Protocol of the Session on June 8, 2000

Und heute lese ich wieder die Überschrift zum Hainich "Matschie kontra Eichel". Ja, der Herr Matschie, der erzählt und erzählt und erzählt. Wo bleibt denn das Ergebnis?

(Beifall bei der CDU)

Tun Sie doch was in Bonn und Berlin. Sie beschweren sich alle unisono, das ist ja natürlich auch das Recht der Opposition, dass wir bei der Bewertung der heutigen Umweltstandards in Thüringen davon ausgehen, was war vorher. Nur, wenn ich nicht davon ausgehe, was war vorher, was soll ich denn dann als Maßstab nehmen? Und wer heute mit einem offenen Blick und ehrlichen Herzens durch unser Land geht und behauptet, es habe sich in Sachen Umwelt so gut wie nichts getan, den kann ich nur noch zu den härtesten Ignoranten überhaupt zählen.

(Beifall bei der CDU)

Sicher, es gibt noch reichlich zu tun, das wissen wir auch, aber wenn man sich diese Ausgangssituation vergegenwärtigt, dann muss man doch einfach einmal fragen, wo soll ein kleines Land wie wir, die wir ja nicht nur die Umwelt in Ordnung zu bringen hatten, da musste die Wirtschaft aufgebaut werden, wir hatten mit vielen Firmenzusammenbrüchen zu tun, die ganze Infrastruktur hat nicht gestimmt. Der Herr Minister hat es gesagt, 19.000 Altlastenverdachtsflächen; geordnete Deponien, die diesen Namen verdienen, gab es kaum; unsere Flüsse und Bäche, das waren eher Abwasserkanäle denn lebendige Gewässer. Manche behaupteten sogar, man könne in dem Chemiecocktail durchaus einen Film entwickeln. Vielleicht kann sich der eine oder andere auch noch an die unnachahmliche Duftmischung aus Braunkohlen- und Trabiabgasen in unseren Städten erinnern. Und das heute oft und gern zurückgewünschte und gar nicht so schlechte Sero-System der DDR, das war auch nicht aus ökologischen Gründen eingerichtet, sondern wohl eher aus der ständigen Rohstoffnot geboren.

Natürlich, auch damals gab es Naturschutzgebiete und es gab eine Reihe von Naturfreunden, die sich um Umweltschutz und Artenschutz intensiv gekümmert haben. Allerdings konnten sie sich noch so sehr mühen, gegen die grandiose Umweltzerstörung im Sozialismus, und das immer unter der Parole der Friedenssicherung, konnten sie nichts, aber auch gar nichts ausrichten.

(Beifall bei der CDU)

Als Beispiel kann ich hier als sehr große Objekte den Wismut-Bergbau nennen, da kann man sich das einmal ansehen, wie das so in der DDR mit Umwelt zuging oder auch den Raubbau in der Kaliregion über und unter Tage. Manche Biotope waren natürlich auch rund um die Uhr bewacht, das ist richtig, nämlich die militärischen Sperrgebiete und der Grenzstreifen der innerdeutschen Grenze. Auch hierfür war nicht der ökologische Gedanke die Wurzel, sondern eher das Ein- bzw. Aussperren unserer Menschen. Das muss man auch einmal ganz klar sagen. Und eine Auswertung, was sich in diesem Bereich ökologisch entwickelt hat oder auch, wenn wir an Nohra denken, welche Umweltkatastrophen verursacht wurden, auch das konnte erst nach der Wende festgestellt werden. Angesichts der Altlasten und des Aufwands, der zum Wiederaufbau unseres Landes notwendig war, denke ich schon, dass wir Thüringer alle gemeinsam auf das Erreichte doch ein kleines bisschen stolz sein dürfen.

