Protocol of the Session on April 13, 2000

(Heiterkeit im Hause)

Prinzipiell halte ich das Internet als hervorragende Möglichkeit, die Technikfreundlichkeit von Frauen zu erhöhen. Ich gebe zu, die Bewertung von einzelnen Links möchte ich hier nicht vornehmen, weil man da das ganze Internet diskutieren müsste.

(Beifall bei der PDS)

Frau Wolf, in manchen Studien- bzw. Berufszweigen gibt es ein Übergewicht von Frauen bzw. Mädchen. Ist das für Sie eine Ungleichbehandlung der Jungen? Wie werten Sie das eigentlich?

Ich denke einfach an diesem Punkt, dass es natürlich in meinen Augen auch wichtig ist, dass junge Männer Frisöre werden und dass auch junge Männer Verkäufer werden. Der Punkt ist natürlich, dass das oftmals - hören Sie zu, wenn ich Ihnen antworte?

(Heiterkeit bei der PDS)

Ich denke, dass das nur dummerweise oftmals die finanziell unattraktiven Berufe sind, die Mädchen ergreifen und daher die Jungen da nicht wie wild reindrängen. Dummerweise kann nicht jeder Starfrisör werden.

Moment. Gestatten Sie eine weitere Frage? Ja, bitte.

Das stimmt eigentlich nicht. Es handelt sich hierbei z.B. um den Medienbereich. Dieser Bereich ist nicht gerade unattraktiv, ist finanziell sehr attraktiv. Was halten Sie vom Medienbereich? Im Medienbereich ist das auch die gleiche Situation, die Sie eben geschildert haben, als Frage formuliert?

Nach meiner Ansicht sind auch im Medienbereich sehr viele junge Männer, was man z.B. an dem Studiengang Kommunikationstechnik sieht. Der Punkt ist natürlich, ich gebe zu, da habe ich relativ wenig Mitleid mit den jungen Männern, dass sie nicht in diese Studiengänge drängen.

(Beifall bei der PDS)

Als weiterer Redner hat sich Herr Abgeordneter Emde, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bechthum, zunächst einmal darf ich Ihnen Hoffnung machen, denn es ist im Freistaat Thüringen so, dass die Mädchen durchschnittlich mit besseren Noten abschneiden als die Jungen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist doch sehr erfreulich, dass die Mädchen ihre Chancen eben auch nutzen.

(Zwischenruf Abg. Neudert, PDS: Aber nur bis zum Ende der Schulzeit!)

Es wäre eine Schande, wenn die im Antrag vorgetragenen Dinge in 10 Jahren Thüringer Schule nicht längst beachtet wären. Ich darf deshalb einmal aus unserer Landesverfassung zitieren, denn das ist ja die Grundlage, auch für Schule. In Artikel 2 steht dort: "Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern." In unserem Schulgesetz heißt es dann zu Beginn in § 2 zum Auftrag von Schule: "Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule in Thüringen leitet sich ab von den grundlegenden Werten... die in der Verfassung des Landes Thüringen niedergelegt sind... Die Schüler lernen ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten." Das ist also verfassungsmäßiger und bildungsgesetzlicher ständiger Auftrag. Mi

nister Krapp hat ausführlich dargelegt, was geübte Schulpraxis ist, aber auch, wie weiterhin an der Förderung der Chancengleichheit von Jungen und Mädchen hier im Freistaat gearbeitet wird. Der Antrag der SPD in den Punkten 1 bis 9 geht daher meiner Auffassung nach eher ins Leere. Insofern lehnen wir auch Punkt 10, nämlich die Berichterstattung in einem Jahr ab, was natürlich nicht heißt, dass man auch in diesem Hause von Zeit zu Zeit über dieses Thema reden sollte.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend lässt sich sagen, die Förderung der Chancengleichheit von Jungen und Mädchen ist für uns eine ständige Aufgabe und ich würde meinen, für Anregungen aus der SPD-Fraktion an alle Beteiligten im Bildungsprozess werden wir jederzeit dankbar sein.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Emde, Frau Abgeordnete Neudert würde Ihnen gern eine Frage stellen, wenn Sie das zulassen.

Ja, gerne.

Bitte schön, Frau Abgeordnete Neudert.

