Protocol of the Session on January 30, 2020

(Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen, SPD: Wirt- schaft mitberatend!)

- Zur Mitberatung in den Wirtschaftsausschuss; das habe ich gehört.

Wir kommen zum nächsten Redner. Für die AfDFraktion spricht jetzt der Abg. Herr Dr. Tillschneider. - Sie haben das Wort, bitte.

Danke sehr. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kein Antrag zur Unterstützung von LSBTTI-Flüchtlingsinitiativen, keine Forderung nach mehr Lehrern, die es nirgendwo gibt, kein Antrag zu irgendjemandem, der weg muss, weil er bei einer Karnevalsrede „Neger“ gesagt hat - nein, nichts dergleichen, sondern tatsächlich ein sinnvoller Antrag, der darauf abzielt, ein prominentes Stück deutscher Geschichte zu würdigen. Das hätte ich von den LINKEN nicht erwartet.

(Beifall bei der AfD)

Sie wollen, dass Sachsen-Anhalt zusammen mit Thüringen eine Landesausstellung zum Bauernkrieg und zu Thomas Müntzer durchführt. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Zwischen den Zeilen kommt einem zwar der Stallgeruch der DDR-Geschichtsschreibung entgegen; aber wir wollen nicht kleinlich sein.

Wäre die partielle Verhaftetheit im DDR-Geschichtsbild das einzige Übel der LINKEN, man könnte wunderbar mit Ihnen zusammenarbeiten.

(Zuruf: Oh!)

Das Problem an Ihnen ist nämlich nicht so sehr das DDR-Erbe, sondern eher das, was nach 1990 aus Ihnen geworden ist.

(Heiterkeit bei der AfD)

Die DDR-Geschichtsschreibung jedenfalls steckte noch nicht so tief im antideutschen Sumpf wie Sie.

(Zustimmung bei der AfD)

Natürlich hat der Antrag auch damit zu tun, dass in Mansfeld-Südharz eine Landrätin der LINKEN regiert und in Thüringen Ramelow regiert, wobei man das Trauerspiel in Thüringen nicht wirklich Regieren nennen kann.

(Beifall bei der AfD)

Doch auch darüber sehen wir hinweg. Im Sinne der Bürger sagt die AfD-Fraktion Ja zu diesem Antrag. Sie haben ja recht damit, dass die touristische Entwicklung im Landkreis Mansfeld-Südharz hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Viel zu selten wird auf die große deutsche Geschichte hingewiesen, die in den Ortschaften zwischen Allstedt und Hettstedt ihren Niederschlag gefunden hat. Eine ganze Region sollte im Sinne einer gedeihlichen Entwicklung des Kulturtourismus besser gepflegt werden; darin sind wir uns einig. Dies freilich setzt ein unverkrampftes und bejahendes Grundverhältnis zur eigenen Geschichte voraus. Wir zweifeln daran, ob Sie das mitbringen, wollen dem Projekt aber eine Chance geben.

Das Einzige, das wir kritisch sehen, ist die etwas plumpe Deutung von Müntzer als Vorkämpfer für linke Wertvorstellungen. Man könnte Thomas Müntzer auch als jemanden sehen, der die Botschaft des Evangeliums für politische Zwecke missbraucht hat. Gerade als solcher könnte er der Kirche von heute zur Mahnung gereichen. Im besseren Licht könnte man Thomas Müntzer auch als Anwalt des Volkes sehen, der heute wohl AfD wählen würde.

(Beifall bei der AfD - Siegfried Borgwardt, CDU: Aber das ist keine Vereinnahmung! - Zurufe von der LINKEN)

- Sie verstehen doch Ironie, Herr Borgwardt.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ja, ja!)

