Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, kürzlich war ich zu einer Festveranstaltung in Berlin, wo alle die eingeladen waren, die der letzten Volkskammer angehört hatten. Dort wurden sehr viele und schöne - auch kluge - Reden gehalten. Ich möchte mit einer Sequenz die fünf Minuten beginnen, die mich beeindruckt hat. Es wurde dort von dem Herrn Gysi - wo er Recht hat, hat er Recht - gesagt, es war im Unterschied zu den anderen zurzeit bestehenden Ländern - auch Bundesparlamenten - in der Volkskammer so, dass man noch überzeugen konnte, auch den politischen Gegner überzeugen konnte durch die Kraft der Argumente und durch die Realität. Und das ist auch passiert. Es ist nicht immer so passiert, aber es ist passiert. Das hat mich beeindruckt. Wir haben es ja alle selber erlebt, oder zumindestens die, die dem Parlament angehört hatten. Das ist nun heute nicht mehr möglich - woanders nicht, und hier schon gar nicht.
Nein, nein, das ist nicht mehr möglich. Wir haben uns da wirklich an die Verhältnisse angeglichen, die dort im März beschrieben worden sind. Und so gehen wir auch bei diesen Themen nicht von der Sache aus, wir sprechen hier nicht nüchtern und korrekt, sondern wir begeben uns in ein populäres und vor allen Dingen - was schlimmer ist - in ein populistischen Getümmel. Denn populär ist es allemal. Den Spritpreis, den sieht jeder, den kennt jeder, der wird ja jeden Tag angeschlagen. Was die Preisentwicklung für Staubsauger, für Ersatzteile, für Bier oder Brot anbelangt - da würde ich nicht so ohne Weiteres behaupten wollen, dass das auch alle kennen. Aber beim Spritpreis ist das völlig klar. Und zurzeit haben wir an den Tankstellen - das haben Sie auch gemerkt - ein Preisgetümmel, das hatten wir noch nie. Wir haben es beim DK, da sind 30 Pfennige Unterschied. Beim Vergaserkraftstoff ist es noch schlimmer. Heute hat bft angekündigt, da sind wohl auch wieder acht bis zehn Pfennige pro Liter aufgeschlagen. Und für alles - und dagegen wehre ich mich - wird die Ökosteuer verantwortlich gemacht. Die 14 Pfennige müssen für alles herhalten. Und das ist nicht fair.
Ich will Ihnen sagen, was im April - also vor einem Jahr - die Tonne Rohöl auf dem Markt für die Deutschen gekostet hat - 194,70 DM. Und wissen Sie, was sie im April diesen Jahres gekostet hat - 355,60 DM. Das sind 83 oder 84 Prozent mehr. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Zwei Drittel in etwa gehen an die Steuer weg, also die schnappt sich der Fiskus, und zwar die Mineralölsteuer, die Mehrwertsteuer und natürlich auch die Ökosteuer. Das waren 1999 76,7 Prozent des Preises an der Zapfsäule. Dieses Jahr sind es nicht so viel, da sind es nur 67 Prozent, also deutlich weniger.
Der Produktpreis beträgt in diesem Jahr - also bis jetzt, was durch die Statistik sichtbar ist - 63 Pfennige, der Produktpreis am Liter Kraftstoff. Das sind Fakten - im Übrigen bringt das Geschäft dem Fiskus 80 Millarden und auch die Länder und auch Thüringen sind mit dabei, nämlich über die Mehrwertsteuer. Auch da fassen wir unsere 50 Prozent mit ab, auch bei der Ökosteuer, bei der nicht, aber bei der Mehrwertsteuer. Das sind natürlich Fakten, die keiner hören will und die die wenigsten verstehen. Und weil das so ist, ist das ganze Thema natürlich hervorragend für die Stammtische geeignet und für die Bierzelte.
Populismus liegt auf der Hand, und man vergisst geflissentlich, dass in den fünf Jahren - zuletzt 1994 - die Vorgänger-Bundesregierung die Mineralölsteuer um 50 Pfennige erhöht hat, in vier Etappen. Das ist vergessen. Das wird gelegentlich unter den Tisch gekehrt - 50 Pfennige.
Und als die Frau Merkel 1998 - ihres Zeichens noch Umweltministerin - aufgetreten ist und gesagt hat, also, fünf
Ja, es ist schade drum. Also wenn an der Ökosteuer überhaupt etwas auszusetzen ist, dann ist es das, dass sie nicht für direkte Umwelt- und Ökologieprojekte eingesetzt wird, aber sie dient zur Verbilligung der Arbeit. Das haben Sie nicht geschafft.
