Protocol of the Session on June 19, 2019

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heute hier vorliegende Antrag von 22 Abgeordneten zielt als nun schon zweiter und missglückter Versuch auf Neuland im Verfassungsleben der Bundesrepublik Deutschland. Hier will eine qualifizierte Minderheit des Parlaments die Gesellschaft formatieren, indem sie einen organisierten Angriff auf die Zivilgesellschaft fährt. Das ist keine Aufgabe eines Parlaments. Das ist eine Anmaßung. Nicht der Staat, nicht das Parlament hat die Gesellschaft zu kontrollieren, die demokratische Zivilgesellschaft wächst aus sich selbst heraus. Sie ist das Ergebnis von Aushandlungsprozessen in der Gesellschaft, nicht aber von parlamentarischem Zwang gegen sie.

(Oliver Kirchner, AfD: Aber mit Fördermit- teln, Herr Striegel!)

Meine Damen und Herren! Auch diesem Antrag kann die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihre Zustimmung nicht geben.

(Matthias Büttner, AfD: War doch klar!)

Der vorgelegte Antrag ist rechtsmissbräuchlich.

Ja, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist ein besonders geschütztes Recht der parlamentarischen Minderheit. Wir stehen zu diesem Recht, aber wir werden verhindern, dass mit diesem Instrument parlamentarischer Kontrolle Missbrauch zulasten Dritter und des friedlichen Zusammenlebens betrieben wird.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass nicht nur private oder juristische Personen, sondern auch Verfassungsorgane oder Teile von ihnen rechtsmissbräuchlich handeln können. Das Recht auf Einsetzung eines solchen Ausschusses ist von der Verfassung gebundene Macht. Sie darf nicht zum Mittel der Obstruktion werden. Auch muss der Gefahr vorgebeugt werden, dass ein parlamentarischer Ausschuss als rein politisches Kampfinstrument benutzt wird, ohne den eigentlichen Zweck,

(Robert Farle, AfD: Das wissen Sie schon vorher, oder was!)

nämlich die parlamentarische Kontrolle öffentlicher Amtstätigkeit, also die Kontrolle der Exekutive, in den Vordergrund zu stellen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Jürgen Barth, SPD)

Dabei muss das Parlament auch eine Schutzfunktion für die von der Untersuchung betroffenen Institutionen und vor allem auch Privatpersonen wahrnehmen. Dieser Schutzverantwortung gegenüber der engagierten Zivilgesellschaft kommen wir mit unserer Ablehnung nach.

Hierbei ist auch sicherzustellen, dass ein Untersuchungsausschuss nicht dazu genutzt wird, in unzulässiger Art und Weise Ausforschung zu betreiben. Ihr Antrag will ausforschen. Den Antragstellenden geht es mit ihrer Initiative eben nicht um die Untersuchung demokratiegefährdender extremistischer Netzwerke und Verbindungen.

Die rechtsextremen Verfassungsfeinde auch hier im Parlament betreiben schon seit geraumer Zeit orchestrierte Angriffe auf die engagierte demokratische Zivilgesellschaft.

(Zuruf von Mario Lehmann, AfD)

Wir erleben nicht zum ersten Mal, dass all diejenigen, die sich gegen Rassismus und rechte Hetze engagieren, von Ihnen mit dem Vorwurf des Linksextremismus überzogen werden. Die Ausführungen aus den Reihen der AfD-Fraktion im vorigen Plenum und auch heute sprechen diesbezüglich Bände - all dies in Zeiten, in denen rechtsterroristische Attentate wie im Fall Lübcke und rechtsextreme Netzwerke bei Polizei, Verfassungsschutzbehörden und Bundeswehr in unseren Alltag eindringen und uns klarmachen, der Angriff auf die offene Gesellschaft erfolgt heimtückisch und mit massiver Gewalt von rechts.

Es geht den Initianten mit ihrem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch nicht um Aufklärung. In schlechter Tradition verfolgen Sie stattdessen ein anderes Ziel. Die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke versuchen sich mit dem Antrag in klassischer Anti-AntifaArbeit. Zivilgesellschaftliche Strukturen sollen durchleuchtet, Quellen von Journalisten enttarnt und Feinde markiert werden - Ausforschung, welche die Grundlage für Diffamierung und letztlich auch Gewaltanwendung gegen all jene bildet, die sich der AfD entgegenstellen: Vereine, Gewerkschaften, Kirchen, Bündnisse, Initiativen,

Herr Abg. Striegel, kommen Sie zum Schluss.

