Protocol of the Session on January 30, 2004

Wer kennt die Belastungen, die durch die Pflege eines Sterbenden, ob nun zu Hause, in der Klinik oder in Pflegeheimen entstehen, wer weiß etwas darüber, wie es ist, wenn Angehörige allein damit fertig werden müssen oder das Personal so ausgepowert ist, weil es die Lasten nicht mehr verkraften kann? Immer wieder müssen wir es bewusst machen, was diese Menschen in ihrer täglichen Arbeit zu leisten haben. Würdigen wir es, würdigen wir alle dieses Engagement. Die Kommission weiß, dass zum Beispiel durch die Landesregierung bereits Menschen ausgezeichnet worden sind, die in diesem Bereich arbeiten, aber es sollte noch mehr Gewicht darauf gelegt werden, denn jeder von uns kann eines Tages darauf angewiesen sein, gut gepflegt und betreut zu werden.

(Beifall im Hause)

Hospizarbeit und Palliativmedizin sollten Platz greifen, damit wir den Sterbenden einen würdigen Tod ermöglichen können. Es ist dieser Kommission auch ganz außerordentlich wichtig, dass in Bildung, in Ausbildung und Wissenschaft neben dem erforderlichen Fachwissen auch ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein herausgebildet wird.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich weiß, dass heute etliche junge Leute hier sind, die in Sozial- und in Gesundheitsberufen ausgebildet werden und es ist eigentlich auch ein Appell an sie, dass sie dieses, was sie heute hier hören auch in ihre Ausbildung mitnehmen und weitertragen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Pflegemängel und sorgloser Umgang kann in diesem Bereich, der ja auch von der Pflegeversicherung abgesichert wird, nicht geduldet werden. Auch Kontrolle ist wichtig. Wichtiger sind aber solche Bedingungen, die die Qualität auch sichern. Auch hierzu hat die Kommission zahlreiche Vorschläge gemacht.

Meine Damen und Herren, hierzu sind wir alle gefragt. Gewiss, auch eine Enquetekommission allein wird diese Probleme nicht alle lösen können, aber einen nennenswerten Beitrag für eine human ausgerichtete Gesellschaft, der es etwas Wert ist, dass das Leben geschützt und die Menschenwürde geachtet wird, diesen Beitrag haben wir versucht zu leisten und es wird auch sehr viel harte Arbeit bedeuten, manche von den Vorschlägen umzusetzen. Dabei bin ich mir ganz sicher, dass das nicht einfach ist, aber wir brauchen, glaube ich, den Mut und die Kraft auch hierzu.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Lassen Sie mich abschließend den Abgeordneten auch dieser Kommission, Prof. Goebel, Frau Zitzmann, Herrn Braasch, Frau Bechthum, Frau Dr. Fischer, lassen Sie mich Ihnen allen recht herzlich danken für die gute Arbeitsatmosphäre, für die Zusammenarbeit. Was unser Thema überhaupt anbetrifft halte ich es ein wenig mit den alten Griechen, die es in etwa so formuliert haben: Es geht nicht darum die Zukunft vorherzusagen, sondern es geht darum sich auf die Zukunft vorzubereiten.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Bravo.)

In diesem Sinne verstehe ich unsere Arbeit als ein ganzes Stück zukunftsweisend und zukunftspolitisch. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, es ist heute ein langer Vormittag. Ich bedanke mich bei Ihnen für die Geduld.

(Beifall im Hause)

Frau Abgeordnete Fischer, Sie sind jetzt dran.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, ich gebe zu, ich hatte anfangs Zweifel, ob diese Kommission ihre Arbeit abschließen und überhaupt Ergebnisse vorlegen kann, aber diese Zweifel betrafen ausschließlich den Zeitraum, der im Ursprungsantrag formuliert war. Es hat sich natürlich im Verlauf auch bei uns allen gezeigt, dass diese Zweifel sehr berechtigt waren.

Der vorgelegte Abschlussbericht ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ein Ergebnis, das weit über die zu Ende gehende Wahlperiode in die politischen Entscheidungen der nächsten Landesregierung hineingreifen wird, wenn es denn so gewollt ist. Jedenfalls gehe ich davon aus, wenn die Ergebnisse der Arbeit ernst genommen werden.

