Protocol of the Session on October 25, 2019

Aber Sie können gar nicht handeln. Mit einer vorläufigen Haushaltsführung können Sie keine neuen Investitionen anstoßen, kein neues Sicherheitspersonal einstellen und keine neuen Projekte starten. All das geht erst, wenn der Haushalt beschlossen, vertitelt und veröffentlicht worden ist. Aber wann wird das sein?

Wenn wir ihn im März 2020 beschließen, könnte frühestens im Mai Geld fließen, vielleicht auch erst im Juni oder im Juli. Dann kommen die Sommerferien und die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung gehen in den wohlverdienten Urlaub. Mittel für Vorhaben, die schon im Oktober 2019 dringlich und überfällig waren, können womöglich erst nach dem Sommer 2020 beschieden und ausgezahlt werden.

Haben Sie darüber einmal mit den vielen Menschen und Verbänden gesprochen, denen Sie gerade Verstärkung und schnelles Handeln zusagten? Haben Sie darüber mit der ohnehin schon überlasteten Polizei gesprochen oder mit den Religionsgemeinschaften?

Eine Folge ist übrigens auch - das weiß der Finanzminister ganz genau -: Es kann zumindest im kommenden Jahr nicht so viel Geld ausgegeben werden wie geplant. Die vorläufige Haushaltsführung setzt ganz klare Grenzen. Die nicht ausgegebenen Gelder fließen komplett in die Rücklagen des Landes. Ist Ihnen, verehrte Landesregierung, all das nicht unglaublich peinlich? Schämen Sie sich nicht, dieses Land mit Ihrem koalitionszentrierten, von Eigeninteresse getriebenen Gezänk in eine solche Lage gebracht zu haben? - Was für ein Armutszeugnis für diese Regierung!

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ihnen scheinen Parteiinteressen und das Durchbringen eigener Positionen wichtiger zu sein als das Wohl des Landes. Die Wunschprojekte der vergangenen Jahre und das möglichst lange Verharren im Wahlamt stehen offenbar über den Interessen, Problemen und Nöten der Menschen in diesem Land.

(Zustimmung bei der AfD - Hagen Kohl, AfD: Jawohl!)

Der Kleinkrieg in der Koalition und zwischen den Ministerien macht dieses Land kaputt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was auch immer die Landesregierung nun tut, sie verstößt gegen die Verfassung. Und - das ist mindestens genauso schlimm - sie nötigt mit diesem Verhalten die Legislative, uns Abgeordnete, ebenso gegen die Verfassung zu verstoßen. Das können wir nicht hinnehmen. Wir fordern deshalb eine Missbilligung der Landesregierung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Borgwardt und eine von Herrn Raue. - Zuerst ist Herr Borgwardt an der Reihe. Bitte sehr.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ich würde gern als Fraktionsvorsitzender sprechen!)

- Gut, dann machen wir das gleich. Aber ich würde vorschlagen, dass zunächst Herr Raue seine Frage stellt und Frau Heiß darauf antwortet.

Kollegin Heiß, welche Position hat denn DIE LINKE zu der angesprochenen Erhöhung der Grunderwerbsteuer im Land?

Herr Raue, wir haben gestern eine Pressemitteilung dazu herausgegeben, wie Sie gelesen haben.

Die habe ich nicht gelesen.

Diese war eindeutig: Wenn man die Straßenausbaubeiträge - darum ging es ja - finanzieren will, dann ist das kein unvernünftiger Vorschlag, sondern darüber kann man durchaus sprechen.

(Volker Olenicak, AfD: Steuererhöhungen!)

Darüber müssen wir aber im Prozess diskutieren.

Danke, Frau Heiß. Damit ist der Einführungsbeitrag beendet. - Jetzt hat Herr Borgwardt in seiner Funktion als Fraktionsvorsitzender das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf die von Frau Heiß erhobenen Vorwürfe eingehen und vielleicht den Versuch unternehmen, dies geradezurücken.

Erste Feststellung. Keiner der Koalitionsfraktionen liegt bisher ein Haushaltsplanentwurf vor - falls

Sie diesen Eindruck erwecken wollten. Ich sage Ihnen das ausdrücklich.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Nein!)

- Wir wollen aber mal mit Legenden aufräumen. - Das heißt, es gibt keine Bevorteilung der Koalition und keine Benachteiligung der Opposition. Auch uns liegt er nicht vor. Aus.

Es ist Folgendes teilweise sachlich falsch dargestellt worden, auch von den Medien. Noch einmal: Wir haben in diesem Land logischerweise ein Verfassungsrecht, nämlich die Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative.

(Zuruf von Swen Knöchel, DIE LINKE)

Die Landesregierung legt einen Haushaltsplanentwurf vor

(Zuruf von der AfD: Wann denn?)

und dann beschäftigt sich die Legislative damit. So weit, so gut.

Das Einzige, was passiert ist, ist: Als es um die Eckwerte ging, stellte sich die Frage, ob man, um einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können, möglicherweise eine Grunderwerbsteuererhöhung um 1,5 Prozentpunkte nutzen muss - ich erkläre gleich, warum das nichts mit den anderen Dingen zu tun hat - und dann noch etwas aus der Rücklage nehmen muss. Dazu - nur zu den Eckwerten; ich kenne keine Einzelpläne, wir kennen gar nichts - habe ich nur gesagt: Das deckt sich nicht mit den grundlegenden Aussagen unserer Fraktion, Sie können davon ausgehen, dass wir dem nicht folgen würden. Das war es.

