Dann werden wir sozusagen zwei Nachantworten bekommen. Das wollen wir so festhalten. Ich sehe aber keine weitere Nachfrage. Damit ist die Frage abgeschlossen und wir kommen vermutlich zur letzten Mündlichen Anfrage für heute, eine des Abgeordneten Gentzel in Drucksache 3/590. Frau Abgeordnete Pelke wird für Herrn Gentzel die Fragen vortragen.
Nachdem der erste Versuch zur Zulassung des Volksbegehrens für "Mehr Demokratie in Thüringen" am Einspruch der Landtagspräsidentin gescheitert ist, startete die Bürgerinitiative am 17. April 2000 eine neue Initiative. Zeitungsberichten zufolge gibt es ein von der Landesregierung erstelltes, dem gesamten Landtag aber in vollem Umfang nicht bekanntes Gutachten, welches die Initiative der Bürgerinitiative grundsätzlich in Frage stellt.
2. Gibt es ein Gutachten der Landesregierung, das sich grundsätzlich gegen die Zulässigkeit des Volksbegehrens ausspricht?
3. Wenn ja, ist es richtig, dass das entsprechende Gutachten nur in gekürzter Fassung an den Landtag weitergeleitet worden ist?
Für die Landesregierung beantworte ich die Anfrage von Herrn Gentzel, vorgetragen von Frau Pelke, wie folgt:
Lassen Sie mich erst eine Vorbemerkung machen. In Thüringen entscheidet gemäß § 11 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerbegehren, Volksbegehren und Volksentscheid die Präsidentin des Thüringer Landtags über die Zulässigkeit des Antrags auf Zulassung des Volksbegehrens. Zur Vorbereitung einer solchen Entscheidung holt diese unverzüglich die Stellungnahme der Landesregierung zur Zulässigkeit ein. Im Zusammenhang mit dem am 11. Januar 2000 dem Thüringer Landtag übergebenen Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens "Mehr Demokratie in Thüringen" hat sich die Landesregierung am 8. Februar 2000 mit der Frage der Zulässigkeit beschäftigt. Unabhängig von diesem konkreten Anlass möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich die Frage der Zulässigkeit und Ausgestaltung von direkten Beteiligungsmöglichkeiten bzw. Initiativrechten der Bürger für eine Angelegenheit halte, die von großer Bedeutung für die Verfassung, für den Staat, für die Akzeptanz und das Verständnis der Bürger von Politik ist. Deshalb ist es wichtig, wenn dieses Thema durch die Bürger unter Einbeziehung aller wichtigen Institutionen, seien es die gesellschaftlichen, seien es die sozialen, diskutiert wird.
Zu Frage 1 - Wie steht die Landesregierung zu dem Volksbegehren für "Mehr Demokratie in Thüringen"? Die Antwort hierzu: Da es noch keinen neuen Antrag auf Zulassung eines solchen Volksbegehrens gibt, kann dazu derzeit nichts gesagt werden. Die Landesregierung nimmt zu einem erneuten Antrag in dem eben beschriebenen Verfahren gemäß § 11 des Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag usw. zu diesem Volksbegehren Stellung, sobald sie von der Präsidentin des Thüringer Landtags dazu aufgefordert werden wird.
Zu Frage 2 - Gibt es ein Gutachten der Landesregierung, das sich grundsätzlich gegen die Zulässigkeit des Volksbegehrens ausspricht? Die Antwort lautet: nein.
Danke schön. Gibt es Nachfragen? Es gibt keine Nachfragen. Damit ist diese Mündliche Anfrage beantwortet, und weil diese Antworten eben so kurz waren, können wir noch eine Frage stellen, und zwar die Frage in Drucksache 3/602 der Abgeordneten Frau Thierbach. Herr Gerstenberger, Sie machen das für Frau Thierbach.