Bevor ich etwas zu den Ergebnissen der Arbeit der Enquetekommission sagen möchte, möchte ich etwas zum Stil der Arbeit in der Kommission sagen. Ohne eine Würdigung der Arbeit will ich einfach nicht dazu übergehen, zum eigentlichen Thema der Beratung des Abschlussberichts zu reden. Alle Mitglieder der Enquetekommission waren um die Entwicklung eines kulturvollen Meinungsstreits bemüht. Abweichende oder entgegengesetzte Positionen der Sachverständigen und/oder der Abgeordneten wurden respektiert; das ist nicht selbstverständlich. Jederzeit konnte das sachkundige Wissen der Vertreter der Fachministerien ideologiefrei abgerufen werden. Die Mitarbeiter der Landtagsverwaltung waren sehr, sehr zuverlässige, und einen herzlichen Dank auch an Frau Schlauraff ganz besonders und auch an Herrn Heilmann,

(Beifall bei der CDU, SPD)

und sehr, sehr fleißige Partner gerade in schwierigen Situationen. Die ergebnisorientierte Arbeit der Enquetekommission ist aber auch einer sehr souveränen Führung der Vorsitzenden Frau Arenhövel in der Enquetekommission zu danken, denn ihr Langmut und ihre Geduld wurden von uns mitunter bis aufs Äußerste strapaziert.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Die Zusammenarbeit - und ich betone wirklich - in der Enquetekommission - ich habe nämlich noch was anderes zu sagen an der Stelle - war stets von Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung fraktionsübergreifend geprägt.

Meine Damen und Herren, vielleicht ist es ungewöhnlich für eine Abgeordnete oder auch in der Öffentlichkeit, dass Sie von mir, die ich der Oppositionspartei angehöre oder sie vertrete, diese Äußerung hören. Frau Arenhövel, wir sind doch sicher beide einer Meinung, dass wir uns genau diese Streitkultur, die ich persönlich zum Teil sehr vermisse, auch hier im Landtag wünschen, und ich denke auch, dass sie sich die Öffentlichkeit wünscht, die ich auch so sehr vermisse

(Beifall bei der CDU, SPD)

- einer der Gründe, warum ich auch die Politik verlassen werde nach dieser Legislaturperiode.

Meine Damen und Herren, der Thüringer Landtag hat sich Themen zugewandt, die brisant, aktuell und zum Teil emotional beladen sind. Die Ergebnisse der Arbeit sowie die inzwischen vorliegenden Anträge dazu zeigen, dass es richtig war, sich mit diesen Themen auf dieser Ebene zu beschäftigen. Auch da hatte ich am Anfang meine Zweifel, das hängt sicher auch mit meiner beruflichen Laufbahn zusammen. Vielleicht hat mancher etwas Spektakuläreres erwartet angesichts der schwierigen und zum Teil auch brisanten Thematik und der unterschiedlichen Auffassung zum Beispiel zum Menschenbild. Es gab aber ständig das ehrliche Bemühen, den Auftrag des Thüringer Landtags entsprechend des Beschlusses abzuarbeiten. Dabei haben wir alle - so meine Erfahrung - viel voneinander gelernt, nämlich, dass wir auch Konflikte aushalten können, ohne dem anders Denkenden seine Würde zu nehmen - auch ein Thema der Kommission.

Meine Damen und Herren, einen großen Umfang unserer Arbeit zu den Schwerpunkten des Auftrags berührten immer wieder bio- bzw. gentechnologische Fragen. Sie tangierten daher die Tätigkeit der Enquetekommission des Deutschen Bundestages "Recht und Ethik in der Medizin", aber auch die aktuellen Diskussionen in den Medien. Die Enquetekommission des Thüringer Landtags hat sich eingehend mit der Definition und dem Schutz des ungeborenen Lebens beschäftigt und ist zu der Formulierung gelangt, dass ungeborenem Leben eine Art spezifischmenschliches Leben ab der Verschmelzung von Ei und Samenzelle zukommt. Aus dieser Zuschreibung lässt sich

