Protocol of the Session on May 23, 2019

Zu diesen Fragen und Lösungsvorschlägen kommen wir leider viel zu selten. Zu häufig werden nur Schuldzuweisungen betrieben. Das wird unseren Wäldern nicht gerecht. Aber nach der heutigen sachlichen Debatte - ich habe es vorhin schon gesagt - bin ich guter Hoffnung, dass sich das ändern wird.

(Ulrich Thomas, CDU: Dann ist es ja gut!)

Um die Wälder für das 21. Jahrhundert und darüber hinaus fit zu machen, brauchen wir die richtige Wahl der Baumarten, mehr Mischbestände, zweckmäßige Pflanzverbände, rechtzeitige Pflege jüngerer Bestände, die Anlage von Waldaußenrändern, damit die Wälder auch dem Sturm standhalten können.

Was mich besorgt, ist dieses: Wenn ich mit Fachleuten spreche, wird leider meine Einschätzung bestätigt, dass der Waldumbau zwar der richtige Weg ist, aber nicht ausreichen wird.

Das Wassermanagement wird im Forst genauso wie in der Landwirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten neu gedacht und verändert werden müssen. Ich sagte es am Anfang meiner Rede: Wasser ist der Knackpunkt. Wenn das Wasser in entsprechendem Umfang nicht mehr da ist, dann können wir möglicherweise an einigen Stellen auch keinen Waldbau mehr betreiben.

Für den Umbau zu klimastabileren Mischwäldern ist mehr Personal erforderlich. Deswegen bin ich froh, dass uns in dieser Legislaturperiode die Trendwende gelungen ist und der Stellenabbau gestoppt wurde, ohne zulasten anderer wichtiger Aufgaben zu gehen.

(Guido Heuer, CDU: Wenn es nach euch gegangen wäre, wäre das so weiter gegan- gen!)

Schlussendlich plädiere ich für mehr Ehrlichkeit, für mehr Ehrlichkeit, Herr Heuer,

(Beifall bei den GRÜNEN)

in der Debatte um den Forst und auch bei der Erarbeitung von Lösungen für ein dauerhaftes Bestehen des Waldes. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Vielen Dank, Frau Frederking. Ich sehe auch hierzu keine Nachfragen. - Damit ist auch der Tagesordnungspunkt beendet, denn Beschlüsse in der Sache werden auch hierzu nicht gefasst.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass sich die Obleute des 17. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses jetzt zu Beginn der Mittagspause im Raum C3 25 treffen. - Vielen Dank.

Wir können nun in die einstündige Mittagspause einsteigen. Es ist jetzt 13:05 Uhr; Wiederbeginn ist somit um 14:05 Uhr.

Unterbrechung: 13:05 Uhr.

Wiederbeginn: 14:05 Uhr.

Ich bitte die Anwesenden darum, Platz zu nehmen, damit wir in der Aktuellen Debatte fortfahren können.

Ich rufe das dritte Thema auf

Globaler Bericht des Weltbiodiversitätsrats - Ein Weckruf auch für Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/4388

Die Reihenfolge der Redebeiträge lautet: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AfD, CDU, DIE LINKE, SPD. Zunächst hat die Antragstellerin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Aldag. Herr Aldag, Sie haben das Wort.

(Zustimmung von Frank Scheurell, CDU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Es ist sehr schön, dass doch einige Abgeordnete an der Aktuellen Debatte teilnehmen können. Vielen Dank, dass Sie es hierher geschafft haben.

Gestern war der internationale Tag zum Erhalt der Artenvielfalt und darin ist auch die Aktuelle Debatte begründet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Million Tierarten sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Dieser Satz in der Ausgabe des „Spiegels“ hat Anfang des Monats für einiges Aufsehen gesorgt. Grundlage ist der Globale Bericht, basierend auf ca. 15 000 Studien des Weltbiodiversitätsrates (IPBES).

Dieses wissenschaftliche Gremium setzt sich aus mehr als 120 führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 36 Ländern zusammen und fordert grundlegende Änderungen bei der Landnutzung, dem Umweltschutz und der Eindämmung des Klimawandels. Insgesamt waren daran 400 Experten aus Naturwissenschaft, Sozialwissenschaft und viele Interdisziplinäre beteiligt und 20 000 Kommentare wurden abgearbeitet.

Welches sind die Haupterkenntnisse dieses Berichts? - 85 % der Feuchtgebiete sind bereits zerstört. Zwischen 1980 und dem Jahr 2000 wurden 100 Millionen ha tropischer Regenwald abgeholzt, weitere 32 Millionen ha allein zwischen 2010 und 2015. 23 % der Landfläche des Planeten gelten als ökologisch heruntergewirtschaftet und können nicht mehr genutzt werden. Der Verlust von Bestäuberinsekten bedroht die Nahrungsmittelproduktion im Wert von 235 bis 577 Milliarden Dollar pro Jahr.

Durch die Zerstörung von Küstengebieten, wie Mangrovenwäldern, ist die Lebensgrundlage von bis zu 300 Millionen Menschen gefährdet. Allein die vom Menschen verursachte Erderhitzung könnte ca. 5 % der Arten auslöschen, wenn der Schwellenwert von 2 °C globaler Temperaturerhöhung überschritten wird.

