Protocol of the Session on June 8, 2000

Der Landtag hat sich am 14. April 2000 mit dem Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 3/517 "Weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Zahlungsmoral und zum Schutz unverschuldet in Not geratener Thüringer Unternehmen" beschäftigt.

Offensichtlicher Konsens aus dieser Beratung war die Notwendigkeit, offene Probleme einer Klärung zuzuführen, wozu u.a. auch die Aktivitäten aus der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister sowie der Justizsenatoren durch den Thüringer Justizminister gegenüber der Bundesjustizministerin beitragen sollten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung bekannt, wie die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung zum Zusammentreten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe und zu gegebenenfalls bereits unterbreitetem Änderungs- bzw. Ergänzungsbedarf begründet, und wenn ja, welchen Inhalt hat diese Begründung?

2. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, die als notwendig erkannten Änderungen bzw. Ergänzungen zum vorliegenden Gesetz durchzusetzen?

3. Wenn ja, welche Aktivitäten wird die Landesregierung auslösen?

4. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, bei Aufträgen der öffentlichen Hand das Risiko ausführender Subunternehmen durch Landesbürgschaften abzusichern?

Herr Staatssekretär Scherer, bitte.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramelow beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Justizministerin und die Justizminister der neuen Länder sowie der Senator für Justiz des Landes Berlin, die am 3. April 2000 in Meiningen zu ihrer Frühjahrskonferenz zusammengekommen waren, hatten Herrn Justizminister Dr. Birkmann beauftragt, der Bundesjustizministerin die Bitte zu übermitteln, für einen raschen Zusammentritt der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Verbesserung der Zahlungsmoral" Sorge zu tragen, da

mit die noch anstehenden Probleme möglichst zügig beraten und in den parlamentarischen Entscheidungsprozess eingebracht werden können. Auf sein Schreiben vom 13. April 2000 hat die Bundesjustizministerin geantwortet, dass vor einer Fortsetzung der Arbeiten der BundLänder-Arbeitsgruppe zunächst einmal Erfahrungen mit der neuen Gesetzesregelung abgewartet werden sollten. Außerdem sollten diese Erfahrungen mit dem Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes abgestimmt werden. Diese ablehnende Haltung der Bundesjustizministerin wird auch durch die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs des Bundesjustizministeriums Prof. Dr. Pick vom 11. April 2000 bestätigt, die dieser der Abgeordneten Andrea Voßhoff, CDU/CSU, gegeben hat. Herr Dr. Birkmann hat daraufhin der Bundesjustizministerin mit Schreiben vom 31. Mai 2000 geantwortet, dass die Justizministerin und die Justizminister der neuen Länder sich mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden erklären können, sondern weiter auf einem raschen Zusammentreten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Verbesserung der Zahlungsmoral" bestehen. Diese Haltung wird auch von einem entsprechenden Beschluss getragen, den die 71. Konferenz der Justizministerinnen und -minister, die am 24. und 25. Mai 2000 in Potsdam zusammengetreten waren, ohne Gegenstimmen beschlossen hat. Thüringen hat dieses Anliegen dort zum Tagesordnungspunkt der Konferenz angemeldet.

Die Frage 2 beantworte ich mit Ja.

Die Frage 3 beantworte ich wie folgt: Da es sich um ein Bundesgesetz handelt, ist in erster Linie die Bundesregierung gefordert. Wegen der Aktivitäten der Landesregierung verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.

Zu Frage 4: Bei Vergabe öffentlicher Aufträge an Bauunternehmen, welche als Generalunternehmer auftreten, besteht für diese kein Ausfallrisiko, da Zahlungsschuldner die öffentliche Hand ist. Für die vom Generalunternehmen beauftragten Subunternehmen besteht dann das Risiko eines Forderungsausfalls, wenn der Generalunternehmer in Insolvenz fällt. Dieses Risiko des Subunternehmers ist über das Instrument einer Landesbürgschaft nicht abzusichern. Eine Ausfallbürgschaft dient nach den entsprechenden Richtlinien zur Sicherung von Forderungen der Kreditinstitute. Oft wird erst dadurch eine Kreditierung ermöglicht. Eine Absicherung von Forderungsausfällen zwischen den betroffenen Unternehmen kann damit nicht erreicht werden. Eine Förderung von Subunternehmen über eine Bürgschaft ist allerdings bei Bankenfinanzierung, das heißt z.B. bei Vorfinanzierung eines Großauftrags, möglich. Eine weiter gehende Sicherung des Subunternehmers gegenüber dem Generalunternehmer ist jedoch Gegenstand der Untersuchungen, die die unter Ziffer 1 genannte Bund-Länder-Arbeitsgruppe in die Überprüfungen einzubeziehen haben wird.

Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es gibt einen Antrag.

Namens der PDS-Fraktion beantrage ich, die Frage an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik zu überweisen.

Gut, das werden wir dann abstimmen. Wer für die Überweisung der Anfrage stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das reicht aus, vielen Dank. Damit schließen wir die Frage ab und kommen zu Frage in Drucksache 3/698. Bitte, Herr Abgeordneter Ramelow.

Beteiligung des Freistaats Thüringen an der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)

Neben dem Land Hessen ist der Freistaat Thüringen nach Presseveröffentlichungen gewillt, die Option aus dem Staatsvertrag zur Beteiligung an der Landesbank Hessen-Thüringen vom 10. März 1992 auszuüben - nach dem Motto "Mit 5 Prozent sind sie dabei."

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche finanz- und wirtschaftspolitischen Ziele verfolgt der Freistaat Thüringen mit seiner Beteiligung an der Helaba?

2. Welche Bilanzsumme bzw. welches betreute Aktivvolumen eines Kreditinstituts hält die Landesregierung für angemessen, um, wie der Finanzminister Trautvetter ausführte, "der Helaba 'im Konzert der großen Landesbanken' wieder mehr Gewicht" zu verleihen?

3. Sieht die Landesregierung nach dem erkennbaren Rückzug der Privatbanken aus dem Firmenkreditgeschäft die Landesbeteiligung an der Helaba als Mittel für die Sicherung von Finanzierungsmöglichkeiten von klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn ja, welche Abgrenzung von Geschäftstätigkeiten wird es zwischen der Helaba und der Thüringer Aufbaubank geben?

4. Welche Einschätzung trifft die Landesregierung hinsichtlich der Finanzierungsmöglichkeiten des Thüringer Helaba-Anteils in Höhe von 5 Prozent durch das Thüringer Wohnungsbauvermögen vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Eingliederung des Wohnungsbauvermögens des Landes NordrheinWestfalen in die Westdeutsche Landesbank?

Bitte, Herr Minister Trautvetter.

Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Abgeordneter Ramelow, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Mit der beabsichtigten Beteiligung des Freistaats Thüringen an der Landesbank Hessen-Thüringen/Girozentrale unterstreicht die Landesregierung die Aufgabenstellung der öffentlich-rechtlichen Kreditwirtschaft, die mit ihren Sparkassen und Landesbanken für die Entwicklung der Regionen, für die Kreditversorgung des Mittelstands und für einen intensiven Bankwettbewerb von entscheidender Bedeutung ist.

Zu Frage 2: Nach unserer Auffassung wird unabhängig von bankrelevanten Kennziffern die Position der Helaba durch die Übernahme der Mitgewährsträgerschaft der Länder Hessen und Thüringen gestärkt und der hessisch-thüringische Einfluss im Bereich der Landesbankenpolitik gegenüber anderen Landesbanken und Ländern erhöht.

Zu Frage 3: Ein ganz klares Ja. Die Abgrenzung der Geschäftsfelder der Helaba und der Thüringer Aufbaubank ergeben sich aus den jeweiligen Satzungen der Institute.

Zu Frage 4: Eine Entscheidung über die konkrete Finanzierung der Thüringer Beteiligung an der Landesbank Hessen-Thüringen ist noch nicht getroffen. Deswegen sieht die Landesregierung auch für eine Einschätzung im Sinne der Frage 4 zurzeit keine Veranlassung; und es ist auch nicht vergleichbar mit den Brüsseler Überprüfungen des Wohnungsbauvermögens bei der West-LB.

Es gibt eine Nachfrage.

Eine Nachfrage zur Antwort auf die Frage 3: Satzung und Aufgabenstellung der beiden Institute ist getrennt, die Frage ist nur, ob sich jetzt aus diesem Engagement des Freistaats die Möglichkeit eröffnet, die Beteiligung auch der Helaba in Erwägung zu ziehen an der Thüringer Aufbaubank. Sieht die Landesregierung eine Möglichkeit, den Weg - Aufbau der Förderbank - damit positiv weiter zu begleiten?

Meines Wissens haben wir im letzten oder vorletzten Jahr gerade das Thüringer Aufbaugesetz novelliert, um die Beteiligung von öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten an der Thüringer Aufbaubank zu ermöglichen.

Es gibt eine weitere Nachfrage. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Pidde.

Herr Minister, wichtig wäre doch eine Mitbestimmung des Landes bei wichtigen geschäftspolitischen oder strukturverändernden Entscheidungen. Wie können Sie das mit 5 Prozent Beteiligung erreichen?

