichtbesetzte Stellen sollen dauerhaft unbesetzt bleiben - fragt sich, weshalb diese Stellen bisher für notwendig erachtet worden sind, wenn sie künftig unbesetzt bleiben sollen. Eine Differenzierung eben auch an den beschriebenen Aufgaben haben Sie ja offenbar nicht vor. Als zweite Maßnahme sollen frei werdende Stellen nicht wieder besetzt werden. Auch hier unterstellen Sie offenbar, dass jede frei werdende Stelle überflüssig ist. Dies wäre sie allerdings dann auch heute schon im besetzten Zustand. Hinzu kommt, dass natürlich möglichst viele Stellen frei werden müssen, damit Sie Ihr Einsparziel erreichen können. Das Prinzip Hoffnung lässt hier grüßen. Nur, meine Damen und Herren, die Hoffnung ist als ein Prinzip für die Personlentwicklung denkbar ungeeignet. Im Übrigen sollten Sie gegenüber Ihren Arbeitnehmern mehr Sorgfaltspflicht wahren. Sie sollten nicht pauschal anzeigen, dass jede frei werdende Stelle nicht mehr besetzt werden braucht, dies ist rufschädigend und demotivierend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gegenwärtig auf diesen Stellen arbeiten. Und, meine Damen und Herren, wenn Sie dieses Vorhaben bereits in der Landesregierung umgesetzt hätten, dann hätte heute nicht der Staatssekretär im Innenministerium, Herr Brüggen, diesen Bericht gegeben, sondern der Innenminister hätte sich selbst der Notwendigkeit stellen und diesen Bericht hier geben müssen, weil - er hätte dann einfach keinen Staatssekretär mehr, nachdem diese Stelle frei geworden ist.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine Damen und Herren, wenn diese ersten beiden so genannten Maßnahmen nicht ausreichen, dann sind Bedarfskündigungen auszusprechen. Auch diese Wortschöpfung ist ein Sprachmissbrauch. Sie wollen Leute entlassen, und zwar in die Arbeitslosigkeit, Ihr Anspruch, dass das möglichst sozialverträglich geschehen soll, ist an Zynismus kaum noch zu übertreffen. Schließlich bieten Sie an, dass die Personalstreichung auch durch Privatisierung und Kommunalisierung von Landesaufgaben erreicht werden kann. Dass es hier im Regelfall nur zu einer Kostenverlagerung kommen wird, dürfte Ihnen allen bekannt sein. Und die Kommunen werden sich auch freuen, wenn sie erneut Aufgaben unter Missachtung des Konexitätsprinzips übertragen bekommen. Zum Schluss sprechen Sie Ihr Rahmenund Maßnahmenkonzept zur Weiterentwicklung der Verwaltungsreformen und der Organisation der Landesverwaltung an. Es ist ja erfreulich, dass Ihnen diese Maßnahme überhaupt noch eingefallen ist, wenn auch zum Schluss. Aber nein, meine Damen und Herren, diese Sache ist zu ernst, um darüber leichtfertig zu reden, aber andererseits haben Sie es auch selbst zu verantworten, wenn man Ihr Konzept einfach nicht ernst nehmen kann, meine Damen und Herren Minister und Staatssekretäre.

Sehr geehrte Damen und Herren, die durch die Landesregierung vorgelegten Sparbeschlüsse haben nun den eigentlichen Kern und Antrieb ihres Verwaltungshandelns offen gelegt, sie befinden sich damit in einer illustren Reihe von Regierung bis hoch zum Bundeskanzler, die nun der Politik des so genannten "New-Public-Managements" folgen. Dieser Begriff steht für eine neue Auffassung vom Funktionieren von Verwaltung und schwappt geradezu wellenförmig aus dem amerikanischen Raum seit den 90er Jahren in die Bundesrepublik über. Und insgesamt stehen auch damit die traditionellen Leitprinzipien der öffentlichen Verwaltung in Deutschland zur Disposition. Es handelt sich hier um einen Generalangriff auf die Welt der klassischen hoheitlichen Verwaltung. Dabei werden die Dimensionen des Umbruchs spürbar, aber die Konturen des dadurch entstehenden oder - anders ausgedrückt - die Langzeitauswirkung für das politisch-administrative System bleiben dabei jedoch völlig verschwommen. Das liegt vor allem an der orthodoxen und einseitigen Ausrichtung der Politik des "New-Public-Managements". Einziger dogmatisch und ideologisch gebrauchter Leitfaden ist die Orientierung am betriebswirtschaftlichen Modell, sozusagen der Staat als GmbH. Diese Weichenstellung ist umso mehr problematisch, da sie völlig ohne Bemühen um empirisches Wissen über damit verbundene langfristige Veränderungen erfolgt. Mit anderen Worten ausgedrückt, es wird ohne eine Prüfung von Inhalten und Strukturen ein Personalumfang festgelegt; die Klärung einer wirklich aufgabengerechten Personalausstattung, die vor allem unter Qualitätsaspekten vorgenommen werden muss, fand und findet, wenn man den Bericht des Staatssekretärs hier vernommen hat, einfach nicht statt. Stattdessen strickt man an einem finanziellen Korsett, von dem man noch nicht einmal weiß, an welchen Stellen es zu eng wird. Es steht somit auch zu befürchten, dass entgegen allen Beteuerungen der Protagonisten der Input-Output-Politik am Ende nicht eine Entbürokratisierung, sondern ein neuer Bürokratisierungsschub stehen wird. Mit Blick auf die klammen Kassen wird man dann in der Argumentation erfinderisch. So wird beispielsweise auch der Begriff der Nachhaltigkeit für das einfallslose Sparen instrumentalisiert.