Aus den Medien war zu entnehmen, dass die Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Thüringen e.V. sowie die Sozialamtsleiter der kreisfreien Städte sich in einer Beratung zur Weiterführung von SAM über den 30. Juni 2000 hinaus und die durch das Wirtschaftsministerium erstellten Qualitätskriterien für SAM-Projekte ab 1. Juli 2000 verständigten. In oben genannter Beratung wurde massive Kritik in der kurzfristigen vorgeschriebenen Evaluierung der SAM, vor allem im Bereich Soziales, Jugend, Sport und Umwelt, geübt. Die Beteiligten waren sich einig, dass eine Evaluierung notwendig wäre, aber dies sei nicht unter Zeitdruck durchzuführen, und teilten den Vertretern des Gemeinde- und Städtebundes sowie den zuständigen Ministerien Folgendes mit:
b) Anwendung der vorgegebenen Qualitätskriterien für neue Maßnahmen von SAM-Projekten ab 1. Januar 2001;
1. Wird die Landesregierung dem Vorschlag der Parität sowie der Sozialamtsleiter der kreisfreien Städte, eine Evaluierung von SAM-Projekten ab dem 1. Januar 2001 durchzuführen, zustimmen?
2. Sieht die Landesregierung die Bildung von Beiräten vor, in denen Vertreter der Kommunen, der zuständigen Fachministerien sowie Träger von SAM-Projekten zusammenarbeiten, um ein abgestimmtes Vorgehen bei Neubewilligungen von SAM-Projekten zu garantieren?
3. Wird die Landesregierung den Vorschlag der Parität sowie der Sozialamtsleiter der kreisfreien Städte aufgreifen und seitens der Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung mbH alle Maßnahmen im Bereich von Soziales, Jugend, Kultur, Sport und Umwelt, die bereits eine Bewilligung vom Arbeitsamt haben, über den 30. Juni 2000 hinaus verlängern?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Thierbach, vorgetragen von Herrn Gerstenberger, für die Thüringer Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Hinsichtlich die Neuausrichtung der Thüringer Arbeitsmarktpolitik in Richtung einer größeren Wirtschaftsnähe wurde nach Gesprächen mit dem Thüringer Paritätischen Wohlfahrtsverband und dem Thüringer Gemeinde- und Städtebund grundsätzlich Übereinstimmung erzielt. Dabei wurde bekräftigt, dass das oberste Ziel jeder Arbeitsmarktpolitik ein Beitrag zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen sein muss. Um das Arbeitsmarktinstrument SAM effektiver einzusetzen, wurden Qualitätskriterien erarbeitet, die künftig als Maßstab für die Bewilligung von SAM-Projekten dienen. Die Qualitätskriterien schreiben differenzierte Bewertungen der einzelnen Maßnahmen durch die jeweils fachlich zuständigen Institutionen vor und sind unter anderem den Landkreisen, den kreisfreien Städten, den Wohlfahrtsverbänden und den Trägern bekannt. Bis zum 31. Mai erhalten die Träger Auskunft über die Maßnahmen, die nach dem 30. Juni 2000 aus zwingenden Gründen, das heißt z.B., ich hatte es vorhin schon gesagt, drohende Insolvenzen, unzureichende Verwendungsnachweise etc., nicht verlängert werden können. Hierbei gehen wir von einer kleinen Anzahl von SAM aus. Um den Zeitplan für die fachlich erforderlichen Stellungnahmen nicht zu eng werden zu lassen, werden alle anderen laufenden Maßnahmen verlängert, und zwar bis zum Ende des von der Arbeitsverwaltung vorgesehenen Bewilligungszeitraums. Das vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur erarbeitete Prioritätenverfahren gilt für alle Neuanträge nach der neuen Richtlinie ab 1. Mai 2000. Hierfür sind die genannten fachlich differenzierten Bewertungen erforderlich. Für die Bereiche Soziale Dienste und Jugendhilfe werden die Sozialdezernenten der Kreise und kreisfreien Städte um Stellungnahme gebeten, für die Bereiche Breitensport natürlich der Landessportbund. Das Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit bewertet insbesondere Maßnahmen mit überregionaler Bedeutung. Auf der Grundlage dieser Stellungnahme erfolgt die Entscheidung über die Durchführung der einzelnen Maßnahmen.
