Protocol of the Session on April 14, 2000

1. Welche Möglichkeiten an welchen Schulen (Grundschu- len/Regelschulen/Gymnasien) gibt es für eine wohnortnahe und integrative Beschulung von behinderten und nicht behinderten Schülern in Thüringen?

2. Wenn ja, wie werden diese angenommen und akzeptiert?

3. Wie viele behinderte Mädchen und Frauen entscheiden sich für die integrative Beschulung?

4. Welche Konzepte der Landesregierung gibt es, um den Anteil der integrativen Beschulung zu erhöhen?

Für die Landesregierung beantwortet Minister Dr. Krapp diese Anfrage.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich beantworte die Anfrage des Abgeordneten Nothnagel seitens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: In Thüringen werden Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, soweit dies möglich ist, mit Unterstützung der mobilen sonderpädagogischen Dienste in allen allgemein bildenden Schularten bzw. bis zum allgemeinen Berufsschulabschluss integrativ unterrichtet. Dies geschieht derzeit in insgesamt 190 Grundschulen, in 34 Regelschulen und 11 Gymnasien - darin eingeschlossen sind Schulen in freier Trägerschaft -, weiterhin in den drei Gesamtschulen, der Jena-Planschule Jena und den Waldorfschulen in Jena und Weimar. Eine Übersicht aller Schulen, in denen im Schuljahr 1999/2000 integrativer Unterricht stattfindet, kann auf Wunsch übermittelt werden.

Zu Frage 2: Derzeit besteht in Thüringen der Wunsch der betroffenen Eltern, ihre Kinder vorrangig in Förderschulen unterrichten zu lassen. Dem Wunsch nach integrativer Beschulung wird entsprochen, wenn die räumlichen, personellen und sächlichen Bedingungen eine angemessene sonderpädagogische Förderung gewährleisten. Kernstück dieser Integration ist neben der Eingliederung be

hinderter Kinder und Jugendlicher in das Unterrichtsgeschehen vor allem ihre soziale Integration in die Klasse und in die Schule.

Zu Frage 3: Im laufenden Schuljahr werden an den allgemein bildenden Schulen in Thüringen insgesamt 1.000 Kinder und Jugendliche und in den berufsbildenden Schulen 356 Jugendliche integrativ unterrichtet. Hierzu wird eine statistische Erfassung nach Geschlechtern nicht vorgenommen.

Zu Frage 4: Im Rahmen eines in 16 Thüringer Grundschulen stattfindenden, auf vier Jahre angelegten und wissenschaftlich begleiteten Schulversuchs (veränderte Schulein- gangsphase) wird die verstärkte Integration behinderter Schülerinnen und Schüler erprobt. Ziel ist es, soweit als möglich alle im Einzugsbereich dieser Schulen wohnenden Kinder gemeinsam in den Klassen 1 und 2 zu unterrichten, wobei diese Klassenstufen je nach individuellem Leistungsvermögen der Schüler in ein bis drei Schuljahren durchlaufen werden können. Für das Ablegen des Abiturs wurden für hörbehinderte Schüler am Gymnasium Ernestinum in Gotha sowie für sehbehinderte und blinde Schüler am Sophien-Gymnasium in Weimar die entsprechenden Möglichkeiten geschaffen.

Gibt es dazu Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Herr Abgeordneter Buse, bitte.

Frau Präsidentin, namens der PDS-Fraktion stelle ich den Antrag, diese Anfrage an den Ausschuss für Bildung und Medien zu überweisen.

Darüber stimmen wir ab. Wer der Ausschussüberweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das dafür notwendige Quorum ist erreicht, die Frage ist überwiesen. Ich rufe als Nächstes die Anfrage in Drucksache 3/487 des Abgeordneten Nothnagel auf, Ausgleichsabgabe nach § 11 des Schwerbehindertengesetzes.