Und wenn Sie die aktuellen Daten der Wirtschaft lesen wollen - heute kam im Übrigen das von der IHK in Thüringen -, dann werden Sie das bestätigt wissen. Im Übrigen mache ich im letzten Satz darauf aufmerksam: Wichtig ist, was hinten raus kommt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben diese Aktuelle Stunde bewusst nicht auf das Verkehrsgewerbe verkürzt, denn ich stelle die Bedeutsamkeit dieses Themas fest. Herr Lippmann, Sie haben es hier gesagt: Es gibt Zeitschriften, die sagen, der Benzinpreis ist der Brotpreis der mobilen Gesellschaft. Und deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass dieser Horrorpreis an den Zapfsäulen in Haushalten, in Büros, an Stammtischen - also auch an Zapfhähnen -, aber auch an den Zapfsäulen mit großer Erregung diskutiert wird. Ein Rundfunksender hat das mit den Horrorpreisen beispielsweise auch hinterfragt, weil Benzin für Mobilität steht. Und damit ist es ein anderer Preis als der, den Sie da für die Staubsauger anvisieren, Herr Kollege Lippmann.
Zum Zweiten: In der Argumentation dient ja auch die Mehreinnahme durch die Steuer zur Sanierung der Rentenversicherung. Und da sehen Sie auch, wie absurd eigentlich die ganze Sache ist. Ich bringe Ihnen mal ein Beispiel. Eine junge Frau aus einer Kleinstadt verliert ihre Arbeitsstelle und bekommt eine neue Arbeitsstelle mit einer halben Stunde Autofahrzeit angewiesen. Sie kann also jetzt mit dem Auto fahren und hat dann die Steuer drauf, oder sie kann eine dreifache Fahrzeit nehmen, indem sie mit dem Bus dorthin fährt. Sie sagt, sie macht das aber nicht, weil sie nämlich nicht umziehen möchte. Sie hat Kinder. Der Orts- und Schulwechsel kommt nicht. Also, sie muss diese Steuer bezahlen und sie wird mit dieser Ökosteuer zweimal für die Rentenversicherung zur Kasse gebeten. Man könnte hier nur sagen, weil sie Zeit für ihre Kinder haben will - dumm gelaufen. Daran sehen Sie die Absurdität dieser Steuer.
Ich sollte - so bin ich angehalten - auch den Thüringenbezug dazu bringen, weil Horrorpreise war nicht legitim, weil ja überall diese Preise sind. Aber Thüringenbezug - wenn Sie mal ins Internet schauen, Internet hat die Landtagspräsidentin gesagt, da sollen wir uns mal drum kümmern. Da habe ich eine E-Mail auf einer Seite gesehen, die heißt Benzinpreise.de. Da gibt es noch mehrere Seiten, die heißen auch Ökosteuerprotest.de. Und das, schreibt ein junger Mann: "Ich würde gerne an Protesten, Straßensperren, Demos oder so etwas gegen die Bezinpreisentwicklung teilnehmen, weiß aber von nichts. Zur Not würde ich auch versuchen, selber etwas auf die Beine zu stellen." Dann geht's weiter: "Falls es interessant ist, ich komme aus Ilmenau in Thüringen." Also klar, der Thüringenbezug ist schon da, den ich hier mit einbringen möchte, aber
Herr Kollege Ramelow, das Statistische Landesamt hat den Preisindex festgestellt von Mai auf Juni - 1,6 Prozent höhere Preisentwicklung und davon verursacht durch die Benzinpreisentwicklung 1 Prozentpunkt. Wenn das für Thüringen keine Auswirkungen hat, dann frage ich mich wirklich, was man dann noch machen soll.
Und vor allen Dingen, was ich so ärgerlich finde und auch beklagenswert und deshalb meinem Kollegen Kallenbach zustimme, wir müssen wenigstens an der Stelle, wo wir reagieren können, etwas tun.
Es trifft den kleinen Mann, die kleine Frau, es trifft den Rentner, der von der Entlastung überhaupt nichts hat. Es trifft den Studenten, es trifft den Sozialhilfeempfänger,
es trifft den Arbeitslosen, den Selbständigen, den Mittelständler und auch die Landwirtschaft, meine Damen und Herren. Pendler können nicht ausweichen, sie müssen, damit sie an ihre Arbeit kommen, tanken und sie können nicht auf das Auto verzichten.
Meine Damen und Herren, sicher kann man an dem Rohölpreis nichts ändern, aber der Finanzminister partizipiert natürlich auch an der Mehrwertsteuererhöhung bei der ganzen Geschichte. Zum Euro hat der Kollege Kallenbach schon etwas gesagt, ich denke, wenn es schon, Herr Kollege Lippmann, falsch ist, dass die Kohlregierung den Preis erhöht hat, dann ist es ja noch falscher, dass sie so weitermachen. Da muss man doch endlich aussetzen, wenn man merkt, wie die Preise dort so falsch laufen.