Herr Abgeordneter Emde, wenn all das, was hier gefordert wird, seit 10 Jahren Schule in Thüringen schon Praxis ist und längst beachtet wird, können Sie mir dann erklären, warum die Bewerbungen von Mädchen in Berufszweigen, die eher männertypisch sind, zurückgehen, anstatt dass sie ansteigen?

Dazu will ich Ihnen hier keine vollständige Erklärung geben. Ich denke, Minister Krapp hat sehr deutlich gesagt, was alles getan wird, dass es auf verschiedenen Gebieten auch weitere Anstrengungen geben wird. Das wird wohl auch immer so sein müssen, deswegen werden wir die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen, offensichtlich tut das Frau Wolf ja sehr Leid, die werden wir nicht beseitigen können. Wir können daran arbeiten,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Wolf, PDS: Ich auch nicht.)

dass auch die Mädchen in Zukunft Chancen haben und sich auch wagen, in Berufe zu gehen, die heute noch Männerdomänen sind. Das tun wir ja auch, das wollte ich zum Ausdruck bringen. Das sollten wir in Zukunft auch noch tun, aber die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen können wir und ich will sie auch gar nicht abschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Bechthum, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn ich Herrn Krapp und auch Herrn Emde hier reden hören, dann müssen wir annehmen, es ist alles in bester Ordnung, es kann so weitergehen, diese Kommission hätte sich die Arbeit sparen können, in drei Jahren wird vom Land Thüringen erwartet... Das sind genau die Forderungen, Gott sei Dank haben wir den Antrag schon eher gestellt, der ist vorige Woche gekommen, die hier drin sind und mit Folgerungen. Sie sehen, Thüringen ist manchmal schon ein Stück weiter und Sie müssten wissen, solche Anträge, die entstehen nicht im stillen Kämmerlein. Da haben Frauenpolitikerinnen von Thüringen auch mitgewirkt, ich gehe doch nicht dahin und sage, mir fällt das jetzt ein. Ich denke, da muss man doch etwas dazu sagen. Ich sage, in der Thüringer Nachfolgekonferenz 1996 zur Weltfrauenkonferenz von Peking 1995 hatten wir eine Arbeitsgruppe unter Frau Professor Richter, Frau Staatssekretärin hatte das damals organisiert, von der Pädagogischen Hochschule zu dem Thema "Bildungschancen von Mädchen und Frauen in Thüringen". Im Dezember desselben Jahres fand auch eine große Fachtagung zum Thema "Mädchen gehen eigene Wege" statt, es ging ja immer um die Realisierung dieser Problematik. In beiden Konferenzen wurde als Defizit zur Problematik "Gleichstellung von Frau und Mann" herausgearbeitet, dass es eben in der DDR keine Forschung zu Fragen der Geschlechterdifferenzen in der Gesellschaft, auch nicht zu Problemen im Bildungssystem gab. In Ausbildung und Studium sind solche Inhalte kaum berücksichtigt worden. Ziel der Lehrerausbildung war, Mädchen und Jungen gleich zu behandeln. Ich bin selbst als Lehrerin ausgebildet, 1964 fertig geworden. Ich kann diese Ausbildungsstrategie so nur bestätigen. Gleichbehandeln, keine Unterschiede, ich sage mir heute, wie habe ich oft die Mädchen benachteiligt. Sie wurden als soziale Schmierseife benutzt, um die Jungen zu disziplinieren, um ihnen irgendwie auch noch den 6. Fall in Russisch beizubringen. So ist es mir auch ergangen. Aber in der DDR unterrichteten mehr Lehrerinnen naturwissenschaftliche Fächer als im Westen unseres Landes. Die Mädchen hatten automatisch auch Vorbilder. Viele Mädchen entschieden sich auch für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge. Es war oft die einzige

Chance, einen Studienplatz zu erhalten. Da müssen wir auch ehrlich sein.

Frau Abgeordnete Bechthum, einen kleinen Moment bitte. Wir sorgen erst einmal wieder für Ruhe in diesem Raum, so dass man hören kann, was gesprochen wird.

