Protocol of the Session on November 21, 2019

Ich sehe keine Fragen. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Bönisch.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir, meine Fraktion und ich, stehen dem Gesetzentwurf sehr wohlwollend gegenüber. Aber wie das so üblich ist, wir bearbeiten solche Gesetzentwürfe routiniert, mehr oder weniger, jeder Einzelne. Aber dieser Gesetzentwurf hat mir durch die Diskussionen in der gestrigen Sitzung des Psychiatrieausschusses noch einmal deutlich gemacht, dass wir nicht nur mit Routine hier heranzugehen haben, sondern uns bewusst sein müssen - mir jedenfalls wurde es wieder einmal nahegebracht -, dass wir damit auch eine sehr hohe Verantwortung wahrzunehmen haben.

Dieser besondere Respekt, den mir dieser Gesetzentwurf abnötigt, resultiert vor allem aus der Sensibilität des Themas und daraus, dass wir gerade gestern - Frau Zoschke wird mir sicher zustimmen - gemerkt haben, dass selbst die Fachleute sich in vielen Fragen nicht nur nicht einig sind, sondern mitunter sogar diametral entgegengesetzte Auffassungen haben. Die Komplexität und die Sensibilität des Themas erfordern also eine sehr ausführliche und intensive Befassung.

Die Dreiminutendebatte hier ist sicher nicht geeignet, um Inhalte aufzugreifen. Ich will deswegen auch nicht weiter darauf eingehen, bin nur froh, dass nach fast 30 Jahren für das jetzt geltende PsychKG endlich eine Novelle erfolgt. Ich bin auch froh darüber, dass wir uns diese unliebsame Aufgabe, sage ich einmal, bereits im Koalitionsvertrag selbst auferlegt haben.

Ich will nur einen kurzen direkten Bezug zum Gesetzestext nehmen und will mich dabei bei der Überschrift aufhalten. Das alte Gesetz, das jetzt noch gültig ist, heißt „Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt“. Das neue Gesetz hat die Überschrift „Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für Personen mit psychischen Erkrankungen des Landes Sachsen-Anhalt“. Das sieht auf den ersten Blick vielleicht ganz harmlos aus, aber wenn man sich näher damit befasst, merkt man sehr schnell, dass das nicht nur bloße Rhetorik ist, sondern dass eine ganze Menge Inhalt dahinter steckt.

Wir werden viel Zeit in den Ausschüssen brauchen. Deswegen sollten wir es zügig angehen. Aber es sollte auf jeden Fall auch hierbei der Grundsatz gelten: Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Wir überweisen die Gesetzesvorlage zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht und Verfassung, in den Ausschuss für Inneres und Sport und in den Finanzausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zu- stimmung von Ministerin Petra Grimm- Benne)

Es gibt auch hierzu keine Fragen. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Zoschke.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was registrieren wir? Wir registrieren auf der einen Seite, dass psychische Erkrankungen in jedem Alter, in jeder sozialen Schicht, in jeder Berufsgruppe zunehmen.

Wir nehmen wahr, dass sich die Meinung der Öffentlichkeit über psychische Erkrankungen verändert hat, dass sie sensibler geworden ist und dass psychisch Kranke nicht mehr generell abwertend beurteilt werden oder in eine bestimmte Ecke gestellt werden. Es stellt sich auch dar, dass die Gedanken der Hilfe und des Schutzes im Vordergrund stehen. Wir registrieren, dass das Versorgungsangebot in Sachsen-Anhalt sehr different ist, sowohl in der Vorsorge, also der Prävention, als auch in der Nachsorge.

Dieses Versorgungsangebot reicht von kaum versorgt - das betrifft vor allen Dingen das flache Land - bis relativ gut versorgt; das sind dann unsere Großstädte. Und wir registrieren, dass es in der Zwischenzeit Entscheidungen von Gerichten gibt, die sich zur psychiatrischen Versorgung geäußert haben und die zwingend Veränderungen in der Gesetzeslage erfordern.

Diesen Fakten folgt der Gesetzentwurf. Es gibt tatsächlich eine Reihe von sehr positiven Akzenten. Ich finde, die genaue Definition von Zwangsmaßnahmen und Fixierung ist eine Verbesserung zur vorhergehenden und macht diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tagtäglich damit betraut sind, in ihrem Handeln mit Sicherheit sicherer.

