zunächst in der Fähigkeit zu digitaler Abstinenz. Es geht dabei nicht nur um kognitive Aspekte und darum, dass die ständigen digitalen Begleiter echte Bildung unmöglich machen. Es geht auch um Soziales. Wenn Jugendliche sich heutzutage treffen, beschränkt sich dies leider oft auf eine physische Kopräsenz, wobei jeder auf sein Smartphone starrt, dort mit virtuellen Gruppen agiert und mit der Gruppe, die er in der realen Welt bildet, bestenfalls Wortfetzen austauscht.
Es ist empirisch nachgewiesen, dass die intensive Nutzung sozialer Online-Netzwerke bei Jugendlichen die Anzahl realer Freundschaften reduziert und sich nachteilig auf die soziale Kompetenz auswirkt. Wer ständig online ist, mehr im Internet lebt als in der richtigen Welt und mehr Wert auf virtuellen als auf realen Austausch legt, bei dem lässt sich sogar hirnphysiologisch nachweisen, dass die für soziale Kontakte zuständigen Hirnareale verkümmern.
Von Politikern aller Parteien wird sehr zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass sich im Netz ein aggressiver Ton ausbreitet. In der virtuellen Welt sinken die Hemmschwellen und die Gesetze des sozialen Miteinanders sind außer Kraft gesetzt. Menschen sagen sich über WhatsApp und Facebook Dinge, die sie sich im direkten Kontakt niemals sagen würden. Das ist allerdings kein Phänomen, das sich auf eine bestimmte politische Richtung beschränkt. Wir finden es bei allen Beteiligten und in allen politischen Lagern.
Anstatt nun Denunzianten zu animieren und eine Zensurinfrastruktur im Netz zu installieren, wäre es besser, den überbordenden Missbrauch des Internets gerade durch Jugendliche zurückzudrängen und deutlich zu machen: Wir haben ein Kommunikationsmittel, das einiges erleichtert; es kommt aber darauf an, dass wir dieses Kommunikationsmittel beherrschen, nicht, dass es uns beherrscht.
Fazit: Es ist eine schädliche Unart, in jeder freien Minute ständig auf sein Smartphone zu starren. Es ist im besten Sinne asozial und es wird gefährlich, wenn das Internet dem wirklichen Leben nicht mehr nur dient, sondern es verdrängt. Deshalb ist es die Aufgabe der Schule, einen pädagogischen Gegendruck aufzubauen.
In den Pausen zwischen den Schulstunden sollen sich die Kinder und Jugendlichen bewegen und sich unterhalten, aber nicht an der digitalen Nuckelflasche hängen.
Deshalb brauchen wir ein Smartphone-Verbot eben nicht nur im Unterricht - das sollte sich ganz von selbst verstehen -, sondern gerade auch während der Pausenzeiten.
Hinzu kommt noch, dass Smartphones mit ihren technischen Möglichkeiten unter Schülern missbraucht werden, um Mitschüler gegen ihren Willen zu fotografieren oder im Netz schlecht zu machen und unter Druck zu setzten. Das Phänomen ist als Cybermobbing bekannt. Das Mobbing im richtigen Leben wird durch den Einsatz digitaler Medien verstärkt.
Die digitalen Medien fungieren als Katalysator für soziales Fehlverhalten. Bei einer Studie, die die Techniker-Krankenkasse im Jahr 2011 mit 1 000 Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren durchführte, haben über 30 % angegeben, schon einmal Opfer von Cybermobbing geworden zu sein. Diese Zahlen dürften seitdem nicht gesunken sein.
Ein trauriger Höhepunkt dieses Trends ereignete sich Ende des letzten Jahres in Halle, als ein Schüler seine Mitschülerin im Sportunterricht in sexuell deutbaren Posen mithilfe seines Smartphones fotografieren wollte, was schließlich in einem gewalttätigen Streit zwischen Lehrer und Vater endete.