Ausgleichsabgabe nach § 11 des Schwerbehindertengesetzes

Ich frage die Landesregierung:

1. Wofür wird die Ausgleichsabgabe nach § 11 des Schwerbehindertengesetzes verwendet?

2. Wie effektiv ist die Ausgleichsabgabe hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt für behinderte Menschen in Thüringen?

3. Was wird aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe in welcher Höhe (DM) finanziert?

4. Wie viel Prozent der Ausgleichsabgabe fließen in die Frauenförderung?

Für die Landesregierung beantwortet diese Frage Minister Dr. Pietzsch.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Nach § 11 Abs. 3, das wurde ja hier bereits angeführt, darf die Ausgleichsabgabe nur für Zwecke der Arbeits- und Berufsförderung Schwerbehinderter sowie für Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitswesen verwendet werden, soweit Mittel für denselben Zweck nicht von anderer Seite zu gewähren sind oder gewährt werden. Die Kosten der Verwaltung und des Verfahrens dürfen daraus nicht bestritten werden. Die Zweite Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes vom 26.07.1994 (Bundesgesetzblatt 1 Seite 1.792) - ich sage es deswegen, weil es dort detailliert aufgeführt wird enthält also die detaillierte Auflistung der finanzierbaren Leistungen aus der Ausgleichsabgabe.

Zu Frage 2, wie effektiv ist die Ausgleichsabgabe hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen: Mit dem ersten Thüringer Schwerbehindertensonderprogramm wurde bei Einsatz von 45 Mio. DM Ausgleichsabgabemittel und bis zu 100-prozentiger Förderung der Lohnkosten 1.323 Schwerbehinderten der Wiedereinstieg in das Berufsleben ermöglicht und zusätzlich wurden begleitende Hilfen in erheblichem Ausmaß erbracht. Die Einzelnen fragen Sie ja dann noch nachher an, Herr Nothnagel, die werde ich Ihnen nachher noch sagen. Der Rückfluss von etwa 5 Mio. DM dieser bereits bewilligten Mittel des Sonderprogramms in Höhe von 45 Mio. DM für während der Förderzeit bzw. in der Bindungsfrist aufgelöste Arbeitsverhältnisse macht allerdings auch deutlich, dass die Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht allein ein finanzielles Problem ist, sondern es auch etwas mit der Einstellung zu tun hat. Vorurteile des Arbeitgebers gegenüber Behinderten und auch manchmal objektiv ungünstige Arbeitsbedingungen in manchen Branchen können mit Ausgleichsabgabemitteln dann auch nicht ausgeglichen werden. Zudem sind bei einem Großteil der arbeitslosen Schwerbehinderten Vermittlungshemmnisse wie fortgeschrittenes Alter und keine der in den Stellenausschreibungen geforderte Ausbildung zu verzeichnen, die ebenfalls bei nicht behinderten Arbeitslosen der Vermittlung entgegenstehen würden. Ich darf noch einmal das betonen, was ich auch gestern gesagt habe: Behindertenpolitik fängt auch zum Teil im Kopf an und Sie

können nur schwerlich mit Geld jemanden dazu überreden, einen Schwerbehinderten einzustellen, wenn er prinzipielle Bedenken gegen die Einstellung eines Schwerbeschädigten hat.

Zu Frage 3: Was wird aus Mitteln der Ausgleichsabgabe? Ich hatte vorhin schon darauf hingewiesen, dass ich Ihnen das noch auflisten werde. Im Jahr 1999 wurden insgesamt, ich runde jetzt allerdings einmal etwas ab, ca. 22 Mio. DM an Ausgleichsabgabemitteln verausgabt. Im Einzelnen: Abführung an den Ausgleichsfonds rund 12,9 Mio. DM; Ausgleich zwischen den Hauptfürsorgestellen, das ist ein Ausgleich zwischen den Ländern, 2,5 Mio. DM; Leistungen an Arbeitgeber, d.h. Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen mit behindertengerechter Ausstattung, 4,1 Mio. DM; Schwerbehindertensonderprogramm, was ich vorhin erwähnt hatte, da gab es 1999 noch Restfinanzierungen in der Größenordnung von 300.000 DM; Leistungen an Schwerbehinderte zur begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben 555.000 DM; Leistungen für Einrichtungen zur Eingliederung Schwerbehinderter in das Arbeits- und Berufsleben 493.000 DM und sonstige Leistungen, psychosoziale Betreuung, Öffentlichkeitsarbeit, Modellvorhaben 1 Mio. DM, also insgesamt etwa 2 Mio. DM.