Diese Selbstverständlichkeit, dass Frauen als Lehrerinnen in naturwissenschaftlichen Fächern tätig waren, es sind ja auch noch viele, auch in meinem Jahrgang, ist mit der Wende verloren gegangen. Deshalb wurde auch eine der grundlegenden Forderungen aufgestellt, mehr Frauen als Vorbilder. Ich weiß, Frau Professor Schipanski ist ebenfalls eine Befürworterin dieser politischen Strategie. Es ist wichtig, dass Frauen wie Männer für Mädchen und Jungen als Vorbilder dienen. Wenn das nicht erfolgt, dann wachsen Mädchen auch ohne Orientierung an Vorbildern, weiblichen Vorbildern, "geschichtslos" auf.

Meine Damen und Herren, ob in der Musik, der Literatur, der Naturwissenschaft, es gab immer Frauen, die auf den verschiedensten Gebieten Hervorragendes leisteten. Sie wurden aber allzu oft bewusst verschwiegen und vergessen. Wer weiß, dass die Schwester von Felix Mendelsohn Bartholdy, Fanny, und auch Clara Schumann hervorragende Komponistinnen waren? Erst sei einigen Jahren wird auch diese Problematik aufgearbeitet. Wir haben hier in Erfurt einen ganz aktiven Musiker, der das sehr intensiv betreibt, der Herr Gauer, ihm ist hier zu danken. Heute hebt die Presse bereits mit gewissem Stolz Leistungen von Frauen hervor. So wird zum Beispiel der Neubau des Bundesarbeitsgerichts, mit 90 Mio. DM gebaut, als klar, dezent, bis ins Detail durchdacht beschrieben, entworfen von einer 32-jährigen Architektin. Wer zur Eröffnung dabei war, der hat aber auch die Schwierigkeiten, die für sie verbunden waren, gehört. Und wenn sie nicht Leute hinter sich gehabt hätte, vorwiegend Männer, die emanzipiert sind, die sie auch unterstützt hätten, hätte sie es nicht geschafft. Und diese junge Frau ist bestimmt ein Vorbild für Architekturstudentinnen.

Zum Zweiten, es stimmt, 55 Prozent der Abiturienten sind heute Frauen. Und sie haben viel bessere Leistungen als Männer. Aber in den zukunftsträchtigen Berufsfeldern ist der Frauenanteil einfach zu niedrig in den vier wichtigsten Berufen, Sie wissen, im IT-Bereich haben Frauen lediglich einen Anteil von 13,6 Prozent. Und zurzeit wird über die Notwendigkeit des Lernens und Studiums dieser Berufe der Zukunft heftig gestritten. Die Bundesregierung will den Frauenanteil bei der Ausbildung und im Beruf im IT-Bereich bis 2005 auf 40 Prozent steigern. Das hatte die Ministerin im vorigen Jahr bereits im Juni schon verkündet. Wie man sieht, eine Forderung, deren Bedeutung durch die Diskussion um die Green Card jetzt eine besondere Brisanz erhält. Junge Frauen dürfen

nicht den Anschluss verlieren. Wie kann das Ziel erreicht werden? An der TU Ilmenau gibt es sehr aufschlussreiche Untersuchungsergebnisse zum Informatikstudium, zur Medienkompetenz. Frau Dr. Schade, Frau Zerbe, Frau Bauer und ich waren in Bad Berka und dort haben wir den Informatik-Fachberatern, Fachlehrern das dargestellt. Sie haben selbst Augen und Ohren aufgesperrt. Daran haben sie noch nie gedacht, dass es hier wirklich eine ganz tolle Forschung gibt. Und die Geschlechtsspezifik wird danach immer unterschätzt oder gar nicht beachtet. Die an den Schulen durchgeführte informationstechnische Grundausbildung, das sind jetzt alles Aussagen von der TU Ilmenau, wie auch der Informatikunterricht erweisen sich an vielen Schulen als Hürde für Mädchen beim Erwerb der Medienkompetenz. Ich habe jetzt erst erfahren, dass es in vielen Schulen überhaupt noch keine Leistungskurse für Informatik gibt. So weisen u.a. auch wissenschaftliche Studien aus, dass Mädchen an die Benutzung der Computer anders herangehen und umgehen als Jungen. Die Shell-Studie hat das auch nachgewiesen. Die Schulausbildung verläuft heute in der Regel sehr stark nach den von Jungen bevorzugten Schwerpunkten und das ist eben mehr technikorientiert. Die Mädchen haben eine anwendungs- und nutzungsorientierte Haltung. Deshalb ist besonders in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern eine stärker vom Anwendungsbezug getragene Vermittlung des Stoffes anzustreben - alles TU-IlmenauStudie.