Wir finden sehr gut die Berufung von Patientinnen- und Patientenfürsprecherinnen. Wir finden, dass auch der Aspekt der psychiatrischen Versorgungsstrategie ein guter ist. All diejenigen, die sich schon sehr lange im Landtag tummeln, wissen, dass wir uns schon sehr oft über die Landespsychiatrieplanung gestritten haben und dass es auch sehr viele Foren und Gespräche gab, um diese Landespsychiatrieplanung auf den Weg zu bringen und dass vor allen Dingen auch die kommunalen Spitzenverbände insoweit sehr dezent, zurückhaltend waren. Jetzt wird es zwingend nötig. Und das finden wir sehr gut. Es hat also in dieser Richtung enorm viel Bewegungspotenzial gebracht.

Ebenso positiv bewerten wir die Einrichtung von Psychiatriekoordinatoren auf Landkreisebene.

Diese werden noch finanziell durch das Land untersetzt.

Auch das Bilden von gemeinnützigen psychiatrischen Verbünden, mit deren Hilfe benachbarte Landkreise oder Städte eine gemeinsame Planung des Versorgungsnetzes vornehmen können, diese Aufgabe also gemeinsam schultern können, finden wir sehr positiv.

Ein durchaus bewährtes Beispiel, das sich alle ansehen können, ist das Beispiel von Halle und dem Saalekreis. Allerdings will ich darauf aufmerksam machen, dass genau dieses Beispiel deutlich macht, dass es sehr oft von den handelnden Personen abhängig ist. Auch dabei sind die Landkreise gezwungen, kluge Entscheidungen zu treffen.

Es wird jetzt hier im Saal niemanden verwundern, wenn ich sage, dass wir weniger zufrieden sind mit den Regelungen, die mit den Wörtchen „kann“ oder „können“ versehen sind. Insoweit wünschen wir uns eine durchaus größere Verbindlichkeit, als es sie bisher gegeben hat, weil wir befürchten, dass wir, wenn wir es der Freiwilligkeit der Finanzkraft der Kommunen überlassen, tatsächlich eine Ungleichbehandlung provozieren.

Frau Zoschke, kommen Sie bitte zum Ende.

Es gibt aber auch noch eine Reihe von Dingen, die wir im Ausschuss beraten müssen, die uns wichtig sind. Das sind zum Beispiel die kinder- und jugendsozialpsychiatrischen Dienste, die eingerichtet werden können, oder die Krisenintervention.

Frau Zoschke!

Ich habe nach meiner Uhr noch 38 Sekunden Redezeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke. - Wenn die unterlegte Farbe in diesem Fenster rot ist, dann haben Sie nicht noch 38 Sekunden Redezeit, sondern Sie haben schon um 38 Sekunden überzogen, Frau Zoschke. Das ist der Unterschied. - Aber gut, in Ordnung. Dann sind wir trotzdem fertig. Es gibt keine Wortmeldungen. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN spricht die Abg. Frau Frederking. Frau Frederking, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Bereits 2010 hatte die damalige Landesregierung eine Novelle des Psychiatriegesetzes angekündigt. Als nichts passierte, hatte die grüne Landtagsfraktion vor ziemlich genau vier Jahren ihren elaborierten Gesetzentwurf zur Novellierung des Psychiatriegesetzes vorgelegt.

Verabschiedet worden ist dieser Entwurf nicht. Somit wartet die Fachwelt bis heute auf die dringend notwendige Modernisierung. Das Warten der Fachwelt ist noch einmal angeheizt worden durch unseren Koalitionsvertrag, der auch zentrale Punkte des grünen Gesetzentwurfs aufgreift.

Heute liegt nun der Entwurf einer Novelle in der ersten Lesung vor. Das ist gut. Ich denke, als grüne Landtagsfraktion haben wir mit unseren Vorarbeiten auch für den nötigen Schub an dieser Stelle gesorgt.

(Zustimmung von Wolfgang Aldag, GRÜ- NE)

Wichtige Punkte für uns sind diese: Es wird endlich mehr Rechtssicherheit im Rahmen von Zwangsbehandlungen und Zwangsmaßnahmen geschaffen. Die entsprechenden Urteile des Bundesverfassungsgerichtes werden jetzt im Landesgesetz umgesetzt. Neu ist, dass mehr Voraussetzungen erfüllt sein müssen, zum Beispiel eine richterliche Anordnung.

Mit der Novelle wird der Grundstein für eine planvolle Strukturentwicklung vor Ort gelegt, die letztlich die Versorgung der Betroffenen verbessert, und ganz konkret - meine Vorredner sind darauf schon eingegangen - die Vorgabe pro Landkreis, einen gemeindepsychiatrischen Verbund zu gründen, in dem alle Akteure gemeinsam beraten, wie die Versorgung der Betroffenen vor Ort verbessert werden kann. Der Verbund soll dann jeweils eine hauptamtliche Psychiatriekoordinatorin oder einen Psychiatriekoordinator erhalten, bei der oder dem dann alle Fäden zusammenlaufen.