Ich will das nicht zu weit treiben; denn wir dürfen die Vergangenheit nicht einseitig an den Maßstäben der Gegenwart messen. Das wäre selbstgerecht. Die Vergangenheit muss an ihren eigenen Maßstäben gemessen werden. Nötig ist die Kunst, sich in vergangene Mentalitäten zu versetzen, eine Abstandnahme von den Verstrickungen der Gegenwart, ein Verzicht auf schnelle Urteile und eine grundsätzliche Öffnung für die Mehrdeutigkeit allen menschlichen Strebens. In diesem Sinn sollte die Geschichte des Bauernkriegs, und nicht nur die des Bauernkriegs, gepflegt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Tillschneider. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Somit kommen wir

zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Aldag. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Gallert, es ist ja kein Geheimnis, das ich aus dem Westen komme und in der Tat war Thomas Müntzer bei uns im Geschichtsunterricht kein Thema.

(Zuruf von Wulf Gallert, DIE LINKE)

Nun bin ich aber schon 27 Jahre lang hier in Sachsen-Anhalt. Ich habe in Bernburg, in Strenzfeld, studiert. Im Thomas-Müntzer-Haus waren meine Seminarräume. Ich wohne heute in Halle unweit des Thomas-Müntzer-Platzes. Ich habe mich in den letzten 27 Jahren durchaus mit der Person Thomas Müntzer auseinandergesetzt und weiß jetzt auch, wer Thomas Müntzer war.

Deswegen kann ich Ihre Idee auch nachvollziehen; ich finde sie grundsätzlich gut und sinnvoll. Denn jetzt, wo wir die ehemaligen Wirkungsstätten Luthers mit viel Landesgeld herausgeputzt haben, sollten wir doch versuchen, das Interesse an der Region aufrechtzuerhalten. Inhaltlich anknüpfende Themen, wie der Bauernkrieg vor

500 Jahren, könnten auch weiterhin Touristen nach Sachsen-Anhalt locken. Eine solche Entwicklung wäre durchaus wünschenswert, gerade in den Orten Allstedt und Stolberg - ein wunderschönes Städtchen. Es wäre wirklich wichtig, dass in diese Ortschaften auch mehr Touristen kommen.

Das Wirken Thomas Müntzers, der erst Anhänger und dann radikaler Gegenspieler zu Luther wurde, ist dabei aber aus mehreren Perspektiven interessant. Zum einen sind es natürlich die authentischen Orte, die die Möglichkeit geben, das Geschehen vor 500 Jahre nachzuvollziehen und Eindrücke zu erleben. Zum anderen sehe ich aber auch die Notwendigkeit - Sie haben es selbst gesagt, Herr Gallert -, sich im Zusammenhang mit Müntzer auch der neueren Geschichte zu stellen. Schließlich wurde Müntzer durch die SED zu einem der Urväter des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden erhoben. Nur im Osten gab es so viele Straßen, Schulen oder ehemalige LPG, die nach dem Revolutionär Müntzer benannt worden waren. Er hat einen Fünfmarkschein geziert und war zentrale Einheit im Geschichtsunterricht.

Hier in Sachsen-Anhalt, ebenso wie in Thüringen, gab es dadurch einen ganz besonderen Bezug zur Person und zum Wirken Müntzers. Auch dies sollte bei einer möglichen Landesausstellung über den Bauernkrieg mit der zentralen Figur Müntzer durchaus Thema sein.

Meine Damen und Herren! Ich denke, mit dem vorliegenden Antrag wird ein guter Hinweis gegeben. Unsere Fraktion hat diesen Hinweis bereits in einem Brief der Landrätin des Landkreis Mansfeld-Südharz bekommen. Es kommt uns daher gelegen, dieses Anliegen im Ausschuss für Bildung und Kultur gemeinsam diskutieren zu können. Dementsprechend bitten wir um die Überweisung des Antrags zur Beratung in den Ausschuss für Bildung und Kultur und zur Mitberatung in den Wirtschaftsausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Aldag. Auch hierzu gibt es keine Wortmeldungen. - Wir kommen nun zum vorletzten Debattenredner. Herr Gallert hat danach auch noch einmal die Möglichkeit, zu reden. Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Schumann. - Sie haben das Wort, Herr Abg. Schumann.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat sind 500 Jahre seit dem Bauernkrieg von 1525 Anlass genug, sich seiner Entstehungsgründe und seiner Wirkung erneut bewusst zu werden.