Praktische Übungen, z.B. am Computer, können durchaus in den Klassenstufen 7 bis 9 auch getrennt nach Jungen und Mädchen durchgeführt werden. Die Thüringer Lehrpläne bieten für die Schulen Möglichkeiten zu Experimenten, Neues auszuprobieren, wie es auch in anderen Bundesländern bereits praktiziert wird, z.B. auch Mädchen und Jungen in einzelnen Fächern, vor allem in den naturwissenschaftlichen, für eine begrenzte Zeit getrennt zu unterrichten.

Zu 3.: Die Thüringer Koordinierungsstelle Naturwissenschaft und Technik - es ist im Grunde eigentlich unser Stolz - ist zu einem festen Bestandteil der Bildungslandschaft Thüringens und auch bereits bundesweit geworden. Ihre Zielgruppe sind Schülerinnen der Gymnasialoberstufe. Das Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur bestätigte noch im Jahre 1997 die Förderung des Projekts im Rahmen des Hochschulsonderprogramms 3, und wir waren stolz, dass auch der Gleichstellungsausschuss das sehr unterstützt hat und mit dazu beigetragen hat. Die angebotenen Bereiche betreffen den praktischen Zugang zu Naturwissenschaft und Technik, die Berufs- und Studienorientierung, die Elternarbeit - ganz wichtig - und Lehrerbildung. Herr Krapp hat das auch sehr gut dargestellt, was diese Koordinierungsstelle schon alles tut.

Frau Abgeordnete Bechthum, es tut mir Leid, Sie noch mal zu unterbrechen. Aber es ist offensichtlich nicht möglich, dass Ihren Ausführungen hier gefolgt wird.

Ja, dann machen wir das morgen früh weiter. Das können wir auch machen.

Ja. Man kann auch unterbrechen, das wissen Sie ja. Aber ich würde es erst mal mit der friedlichen Variante versuchen, dass Ruhe im Saale herrscht.

Die Mitarbeiter in dieser Koordinierungsstelle verstehen sich als zentraler Ansprechpartner für die Gymnasien und das ThILLM, das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung; sie geben den Schülerinnen Studienorientierung und den Beraterinnen und Beratern fachkundige Hinweise zur Weiterqualifizierung. Sie sind inzwischen auch Ansprechpartnerin für bundesweite Institutionen, die an der Entwicklung Thüringer Hochschulen interessiert sind. Der Gleichstellungsausschuss hatte in der vergangenen Woche die Leiterin der Koordinierungsstelle, Frau Zerbe, zur Anhörung eingeladen. Sie konnte berichten, dass 22 Schülerinnen in Folge der Teilnahme an Kursen im Rahmen der Sommeruniversitäten oder auch der so genannten Schnupperkurse das Studium an der TU Ilmenau aufgenommen haben. Das macht 45 Prozent der weiblichen Studierenden an der TU Ilmenau aus, also in einem Fachbereich. Die Koordinierungsstelle entwickelt sich ständig weiter. Vorgesehen ist der Aufbau eines Mentorinnen-Netzwerkes, in dem Studentinnen, Absolventinnen und berufserfahrene Frauen als direkte Ansprechpartnerinnen für Schülerinnen zur Verfügung stehen. Es gibt inzwischen einen Erfahrungsaustausch mit Hessen und Rheinland-Pfalz, wo dieses Mentorinnen-Netzwerk bereits sehr gut funktioniert. Es sollen auch in der kommenden Zeit Schülerinnen ab der Klasse 5 angesprochen und gewonnen werden. Auch Ansprechpartnerin für die Industrie soll diese Koordinierungsstelle werden. Aber die Zunkunft ist in Frage gestellt; Ende des Jahres läuft dieses Projekt aus.