Schulen ohne Rassismus etc. Diese Ausforschung und Hetze werden wir nicht dulden. Wir stehen an der Seite der mutigen Demokratinnen

und Demokraten. Den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses lehnen wir ab. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank. Ich habe zwei Wortmeldungen, und zwar der Abg. Herr Farle und danach der Abg. Tobias Rausch. - Herr Farle, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. Das ist eine Zwischenintervention. - Selbstverständlich ist dieses Parlament dazu da zu kontrollieren und aufzuarbeiten, wenn in einer Gesellschaft und in einem Staat eklatante Fehlentwicklungen stattfinden. Es sind öffentliche Mittel, die hineinfließen in verfassungsfeindliche Organisationen und in den Missbrauch demokratischer Rechte, um unsere Demokratie in Gefahr zu bringen.

Der Linksextremismus, der zu Böllern in Demonstrationen führt, zum tätlichen Angriff auf Menschen, das ist es, was wir aufarbeiten müssen, genauso wie die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Indem Sie sich hinter die Kräfte stellen, die genau diesen Angriff auf unseren Staat führen, machen Sie sich selbst zu einem Menschen, der den Angriff auf diese Gesellschaft mit unterstützt.

(Zustimmung bei der AfD)

Sie können natürlich darauf erwidern, Herr Abg. Striegel, müssen es aber nicht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist Linksextremismus und sind linksextreme Gewalt und Straftaten abzulehnen. Sie tragen in Ihrem Antrag aber überhaupt keinen Hinweis dafür vor, dass in diesem Land, dass durch diese Exekutive in irgendeiner Form Missstände bestehen.

(Robert Farle, AfD: Wurden doch schon al- le!)

Die Behauptung, dass mit Steuergeld extremistische Organisationen unterstützt werden, ist schlicht falsch. Dazu haben Sie nicht einmal hinreichend konkrete tatsächliche Anhaltspunkte geliefert. Sie behaupten das einfach, hängen „Untersuchungsausschuss“ dran, und das nennt man klassisch Ausforschung. Das hat nichts mit einer tatsächlichen

(Daniel Roi, AfD: Da kennen Sie sich ja aus, mit Ausforschung!)

Ansage und einer tatsächlich zulässigen parlamentarischen Praxis zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Abg. Rausch, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kollege Striegel, Sie sagten in Ihrer Rede: die Rechtsextremen von der AfD, auch hier im Parlament. Ich will jetzt einmal von Ihnen wissen, wer sind denn hier von der AfD die Rechtsextremen. Bin ich für Sie auch ein Rechtsextremer? - Frage 1.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Och nee!)

Frage 2: Wenn Sie sich gerade vom Linksextremismus abgewandt haben und das nicht gutheißen, wie können Sie dann gemeinsame Anfragen mit der Abgeordneten von der LINKEN Frau Quade stellen, die dann hier im Parlament sagt, danke, Antifa, und genau diese Strukturen unterstützt? - Das würde ich gern einmal wissen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ich glaube, Herr Striegel sagt ihr sogar guten Morgen!)

Herr Abg. Striegel, bitte.

Herr Rausch, die erste Frage bezieht sich darauf, wer in der AfD rechtsextrem ist. Dazu verweise ich unter anderem auf das Gutachten des Verfassungsschutzes, das inzwischen allgemein zugänglich ist. Darin sind verschiedene Abgeordnete aufgeführt. Ich fürchte, der Rechtsextremismus in dieser Partei ist weiter und breiter vorhanden. Das zeigt sich in der rechtsvölkischen Ideologie und Programmatik, die Ihre Partei und Fraktion vertritt.

Ich darf daran erinnern, dass der Attentäter oder der mutmaßliche Attentäter von Kassel, der Herrn Lübcke aus nächster Nähe erschossen haben soll, ein Spender für die AfD, und zwar für die AfD in Thüringen, war.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe bei der AfD)

Er hat sich diese Adressaten für seine Spende sicherlich sehr bewusst ausgesucht. Er hat davon gesprochen, dass die betreffenden Empfänger von Gott gesegnet sein mögen. Ich glaube, er

fühlte sich von diesen Leuten sehr gut vertreten. Das zeigt die Verquickung der AfD auch mit ganz klar rechtsextremen Strukturen sehr deutlich.

(Unruhe)

Herr Rausch.

Entschuldigung. - Zur zweiten Frage:

Erstens sind die Abgeordneten frei darin, Fragen zu stellen. Zweitens habe ich die Kollegin Quade nicht als Linksextremistin, sondern als engagierte Demokratin in diesem Parlament und darüber hinaus erlebt.

(Lachen bei der AfD)

Drittens. Dieses Grundgesetz, diese Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland, ist eine von Antifaschismus geprägte Verfassung. Sie ist eine Verfassung, die als Reaktion auf die Gräueltaten des Nationalsozialismus entstanden ist und entwickelt wurde. Ich bin froh darüber, dass wir eine antifaschistische Verfassung haben, und bekenne mich gern zu diesem Antifaschismus. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Striegel. Es gibt noch eine Nachfrage. Herr Rausch hat eine Nachfrage signalisiert. Danach haben wir noch den Abg. Herrn Gebhardt. - Bitte, Herr Rausch.