Fazit: Smartphones während der Schulzeit mindern den Lernerfolg, stören die Konzentration, schaden der sozialen Entwicklung und verstärken Fehlverhalten gegenüber Klassenkameraden. Positive Effekte sind nicht erkennbar. Damit sollte klar sein, Smartphones haben in der Schule nichts verloren. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank für die Einbringung. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Bevor wir in die Debatte einsteigen - vorsichtig, Herr Minister, nicht stürzen -, gebe ich Minister Herrn Tullner für die Landesregierung das Wort. Sie haben das Wort, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tillschneider, ich habe Ihrer Rede aufmerksam zugehört
und habe mich daran erinnert, wie es war - ich glaube, im Jahr 1835 war es -, als die erste deutsche Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth eröffnet wurde.
tioren, Mediziner und Wissenschaftler - es gab vielleicht auch erste Anflüge von Hirnforschung -, die dringend davor gewarnt haben, sich dieses Verkehrsmittels zu bedienen. Das fuhr, glaube ich, 20 km/h, vielleicht ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger.
Wir wissen, wie die Geschichte weitergegangen ist. Das kann man, wenn man Gerhart Hauptmann und anderen folgt, bei den schlesischen Webern bei der Maschinenstürmerei nachvollziehen usw. usf.
Meine Damen und Herren! Fortschritt kann man nicht aufhalten, egal ob man es politisch oktroyiert oder verbietet. Der Fortschritt findet seine Bahn.
- Darauf komme ich noch zurück, mein lieber Kollege Fraktionsvorsitzender. Man kann sich über Bildungsniveaus usw. trefflich unterhalten, aber Sie müssen die richtige Methode und die richtigen Mittel wählen.
Man kann gemäß Ihrer Logik demnächst auch den Strom verbieten, weil es vielleicht schädlich ist, dass es in Schulen Elektrizität gibt. Am Ende kommt es auf die Inhalte von Bildung an, nicht auf die Form, wie wir Bildung vermitteln. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Unterschied.
Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Ich finde es bemerkenswert, dass wir uns im Jahr 2020 noch immer mit der Frage auseinandersetzen, ob digitale Technik nun Fluch oder Segen ist. In meinen Augen sollte auch dem Letzten längst klar geworden sein, dass es bei dieser Frage kein simples Entweder-Oder gibt, wie es in dem Antrag der Fraktion der AfD über weite Strecken suggeriert wird: Wegschließen oder, wie Sie es in Ihrer Antragsbegründung formulieren, „verbannen“ - Synonyme sind übrigens laut Duden ausweisen oder deportieren -, und die Welt wird gut.
- Darf ich bitte ausreden? Dann können Sie vielleicht auch meinen Argumenten folgen. - Das ist tatsächlich Ihre Antwort auf die zugegeben nicht einfach zu beantwortende Frage, wie in den Schulen der Umgang mit Smartphones geregelt werden soll. Ich muss sagen, ich bin ehrlich verwundert; denn so viel Verbotspartei sieht Ihnen gar nicht ähnlich, liebe Dame und sehr geehrte Herren von der AfD.
Ihre Antragsbegründung überzeugt im Übrigen auch fachlich in keiner Weise. Sie können doch nicht erst behaupten, das Smartphone sei zweifellos „zu einem unverzichtbaren Kommunikationsmittel des modernen Lebens geworden“, um dieses Gerät im nächsten Atemzug für nicht weniger als die Verblödung der Menschheit verantwortlich zu machen,
wozu schon seine bloße Präsenz im Sichtfeld eines Menschen führen würde. Im letztgenannten Punkt behaupten Sie, dass es durch seine Anwesenheit „die Fähigkeit zur Rezeption und Produktion längerer Texte oder überhaupt zur Lösung komplexerer Aufgaben, die Vertiefung und Ausdauer erfordern,“ verhindert. Sie bemühen dabei eine Veröffentlichung von Adrian Ward von der University of Texas. Das ist eine Aussage, die der Autor übrigens gar nicht mit Blick auf Schüler getätigt hat, sondern über Erwachsene.
Unabhängig davon, ob das so sein sollte, schaue ich hier in die durchdigitalisierten Reihen der Fraktionen - na gut, jetzt hat sich der eine oder andere konzentriert - und hoffe um aller Anwesenden Arbeitsfähigkeit willen, dass das so nicht stimmt, liebe Damen und Herren Abgeordneten.