Zu 4. - Toleranz und Akzeptanz für Menschen mit anderen Lebensweisen: Die Schulen haben die Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern die Vielfalt des Zusammenlebens - da ist für mich eigentlich alles gemeint, auch gleichgeschlechtliche Lebensweisen - von Menschen zu vermitteln, sie zur Toleranz und Achtung fremder Lebensweisen zu bewegen. Die Lehrpläne und Schulen aller Schularten sind unter dem Aspekt zu überprüfen, wie und in welcher Weise sie intensiver dazu beitragen können, Mädchen und Jungen für ihre künftige, gleichberechtigte und gleichverpflichtete Tätigkeit sowohl in der Fa

milie als auch in Beruf und Gesellschaft vorzubereiten.

Zu 5. - Schulbücher: Sie haben selbstbewusste Vorbilder für Mädchen zu beinhalten und sie sollen auch der Vielfalt von Lebensweisen und Lebensentwürfen Rechnung tragen. Ich würde Ihnen empfehlen, sich dies einmal anzuschauen. Ich habe mir die Mühe gemacht, alle Lesebücher von einer Schule von Klasse 2 bis 4 durchzusehen. Und da sind mir zum Teil die Haare zu Berge gestiegen. Ich habe dort Texte gefunden, die dem traditionellen Rollenverständnis von Frauen und Männern voll entsprechen. Der Thüringer Lehrerverband ist auch aus dem Landesfrauenrat vor einigen Jahren ausgeschieden, weil sie für sich in Anspruch genommen haben, das wäre für sie nicht notwendig, was dort gemacht wird. Aber es gibt auch sehr kritische Texte in diesen Büchern und da würde mich interessieren, wie gehen die Lehrerinnen und Lehrer damit um. Insbesondere in der Grundschule wird das Familienbild geprägt. Und Schulbuchgutachter sollten durch das Kultusministerium den Auftrag erhalten, die Schulbücher wirklich vor der Neu- und Wiederzulassung unter dem Aspekt "Gleichstellung der Geschlechter und Lebensweisen" zu überprüfen. Die Gleichstellung der Geschlechter in der Schule sollte viel stärker in den Lehrplänen verankert sein. Dazu sollten in erster Linie Expertinnen, die auf dem jeweiligen Gebiet arbeiten und sich mit Geschlechterproblematik beschäftigen, einbezogen werden. Die sind hier nicht einbezogen gewesen, sonst hätte mancher Text dort nicht stehen können. Machen Sie sich wirklich mal die Mühe, mal wenigsten eins anzuschauen. In die jeweilige Lehrplankommission sollten diese Expertinnen integriert werden. In den Lehrplänen 1999 wurden sie aufgenommen und da war auch unser Gleichstellungsausschuss und Frau Dr. Bauer mit beteiligt. Wir machen vieles so ein bisschen im Versteckten, aber da ist schon manches gelaufen, Gleichstellung zwischen Frauen und Männern, Jungen und Mädchen in Familie, Beruf und Gesellschaft als zentrale gesellschaftliche Aufgabe zu betrachten. Das hatte noch Herr Althaus mit formuliert. Ich habe das jetzt auch überall, wo ich darüber gesprochen habe, betont. Sehen Sie es an. Das sind die ersten fünf Ziele, das ist wichtig. Aber es genügt eben nicht, dass der Unterricht so gestaltet werden soll, dass zwar die Interessen und Neigungen - es wird betont Interessen und Neigungen von Mädchen und Jungen berücksichtigt werden sollen, laut Lehrplan.

Die Frauenexpertinnen, gerade die Fachfrauen sagten, es müssen die Bedürfnisse für Technik, für Berufe im ITBereich erst mal geweckt werden. Und wir müssen vermitteln, dass Begabung - es kann nicht jeder ein großer Spezialist sein - aber dass eine Begabung ein Geschenk der Natur ist, das man nicht vergeuden kann. Hätte Ihnen einmal jemand gesagt, Sie werden einmal Politiker - ich war auch mit Herz und Seele Lehrerin und hätte mir nie vorstellen können, dass ich das einmal nicht mehr sein würde. Und mir macht das Freude. Wenn Sie sagen, wie konnten Sie das tun, so kann man auch vermitteln.