aber juristisch nicht zwingend ableiten - und das ist sicher der Unterschied -, was mit einem Embryo getan werden darf. Das biblische Menschenbild geht von der Schöpfung Gottes aus. Während in Großbritannien der Beginn des Lebens mit der Einnistung der befruchteten Eizelle im Mutterleib gilt und bis zum 14. Tag die Forschung am Embryo erlaubt ist, gilt nach dem jüdischen Glauben der Embryo nur außerhalb des Mutterleibes nicht als eigenständige Seele. Das menschliche Leben beginnt daher nach dem jüdischen Glauben nach dem 49. Tag. Mit der Definition und dem Schutz des ungeborenen Lebens eng verbunden sind die Probleme der Stammzellenforschung und die ideologisch brisante Frage: Wann ist der Mensch ein Mensch? Wenn man bei Emanuel Kant nachliest, dann gilt dessen Idee der Menschenwürde als Gipfelpunkt bürgerlich-humanistischen Denkens. Jedoch ein Menschenbild, das sich vornehmlich auf Rationalität gründet, kann, wie wir alle wissen, leicht missbraucht werden und erfasst auch das Menschliche in all seinen Dimensionen an sich nicht. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen, die es in manchen Punkten natürlich auch - Frau Arenhövel hat schon darüber gesprochen - in unserer Fraktion gibt, in einem sind wir uns völlig einig, für uns ist das Leitbild das humanistische Menschenbild. Eine durchökonomisierte Gesellschaft, in der der Mensch verwertet wird, widerspricht auch dem Wesen des Menschen, denn er ist ein biopsychosoziales Wesen. Umweltfaktoren und gesellschaftliche Bedingungen beeinflussen die Entwicklung des Menschen und so ist die Subjektivität des Menschen die Wirklichkeit seines Wertes. Massenhafte Arbeitslosigkeit ist Antastung menschlicher Würde im großen Stil. Auch davon war in der Kommission ab und zu einmal die Rede. Sie entzieht diesen Menschen das elementare Feld ihrer Wirksamkeit, entfremdet sie ihrer allgemeinen, gesellschaftlichen Nutzen stiftenden Subjektivität. Deshalb ist für mich unfreiwillige Arbeitslosigkeit auch ein Akt der Gewalt.

Meine Damen und Herren, aus grundlegenden Bedürfnissen des wirklichen Lebens hervorgegangen, ist Menschenwürde ein Prinzip, das den Menschen selbst, sein Wesen und seine Entwicklung als allgemeinsten umfassenden Wert der Menschheit reflektiert und geltend macht. Sie bringt als obersten Wert zum Ausdruck, dass der Mensch sein eigener letzter Zweck ist - nach Kant. Der Wert der Menschenwürde verleiht solchen Werten wie Freiheit, Verantwortlichkeit, Gerechtigkeit usw. Sinn und Maß und wird zugleich durch sie auf jeweils konkrete Weise realisiert. Die gesellschaftliche Wahrung der Menschenwürde beginnt nicht erst bei der Ahndung von Verletzungen und beim Schutz des ungeborenen Lebens, sondern bei der Schaffung von Bedingungen für ihre Entwicklung und für ihre Entfaltung. Das Grundgesetz formuliert in Artikel 1: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Meine Damen und Herren, Sie wissen - und diese Formulierung geht auf die historische Entstehung des Grundgesetzes nach 1945 zurück -, das Bekenntnis zur Unan

tastbarkeit der Menschenwürde war und ist eine Antwort auf das menschenverachtende Naziregime, das sich anmaßte zwischen lebenwertem und lebensunwertem Leben zu unterscheiden. Eine Relativierung der NS-Verbrechen in ihrer europäischen Dimension mit der Willkürherrschaft des MfS in der DDR führt für uns zu einer Einebnung von Geschichte. Ich bitte Sie einfach darüber nachzudenken. Die Totalitarismustheorie ist eines der bekanntesten Spiele konservativer Geschichtsschreibung. Nach der deutschen Vereinigung erlebte sie eine neue Blüte, hoffte man doch so, der DDR rückwirkend jegliche Legitimation zu entziehen - und das lasse ich schon mit mir nicht machen. Bei allen Problemen, ich lasse mein Leben nicht entwerten. Und ich muss sagen, in der Kommission erlebten wir durchaus Verständnis für unsere Position, und das ist für mich ganz außergewöhnlich.