Zu Frage 2: Ein abgestimmtes Vorgehen bei der Neubewilligung von SAM ist gewährleistet. Es stellt sich wie folgt dar: Ein interministeriell besetzter Bewilligungsausschuss überwacht die Umsetzung der beschlossenen Neuorientierung. Der Bewilligungsausschuss, in dem Vertreter aller beteiligten Fachressorts und der GfAW einbezogen sind, trifft sich 14tägig, bei Bedarf auch öfter und intendiert zugleich die Verknüpfung der SAM mit anderen Förderinstrumenten des Landes, natürlich auch des Bundes. Zugleich erfolgt eine verbesserte Abstimmung und ein kontinuierlich listenmäßiger Abgleich zur Bewilligung der Maßnahmen mit den zuständigen Arbeitsämtern, die die pauschalierte Grundfinanzierung beisteuern. Die Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik, das heißt die Einbindung der Regionalbeiräte in den Entscheidungsprozess, stellt sicher, dass Projekte mit besonderer Strukturrelevanz aus der Region heraus entwickelt werden und dem regionalen Bedarf zielgerecht zugeführt werden. Bei der Bewilligung von Maßnahmen im Bereich der sozialen Dienste und der Jugendhilfe werden wir in Zusammen
arbeit mit den zuständigen kommunalen Stellen zu einem mittel- und langfristig tragfähigen Planungskonzept kommen. Die Bildung zusätzlicher Beiräte in dem von Ihnen angesprochenen Sinne ist aus unserer Sicht nicht erforderlich.
Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Danke, Herr Staatssekretär Richwien. Damit ist die Fragestunde beendet.
Wir setzen unsere Beratung mit dem schon vor der Mittagspause begonnenen Tagesordnungspunkt 9 fort. Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Emde zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Thüringer Regelschule hat zuallererst einmal eine Grundbildung zu sichern. Im Nebensatz sei bemerkt, dass diese Grundbildung in letzter Zeit von der Wirtschaft doch immer einmal kritisch hinterfragt wird. Aber europaweite Leistungsvergleiche werden sicherlich in naher Zukunft zeigen, wo wir stehen. Zur Sicherung dieser Grundbildung sollen an den Thüringer Regelschulen Kompetenzen ausgebildet werden. Traditionell verstehen ja wohl die meisten dann unter diesen Kompetenzen eben die Sachkompetenz; es geht aber auch um die Vermittlung von Sozialkompetenz, es geht um die Vermittlung von Selbstkompetenz und von Methodenkompetenz. Danach haben sich die Fächer als auch der fachübergreifende Unterricht und das gesamte Schulleben an der Regelschule zu richten. Es geht dabei um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen optimaler Förderung des Einzelnen und sozialer Chancengerechtigkeit. Schulorganisatorische Modelle, über die wir hier reden, müssen diesem Anforderungsniveau gerecht werden. Die dabei möglichen Varianten sollen die derzeit laufenden Projekte "Kleine Regelschule" ausloten. Natürlich gibt es auch Mindestgrößen von Schulen. Wenn diese unterschritten werden, lässt sich ein qualitätsgerechter Unterricht nicht mehr organisieren. Wir sind es den Schülerinnen und Schülern aber zuallererst schuldig, eine Bildung zu sichern, die ihnen einen guten Weg in die berufliche und sonstige Lebenswelt ermöglicht. Also Qualität hat Priorität vor dem Erhalt einer jeden Landschule. Ab wann eine kleine Regelschule noch funktioniert und wann nicht, das lässt sich nicht einfach mit einer Mindestschülerzahl in einer Richtlinie festschreiben, denn die Rahmenbedingungen sind doch an jeder Schule völlig andere. Zum Beispiel sind es bauliche Voraussetzungen oder die Verknüpfung mit anderen Schulen oder auch die Situation im Personalkörper oder auch das jeweils anders vorhandene Schülerpotenzial. Diese Bedingungen ändern sich auch noch ständig. Deshalb ist nur ein Weg der richtige, nämlich: Die Verantwortung für den Erhalt oder Nichterhalt einer kleinen Regelschule gehört vor Ort zum Schulträger. Dort