(Beifall bei der CDU)

Selbstzufriedenheit liegt uns in diesem Zusammenhang sehr, sehr fern. Das möchte ich ausdrücklich betonen, vor allem auch deshalb, weil mit der weiteren Entwicklung unserer Infrastruktur, und die ist sicher notwendig, immer noch Natur in Anspruch genommen werden muss. Sie haben von Flächenversiegelungen gesprochen, Herr Kummer. Ich kenne das Problem genauso gut und hier müssen wir einfach auf einen sinnvollen, angemessenen, aber vor allen Dingen dauerhaften Ausgleich dieser Eingriffe achten. Und da meine ich, ein Beispiel wie die Flächenzuordnungsvereinbarung für die Kernzone im Hainich ist schon ein guter Ansatz, denn dieses ist ein dauerhafter und auch sinnvoller Ausgleich eines solchen Eingriffs. Auch unter dem Aspekt knapper werdender Mittel darf die Umwelt und darf der Naturschutz bei uns nicht unter die Räder kommen. Deshalb sind auch im Umweltbereich ständig gute Ideen und ein gesundes Maß an Pragmatismus notwendig. Ideologische Grabenkämpfe bringen uns hier keinen Schritt weiter.

(Beifall bei der CDU)

Auch wirtschaftlich steckt natürlich ein großes Potenzial im Umweltschutz. Nicht nur für den Tourismus ist eine gesunde und saubere Umwelt unerlässlich, eine Reihe kleiner und mittlerer Betriebe befasst sich in Thüringen mittlerweile mit der Entwicklung und dem Bau von Umwelttechnik, sei es im Bereich der Abfallverwertung, Energieerzeugung, Lärmschutz oder Luftreinhaltung. Viele Beispiele könnte

man hier noch nennen. Viele kleine und hoffnungsvolle Pflänzchen wachsen da weitgehend im Verborgenen. Sorgen wir dafür, dass sie wachsen und gedeihen können. Hier allerdings würde das Geld aus der Ökosteuer einen wirklich nachhaltigen ökologischen Effekt erzielen und die Steuer würde ihrem Namen gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Bei allen Problemen, die wir noch haben, denke ich, der Herr Minister Sklenar hat keine Schönfärberei und keine Schönrederei betrieben. Wer seine Rede noch mal nachliest, wird sehr schnell erkennen, er hat natürlich auch die Finger auf die Stellen gelegt, wo wir noch Probleme haben. Wir werden uns als Umweltpolitiker insgesamt natürlich auch immer einem noch höheren Druck ausgesetzt sehen in vielen Fragen. Ich denke aber, wenn wir mit Vernunft und Augenmaß an die Sache herangehen, dann können wir auch im Bereich Naturschutz und Umwelt weitere Fortschritte in Thüringen erzielen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Sedlacik, PDS-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Minister Sklenar, meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass ohne den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen jetzt und in Zukunft wirklich nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsformen nicht bestehen können. Die Landesregierung hat mit dieser heutigen Berichterstattung, oder ich möchte der SPD-Fraktion Recht geben, mit dem Rechenschaftsbericht unter dem Motto "von der Reparatur zur Vorsorge" sich eindeutig dazu bekannt. Was bewegt mich und zahlreiche meiner ehrenamtlichen Amtskollegen in den Kommunen zu dieser Aufgabenstellung? Viel gibt es noch zu tun, um wirklich wirksam umweltorientiertes nachhaltiges Denken auszuschöpfen und umzusetzen. Jeder von uns ertappt sich gelegentlich selbst dabei, mehr oder weniger seine unmittelbare Umwelt zu schädigen. Was wir von anderen erwarten, dass sie ihr Handeln kritisch bewerten, müssen wir aber zuallererst mit uns bewusst tun. Ich denke hier nur an ganz simple Dinge, die jeder selbst beeinflussen kann, wie die Vermeidung von Müll, Wahl der Fortbewegungsmittel, die Ressourcenschonung, das Verhalten in der Natur und ich denke auch an unsere Einkaufs- und Verbrauchergewohnheiten. Genau mit diesen Diskussionen haben wir in unserer Stadt begonnen, als uns so mancher Konsummüll das Stadtbild versaute. Dass dieser Prozess schon der Anfang einer lokalen Agenda 21 sein könnte, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Für mich als ehrenamtliche Bürgermeisterin war es schockierend, als ich fünf Jahre nach Rio das erste Mal vom Anliegen der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen hörte, und ich zähle

mich gerade nicht zu den desinteressierten Bürgern dieses Landes.