Zu 6.: Die Karriere beginnt in der Schule; das ist eine Weisheit, das wissen Sie selbst. Das bedeutet, dass die Lehrerinnen und Lehrer den Lehrstoff so überzeugend vermitteln, dass sie Jungen und Mädchen gleichermaßen ansprechen. Ihr eigenes Rollenverständnis müssen Lehrerinnen und Lehrer kritisch überprüfen. Es ist passiert, das haben uns die Mädchen in Neudietendorf gesagt, dass Physiklehrer und auch Physiklehrerinnen sagen: "Und nun wollen wir es für die Mädchen doch noch einmal erklären." Die haben gar nicht gespürt, dass das eine Beleidigung für die Mädchen ist. Aber Lehrerinnen und Lehrer müssen für Fortbildungsangebote erst einmal sensibilisiert werden. Der naturwissenschaftliche Unterricht muss inhaltlich neu gestaltet werden, alles Forderungen auch aus der Koordinierungsstelle der TU Ilmenau. In einem Modellprojekt in Schleswig-Holstein wurde der Anfangsunterricht in Physik völlig neu gestaltet. Das hat sich sehr positiv auf das Physikinteresse der Jungen und Mädchen ausgewirkt. Wir sollten solche Modelle aufnehmen und sie vielleicht auch ausprobieren.

Zu 7. - den schulischen und außerschulischen Projekten: Projekte an den Schulen sollen die Gleichheit der Geschlechter inhaltlich thematisieren. In einer längerfristigen Auseinandersetzung mit der Bewertung des Rollenklischees können die Mädchen und Jungen Verhaltensstrategien, Kommunikations- und auch Verkehrsformen lernen. Solche schulischen Projekte sind sozial- und bildungspolitisch zu fördern. Dazu zählt auch der Umgang mit Gewalt. Gewalt ist auch eine Form des Ausdrucks der Chancenlosigkeit. Gewalt an der Schule gehört heute schon fast zum Alltag und meist wird sie von Jungen ausgeübt. Erste Schritte zur Gewaltprävention müssen in den Familien, Kindertagesstätten, Schulen, in den Freizeiteinrichtungen erfolgen. Die letzten Untersuchungen, auch von Professor Frinter aus Jena, haben ergeben, bei familiärer Gleichgültigkeit, dem Verlust familiärer Bindungen, dem Erleben von Gewalt in der Familie, neigen Jugendliche zu Gewalttätigkeiten und Rechtsextremismus. Die Schule an erster Stelle muss das Gespräch mit Kindern und Jugendlichen einüben, Schülerinnen und Schüler anleiten, demokratische Einstellungen zu entwickeln. Es gibt zahlreiche Eigeninitiativen an Schulen, um der Gewalt zu begegnen. Positiv ist auch für Thüringen zu bewerten, dass Schüler als Streitschlichter ausgebildet werden und dass auch Mittel zur Aufarbeitung von Gewalt bereit gestellt sind. Für Mädchen sollten spätestens ab 9. Klasse Selbstbehauptungstrainingskurse in den Schulen angeboten werden. Viel zu wenig wird von einer Jungenpädagogik in der Schule, die aber bereits praktiziert wird, gesprochen. In manchen Schulen in den westlichen Bundesländern werden emanzipatorische Kurse für Jungen angeboten. Die Jungen haben zum Teil niemanden, das haben auch Psychologen herausgefunden, mit dem sie über ihre eigene Entwicklung, die eigene Sexualität, Beziehungsfragen reden können. Auf der Frauenmesse in Düsseldorf wurde im vergangenen Jahr ein Projekt vorgestellt, das sich "Freiräume in der Schule" nannte, wo getrennt nach Jungen und Mädchen bestimmte Veranstaltungen durchgeführt werden.

Hier ist das Ziel, erstmal das Selbstwertgefühl zu fördern, ein selbstbewusstes Verhalten im Alltag, Verhaltensänderungen durch neue Erfahrungen, Umgang mit Gefühlen von Macht und Ohnmacht, gewinnen, verlieren, Eskalation und Deeskalation. Das hat eine Sozialpädagogin sehr interessant beschrieben. In der Jungenarbeit geht es um die kritische Reflexion der Geschlechterrolle, die männliche Identitätsfindung, Werte und Normen sowie effektive Bewältigung von Konflikten.