ist sie hinzudelegieren, dort haben wir sie ja hindelegiert. Und die Schulträger kommen meines Wissens mit der derzeit geltenden Rechtslage auch bestens zurecht und deshalb brauchen wir auch keine neue Richtlinie. Insofern kann ich der Intention des Antrags von Herrn Döring und der SPD-Fraktion nicht folgen. Ich denke, dass mit der derzeitigen Praxis sehr gut auf die Bedingungen in Thüringen reagiert ist.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, natürlich ist auch mir klar, niemand wird das Wunder bewirken können, dass Kinder eingeschult werden, die zuvor nicht geboren wurden. Insofern bin ich kein Traumtänzer. Die Halbierung der Geburtenzahlen kann nicht ohne Auswirkungen auf die Entwicklung der Schulstandorte bleiben. Auch wenn im Zentrum der heutigen Debatte die Regelschule steht, geht es eigentlich um alle Schularten und damit - wenn auch zeitlich versetzt - auch um Gymnasien und Berufsschulen. Mit den schulstrukturellen Fragen ist ein weit umfassenderes Problemfeld verbunden; es geht um die Thüringer Gemeinden als lebenswerte Orte für Familien, es geht um eine enge Beziehung der Eltern und Kinder zu ihrer heimatlichen Schule und nicht zuletzt geht es um Schulen mit einem Schulklima, das Erziehung fördert. Wenn wir die regionalen Verwerfungen im Schulangebot verhindern wollen, dann brauchen wir ein langfristiges, perspektivisches Denken bei der Bildungsplanung. Die jetzigen Vorgaben werden diesem Ziel nicht mehr gerecht. Die bisherige Schulnetzplanung muss in eine Perspektive eingebunden werden, die die voraussichtliche Entwicklung der Geburten- und Schülerzahlen für mindestens 10 bis 15 Jahre berücksichtigt. Es gilt also nicht, wie das Kaninchen vor der Schlange auf das Schülertal zu blicken, sondern die Planung auf der Grundlage der Konsolidierung, das heißt der zu erwartenden Schülerzahlen, bis mindestens 2010/2015 festzuschreiben. Außerdem sind neue pädagogische Erfahrungen und Erkenntnisse zu berücksichtigen, durch die sich viele Varianten, Schule gut zu gestalten, eröffnen.
Meine Damen und Herren, wir haben seit 1992 durch die Umstrukturierung der Thüringer Schule eine Reihe von Schulschließungen hinnehmen müssen. 280 Schulen wurden geschlossen, 160 Schulen waren davon Grundschulen, 100 Regelschulen und rund 20 Förderschulen. Das hat dazu geführt, dass die Wohnortnähe abgenommen hat und es damit zu einer Ausdünnung des Schulstandortnetzes und natürlich zu erheblichen Verwerfungen der gesetzlich garantierten Einheitlichkeit der Bildungschancen vor allem im ländlichen Raum kam. Unsere Forderung war
immer klar und deutlich: Wir wollen die Schule im Dorf lassen. Denn einmal aufgegeben, ist sie nicht mehr reaktivierbar. Wenn eine Schule geschlossen wird und sich die Geburtenzahlen danach erhöhen, dann müssen an den verbliebenen Schulstandorten die Kapazitäten mit erheblichem Kostenaufwand ausgebaut werden, wenn auch zeitversetzt. Einige Altbundesländer haben diese schmerzliche und auch teure Erfahrung machen müssen. Nicht zuletzt ist auch der Schülertransport nicht billig. Bereits jetzt sind die Wege kaum nachzuvollziehen, immerhin für Grundschüler 8 km bzw. 35 Minuten und für Regelschüler 13 km bzw. 45 Minuten. Das ist jetzt schon zu weit und zu lange.