Meine Damen und Herren, während in den vergangenen Jahrzehnten die reproduktionsbiologischen Maßnahmen von der genetischen Frühberatung bis zur künstlichen Befruchtung außerhalb des menschlichen Körpers, in vitro Fertilisation genannt, reichten, sind heute gezielte Veränderungen der menschlichen DNA, der eigentlichen Erbsubstanz, möglich. Vor über 20 Jahren ist in Großbritannien das erste Retortenbaby zur Welt gekommen - 10 Jahre früher als in Deutschland. Mit dieser Reproduktionsmöglichkeit wurde für viele betroffenen Ehepaare der Kinderwunsch Realität. Erst mit der neuen Reproduktionstechnologie, der Präimplantationsdiagnostik oder PID genannt, gibt es wieder eine gesellschaftliche Debatte über die Grenzen von Wissenschaft und Forschung. Die Frage, ob die Präimplantationsdiagnostik ein Diagnose- oder ein Selektionsverfahren ist, wird unterschiedlich in der Gesellschaft beantwortet, wie Sie auch unschwer dem vorliegenden Bericht entnehmen können. Auch dazu gibt es unterschiedliche Positionen. Leider hat sich die Gentechnologie inzwischen aus einem Instrumentarium des Erkenntnisgewinns zu einem Mittel entwickelt, mit dem auch wirtschaftliche Ziele verfolgt werden. Das halte ich für sehr problematisch. Der Kinderwunsch von Eltern ist für mich natürlich. Doch dürfen ungewollt kinderlose Paare instrumentalisiert werden als Legitimation für die Entwicklung neuer Manipulationen bis hin zur Klonierung der Menschen? Da der Markt immer neue Möglichkeiten bietet, sind wir in der Gesellschaft inzwischen vom Wunschkind auf dem Weg zum Recht auf Kind. Die Enquetekommission hat sich zu diesem sehr schwierigen Problemkomplex positioniert. Sie hat dazu Anhörungen durchgeführt, deren Ergebnisse sich in entsprechenden Empfehlungen widerspiegeln.

Meine Damen und Herren, ein anderer Themenkomplex, der die Arbeit der Enquetekommission betraf, war der Umgang mit schwerer Krankheit und die Palliativmedizin, die Begleitung Sterbender. Bevor ich hier auf Details eingehe, möchte ich dringend der Landesregierung anraten, den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der FriedrichSchiller-Universität in Jena einzurichten und finanziell entsprechend auszustatten - ein Dauerbrenner. Wir ha

ben es inzwischen in Thüringen nicht nur mit der Überalterung insgesamt zu tun, sondern auch der der Allgemeinmediziner und die Gesundheitsreform hinterlässt Spuren, darüber haben wir gestern geredet.

Lassen Sie mich auf einen Problemkreis aufmerksam machen: Krebs ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Jährlich sterben 4 bis 5 Mio. Menschen an den Folgen einer Tumorerkrankung; in Deutschland sind es jährlich 220.000 Menschen. Von den jährlich 300.000 Neuerkrankungen an Krebs in Deutschland entfallen etwa 10.000 auf Thüringen. Bislang können nur 45 Prozent durch primärchirurgische oder chemotherapeutische Behandlungsstrategien geheilt werden. Weitere 15 Prozent der primärbehandelten Patienten erleiden ein inkurables Erkrankungsrezidiv. Neue Behandlungsmöglichkeiten in den letzten Jahrzehnten haben die Aussichten auf Heilung für viele Krebspatientinnen leider auch nicht hinreichend gebessert. Diese Entwicklung verpflichtet die Medizin und Pflege zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte für Menschen, die unheilbar auf den Tod erkrankt sind und auf eine angemessene, komplexe Betreuung angewiesen sind. Für mich stellt die Palliativmedizin eine umfassende Antwort auf diese Anforderungen dar. Palliativmedizin, so eine Definition, ist die angemessene medizinische Versorgung von Patienten mit fortgeschritten progredienten Erkrankungen, bei denen die Behandlung auf die Lebensqualität zentriert ist und die eine begrenzte Lebenserwartung haben. Palliativmedizin schließt die Bedürfnisse der Familie vor und nach dem Tod des Patienten ein. Eine Möglichkeit für ein Stück gelebte Selbstbestimmung sind dabei für mich die Patientenverfügungen, auch da sollten wir mehr für die Öffentlichkeit noch tun. Sie heißen Verfügungen, weil sie noch zu Lebzeiten gelten sollen, im Gegensatz zum Testament, das im Fall des Todes eintritt. Ich zitiere an dieser Stelle den Präsidenten der Thüringer Landesärztekammer auf einer Fachtagung im Mai 2002: "Nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung gehört zu den Aufgaben von uns Ärzten, Leben zu erhalten und zu verlängern sowie Sterbenden beizustehen. Es ist jedoch nicht unsere Aufgabe, die Sterbezeit zu verlängern. Heutzutage besteht allerdings ein Problem darin, zu bestimmen, was noch Lebenszeit und was schon Sterbezeit ist. Die Grauzone zwischen Leben und Sterben im Gefolge der Medizinentwicklungen wird immer breiter. Die Orientierung der Ärzte am Willen des Patienten hat aber auch ihre Grenzen. So kann kein Patient aktive Sterbehilfe von einem Arzt fordern, ebenso wenig unübliche Therapien, Maximaltherapie sowie nicht indizierte Diagnostik und Therapie." Ich denke, mit diesem Zitat des Landesärztekammerpräsidenten werden die Probleme des Patienten genauso beschrieben wie die des Arztes, der seinem Eid und damit auch seiner Verpflichtung nachzukommen hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, da sicher jeder den Bericht der Enquetekommission lesen wird oder schon gelesen hat, wollte ich nur einen Problemaufriss ein Stück weit machen, um auf die Schwierigkeiten hinzuweisen,