Zu Frage 4: Eine spezielle Frauenförderung ist nicht Anliegen des Schwerbehindertengesetzes, da Leistungen wegen der Auswirkung von Behinderungen unabhängig vom Geschlecht erbracht werden. Ich hätte auch meine Bedenken, wenn man dieses noch einmal spezifizieren würde, denn die Spezifizierung macht die Sache nicht leichter, sondern eher schwieriger. Dennoch werden Leistungen an behinderte Frauen jetzt statistisch von uns erfasst. Auf die Frage, Prozent der Ausgleichsabgabe, 34 Prozent aller Ausgaben für Frauen.

Es gibt dazu eine Nachfrage, Herr Abgeordneter Nothnagel, bitte.

Eine Nachfrage hinsichtlich der begleitenden Hilfen: Ist es da vorgesehen, auch wegen der Änderung des Schwerbehindertengesetzes, z.B. Arbeitsassistenz, den Betrag dafür zu erhöhen?

Wir können keinen Betrag erhöhen, sondern wir können nur das verausgaben, was in der Ausgleichsabgabe zur Verfügung steht. Wenn ein entsprechender Einnahmebetrag bei der Ausgleichsabgabe zur Verfügung steht und es zu einer entsprechenden Novellierung des Schwerbehindertengesetzes kommt, dann besteht auch Rechtsanspruch auf diese Leistungen, dann wird man natürlich auch höhere Ausgaben haben.

Es gibt eine weitere Nachfrage, Frau Abgeordnete Thierbach.

Herr Minister, Sie sprachen davon, dass es ca. 400.000 DM Fördermittel für die Einrichtung von schwerbehindertengerechten Arbeitsplätzen gab. Gab es auch das Phänomen, über die Zahl will ich mich jetzt nicht streiten, dass Anträge auf Eingliederungshilfen in das Erwerbsleben abgelehnt werden mussten aufgrund der Tatsache der vorhandenen Mittel bei der Hauptfürsorgestelle?

Ist mir nicht bekannt, dass es abgelehnt werden musste. Wir haben ja sogar in diesem Jahr ein neues Arbeitsförderungsprogramm für Schwerbehinderte aufgelegt. Allerdings, ich muss doch noch einmal korrigieren, weil es offensichtlich falsch angekommen ist. Leistungen an Arbeitgeber, habe ich gesagt, und das sind eigentlich die, von denen Sie eben gesprochen haben: Das waren 4,1 Mio. DM und diese 400.000 oder knapp 500.000 DM, das waren Leistungen für Einrichtungen zur Eingliederung, also beispielsweise Arbeitsförderungswerk.

Gibt es weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall und ich stelle die Beantwortung dieser Frage fest. Ich rufe auf die Anfrage in Drucksache 3/488 des Abgeordneten Nothnagel, Soziale Infrastruktur im Freistaat Thüringen.

Soziale Infrastruktur im Freistaat Thüringen

Im Bereich des Achten Buchs Sozialgesetzbuch sowie des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes (außer dem Kindertageseinrichtungsgesetz) ist es auffällig, dass behinderte Kinder und Jugendliche außerhalb von Einrichtungen keine Berücksichtigung finden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum gibt es für diesen Bereich keine Angebote, z.B. Spielplätze, Freizeiteinrichtungen; gibt es keine Kinder und Jugendlichen, die behindert sind, außerhalb von Einrichtungen?