Meine Damen und Herren, immer häufiger beklagen Eltern und Mediziner, wie abgespannt und desinteressiert Schüler nach Unterrichtszeit und Schülertransport sind. Es gibt alternative Lösungen: 1. die kleine Grundschule mit klassenübergreifendem Unterricht, 2. die kleine Regelschule mit integrierten Klassen von Haupt- und Realschule, 3. kleine, wohnortnähere Gymnasien als Außenstelle zentraler Gymnasien und 4. die gemeinsame gymnasiale Oberstufe. Schwerpunkt muss eine zielgerichtete Schulentwicklungsplanung sein, die langfristig Schulstandorte festschreibt. Maxime ist dabei ein möglichst wohnortnahes Schulangebot und das bedeutet, Überlegungen anzustellen, wie man das 10-jährige Schülertal mit alternativen Lösungen überbrücken kann. Das bedeutet keine Behelfsbrücke; es handelt sich vielmehr um eine Phase, in der innovative pädagogische Lösungen eine große Chance haben und dabei die Verbesserung der Gestaltung individueller Lernprozesse im Mittelpunkt steht. Damit finden vor allem reformpädagogische Elemente wie fächerübergreifendes und fächerverbindendes Lernen mehr Beachtung. Es gibt gute Erfahrungen europäischer Nachbarländer mit kleinen Grund- und Regelschulen. Hier sind Finnland, Italien, die Niederlande, Norwegen, England, Frankreich, Ungarn, Österreich, die Schweiz und Griechenland zu nennen. Dort gibt es vor allem kleine Grundschulen, die eher die Regel sind als die Ausnahme. Wir haben in der letzten Legislaturperiode in der großen Koalition Schulversuche, ein Pilotprojekt, auf den Weg gebracht, die den Nachweis erbringen, dass Kleinschulen als leistungsfähige und in der Fläche tragfähige Schulformen organisierbar sind. Aber wir halten die Initiative des Ministeriums für völlig unzureichend, die guten Beispiele zu verlässlichen landesweiten Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln, weil das Gesamtkonzept fehlt. Dazu gehören die Erprobung neuer Schulmodelle, auch in der Fläche, die Erarbeitung eigener Lehr- und Lernmaterialien und nicht zuletzt muss der Handlungsspielraum der einzelnen Schule gestärkt werden. Ein Beispiel wäre hier die schulscharfe Stellenausschreibung. Wir brauchen bessere regionale Unterstützungsnetzwerke; wir brauchen den moderierten Erfahrungsaustausch; wir brauchen mehr schulinterne Fortbildungsveranstaltungen und Arbeitskreise zu didaktischen, methodischen und organisatorischen Problemfeldern. Die Beratung durch die Schulaufsicht ist auch unter diesem Qualitätsgesichtspunkt zu verbessern und entscheidend ist natürlich, dass die Schulgemeinde, also
Lehrer, Schüler und Eltern, von diesem Modell überzeugt sind. Das heißt, wir brauchen öffentliche Akzeptanz und Konsens der Beteiligten, einschließlich der regionalen Schulträger. Das wird nur gelingen, wenn es ein gutes Marketing des pädagogischen Konzepts gibt, wenn auch positive Erfahrungen aus dem internationalen Raum aufgenommen werden und klassenübergreifender binnendifferenzierter Unterricht als Reformelement deutlich gemacht wird. Natürlich muss die Funktionsfähigkeit auch personell und finanziell abgesichert werden. Das heißt, die Schulträger brauchen erheblich bessere Informationen über neue Landesleistungen, sie brauchen Klarheit über veränderte Rahmenbedingungen als Anregung zur Überarbeitung der Schulnetzkonzeption und nicht zuletzt brauchen sie eine Fortschreibung der Personalplanung im Bereich des Kultusministeriums, d.h., der Zusatzbedarf an Stellen muss auch in der Planung schon festgeschrieben werden.