Deshalb noch mal hier in der Aktuellen Stunde deutlich zu sagen, wenn wir hier eine Entlastung erreichen wollen, dann muss der Plan, bis 2003 um weitere 21 Pfennig zu erhöhen, gestürzt werden und deutlich auch die Landesregierung zu unterstützen, dass im Bundesrat die entsprechende Beschlussfassung herbeigeführt werden kann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich bin schon einigermaßen erschüttert darüber,
wie niedrig Sie die Niveauschwelle für Aktuelle Stunden in diesem Parlament hängen. Ich muss Ihnen sagen, allein der Titel Ihrer Aktuellen Stunde ist eine im negativen Sinne Sternstunde dieses Parlaments für Aktuelle Stunden. Sie diskreditieren dieses parlamentarische Mittel nach meiner Auffassung in eklatanter Weise, denn die Thüringer Öffentlichkeit hätte es verdient, mit angemesseneren Themen hier in diesem Hause beehrt zu werden als mit diesen durchsichtigen Manövern, wie Sie das hier beabsichtigen.
Wenn Sie wenigstens den Preiskampf, der durch die Mineralölkonzerne entfacht worden ist, mit einem ganz vordergründigen Ziel der Marktbereinigung zulasten der kleinen, in der Regel freien Tankstellen zum Thema der Ak
tuellen Stunde gemacht hätten, dann könnte man diesem Punkt ja zumindest noch einen Funken Glaubwürdigkeit abgewinnen. Aber in dieser polemischen und populistischen Art und Weise eine solche Aktuelle Stunde, wie gesagt, darüber bin ich schon einigermaßen erschüttert. Wissen Sie, im Gegensatz zu vielen von Ihnen, die Ihre Abende der sitzungsfreien Zeit in diesem relativ abgeschlossenen Container verbringt, wie sich das Abgeordnetenhaus nennt, bin ich fast jeden Abend auf Achse, wie man so schön sagt.
Ja, hören Sie sich das ruhig an. Und ich komme an sehr vielen Tankstellen vorbei und ich will Ihnen an einem Beispiel belegen, wie durchsichtig Ihr Manöver hier an dieser Stelle ist. Wenn an der gleichen Tankstelle in Südthüringen innerhalb von zehn Tagen das Preisniveau sowohl für Dieselkraftstoff als auch für Super bleifrei um exakt 12 Pfennige differiert, dann ist das genau exakt die Summe, die in beiden Stufen der Ökosteuer ohne Mehrwertsteueranteil zusammenkommen. Allein an diesem Beispiel können Sie sehen, dass Ihre Diskussion und die Art und Weise, wie Sie hier dieses Thema in den Landtag bringen, so durchsichtig und so polemisch ist, dass es eigentlich schade um die Zeit ist, die wir hier damit verbringen.
Und noch ein Aspekt: Herr Kollege Kallenbach, Sie haben die Hoffnung hier geäußert, oder die Erwartung geäußert, dass eine Regierung, ein Gesetzgeber immer dann, wenn ein Marktpreis in die Höhe schnellt, dann die darauf liegende Verbrauchssteuer doch senken möge. Ich bin mal gespannt, wie Sie reagieren auf die Ankündigung der Tabakkonzerne vom gestrigen Tag, die Zigarettenpreise zu erhöhen. Darauf liegt auch ein enormer staatlicher Steueranteil. Vielleicht ist das ja das Thema der nächsten Aktuellen Stunde. Danke schön, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der staatliche Anteil an den Preisen für Benzin beläuft sich inzwischen auf 75 Prozent. Durch die Ökosteuer, Herr Lippmann, soll der Benzinpreis um 35 Pfennig pro Liter bis zum Jahre 2003 angehoben werden. Eine Regierung, die dies beschließt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, auch den Mineralölkonzernen die Instrumente in die Hand zu geben, um ihrerseits an der Preisschraube zu drehen, meine Damen und Herren.
Die Ökosteuer ist auf ihre Wirkung hin vielfach untersucht. Dass sie unsozial ist, ist klar, sie belastet die einkommensschwächeren Bürger relativ stärker als die Bezieher höherer Einkommen, dies ist leicht zu begründen. Dass sie wirtschaftsfeindlich ist, ist mehrfach nachgewiesen am Beispiel etwa der Transportunternehmen. Jeder Lkw wird jährlich durch die Ökosteuer mit 13.000 DM zusätzlich belastet. Diese Zahl sagt vieles. Und nicht nur die Lkws werden belastet, auch die Bahn wird belastet, obwohl sie das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist. Flugzeuge werden nicht belastet, obwohl man sich die Frage stellen könnte nach der Zukunft des Flugverkehrs. Meine Damen und Herren, mit einer ökologischen Maßnahme hat die Ökosteuer überhaupt nichts zu tun.