Natürlich, meine Damen und Herren, verschließt sich die PDS-Fraktion nicht der Diskussion um eine Ausgabenkürzung. Aber man muss, um dieses Ziel zu erreichen, die Bereiche herausnehmen, die kurz- und langfristig zu einer Erhöhung der Eigeneinnahmen des Staates indirekt oder direkt führen werden. Dieses setzt jedoch voraus, eine intensive inhaltliche Diskussion zu führen und es setzt voraus, die Prioritäten festzulegen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Herr Dit- tes, Sie können wieder den Verfassungs- schutz einsparen. Das kam lange nicht.)

Herr Fiedler, Sie haben vorhin eingefordert in einem anderen Tagesordnungspunkt, unsere Vorschläge zum Haus

halt zu untersetzen und wir werden dies auch in diesem Punkt tun. Wir werden dies in beiden Fällen auch inhaltlich begründen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ein scheinbares Entwicklungskonzept vorgelegt und sie hat sich eben nicht der Mühe unterzogen, dies auch inhaltlich zu untersetzen. Meine Damen und Herren, eine solche kurzsichtige Politik der Landesregierung wird vor allem im Bildungsbereich, der den Löwenanteil bei den Personalkürzungen beisteuern sollte, zu großen Problemen führen. Hier wurden zukünftige, an Qualitätsmaßstäben gemessene Anforderungen und auch an neuen Qualitätsmaßstäben gemessene Anforderungen an Schule nicht einmal ansatzweise zugrunde gelegt. Im Mittelpunkt stand nicht die Qualitätssicherung des Unterrichts, sondern ein simples Rechenexempel. Dieser Umstand veranlasst mich zu zitieren: "Die Qualität der Bildung bestimmt entscheidend die Zukunftschancen unseres Landes". Meine Damen und Herren, dieser Satz fiel in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, aber offensichtlich war er damals so sonderlich ernst nicht gemeint.

Zu den aus dem vorgesehenen Stellenabbau im Bildungsbereich resultierenden Problemen hat meine Fraktion bereits in der Aktuellen Stunde am Mittwoch deutlich Stellung bezogen. In diesem Zusammenhang darf aber nicht vergessen werden: Vor allem auch die Hochschulen in Thüringen sind im extremen Maße auf gut ausgebildete Abiturienten angewiesen und bedürfen folglich auch der Vorleistung der Schulen. Verschärfend kommt hinzu, dass die Sparauflagen für die teilweise sich noch im Aufbau befindlichen Hochschulen auch dort für zusätzliche Schwierigkeiten sorgen werden. Bei ständig steigenden Studentenzahlen werden dann überfüllte Hörsäle, längere Studienzeiten, vermutlich höhere Abbrecherquoten und besonders schlechtere Betreuungsverhältnisse Realität werden. Mit geringen Mitteln soll ein Spektrum wachsender Aufgaben erledigt werden, was der Quadratur des Kreises sehr nahe kommen wird. Die Hochschuleinrichtungen werden schließlich durch Verteilungskämpfe so miteinander zu tun haben, dass für weitere wichtige Belange, wie Innovation, Definierung von Zukunftsaspekten, keine Zeit mehr sein wird.

Kurzum, alles, was sich bislang für die Hochschulen in Thüringen als Standortvorteil erwies, wird, wenn keine Kursänderung erfolgt, wohl dem Sparkurs geopfert werden und für die beiden erwähnten Politikfelder, die von vielen Experten als die einzigen Wachstumsressourcen bezeichnet werden - ich verweise da auch nur auf die Aussagen in der Anhörung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst zur Rolle der IT-Spezialisten -, sind Langzeitschäden vorprogrammiert. Wir werden dann in naher Zukunft nicht nur eine Debatte über fehlende IT-Spezialisten in Thüringen zu führen haben und in der Bundesrepublik, sondern dies auch noch auf weitere Mangelberufe ausdehnen müssen.

Meine Damen und Herren, immer mehr Bereiche, die lange Zeit zur staatlichen und kommunalen Daseinsfürsorge gehörten und insofern in eigener staatlicher und kommunaler Verantwortung wahrgenommen wurden, werden liberalisiert, werden für den Markt geöffnet. Die Forderung nach Liberalisierung und Marktöffnung wird immer nur dann erhoben, wenn sich private Anbieter und Interessenten gute Kapitalverwertungschancen ausrechnen, diesen privaten Bedürfnissen kommt die öffentliche Hand oftmals entgegen, indem durch entsprechende Rahmenbedingungen überhaupt erst private Verwertungsinteressen initiiert werden. Die öffentliche Hand sieht darin eine gute Gelegenheit, sich bestimmter Aufgaben zu entledigen. Der Privatisierungsdruck, meine Damen und Herren, der sich in den nächsten Jahren verstärken wird, geht demnach von zwei Seiten aus. Zunächst von der Privatwirtschaft, aber zunehmend auch von der öffentlichen Hand selbst.

Jürgen Gnauck hatte, solange er noch Geschäftsführer des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes war, zu Recht gefordert, dass die Diskussion um die Personalausstattung der Landes- und Kommunalebene vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss. Ausgehend von einer kritischen Aufgabenbewertung hatte der Gemeinde- und Städtebund ein Landesorganisationsgesetz gefordert, das dann auch Grundlage für ein Landespersonalkonzept, aber auch für die Diskussion der Kommunalisierung weiterer staatlicher Aufgaben bilden könnte.

Herr Abgeordneter Dittes, erlauben Sie eine Zwischenfrage?