in denen wir alltäglich stecken und weiter stecken werden. Unsere Fraktion sieht weit über die Empfehlungen dieses Berichts hinaus Handlungsbedarf. So soll im Rahmen der Gentechnologie eine öffentliche Begleitung von Forschung und ein gesellschaftlicher Diskurs stattfinden zu den Themenkomplexen wie Fortpflanzung, Medizin, Organersatz, Transplantation, Manipulation menschlicher Erbanlagen und Forschung an einwilligungsunfähigen Menschen. Die Risikoforschung - ich kann mich erinnern, es ist seit 13 Jahren, seitdem ich es kenne, immer wieder darüber geredet wird - ist verstärkt zu fördern. Insbesondere sind öffentliche Mittel zur Förderung der Forschung einzusetzen und um die Unabhängigkeit von privaten Interessen auf diesem Gebiet sicherzustellen. Handlungsbedarf sehen wir auch im Bereich der Patentrechte zur Genforschung und im Schutz bzw. im Recht eines jeden Menschen, seine genetischen Informationen vor fremdem Zugriff zu sichern, Datenschutz, Versicherungsbranche, Arbeitgeber, aber auch im Verbot des Klonierens, im Verbot der militärischen Nutzung von Gentechnik. Ich sage das deshalb, weil es ja schon mal zur Gentechnologie im Bundestag einen Bericht gegeben hat. Ich habe den gelesen wie Agatha Christie. Für mich war das ein Krimi, wo ich denke, man muss da besonders auf die Gefahren hinweisen. Denn wenn Arbeitgeber irgendwann in die Lage versetzt werden sollten, dass im Voraus bestimmt werden kann, wer welche Erkrankung kriegt und deshalb diesen oder jenen Beruf, das ist real, nicht erlernen darf, dann halte ich das schon für sehr problematisch.

Meine Damen und Herren, Probleme sehen wir in der Herstellung von Forschungstransparenz und in der zunehmenden Kommerzialisierung der genetischen Grundlagenforschung. Infolge des breiten Angebots vorgeburtlicher Gendiagnose sehen wir auch zunehmend Probleme der gesellschaftlichen Akzeptanz behinderter Kinder. Nicht selten werden Mütter von Kindern mit Behinderung gefragt, musste das sein, hätte es nicht andere Möglichkeiten gegeben? Andererseits ergibt sich die Frage, tut diese Gesellschaft wirklich alles für behinderte Menschen? Auch das bewegt Mütter, die wissen, dass sie ein behindertes Kind auf die Welt bringen werden.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, als die pränatale Diagnostik PNT eingeführt wurde, war es eine lange gewünschte und lebenserhaltende Maßnahme. In dem Maße, in dem Schwangere über 35 Jahre über das Risiko ihres Kindes, etwa für ein Down-Syndrom, Bescheid wussten, wuchsen auch die Ängste vor einem behinderten Kind und der Wunsch nach Abtreibung. Der Entdecker des DownSyndroms hat von Anfang an argumentiert, der Schwerpunkt der Bemühungen solle nicht auf der Beseitigung von kranken Föten, sondern auf der Beseitigung von Krankheiten liegen. Der Durchbruch zu einer erfolgreichen Therapie ist bis heute nicht gelungen, obwohl das Verständnis des Krankheitsbildes und die Verbesserung der Therapie zu Erfolgen geführt haben im Hinblick auf die Lebenserwartung und die Lebensführung bis hin zur Berufstätigkeit. Diese besondere Grenzsituation mit ihren