Bereits 1992 wurden unter anderem auch für die Kommunen im Kapitel 28 die Aufgaben zur Erstellung lokaler Agenden 21 bis 1996 festgelegt. Aber zu diesem Zeitpunkt wussten doch die wenigsten Kommunen davon. Mein Einstieg begann als Kommunalpolitikerin damit, dass ich mich beim Umweltverband BUND sachkundig machte. Bei Neudietendorfer Dialogen bekam ich erste Informationen, wo sich Schritt für Schritt dann auch das Ministerium, der Thüringer Gemeinde- und Städtebund aktiv einschaltete. Nur umfassendes Selbststudium durch Wälzen von Dokumenten, Erfahrungen sammeln über das Internet, das Suchen nach laufenden Projekten in den alten Bundesländern konnte mich in die Lage versetzen, in meinem Einflussbereich, dort wo ich Kompetenz besaß, gegen die ablehnende Haltung, die es ja zur Agenda gab, vorzugehen. Denn immer wieder in den Diskussionen begegnete mir die Verwechslung Agenda 2000 zur Agenda 21 und ich denke, diese Sache haben wir endlich ausgeräumt.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Rich- tig!)

Es dauerte mehr als drei Jahre, bis vom Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt endlich die zehn Leitlinien zur Umsetzung der Agenda 21 in Thüringen veröffentlicht wurden. Auch die Schaffung der gemeinsamen Transferstelle des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes und des Thüringer Ministeriums war lange überfällig.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Manche haben noch gar keine.)

Es ist schon topp, Herr Minister, wenn Sie von Verdoppelung und Verfünffachung der Agenda-Aktivitäten sprechen, aber dieser Prozess ist viel zu langsam in Thüringen in Gang gekommen. In dieser Zeit sammelten wir in unserem Städtchen Hohenleuben schon eigene Erfahrungen in diesem Prozess. Wir erkannten sehr schnell, dass es eine hoffnungsvolle Form breiter demokratischer Beteiligung nicht nur zu Umweltfragen, sondern auch, wie es in den Leitlinien des Ministeriums steht, für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und im sozialen Bereich ist. Die Agenda 21 ist eine gewaltige Aufgabenstellung, eine Querschnittsaufgabe für alle Ministerien und ich bedauere, dass der Landwirtschaftsminister allein hier diese Aufgabe präsentiert. Wo sind Sie?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Da ist er doch!)

Weil es vielen Agenda-Aktivisten in Thüringen so geht wie uns, möchte ich meine Erfahrungen hier mitteilen.

Von den erstmals 1998 bereitgestellten Fördermitteln von 240.000 DM in ganz Thüringen bekamen auch wir in Hohenleuben für eine SAM-Stelle etwas ab. Hochmotiviert besuchten wir Moderatorenschulungen. Das Hohenleubener Agenda-Forum wurde gebildet; es gelang uns, Multiplikatoren zu gewinnen. Sogar in einem Frauenprojekt in einem großen Teil unseres Kreises Greiz wurden Agenda-Moderatorinnen geschult und eingesetzt. Doch mit Beendigung dieser Förderung bekamen auch diese zwölf Frauen wieder den Schein vom Arbeitsamt.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ja, ja, genau so.)

Deshalb meine ausdrückliche Bitte, nein, meine ausdrückliche Forderung an alle beteiligten Ministerien, und ich bitte Sie, Herr Sklenar, das Ihren Amtskollegen deutlich zu machen: In der Umsetzung der zehn Leitlinien sollen und müssen die Kommunen entsprechend auch mit Mitteln ausgestattet werden, denn viele der durch die GETAgenda bekannten Projekte sind vorwiegend vom zweiten Arbeitsmarkt getragen. Sorgen Sie dafür, dass der hoffnungsvolle Beginn des Agenda-Prozesses mit Ende der SAM-Förderung kein bitteres Ende nimmt.

(Beifall bei der PDS)