2. Hat sich der Landesbehindertenbeirat mit dieser Thematik schon beschäftigt?

3. Welche Konzepte hat die Landesregierung, um dieses Defizit zu beseitigen?

Für die Landesregierung antwortet Minister Dr. Pietzsch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anfrage macht deutlich, wie schwierig manchmal der Umgang damit ist. Gestern haben wir beklagt, dass die Integration nicht ausreichend ist, heute wird nachgefragt, ob man nicht spezielle Einrichtungen oder Spielplätze dafür hat. Es ist nicht Ziel der Jugendhilfe, spezifische Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche zu schaffen, deswegen haben wir ja integrative Einrichtungen. Vielmehr soll es ermöglicht werden, dass in der Regel alle Angebote, deswegen steht es, denke ich, auch nicht extra drin, der Jugendhilfe integrativ und auch von behinderten Kindern und Jugendlichen zu nutzen sind. Dies entspricht durchgängig eigentlich den Intentionen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und bedarf deshalb keiner rechtlichen Extra-Normierung. Darüber hinaus wird in § 5 Abs. 3 des Thüringer Sportfördergesetzes ausdrücklich geregelt, dass öffentliche Sport- und Spielanlagen so auszugestalten sind, dass Personen mit Kleinkindern, Behinderte und alte Menschen sie ohne fremde Hilfe aufsuchen und entsprechend ihren Möglichkeiten benutzen können. Die Förderpolitik des Landes richtet sich des Weiteren darauf, dass bei vielen Investvorhaben im Bereich der Jugendhilfe und Sportförderungen barrierefreies Bauen berücksichtigt wird. Dieses sollte also integrativer Bestandteil der Planungen in jedem Fall sein. Zuwendungsempfänger werden zur Einhaltung dieser Vorgaben verpflichtet. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass der weitere überwiegende Teil der Einrichtungen und Angebote der Jugendhilfe in die Zuständigkeit der örtlichen Träger fällt. Sie können sagen, dass hier noch ein gewisser Nachholbedarf ist, aber, ich hatte es gestern auch angeführt, man denkt eigentlich unterdessen schon viel häufiger an diese Dinge, als es vielleicht noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist.

Zur Frage 2: Da die von Ihnen geschilderte Sicht so von vielen offensichtlich nicht geteilt wird, hat sich der Landesbehindertenbeirat mit der Thematik noch nicht beschäftigt, aber ich gebe ganz bewusst dem Landesbehindertenbeirat nicht die Themen vor, die er zu behandeln hat, sondern ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Landesbehindertenbeirat sich mit diesem Thema auch befasst, insbesondere, wenn es darum geht, einen Sachstand erst einmal zu erfassen, bevor man dann weitere Konsequenzen daraus zieht. Defizite in diesem Bereich sind der Landesregierung nur bedingt bekannt, gerade was die Spielplätze angeht.

Gibt es Nachfragen? Es gibt keine Nachfragen. Damit stelle ich die Beantwortung dieser Frage fest. Ich rufe auf die Anfrage in Drucksache 3/489 des Abgeordneten Nothnagel, Thüringer Sonderprogramm für Schwerbehinderte.

Thüringer Sonderprogramm für Schwerbehinderte

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist eine Befragung über die Wirksamkeit des Sonderprogramms für Schwerbehinderte bei Arbeitgebern und bei behinderten Arbeitnehmern vorgesehen?

2. Wie viele Anträge für das Sonderprogramm wurden bis jetzt gestellt?

3. Welche Schlussfolgerungen wurden aus dem alten Sonderprogramm gezogen und wurden diese in das neue Sonderprogramm mit einbezogen, wie z.B. Arbeitsassistenz?

4. Wer hat den Auftrag für die wissenschaftliche Begleitung des Sonderprogramms für Schwerbehinderte erhalten?