Wir finden uns nicht damit ab, dass eine antiquierte Richtlinie zur Schulnetzplanung in Thüringen auch weiterhin Gültigkeit behalten soll. Bei einer grundsätzlichen Orientierung auf die dreizügige Regelschule helfen auch versteckte Öffnungsklauseln nicht. Die Grundorientierung ist überholt und deshalb die gesamte Richtlinie. Und nicht erst seit heute fordern wir eine neue Richtlinie, die den realen Gegebenheiten gerecht wird. Der Abgeordnete Grob hat ja indirekt das Dilemma benannt. Er hat gesagt, im Wartburgkreis hat der Kreistag die Kleine Regelschule abgelehnt, obwohl er gar nicht weiß, unter welchen Bedingungen die Kleine Regelschule arbeitet. Von vornherein wird abgelehnt, weil man sich nicht darüber informiert hat, weil man nicht genau weiß, was die Kleine Regelschule bedeutet. Und hier, denke ich, ist auch das Kultusministerium gefordert.
Wir werden auch weiterhin auf eine Verwaltungsvorschrift zur Genehmigung von Grundschulen mit jahrgangsübergreifendem Unterricht drängen. Ebenso brauchen wir eindeutige Modalitäten zur Organisation der Kleinen Regelschule. Entscheidend ist natürlich auch, dass die Schulträger diese Kleine Regelschule wirklich annehmen und in ihre Diskussion über die Schulnetzplanung einbringen.
Die Thüringer SPD hat auch in den vergangenen Jahren die Schulentwicklung nie vorrangig unter strukturellen Gesichtspunkten erörtert. Für uns standen immer die Entwicklungschancen für die Schüler im Mittelpunkt. Die Diskussion um die Bildungskrise in den 70er Jahren wird mittlerweile abgelöst von der Diskussion über eine Erziehungskrise. Aus all den damit verbundenen Problemen nenne ich nur zwei Aspekte, die mit dem bisher Gesagten zusammenhängen. Es ist durch Untersuchungen nachgewiesen, dass in Kleinschulen ein positiveres Erziehungsklima zu erreichen ist als in großen Schulfabriken. Die räumliche Nähe der Eltern zu ihrer Schule bietet die besten Voraussetzungen für gute soziale Kontakte zwischen Elternhaus und Schule und zwischen den Schülern können soziale Kompetenzen nur miteinander ent
stehen, wenn nicht ein Teil von ihnen in eine Sonderrolle als Reisekader oder Fahrschüler gedrängt wird, die nach dem letzen Klingelzeichen aus dem Schulstandort verschwinden. Deshalb brauchen möglichst viele Schüler die Schule in ihrer Nähe.
Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie für die Schulträger einen Orientierungsrahmen für die Schulnetzplanung mit diesen Zielen bereitstellt. Danke.
Danke schön, Herr Abgeordneter Döring. Herr Abgeordneter Emde, Sie wollen noch einmal sprechen. Bitte schön.
Frau Präsidentin, liebe Kollegen, es reizt mich schon, doch noch ein paar Worte zu erwidern. Wenn Herr Döring davon spricht, dass die aktuelle Richtlinie antiquiert ist, da kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Wir haben eine Richtlinie, die akzeptiert ist von den Beteiligten, insbesondere von denen, die das vor Ort umsetzen müssen und die den Freiraum, den wir ihnen mit der Richtlinie geben, sehr wohl auch ausnutzen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn Sie vorhaben eine neue Richtlinie zu erlassen oder das zumindest hier anregen, dann habe ich den Verdacht, dass Sie den Leuten vor Ort einfach mehr vorschreiben wollen und mehr von oben aufoktroyieren wollen. Da stelle ich die Frage an Sie, ob Sie denn die Leute vor Ort einfach für unfähig halten. Das kann wohl nicht wahr sein. Sie wissen doch genau - Sie sind doch auch im Gespräch mit den Kleinen Regelschulen -, dass die Kleine Regelschule kritisch von den Lehrern, von den Schülern und von den Eltern hinterfragt wird. Denn wenn sie zu klein wird, kann sie ihre Funktion nicht mehr wahrnehmen. Herr Döring, ich habe den Eindruck, das Ganze ist ein bisschen populistisch gemacht, dass man sagt, wir sind ja nicht in der Verantwortung und wenn Schulschließungen, dann schieben wir das mal schön ab auf die CDU. Die sind ja nicht dafür, dass wir in jedem Dorf eine Schule erhalten.