Protocol of the Session on April 14, 2000

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Ramelow. Als Nächster hat sich Herr Minister Schuster zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Herr Ramelow, ich würde gern Ihren Hinweis gleich aufnehmen. Dies deshalb, weil der von Ihnen zitierte Fall mich damals sehr beschäftigt hat. Ich habe mit den Betroffenen zusammen sofort alles unternommen, um die Justiz einzuschalten, um dem fraglichen Unternehmen das Handwerk zu legen. Soviel die eine Seite. Die andere Seite, die Sie angesprochen haben, ist die, warum können wir solchen Unternehmen nicht gleich Zuschüsse gewähren, wie immer die formuliert sind. Wir konnten dies damals nicht, und zwar deshalb, weil solche Zuschüsse unzulässig sind. Es gibt nicht mehr den Konsolidierungsfonds, so wie es ihn nach der Wende gegeben hat, aus dem man helfen konnte auch in solchen Fällen. Wir haben nicht mehr die Möglichkeit, Unternehmen in Not Zuschüsse zu gewähren. Dies geht rechtlich nicht mehr, und zwar nicht nur nach nationalem Recht nicht, sondern vor allem nach EU-Recht nicht.

Dies kann man beklagen, ändern können wir daran nichts. Selbst wenn wir hier ein solches Programm beschließen würden, es käme nicht zur Ausführung. Dann wird immer wieder das Thema "Factoringmodell" angesprochen. Ich weiß, dass es von vielen gefordert wird, vor allen Dingen von vielen Handwerksunternehmen. Aber ich weiß auch, dass unsere Aufbaubank jedenfalls nicht in der Lage wäre, ein solches Projekt zu übernehmen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, innerhalb einer Woche dem Ruin entgegenzutreiben. Dies geht nicht. Alle Handwerksvertreter, mit denen wir darüber diskutiert haben, haben das akzeptiert, dass dieses Modell nicht geht. Die genannten rechtlichen Schritte sind ohne Frage notwendig, aber wir müssen leider der Tatsache ins Auge sehen, dass auch vom Handwerk selbst notwendige Schritte gefordert sind, etwa bei der Entgegennahme von Aufträgen. Ein Unternehmen, das Aufträge zu jedweden Bedingungen annimmt, darf sich nicht wundern, wenn anschließend Schwierigkeiten auftreten. Ein Unternehmen, das allein nicht mehr in der Lage ist, größere Aufträge zu bewältigen, kommt sehr leicht in Turbulenzen. Das Problem ist, dass die Strukturkrise im Handwerk, insbesondere im Bauhandwerk, dazu führt, dass ein Unternehmen geht und drei nachfolgen und alle drei zu klein sind, um vernünftige Aufträge wahrnehmen zu können. Was ich sagen will, ist, dass das Handwerk selbst auch Schutzmechanismen einführen und realisieren muss, um den Gefahren im Markt besser begegnen zu können, um den Strukturwandel bzw. die Anpassungskrise leichter bewältigen zu können. Darum geht es. Der Ruf nach dem Staat und nach drakonischen Strafen reicht nicht aus.

Sicher bedarf es einem besseren Gläubigerschutz und entsprechender finanzieller Hilfen. Das Land hilft in solchen Fällen mit entsprechenden Darlehen an "Unternehmen in Schwierigkeiten". Vielen Dank.

Danke, Herr Minister Schuster. Sie hatten eine Nachfrage, Herr Abgeordneter Ramelow? Herr Minister Schuster!

Ich hätte zwei Nachfragen. Die eine Nachfrage: Was schwebt Ihnen vor, was das Handwerk selbst machen könnte oder müsste? Die zweite Nachfrage: Bei fehlender Begleitung durch Hausbanken, also das Problem, das ich hier mit angesprochen habe, in der Kofinanzierung unseres Instrumentariums, wenn die Hausbank sagt, wir machen nichts, dann nützen unser ganzer Stabilisierungsfonds und alle anderen Instrumentarien, die Sie zu vertreten haben, nichts. Auf das Problem habe ich ja auch hingewiesen und erst in dieser Woche wieder ein genau solches Problem auf dem Tisch gehabt, wo die TAB gerne hätte helfen wollen.

Erstens zu den Maßnahmen des Handwerks: Es ist wichtig, dass verschiedene Unternehmen sich zusammenschließen zu Anbietergemeinschaften, um gemeinsam größere Aufträge zu übernehmen, um nicht immer in der Rolle des Subunternehmers, sondern ein Hauptauftragnehmer zu sein. Solche Anbietergemeinschaften gibt es mit der Folge, dass es den beteiligten Unternehmen besser geht. Es gibt das Modell der Einkaufsgenossenschaften, mit denen man Kostenvorteile realisieren kann. Es gibt die Möglichkeit als Systemanbieter aufzutreten, indem man bestimmte Haustypen z.B. gemeinsam schlüsselfertig anbietet. Das alles gibt es ja schon. Es gibt jetzt einen Plan eines Thüringer Unternehmens, das Sie kennen, eine Baufabrik zu errichten. Über dieses Projekt könnte man auch diskutieren. Also, es gibt schon Maßnahmen, die im Handwerk ergriffen werden können und tatsächlich noch unzureichend ergriffen werden.

