Protocol of the Session on August 30, 2019

Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Herrn Gallert für die Einbringung des Antrages. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt - -

(Zuruf)

- Entschuldigung. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Tullner das Wort. Es ist eine Dreiminutendebatte vorgesehen. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Für die SPD zu sprechen, das maße ich mir ausdrücklich nicht an.

Lieber Kollege Gallert, bevor ich zu meinen Ausführungen komme, möchte ich eine nicht ganz ernst gemeinte Vorbemerkung loswerden. Bei mir ist hängengeblieben, dass Sie sich sehr großzügig bei der Höhe der, wie auch immer, abzulösenden Zahlungen gezeigt haben. Das hat in mir so ein bisschen die Erinnerung an die Finanzpolitik von 1994 aufkommen lassen, die in meiner Erinnerung beim Ressourcenverbrauch auch sehr großzügig war. - Aber schon habe ich meine Bemerkung bereut und komme zum eigentlichen Thema der heutigen Debatte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Verfassungsauftrag wahrnehmen - Staatskirchenleistungen ablösen“ - das klingt erst einmal plausibel. Wer könnte sich dem verschließen? - Sachsen-Anhalt durchschlägt den Gordischen Knoten. Wir kümmern uns darum, dass der 100 Jahre alte Verfassungsauftrag von Weimar endlich umgesetzt wird. Aber so einfach ist die Welt dann doch nicht.

Denn das Landesparlament kann das ausstehende Ablösegesetz bzw. das Grundsätzegesetz nicht verabschieden und sich anmaßen, bundeshoheitliche Aufgaben wahrzunehmen.

Damit, Herr Gallert, beziehe ich ausdrücklich eine andere Position als die, die in einer von Ihnen zitierten Antwort auf eine, wie auch immer geartete, Kleine Anfrage geäußert wurde. So ist es mit Rechtspositionen. Dass Sie jetzt die Bundesposition als die einzig wahre für sich definieren, ist zumindest für die Länder so nicht nachzuvollziehen. Deswegen komme ich auch fast zum Ende meiner Rede und freue mich darüber, dass wir uns darüber im Ausschuss noch intensiv unterhalten können.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Für den Landesgesetzgeber gibt es aus meiner und aus der Sicht der Landesregierung keine Handlungsmöglichkeiten, diesen 100 Jahre alten Verfassungsauftrag unmittelbar zu erfüllen.

Gemäß Artikel 13 Abs. 1 - jetzt wird es etwas juristisch - des Evangelischen Kirchenvertrages Sachsen-Anhalt und Artikel 18 Abs. 1 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Sachsen-Anhalt sowie den jeweils dazu verabschiedeten Gesetzen zahlt das Land „anstelle früher gewährter Dotationen für kirchenregimentliche Zwecke und Zuschüsse, für Zwecke der Pfarrbesoldung und -versorgung sowie anderer auf älteren Rechtstiteln beruhenden Zahlungen einen Gesamtzuschuss...“

Bei diesen Staatsleistungen handelt es sich nicht um Zuschüsse im Sinne von staatlichen Zuwendungen, welche mit einer bestimmten Zielsetzung gewährt werden. Die einer verfassungsrechtlichen Wertgarantie unterliegenden Staatsleistungen sind vielmehr pauschal zusammengefasste Vermögensrechte, die als Ersatz altrechtlicher Ansprüche zu sehen sind und an keinen besonderen Zweck gebundene Zahlungen darstellen. Sie stellen letztlich eine Zahlung auf Altschulden dar, die in ihrem Charakter als wiederkehrende Zahlungspflicht wirtschaftlich einem Kreditzins gleichkommt. Ansprüche auf Staatsleistungen sind funktionell und verfassungsrechtlich wie Eigentum anzusehen. - So weit die hohe staatsrechtliche Herleitung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die verfassungsrechtliche Wertgarantie der Staatsleistungen, die wir zu beachten haben, ergibt sich unmittelbar aus dem Ablösungsgebot in Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung. Ja, es bezweckt die Entflechtung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Aber - jetzt betone ich den Dissens noch einmal - einer einseitigen Ablösung von Staatsleistungen auf der Basis der Landesgesetz

gebung muss ein Grundsätzegesetz des Bundes vorausgehen. Das ist die Position der Landesregierung.

Die Überleitung der Reichskompetenzen gemäß Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung mag umstritten sein. Nach herrschender Meinung - die allgemeine Länderpraxis gibt mir hierin recht - bleibt den Ländern der Weg einer einseitigen Ablösung so lange verschlossen, wie der Bund nicht von seiner Spezialkompetenz gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung Gebrauch macht.