Durch unsere Gewährsträgermitsprache in den Gremien der hessisch-thüringischen Landesbank.

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke, Herr Minister. Ich stelle die Beantwortung der Frage fest. Wir kommen zur Frage in Drucksache 3/703. Bitte, Herr Abgeordneter Dittes.

Der Bund der Vertriebenen (BdV) - Landesverband Thüringen und der "Zentralrat der vertriebenen Deutschen"

Am 25./26. März 2000 fand in Görlitz eine Veranstaltung des "Zentralrats der vertriebenen Deutschen" statt, bei der Dr. Paul Latussek "vom LV Thüringen seine von allen lang ersehnte inhaltsreiche Rede" hielt. ("Der Schlesier" 7. April 2000, S. 1). Im Rahmen dieser Zusammenkunft wurde eine "Görlitzer Resolution vom 26. März 2000" verabschiedet. Die Mehrzahl der Unterzeichnenden entstammt BdV-Gliederungen und Landsmannschaften, überwiegend aus den neuen Bundesländern, darunter nach dem ZvD an zweiter Stelle Dr. Paul Latussek, BdV-Landesverband Thüringen. Zwischen BdV und ZvD bestehen seit Monaten Konflikte, da der ZvD sich bemüht, BdVGliederungen zu radikalisieren. "Der rechtsextremistischen Kleingruppe 'Zentralrat der vertriebenen Deutschen e.V.' in Stuttgart dient die Zeitschrift 'Der Schlesier' als Werbeträger und Sprachrohr. Der Vorsitzende des 'Zentralrats' schreibt regelmäßig Artikel und Kolumnen im 'Schlesier' und versucht, das NS-Regime durch Leugnung der deutschen Kriegsschuld und Relativierungen der nationalsozialistischen Verbrechen zu entlasten." Die Resolution unterzeichnete unter anderem auch der Landesverband Sachsen der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO). Der JLO wurde aufgrund rechtsextremer Vorfälle bereits am 29. Januar 2000 der Status als offizielle Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreußen entzogen. Dr. Paul Latussek ist nicht nur Landesvorsitzender des BdV-Landesverbands Thüringen, sondern auch Lehrbeauftragter an der TU Ilmenau.

Ich frage die Landesregierung:

1. Sind der Landesregierung Aktivitäten des ZvD in Thüringen bekannt, und wenn ja, teilt die Landesregierung die Auffassung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen, dass es sich bei dem "Zentralrat der vertriebenen Deutschen" e.V. um eine rechtsextremistische Gruppe handelt, und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

2. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über die Beziehungen des BdV-Landesvorsitzenden und Lehrbeauftragten an der TU Ilmenau, Dr. Paul Latussek, zum ZvD vor (soweit vorhanden, bitte aufschlüsseln nach Mitglied- schaft, Referententätigkeiten, Kooperationen etc.) ?

3. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund der in der Einleitung getroffenen Aussagen die Zusammenkunft in Görlitz am 25./26. März 2000, an der unter anderem der Thüringer BdV-Landesvorsitzende und Lehrbeauftragte an der TU Ilmenau, Dr. Paul Latussek, teilgenommen hat?

4. Teilt die Landesregierung die Forderung der Unterzeichner, zu denen auch Dr. Paul Latussek gehört, nach sofortiger "Herausgabe ihres völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums und die unverzügliche Entschädigung der bisher entgangenen Nutzungsausfälle", und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Brüggen.

Frau Präsidentin, namens der Landesregierung beantworte ich die Anfrage wie folgt: Zunächst einmal stelle ich fest, dass die Landesregierung davon absieht, die Anfrage wegen Verfristung nicht zu beantworten. Die Fragen 1 bis 4 beantworte ich wie folgt:

Weder der Zentralrat der vertriebenen Deutschen aus Stuttgart noch der Bund Deutscher Vertriebener sind Beobachtungsobjekt des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz. Die Landesregierung sieht seit jeher davon ab, vermeintliche Äußerungen von Privatpersonen oder privater Vereine zu kommentieren. Einer Beantwortung der Fragen 2 und 3 stünden zudem datenschutzrechtliche Belange im Sinne des Artikels 67 Abs. 3 Nr. 1 der Thüringer Verfassung entgegen.

Danke, Herr Staatssekretär. Gibt es Nachfragen? Ja, es gibt Nachfragen.

Frau Präsidentin, keine Nachfragen, ich möchte darauf hinweisen, dass Frage 4 noch nicht beantwortet ist.

Ich habe komplett zu den Fragen 1 bis 4 geantwortet.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Das war akustisch nicht zu verstehen.)