Zu der zweiten Frage: Wenn die Hausbank nicht mitmacht, stehen wir vor Schwierigkeiten, dann versagen die meisten Instrumente. Dann kann das Land noch über einen Direktkredit eventuell, mindestens aber über Bürgschaften helfen, aber das geht ja auch nicht immer, weil auch da das Beihilferecht greift. Wir müssen, und das hat das Bankengespräch, das wir vor einer Woche durchgeführt haben, klar ergeben, bei den Banken darauf hinwirken, dass man wieder stärker ins Risiko geht, dass man nicht einfach Etikette verteilt: das Handwerk bekommt keine Kredite, die Branche auch nicht, weil die nicht im Aufwind ist usw. So kann es nicht weitergehen in der Kreditpolitik der Geschäftsbanken. Da muss sich etwas ändern, da haben Sie allerdings Recht.

Danke, Herr Minister Schuster. Gibt es weitere Anmerkungen? Nein. Dann schließe ich die Aussprache. Meine Damen und Herren, nach unserer Geschäftsordnung ist ein Berichtsersuchen dann erfüllt, wenn es keinen Widerspruch gibt. Deswegen frage ich Sie: Gibt es diesen Widerspruch? Ich sehe es nicht. Damit gilt das Berichtsersuchen als erfüllt und ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 ab. Wir treten jetzt in eine einstündige Mittagspause ein und treffen uns hier wieder zur Fragestunde um 14.00 Uhr.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 16

Fragestunde

Wir beginnen mit der Frage in Drucksache 3/484, Anerkennung der Gebärdensprache in Thüringen. Herr Abgeordneter Nothnagel, bitte.

Anerkennung der Gebärdensprache in Thüringen

Durch Betroffene sowie durch den Thüringer Gehörlosenverband wird seit Jahren die Anerkennung der Gebärdensprache sowie der die Lautsprache begleitenden Gebärde neben der Laut- und Schriftsprache als gleichberechtigte Kommunikationsformen der deutschen Sprache gefordert.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist die grundsätzliche Position der Landesregierung zur Anerkennung der Gebärdensprache sowie der die Lautsprache begleitenden Gebärde als gleichberechtigte Kommunikationsformen?

2. Beabsichtigt die Landesregierung hinsichtlich der Anerkennung der Gebärdensprache sowie der die Lautsprache begleitenden Gebärde als gleichberechtigte Kommunikationsformen initiativ zu werden, und wenn ja, wie und wann?

3. Plant die Landesregierung die Zahlung eines Gehörlosengeldes in dieser Legislatur?

Für die Landesregierung beantwortet diese Frage Herr Minister Dr. Pietzsch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Das Land, die Landesregierung steht allen Kommunikationsformen, die gehörlosen Menschen eine Interaktion mit ihrer hörenden Umwelt ermöglichen, aufgeschlossen gegenüber. Dabei spielt die Gebärdensprache eine Rolle. Es gibt auch noch andere Dinge, die dabei beraten werden. Sowohl im Bereich der Schule als auch in anderen Bereichen sollte sowohl die deutsche Gebärdensprache als auch die Lautsprache begleitende Gebärdensprache neben den anderen Kommunikationsformen stärker als bisher Anwendung finden. Das betrifft z.B. auch die Lehrer in den entsprechenden Sonderschulen oder Förderschulen.

Zu Frage 2: Ich und meine Mitarbeiter befinden sich im engen Gedankenaustausch und engen Gesprächen mit den Interessenverbänden der Gehörlosen. Das sind zum einen der Landesverband der Gehörlosen sowie die Gehörlosenvereine in verschiedenen Regionen, Sondershausen, Niederorschel, Weimar. Und gemeinsam mit den Betroffenen werden die Schritte abgestimmt, die für eine weitere Förderung dieser Kommunikationsform in der Öffentlichkeit unternommen werden können, dass wir da Schritt für Schritt vorankommen. Zurzeit wird über eine Verbreiterung des Angebots an Dolmetscherleistungen diskutiert, ein abgestimmtes Ergebnis darüber liegt noch nicht vor. Es ist auch zu unterscheiden zwischen Gehörlosen und Schwerhörigen und auch, wann eine Gehörlosigkeit eingetreten ist. Da ist auch in der zurückliegenden Zeit eine sehr unterschiedliche Auffassung bei den Gehörlosen und Schwerhörigen gewesen zur Förderung der Gebärdensprache. Ich denke, das hat sich gerade in den letzten Jahren doch etwas angeglichen.