Der 500. Jahrestag des Bauernkrieges sollte vor allen Dingen die Gelegenheit bieten, sich seiner zu erinnern und ihn in moderner Form geschichtlich als Lern- und Anschauungskunde, vielleicht auch zur heimatlichen Geschichtskunde, unverfälscht aufzuarbeiten. Der Bauernkrieg war im Kern das Resultat einer sozialpolitischen Bewegung, welche sich im Frühjahr 1525 über weite Teile des süddeutschen, aber eben auch des mitteldeutschen Raumes ausbreitete: Thüringen und südliches Harzvorland.

Es standen sich hierbei die benachteiligten Bauern auf der einen Seite und die Landsherren und Landesstände sowie vor allem auch die Städte auf der anderen Seite gegenüber. Der Historiker Bernd Moeller hat denn auch den Schluss gezogen, dass der Bauernaufstand gegen die Landsherren und Fürsten nur dort stattfand, wo auch größere städtische Siedlungen existierten.

Vor 1525 gab es vor dem Hintergrund dieses Antagonismus bereits Spannungen im Verfassungsgefüge des alten Reiches, das seit der Rechtsreform 1495 und seit dem Beginn der Reformation 1517 Umbrüchen ausgesetzt war, die den Weg in die Neuzeit ebnen sollten. Prägend wurde das Denken der Renaissance, der Bauernkrieg aber keine Bewegung, die auf eine Systemänderung abzielte. - So der Historiker Moeller.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Feststellung, dass der Bauernkrieg aus der Sicht der beteiligten ein Fehlschlag Bauern wurde - die entscheidende Schlacht von Frankenhausen im Jahr 1525 sei wenigstens erwähnt - und mit einem Sieg der Landsherren und ihrer Verbündeten und ihrer Macht endete, sollte an dieser Stelle der historischen Abrundung dienen. Wir sollten uns dieses historischen Ereignisses in würdiger Form erinnern, es aber nicht in unserer heutigen Zeit durch überzogene Interpretation und Schlussfolgerungen politisch instrumentalisieren. Wir sind zum Glück weit von den Verhältnissen des 16. Jahrhunderts entfernt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte um die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Bildung und Kultur; dort könnten wir nach Wegen für eine gemeinsame übergreifende Länderausstellung suchen. Das ZMA wäre für mich in Sachsen-Anhalt zum Beispiel ein Ansprechpartner für die fachliche Akquise. Ich lade zum Nachdenken darüber ein. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Schumann. Auch hierzu gibt es keine Fragen. - Damit hat Herr Gallert zum Schluss der Debatte noch einmal das Wort. Bitte, Herr Abg. Gallert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich zunächst, dass die Idee mehr oder weniger doch auf breite Zustimmung gestoßen ist. Ich will noch einmal zur Einordnung das eine oder andere sagen.

Ja, Herr Tullner, ich bezweifle nicht, dass man auf dem Bildungsserver irgendwann auch auf Thomas Müntzer stößt. Eine Kollegin von mir hat eben gesagt, man finde den Bildungsserver so schlecht. Aber das ist ein völlig anderer Einwand.

(Minister Marco Tullner: Wer war das? - Heiterkeit bei der LINKEN)

Wir wissen schon, wie sich die gesellschaftliche Debatte an der Stelle verschoben hat. Ich habe auch ausdrücklich nicht gesagt, dass man Thomas Müntzer heute verfälschen würde - das ist auch Quatsch -; denn Geschichtsbilder sind immer different. Das Problem ist nur, dass man nicht mehr darüber redet.

Das eigentliche Problem ist - das sage ich auch noch einmal, Herr Schumann -: Natürlich kann man nicht eine Banalität machen und sagen, wir haben das vor 500 Jahren gehabt und das bedeutet für uns heute das und das. Das wäre der Fehler der DDR-Geschichtsschreibung.

Aber als wir uns über Luther unterhalten haben, und das zehn Jahre lang und mit dreistelligen

Millionenbeträgen, ist die Frage doch auch gestellt worden: Was kann uns Luther heute noch sagen?

(Frank Scheurell, CDU: Eine Menge!)

Was bringt uns die Beschäftigung mit der Reformation?