vielschichtigen Problemen erfordert gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen, in denen eine Antwort auf die schwierigen Fragen gefunden werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU können wir in den fünf Punkten zustimmen. Wir sind lediglich mit einigen Punkten der Begründung nicht ganz so einverstanden, aber die wird ja nicht abgestimmt. Außerdem war ja hier der Vorschlag, das an den Ausschuss zu überweisen, wo wir auch zustimmen. Auch die Neufassung des SPD-Antrags, so wie er jetzt ist, sollten wir auch überweisen, denn ich höre schon Stimmen, und denen sollten wir widersprechen, dass dieser Bericht eventuell Makulatur ist. Ich denke, das ist eine gute Möglichkeit, das sofort auch in Wahlzeiten zu untersetzen, dass dem nicht so ist.

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Friedrich Schiller enden: "Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie! Sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich erheben." Vielen Dank!

(Beifall bei der PDS, SPD)

Frau Abgeordnete Bechthum, bitte schön.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste, Herr Bischof Kähler, seien Sie herzlich willkommen. Sie sehen, das Interesse ist so groß, eigentlich ist es schade, dass die Abgeordneten hier nicht zahlreicher vertreten sind, das muss ich einfach sagen.

Der Thüringer Landtag hat gemäß Artikel 63 der Verfassung des Freistaats Thüringen und § 84 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags eine Enquetekommission "Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen" eingesetzt, und nach über drei Jahren Arbeit liegt dieser 394 Seiten umfangreiche Abschlussbericht dem Thüringer Landtag und der Öffentlichkeit in der Drucksache 3/3854 vor. Ich danke hier noch mal Frau Dr. Fischer für die würdigenden Worte zur Arbeit der Kommission, zu den Mitgliedern und hier noch ein ganz besonderes Dankeschön auch an Sie, Frau Arenhövel, Sie haben es wirklich verstanden, uns immer wieder nach hitzigen Debatten zusammenzuführen, und das ist eigentlich ein gutes Zeichen.

(Beifall bei der SPD)

Ich brauche das, was ich eigentlich auch sagen wollte, dann nicht noch mal wiederholen, aber Frau Schlauraff hier auch noch mal meinen Dank und auch Herrn Heilmann und auch Frau Pölitz, die jetzt uns dann zum Schluss betreut hat. Die Qualität, die Aussagefähigkeit und ganz besonders, was die eigentliche Aufgabe einer Enquetekom

mission ist, nämlich die Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutende Sachkomplexe, wird die Zukunft zeigen. Ich verweise hier auf unseren Antrag in der Drucksache 3/3934, worin wir unserer Meinung nach den ersten Schritt zur Umsetzung der Empfehlungen sehen und auch in dem Entschließungsantrag der CDU. Allerdings drängt sich uns schon bei dem ersten großen Beratungskomplex in 3. "Schutz des ungeborenen Lebens", und da ganz besonders die Kapitel 2 bis 4, die Frage auf, welche Entscheidungen des Thüringer Landtags sollen hier eigentlich vorbereitet werden. Die Kompetenz liegt allein beim Bundesgesetzgeber, denn es geht um Fragen des Embryonenschutzgesetzes, des Schwangerenhilfegesetzes, und für diesen Abschnitt haben wir allein ca. zwei Jahre aufgewandt. Die letzte inhaltliche Beratung war in der 42. Sitzung am 15. April 2003.