Da der Bund der Verfassungspflicht zur Aufstellung der Grundsätze bisher nicht nachgekommen ist, hat sich die Wirkung des Artikels 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung letztlich - das mag man gut finden oder nicht - in eine Sperrwirkung für die einseitige Ablösung durch die Landesgesetzgeber umgewandelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zu der Situation im Land. Um es vorwegzunehmen: Die Einrichtung einer entsprechenden Kommission erscheint ohne die Schaffung der notwendigen Grundlagen durch den Bund wenig sinnreich. Dennoch - jetzt kommt der andere Teil - sollten wir uns möglichen Gesprächen nicht verschließen.

Wir haben mit den evangelischen Landeskirchen und dem Heiligen Stuhl Staatskirchenverträge abgeschlossen. Diese Verträge haben wir als Land sogar mit Gesetzesrang ausgestattet. Eine einseitige Abänderung der Verträge ist ausgeschlossen. Eine einvernehmliche Ablösung wird damit nicht ausgeschlossen. Auf einvernehmlich aufgehobene Staatsleistungen fände das Ablösungsgebot keine Anwendung mehr. Aber die jeweiligen Vertragspartner müssen grundsätzlich dazu bereit sein. Die jährlichen Staatsleistungen müssten kapitalisiert werden. Das kann man sicherlich auf das Zehn- oder Zwanzigfache schätzen. Wir müssten den Wert dann wirklich detailliert berechnen. - Dazu haben Sie, Herr Gallert, aber schon Ausführungen gemacht.

Damit geht die grundsätzliche Frage einher, ob wir das angesichts unserer Landesfinanzen wirklich leisten können. Das ist eine Frage, die wir, glaube ich, in diesem Diskurs beantwortet müssen. Das zentrale Problem wären sicherlich die Berechnungsschwierigkeiten bei der grundsätzlichen Ermittlung einer eventuell angemessenen Ablösesumme. Dazu waren die gestellten Fragen schon sehr erhellend.

Der Bund hat es jedenfalls noch nicht zustande gebracht. Die Höhe würde sicherlich nicht nur den Finanzminister schockieren oder zumindest in Wallungen bringen, würde ich sagen.

Die angesprochenen Themen sind jedoch viel zu wichtig, als dass sie für politische Auseinandersetzungen herhalten sollten. Wir sollten uns daher im Ausschuss die notwendige Zeit für eine sachliche Debatte nehmen, auf die ich mich sehr freue. - Vielen Dank. Ich stehe gern für Fragen bereit, auch wenn ich sie ohnehin beantworten müsste.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Fragen sehe ich dennoch nicht, Herr Minister.

Schade.

Damit danke ich Ihnen für die Stellungnahme der Landesregierung. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Dr. Pähle das Wort. Frau Dr. Pähle, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, wir alle kennen den schönen Spruch „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“. Das gilt mit Blick auf das Grundgesetz ganz genauso. Der kritische Blick darauf, ob wir mit unserer Entscheidung eigentlich alle Vorgaben des Grundgesetzes umsetzen, ist nicht berechtigt, sondern notwendig. Aber wenn man das tut, lieber Kollege Wulf Gallert, dann muss man sich auch alle einschlägigen Bestimmungen ansehen und darf keine Rosinenpickerei betreiben.

Der Auftrag der Verfassung ist klar: Die Länder sollen die überkommenen Staatskirchenleistungen ablösen. Genauso klar ist aber die Regelung, dass der Bund dafür zunächst die Rahmenbedingungen schaffen muss. Dem können wir nun einmal nicht vorgreifen. In der Stellungnahme, die Sie gerade zitiert haben, wird von einer Veränderung der Verträge gesprochen. Es wird ausdrücklich nicht von Ablösung gesprochen. Sie gibt den Raum, dass die Länder eigenständig mit den Kirchen über Änderungen der Verträge verhandeln, aber das Wort Ablösung ist in der Stellungnahme nicht zu hören. Das ist etwas anderes.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Der Minister hat zu den Rahmenbedingungen alles Notwendige gesagt. Den Vorschlag der Linksfraktion, eine Kommission einzurichten, beurteile ich ebenfalls als sinnvoll. Ich sehe durchaus den Sinn in einer gemeinsamen Kommission, um das Verhältnis von Staat und Kirche aus der heutigen Perspektive

neu zu diskutieren. Denn was wäre Magdeburg ohne einen gut instand gesetzten und offenen Dom? Was wäre Wittenberg ohne eine lebendige Schlosskirche

(Minister Marco Tullner: Und Halle!)