Die Kommunen werden nicht in der Lage sein, diese geschulten Leute einzustellen, gerade hier könnten und sollten sie aber ihrer Funktion, also die Funktion der Kommune, auch als Arbeitgeber gerecht werden. Der Wettbewerb zur Umsetzung der lokalen Agenda 21 unter Beteiligung kleinerer und mittlerer Unternehmen ist eine prima Sache. Aus eigener Erfahrung sage ich Ihnen, dass der Dialog zwischen Kommune und den kleinen und mittleren Unternehmen bei uns nicht besser hätte initiiert werden können. Unsere erreichten Ergebnisse können wir auch als kleine Stadt schon stolz im Internet präsentieren; doch sind es nicht mal 30 Projekte, genau 32 Projekte, die in den Genuss dieser Förderung kommen. Ich habe große Sorge, dass viele auf halber Wegstrecke wieder zum Sterben verurteilt sind. Geschaffene Anreize zu regionalen Wirtschaftskreisläufen, regionalen Kultur- und Umweltprojekten durch die aktive Beteiligung am Wettbewerb sind ohne nachhaltige politische und finanzielle Unterstützung der Beteiligten nicht zukunftsfähig. Da ja der Ruf nach Deckungsmitteln dann immer gleich laut wird, möchte ich hier die parteiübergreifende Forderung meiner Amtskollegen in den Kommunen nach der Erhöhung der Investitionspauschale erneut benennen. Ich bin kein Expo-Gegner, aber Recht haben doch die Kritiker, dass diese Millionen tatsächlich vor Ort besser aufgehoben wären.

(Beifall bei der PDS)

Zu spät das Gejammer von fehlenden Besucherscharen und weiteren Millionen Ausfällen. Ein anderer Vorschlag: Schließen Sie doch endlich einige Fördertöpfe, wo kreditunwürdige Kommunen schon lange keinen Zugriff mehr

haben. Auch arme Kommunen haben Zukunftspläne, das beweist unsere kleine Stadt in Ostthüringen. Wir erbetteln uns jedes Jahr Bedarfszuweisungen, die gerade einmal zur schrittweisen Beseitigung schlimmster Straßenzustände reichen. Solche Handlungsfelder wie umweltverträgliche Verkehrs- und Siedlungsentwicklung, zwingende Verminderung des Flächenverbrauchs, Maßnahmen zur Förderung des Umweltbewusstseins und des Umweltverhaltens, die Verankerung eines Umweltmanagements in der kommunalen Verwaltung und vieles andere mehr müssten zu Pflichtaufgaben erhoben werden, denn freiwillige Aufgaben - ich hasse zwar diese Einteilung in Pflicht- und freiwillige Aufgaben, aber es ist nun einmal Praxis - müssen viele Kommunen abspecken. Es wäre verhängnisvoll, wenn wir dieses zarte Pflänzchen im Keim schon wieder vertrocknen lassen.

(Beifall bei der PDS)

Als Mitglied des Umweltausschusses werde ich besonders auf genannte Prozesse meine Aufmerksamkeit richten. Abgeordneter Kummer und ich, wir sind Neulinge im Parlament und auch im Umweltausschuss. Wir haben einen großen Informations- und Diskussionsbedarf. In diesem Sinne bedanke ich mich heute für diese aktuelle Diskussion und es wird uns immer besser gelingen, auch den Finger auf offene Wunden zu legen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Wunderlich?

Bitte, Herr Abgeordneter Wunderlich.

Frau Abgeordnete, Sie sprachen vorher, dass im Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt Fördertöpfe gestrichen oder geschlossen werden sollen. Könnten sie eventuell einmal im Detail genau solche Fördertöpfe benennen? Vielleicht könnten wir dann gemeinsam in den Ausschüssen darüber diskutieren.

Ich könnte einige benennen.

Ja, Sie sollen sie ja benennen.

Die Förderbroschüre kennen Sie selber, die ist so dick. Es ist verhängnisvoll, wenn Kommunen zuerst diese Broschüre wälzen und schauen, wo können wir denn Mittel eventuell erhaschen, und nicht das umsetzen können, was sie in ihren Aktionsprogrammen beschlossen haben. Darum geht es mir.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Gestatten Sie eine weitere Frage?

Ja, bitte.

Frau Abgeordnete, Sie sprachen davon, dass Fördertöpfe geschlossen werden sollen und nicht dass gebündelt werden soll. Dann, bitte schön, nennen Sie doch einmal im Detail Fördertöpfe, die im Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt geschlossen werden sollen, damit wir uns in den Ausschüssen - sowohl im Ausschuss für Naturschutz und Umwelt als auch im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - damit beschäftigen können. Deswegen haben wir ja auch heute hier diese Regierungserklärung zur Umweltpolitik.

Ich würde den Vorschlag machen, dass wir uns im Ausschuss für Naturschutz und Umwelt darüber unterhalten.