Was ist dabei herausgekommen? Die Diskussion bei den zentralen Themen Pränataldiagnostik, PND, Präimplantationsdiagnostik, PID, Stammzellen war dadurch gekennzeichnet, die wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschung zu ignorieren, konservative Standpunkte zu festigen. Beispielsweise wurde die Tatsache nicht diskutiert und berücksichtigt, dass ca. 70 Prozent aller befruchteten menschlichen Eizellen sich gar nicht erst zum Kind entwickeln, sondern frühzeitig absterben, so wie die Mehrheitsfraktion postulierte "Mensch von Anfang an", und wir haben darüber eine heiße Debatte geführt. Ich war auch erst dafür, dann habe ich aber gemerkt, in welche Richtung das ging, und dann konnte ich dem auch nicht mehr zustimmen, weil es auch eigentlich die Auffassung der Kirchen ist. Hieße das, dass die ärztliche Kunst sich darauf ausrichten müsste, mittels Diagnostik und Therapie statt 30 Prozent vielleicht 35 bis 40 Prozent der befruchteten Eizellen am Leben zu erhalten. Widersinnig ist daher nach unserer Auffassung die Empfehlung 11, die PID ohne differenziertes Nachdenken rundweg abzulehnen. In der Diskussion und der Darstellung im Abschlussbericht der Enquetekommission 3/1 wird weiterhin voll und ganz ignoriert, dass sich erst weit nach der Befruchtung, etwa im 64. Zellstadium ungefähr festlegen lässt, welche zwei bis vier Zellen tatsächlich sich zu einem Kind entwickeln. Die anderen Zellen werden nicht zum Kind, sondern zum Mutterkuchen bzw. zur Plazenta oder Plazentaanhangsgebilden. Die PID setzt zeitlich weit vor dieser Differenzierung der Zellen an. Weiterhin gehört die Annahme, es könnten Designerbabys gezüchtet werden, vielleicht auf die erste Seite der BILD-Zeitung, aber nicht in den Bericht über den Bereich der realen Möglichkeiten. Alle, die die PID rundweg ablehnen, müssen dann konsequenterweise auch eine künstliche Befruchtung in vitro Fertilisation ablehnen, denn hierbei wird die befruchtete Eizelle optisch überprüft und ärztlich nachvollziehbar anormale Keime nicht für eine Schwangerschaft genutzt. Jede in vitro Fertilisation beinhaltet eine PID ohne deren manipulativen Aspekt. Frau Arenhövel, Sie waren dabei als Prof. Knöpfler darüber gesprochen hat beim Pflegetag, dass das, was bis jetzt normal war, auf einmal kriminalisiert wird. Das ist eigentlich für diese Wissenschaftler und Pro

fessoren unerträglich. Die genannte Empfehlung 11, das geforderte Verbot der PID, widerspricht inhaltlich auch der Diskussion und der Intention der Empfehlung Nr. 3, es sollen späte Schwangerschaftsabbrüche wegen der ungeheuer großen psychischen Belastung der Frau möglichst vermieden werden. Eine Möglichkeit, gerade bei vorbelasteten Eltern, die oft schon ein behindertes Kind haben, ist die PID. Während der Diskussion über die PID wurde nicht ein einziger Betroffener gefragt. Es steht außer Frage, dass in Einzelfällen, und um solche soll es sich nur handeln, eine PID ärztlich, menschlich und ethisch geradezu geboten sein kann. Führende Wissenschaftler, Ärzte und Ethiker, auch auf universitärem Niveau hier in Thüringen, teilen hierin unsere Meinung.

Zur Stammzellenproblematik verweise ich auf unser Sondervotum. Auch hier werden durch die wissenschaftlich nicht haltbare Definition, dass der Mensch von Anfang an Mensch ist, nach unserer Meinung die gesellschaftlichen Schwierigkeiten und Probleme von vornherein nicht mit einbezogen. Die Teile 2. Allgemeine und ethische Aussagen über den Lebensbeginn, 3. Fragestellung am Lebensbeginn und 4. Einsatz des modernen medizinisch Möglichen und ethisch Verantwortbaren in der Therapie enthalten viele Fragestellungen, deren juristische Lösungen allein auf der Bundesebene liegen. Da Enquetekommissionen dem Gesetzgeber bei seiner Entscheidungsfindung helfen sollen, stellt sich natürlich die Frage, was soll das auf Landesebene? Nach unserer Auffassung war es der Versuch, entgegen der wissenschaftlichen Kenntnis den Status quo zu betonieren. In dem Bericht wird durch die aufgemachte Forderung, kein Komma am Embryonenschutzgesetz zu ändern, nicht das Ziel, die Probleme zu beschreiben und zu bearbeiten, sondern eine konservative Lesart zu festigen, verfolgt. Selbst katholische Ethiker denken hier differenzierter als es der Bericht ausdrückt. Unsere Vorstellungen zu diesem Themenkreis sind, einen bewussten, sachgerechten und sich auf dem Stand der Wissenschaft befindenden Umgang mit diesen Fragestellungen herbeizuführen, damit ein breiter gesellschaftlicher und sozialer Konsens hergestellt werden kann.