Jetzt können wir uns trefflich darüber streiten - das tun übrigens auch Verfassungsrechtler schon, wie ich gehört habe -, ob das eine direkte Mitwirkung am Aufstellungsverfahren ist. Ich glaube das nicht. Ich sage vielmehr - und ich bin meiner Landesregierung und allen Ministern ausdrücklich dankbar dafür, dass sie das gesagt haben; später haben es die Koalitionsfraktionen ja ebenso gesehen -, dass sie gut beraten waren, diese Hinweise nicht völlig zu ignorieren. - Auf diesem Stand, sehr geehrte Frau Heiß, sind wir noch immer.

Nun versucht man, wie ich gehört habe, den Haushaltsplanentwurf unter genau diesen Prämissen aufzustellen, und zwar sehr verantwortungsbewusst. Sie wissen auch, welche weiteren Hypotheken und Risiken wir in diesem Land haben, die alle noch hinzukommen. Ich bin sogar froh, dass der Haushaltsplanentwurf etwas später kommt; denn dann bekommen wir noch die Zahlen der Novembersteuerschätzung.

Eine letzte Bemerkung zu den Straßenausbaubeiträgen. Ich erkläre hier gebetsmühlenartig und wahrscheinlich schon zum 150. Mal: Die CDU

hatte überhaupt kein Problem damit, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen.

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Hört, hört!)

Das ist ein Wimpernschlag im KAG; das weiß jeder. Uns ging es darum, dass wir keine einvernehmliche Entscheidung zu den aus unserer Sicht rechtmäßigen finanziellen Konzeptionen hatten, dazu, wie wir das tun.

(Beifall bei der CDU)

Für uns war von Anfang an klar, dass wir keine Kannregelung machen, egal was andere hier sagen. Wir haben unterschiedliche Meinungen, das gebe ich zu. Aber die Meinung der Fraktion ist: keine Kannregelung. Darin sind wir uns mit den Spitzenverbänden einig, völlig klar. Das will niemand, auch die Koalitionspartner nicht. Das ist eindeutig.

Wir wollen die Kommunen mit ins Obligo nehmen, deshalb brauchen sie eine bestimmte Summe. Darin sind wir uns mit all denen in den anderen Bundesländern einig, die dazu Ideen haben. Deshalb habe ich auf Nachfrage in der Pressekonferenz gesagt, dass wir das - das ist das, was ich eben gesagt habe - nicht ausschließen. - Erstens.

Zweitens ist das eine Binsenweisheit. Wenn Sie etwas umsetzen wollen, das nicht in dem normalen Haushalt vorgesehen ist - davon können Sie jetzt ausgehen; wir und die Koalitionspartner wahrscheinlich auch -, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder finden Sie, wenn der Haushaltsplanentwurf vorgelegt worden ist, Einsparmöglichkeiten - wir sprechen hier von 40 plus x, um einmal Klartext zu reden; das ist die Realität, wie sie auch in anderen Bundesländern ist; einige haben nachgebessert, nachdem sie das festgestellt haben -, oder Sie müssen Einnahmen generieren. Und genau das habe ich gesagt. Ich habe nicht gesagt, dass wir 1 Prozentpunkt brauchen oder irgend so etwas.

Jetzt haben wir die Diskussion. Ich bin froh, dass wir nach der - sagen wir es einmal so - etwas missverständlichen Definition und Auslegung jetzt eine Diskussion dazu haben. Ich habe vernommen, dass Sie das unterstützen. Wir werden uns in der Koalition mit Sicherheit zusammensetzen und versuchen, einen tragfähigen Vorschlag zu erarbeiten.

(Robert Farle, AfD: Sind das drei Minuten?)

Dann haben wir wieder einen Drive drin. Das finde ich gut und das sollte man tun. Ich wollte hier nur den Eindruck entkräften, dass wir Ihnen gegenüber irgendeinen Informationsvorsprung hätten, wie Sie das unterstellt haben. Den haben wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Borgwardt. - Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, dass es hier beim Umgang mit Redebeiträgen von Fraktionsvorsitzenden unterschiedliche Handhabungen gibt. Ich lasse jetzt, weil doch sehr viel zur Sache gesprochen wurde, eine Frage zu. Jetzt kann Frau Heiß Herrn Borgwardt noch eine Frage stellen oder etwas dazu sagen, und danach versuchen wir, weiter voranzukommen. Frau Heiß, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Borgwardt, vielen Dank auch für diesen kleinen Haushaltslehrgang. Mir ist durchaus klar, wie man einen Haushalt aufstellt. Wir waren in den letzten Monaten alle Zeugen, wie chaotisch das hier abgegangen ist. Ich war bei der Kabinettspressekonferenz am 24. September 2019 dabei, und ich finde nicht, dass die Medien das falsch dargestellt haben, wie Sie es vorhin sagten. Es ist schon eine sehr ungewöhnliche Situation, die wir hier haben.

Konkretisieren Sie doch einmal, was sie falsch darstellen.

Ich bin doch noch gar nicht fertig.

Ja, weil Sie es nicht konkretisieren.

Sie sagten vorhin, dass sich jetzt schon Verfassungsrechtler damit beschäftigen. Vielleicht können Sie ihnen das ja einmal empfehlen: Es gab in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2012 ein Urteil zu dem Haushaltsplan für das Jahr 2012. Unsere Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag hatte geklagt und hat auch recht bekommen. Dort gab es eine ähnlich chaotische Situation wie hier. Das heißt, wir wissen ganz genau, dass die Regierung hier mit ihrem Verhalten gegen die Verfassung verstößt.