Die Rechte derer werden gestärkt, die aufgrund von psychischen Erkrankungen in Einrichtungen sind, etwa durch die explizite Verankerung der Patientenverfügung im Psychiatriegesetz, um auch dort Rechtsicherheit zu schaffen.

Ich denke, uns stehen noch zahlreiche Debatten zum Gesetzentwurf bevor. Die Anhörung wird sicherlich umfangreich werden, denn schließlich sind viele Akteursgruppen betroffen. Es handelt sich ja um einen sensiblen Bereich, der unmittelbar in die Grundrechte hineinwirkt und der die

Grundbedingungen und -bedürfnisse der menschlichen Existenz betrifft.

Wir sind jetzt auf einem guten Weg und diesen Weg werden wir auch in den kommenden Monaten weitergehen. Es ist sicherlich absehbar, dass an der einen oder anderen Stelle noch eine Verbesserung in das Gesetz eingebracht werden wird, wenn wir es dann in zweiter Lesung hier beraten werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abg. Frau Dr. Späthe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Seit dem 30. Oktober 1992 gilt in Sachsen-Anhalt das Gesetz über die Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt, kurz PsychKG; es wurde bereits erwähnt. Das Land Sachsen-Anhalt war damals das erste der neuen Bundesländer, das damit die Rechte von und die Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Menschen und Menschen mit seelischen und geistigen Behinderungen festschrieb - das erste der neuen Bundesländer.

Die letzte Novelle zu diesem Gesetz trat am 13. April 2010 in Kraft; die Novellierung hat stattgefunden. In unserem Koalitionsvertrag wurde im Sommer 2016 festgelegt:

„Eine bedarfsgerechte, wohnortnahe und umfassende Versorgung aller psychisch erkrankten Menschen und Menschen mit Behinderungen ist anzustreben. Es gilt auch hier der Vorrang der ambulanten vor der stationären Behandlung. Die extrem langen Wartezeiten auf eine ambulante Behandlung müssen abgebaut werden.

Wir werden das Gesetz über die Hilfen für psychisch Erkrankte und Schutzmaßnahmen des Landes bis zur Mitte der Legislaturperiode novellieren. Insbesondere sind Regelungen von Zwangsbehandlungen, der Psychiatrieplanung, zum flächendeckenden Ausbau der Gemeindepsychiatrie, zur Stärkung der Rechte von Betroffenen und zum Einsatz von Psychiatriekoordinatoren zu treffen.“

Das haben wir mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung getan.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Bei uns im Saalekreis - das wurde bereits erwähnt - arbeitet seit Jahren eine Psychiatriekoordinatorin in einem gemeindepsy

chiatrischen Verbund, und zwar mit großem Erfolg. Deshalb begrüße ich es natürlich ausdrücklich, dass seitens der Landesregierung die Notwendigkeit einer solchen Stelle für alle Landkreise gesehen und eben auch finanziell untersetzt wird.

Kontrovers diskutiert - darauf werden wir im Ausschuss sicherlich noch ausführlich eingehen - werden die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zur Unterbringung, die Zwangsbehandlungen und natürlich auch notwendige Sicherungsmaßnahmen. Hierbei müssen wir sehr genau schauen und die Rechte des Betroffenen mit den Rechten seines Umfelds abwägen, nämlich auch denen von Ärzten, Pflegern oder auch möglicherweise unbeteiligten Dritten. Wir müssen denjenigen, die tagtäglich mit psychisch kranken Menschen arbeiten, ein Instrument an die Hand geben, mit dem sie sicher und rechtlich sauber agieren können. Das liegt in unserer Verantwortung und dieser müssen wir sehr umsichtig nachkommen.

Ich danke insbesondere dem Kollegen Bönisch für seine Ausführungen zur gestrigen Sitzung des Psychiatrieausschusses. Das hat das Ganze und auch die Kompliziertheit des Problems noch einmal deutlich gemacht.

Insofern bitte ich Sie um die Überweisung des Gesetzentwurfes in die genannten Ausschüsse und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Danke. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Dann können wir jetzt in das Abstimmungsverfahren einsteigen.

Es geht um den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 7/5251. Von Herrn Bönisch ist beantragt worden, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung, für Finanzen sowie für Inneres und Sport zu überweisen. Gibt es zu diesem Überweisungsverlangen noch alternative Vorschläge? - Diese gibt es offensichtlich nicht. Dann stelle ich das so zur Abstimmung.