Zu Frage 3: Die behinderungsbedingten Mehraufwendungen für den Personenkreis der Gehörlosen werden indirekt über die Finanzierung von speziellen Beratungsstellen und Frühförderstellen sowie über die Förderung des Landesverbandes der Gehörlosen abgedeckt. Es ist günstiger, wie auch mit den Verbänden besprochen, eine Förderung dort durchzuführen, als die Zahlung eines Gehörlosengeldes. Dieses ist nicht vorgesehen. Das Land fördert im Rahmen von freiwilligen Leistungen die 3 Frühförderstellen. Im vergangenen Jahr wurden dafür 74.000 DM bereitgestellt und weiterhin fördert mein Haus Beratungsstellen für Gehörlose mit rund 175.000 DM und der Landesverband der Gehörlosen erhielt eine Zuwendung von 15.000 DM.

Herr Abgeordneter Hahnemann, eine Nachfrage?

Herr Minister, wenn man mit den zuständigen Verbänden spricht, wird sehr oft das Fehlen von Gehörlosendolmetschern in allen Bereichen beklagt. Wie geht die Landesregierung damit um?

Ich hatte ja eben in der Beantwortung dieser Frage ausgeführt, dass wir dieses in Zukunft stärker fördern wollen als bisher. Ich erinnere übrigens daran, dass wir bereits in der 1. Legislaturperiode 15 zusätzliche Gehörlosendolmetscher ausgebildet haben. Es ist aber nicht ganz leicht, Leute zu finden, die sich ausbilden lassen. Schwerpunkt würde ich im Augenblick darauf legen, dass sowohl Gebärdensprache als auch Lautsprache in den Schulen für Gehörlose und Hörbehinderte vermittelt wird. Also dort ist eigentlich der wichtigste Ansatz im Augenblick.

Gibt es weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich die Beantwortung der Frage fest und ich rufe auf die Frage in Drucksache 3/485 des Abgeordneten Dr. Pidde, Schwerhörigenschule Gotha.

Schwerhörigenschule Gotha

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist die Entwicklung der Schülerzahlen mit Hörschädigungen und wie decken sie sich mit den vom Ministerium erstellten Prognosen?

2. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die beiden Standorte in Erfurt und Gotha?

3. Wie steht das Kultusministerium zu dem Konzept des Kollegiums?

4. Wann trifft das Kultusministerium eine Standortentscheidung?

Für die Landesregierung beantwortet diese Frage Herr Minister Dr. Krapp.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich beantworte die Anfrage des Abgeordneten Dr. Pidde namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Zahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich des Hörens ist in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben. 1993 waren es 228 Schülerinnen und Schüler, 1999 insgesamt 248. Die Prognosen gehen von einem Anteil Hörgeschädigter von 0,08 Prozent der Gesamtschüleranzahl aus, die spürbar sinken wird. Ab 2000 nimmt demnach auch die Zahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Be

reich Hören stark ab und geht im Jahr 2002 auf 189 und 2005 auf 148 zurück. Hier ist mittelfristig mit der Hälfte der heutigen Schülerzahl zu rechnen.

Zu Frage 2: Es ist davon auszugehen, dass für diese Schüler auch unter dem Gesichtspunkt verstärkter Integration mittelfristig nur noch ein Standort erforderlich sein wird.

Zu Frage 3: Das vorgelegte Konzept wird als tragfähig angesehen. Es sieht vor, die gebärdensprachliche Kommunikation stärker in den Unterricht einzubeziehen. Hierzu gehört auch eine entsprechende Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer in der Fachrichtung Hörgeschädigtenpädagogik im Schuljahr 2000 und 2001, die vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien durchgeführt wird. Die Messzahl zur Bedarfsberechnung von Lehrern und sonderpädagogischen Fachkräften wurde von neun auf acht Schüler reduziert, damit erhält die Schule zusätzlich drei Lehrer und eine sonderpädagogische Fachkraft.

Zu Frage 4: Eine Standortentscheidung soll möglichst noch im ersten Halbjahr 2000 getroffen werden.

Dazu gibt es Nachfragen. Frau Abgeordnete Nitzpon, bitte.

Herr Minister, seit mehreren Jahren frage ich immer nach dem Zeitpunkt der Sanierung der Schule in Gotha. Es wurde mir ca. vor einem Jahr von Ihrem Vorgänger gesagt, dass es Absprachen zwischen Kultusministerium und dem Schulträger derzeit gibt. Wann und wie wird das passieren? Wenn Sie jetzt sagen, es wird mittelfristig nur noch einen Schulträger geben, wann wird denn nun die Schule in Gotha saniert, oder sagen Sie jetzt, gar nicht mehr?

Ich habe keinen der beiden Standorte im Moment erwähnt. Ungeachtet dessen gibt es sicher einen Zusammenhang mit der Entscheidung, aber die Entscheidung ist noch offen.

Frau Abgeordnete Nitzpon.

Wissen Sie, wie die Schule in Gotha aussieht?

Ich habe sie bereits besucht.

Gibt es weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall, damit stelle ich die Beantwortung dieser Frage fest. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage in Drucksache 3/486 des Abgeordneten Nothnagel, PDS-Fraktion, Ausbildung für Behinderte.

Ausbildung für Behinderte

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Möglichkeiten an welchen Schulen (Grundschu- len/Regelschulen/Gymnasien) gibt es für eine wohnortnahe und integrative Beschulung von behinderten und nicht behinderten Schülern in Thüringen?