- und Halle ohne die Marktkirche? - Denn seit die Verträge mit der evangelischen und mit der katholischen Kirche geschlossen wurden, hat sich viel verändert. Das betrifft zum Beispiel das Thema religiöse Vielfalt. Seit den 90er-Jahren haben neben den beiden christlichen Kirchen auch andere Religionen ihren festen Platz in Sachsen-Anhalt eingenommen. Zugleich sind wir das Land mit der größten Zahl konfessionsloser Bürgerinnen und Bürger. Klar ist: Mit diesen Veränderungen in unserer Gesellschaft verändert sich auch die Rolle der Kirchen. Aber sie tragen weiterhin - davon bin ich zutiefst überzeugt - große Verantwortung für unser Gemeinwesen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich denke, jenseits der eigenen Glaubensüberzeugungen können wir froh über jede Gemeinschaft sein, die in unserer Gesellschaft für ein demokratisches, gewaltloses und respektvolles Miteinander eintritt, wie das die Kirchen zweifelsohne tun.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Es gibt also gute Gründe, die Beziehungen von Staat und Kirche neu zu justieren. Dabei geht es natürlich auch um Geld, aber zugleich um einiges mehr. Ich finde, dafür lohnt sich die weitere Beratung im Bildungsausschuss. Ich bitte um eine Überweisung des Antrages. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Dr. Pähle für den Redebeitrag. - Für die AfDFraktion hat jetzt Herr Dr. Tillschneider das Wort. Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Seit mehr als 200 Jahren zahlen deutsche Staaten Jahr für Jahr hohe Summen an die christlichen Kirchen als Entschädigung für die Enteignung von Kirchengütern infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803.

Die AfD ist zwar konservativ, sogar sehr konservativ, aber nicht so konservativ, dass sie diese auf das Heilige Römische Reich deutscher Nation zurückgehende, über eine Kaskade von Staats

zusammenbrüchen tradierte Regelung beibehalten wollte.

(Zustimmung bei der AfD)

Während den Kirchen damals bedeutende Einnahmen weggebrochen sind und sie auf die Staatsleistungen zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes angewiesen waren, liegt der Anteil der Staatsleistungen an den Haushalten der Kirchen heute zwischen 2 % und 3 %. Im Osten mag es ein bisschen mehr sein, aber auch nicht viel mehr. Die Staatsleistungen sind nicht mehr begründet. Sie haben sich überlebt. Die Geschäftsgrundlage, auf der sie einst gewährt wurden, ist weggefallen.

Eigentlich sollten die Staatsleistungen deshalb schon laut Weimarer Reichsverfassung von 1919 eingestellt werden. Obwohl dieser Auftrag ins Grundgesetz übernommen wurde, ist in den letzten 100 Jahren nichts geschehen. Kirche und politisches Establishment haben es sich eben in wechselseitiger Nutznießerei bequem gemacht.

Dieses symbiotische Verhältnis hat im Lauf der deutschen Geschichte verschiedene und sehr fragwürdige Formen angenommen. Heute beruht es darauf, dass die Kirche ihre geistliche Autorität missbraucht, um die AfD kleinzuhalten, die herrschende Migrationsagenda zu rechtfertigen und Greta Thunberg zur Christusikone inklusive Heiligenschein zu verklären.

(Zustimmung bei der AfD)

Im Gegenzug gewährt der Staat Privilegien wie Staatsleistungen, den Kirchensteuereinzug und - nicht zu vergessen - die üppigen Aufträge an Caritas, Malteser und Co. Da fühlt man sich wohl, da nimmt man es nicht genau und hält sich nicht lange mit verfassungsrechtlichen Quisquilien auf. Mit dieser unheiligen Allianz muss endlich Schluss sein. Schluss mit der Sakralisierung der Politik! Schluss mit der Politisierung des Christentums! So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!

(Zustimmung bei der AfD)

Im Antrag der LINKEN wird gefordert, dass eine Kommission eingerichtet wird, die über die Beendigung der Staatsleistungen verhandelt. Das ist zwar nur ein erster formaler Schritt, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Wir wollten eigentlich zustimmen, aber nachdem Herr Gallert betont hat, dass es nicht um die ersatzlose Streichung, sondern um die Ablöse geht, werden wir uns der Stimme enthalten. Denn ich will eines klarstellen: Nach unseren Vorstellungen kann bei diesen Verhandlungen nur ein Ergebnis herauskommen, nämlich die ersatzlose Streichung der Staatsleistungen. Mehr als 200 Jahre Staatsleistungen sind genug.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Die Staatsleistungen sind bereits Entschädigungen. Wir werden jetzt nicht anfangen, eine Entschädigung für das Ende der Entschädigungen zu zahlen. Im Übrigen verdienen die Kirchen diese Leistungen auch nicht mehr, weil sie vom wahren Christentum abgefallen sind und ihre Vertreter sich verhalten wie die Abgesandten des apokalyptischen Tieres in dem Roman „Das Heerlager der Heiligen“ von Jean Raspail, den ich hiermit allen Kollegen in diesem Hohen Haus zur Lektüre empfehle. - Vielen Dank.