Ich möchte zur Sachlichkeit zurückkehren und Ihnen skizzieren, wie der Umgang mit Smartphones geregelt ist und wie die Praxis der Schulen in Sachsen-Anhalt aussieht. Zunächst stelle ich fest, dass es hierzu keine schulgesetzlich vorgegebenen Regelungen gibt. Stattdessen geben sich Gesamtkonferenzen der Schulen jeweils eigene Regeln, die oft zusätzlich in den Hausordnungen verankert werden. - Der Ministerpräsident hat das Handy an; immerhin einer.
Im Ergebnis sind diese Regelungen dann zwar von Schule zu Schule verschieden, finden jedoch hohe Akzeptanz in ihrer Anwendung und Durchsetzung, da sie gemeinsam vom Kollegium, den Eltern und der Schülerschaft beschlossen wurden. In der einen Schule bleibt das Smartphone den ganzen Tag abgeschaltet in der Tasche, in einer anderen ist die Nutzung in den Pausen erlaubt und in der dritten verschwindet es gar nicht, weil es als digitales Werkzeug im Unterricht eingesetzt wird.
Egal, für welche dieser beispielhaft genannten Wege man sich an einer Schule entscheidet: Wenn er von allen Beteiligten beschlossen und getragen wird, halte ich ihn ausdrücklich für sinnvoll und vernünftig. Ich vertraue in dieser Frage auf die Entscheidungskraft der Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern und Schüler.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wovon Regelungen zum Gebrauch jedoch nicht frei machen, sind Fragen des personenbezogenen Datenschutzes oder sogar des Umgangs mit eventuell strafbaren Handlungen, die mit Smartphones verübt werden können. Die Spannbreite reicht dabei vom Stören des Unterrichts über unfreiwillige Bildaufnahmen von anderen bis hin zu Cybermobbing und vielem mehr. Darauf ist der Kollege Tillschneider schon eingegangen.
Das sind absolut ernstzunehmende Punkte. Darum brauchen die Lehrkräfte dafür einen klaren Handlungsrahmen, um im schulischen Kontext und gemeinsam mit den Eltern sinnvoll zu sanktionieren und zu erziehen sowie im Bedarfsfall auch andere Stellen hinzuziehen zu können.
Auch das System Schule lernt - wie wir alle, denke ich - in diesem Bereich immer noch dazu. Jedes Vorkommnis wird von den Schulen und der Schulverwaltung genutzt, um daraus Handlungssicherheit für die Zukunft abzuleiten. Was mir in diesem Zusammenhang ebenfalls sehr wichtig ist, ist die Prävention. Dazu hat der Antragsteller gar nichts gesagt.
Sehr geehrter Herr Minister, es steht mir eigentlich nicht zu, Sie zu unterbrechen. Aber ich möchte gern eine Bemerkung machen. Es handelt sich hier um eine Dreiminutendebatte und Sie sind jetzt schon fast drei Minuten über der Zeit.
Frau Präsidentin, Sie sehen mich ganz demütig; aber ich habe bisher gedacht, dass die Landesregierung ihre ganze inhaltliche Kompetenz entfalten darf.
Ich nehme die Heiterkeit der Fraktion DIE LINKE jetzt nicht wirklich zur Kenntnis und werde versuchen, meine Ausführungen etwas zusammenzufassen.
Ich habe versucht, Sie im ersten Teil meiner Rede darauf hinzuweisen, dass es sich hier um eine Frage handelt, ob sich auch die Schulen modernen Lebenswelten öffnen müssen. Der zweite Punkt ist, dass wir Rahmen und Regeln brauchen, die wir gemeinsam in den Schulen, aber auch darüber hinaus im System Schule kreiert haben.
Der dritte Punkt ist, glaube ich, dass wir alle ein Stück weit für Neuerungen und für Innovationen offen sein müssen. Wenn Deutschland als führende Wirtschaftsmacht dieser Welt weiterhin führend sein will, dann müssen wir unseren kommenden Generationen die Fähigkeit mitgeben, diese Kompetenzen, die dringend notwendig sind, zu erwerben. Dazu werde ich meinen Beitrag leisten. - Vielen Dank.