99 % der Korallenriffe würden bei einer solchen Entwicklung mit großer Wahrscheinlichkeit absterben. Der IPBES sagt aber auch ganz klar - dem schließe ich mich ausdrücklich an -: Artensterben ist kein reines Umweltthema. Wenn das eintritt, wovor die Wissenschaft warnt, dann wird dies massive negative Einflüsse auf die Wirtschaft, die politische Stabilität und soziale Fragen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Die heutigen Migrationsbewegungen sind nichts gegen die vorliegenden Prognosen. Was der Rat aber auch zum Ausdruck bringt: Es ist noch nicht zu spät. Der sogenannte Kipppunkt ist noch nicht erreicht. Es gibt Hoffnung, wenn wir jetzt konsequent unsere Art zu leben und zu wirtschaften ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Meine Damen und Herren! Der Bericht muss ein Weckruf für uns alle sein. Wir brauchen uns nicht der Illusion hinzugeben, dass das Artensterben um Sachsen-Anhalt einen großen Bogen macht. Ob Rote Röhrenspinne und Ziegenmelker in der Wirler Spitze, Torfwiesen-Scheckenfalter im Cheiner Torfmoor oder Kiebitz und Flussregenpfeifer in den Brietzer Teichen, keine dieser Arten ist gänzlich davor gefeit, Opfer des Artensterbens zu werden, weshalb es umso wichtiger ist, ihre Lebensräume zu schützen.

Leider ist vielen Menschen die Bedeutung der Biodiversität, der Artenvielfalt für unser aller Lebensgrundlage nicht bewusst. Die eindrücklichsten Vergleiche, die mir begegnet sind, sind die eines Kartenhauses oder eines Jenga-Turmes. Am Anfang kann man quasi an jeder Stelle die eine oder andere Karte oder das eine oder andere Klötzchen herausziehen. Zunächst passiert nichts, aber man merkt, das System wird zunehmend wackliger. Irgendwann kippt dann das Ganze und stürzt in sich zusammen. Ich will das nicht erleben und deshalb setze ich mich persönlich seit Jahren für den Umweltschutz und für den Erhalt der Artenvielfalt ein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Auf jeder Ebene kann etwas für die Artenvielfalt getan werden. Viele Privatpersonen wollen auch etwas dafür tun und jede und jeder von uns kann ebenfalls etwas dazu beitragen. Es ist toll, wenn Bürgerinnen und Bürger blühende Oasen anlegen und damit die Städte auf jeder noch so kleinen Grünfläche bereichern.

Ich freue mich, dass es Landwirtinnen und Landwirte gibt, die per Crowdfunding Blühstreifen und Blühwiesen anlegen. Viele zeigen damit einen Weg auf, wie die Gesellschaft die Landwirtschaft unterstützt und man gemeinsam etwas für die Biodiversität erreichen kann.

Wir sollten auch stärker darauf achten, welche Produkte wir wo einkaufen. Manch billiger Tisch geht leider mit der Vernichtung von Regenwald in Brasilien oder in Indonesien einher. Absurd, gerade wenn man bedenkt, wie jede Nachfrage nach regionalem Holz unseren regionalen Forstbetrieben helfen und dazu noch lange Transportwege einsparen würde.

Aber, meine Damen und Herren, das Artensterben zu stoppen und die Artenvielfalt zu fördern kann nicht allein an den Privatleuten hängen bleiben. Auch die Kommunen müssen mitziehen. Mehr städtisches Grün verbessert die Lebensqualität der Menschen und bietet wichtige Lebensräume und Nahrungsangebote für unsere Flora und Fauna.

Das Wort Baumschulen kann ich nicht mehr hören. Magdeburg und Halle haben beide ein großes Defizit an Nachpflanzungen und auch das Land kommt seinen rechtlichen Verpflichtungen - ich verweise dazu auf unsere Große Anfrage zu den Alleen - nur unzureichend nach.

Das Nachpflanzen ist eine rechtliche Pflicht und gerade die Kommunen und das Land müssen diesbezüglich beispielhaft vorangehen. Voran gehen viele Städte auch bei der Dach- und Fassadenbegrünung. In Sachsen-Anhalt ist insoweit aber noch viel Luft nach oben.

Ganz prominent ist dem Bericht des Weltbiodiversitätsrates zu entnehmen, dass die Flächenversiegelung dringend gestoppt werden muss. Jedes Hektarziel pro Woche oder Tag ist mir dabei nicht ambitioniert genug. Ich will langfristig bilanziell keine zusätzlichen Flächenversiegelungen mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert)

Neuen Gewerbeflächen in sensiblen Gebieten erteile ich ebenso eine Absage wie neuen Verkehrsschneisen, die die Landschaft zerschneiden und wertvolle Lebensräume trennen. Die Entsiegelung von Flächen gerade in den Städten muss vorangetrieben und die Nachverdichtung muss sehr sorgfältig abgewogen werden.

Auf den Fridays-for-Future-Demonstrationen werde ich oft gefragt, was wir denn hier in Sachsen-Anhalt gegen das Artensterben tun. Auf Landesebene haben wir bereits einiges vorangebracht, und das oft gegen erheblichen Gegenwind. Dies stellt mich immer wieder vor die Frage, mit welchen Fakten uns dies die Wissenschaft eigentlich noch darlegen muss, wie viele Arten noch aussterben müssen, damit wir endlich auf die Wissenschaft hören und konsequent handeln.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Große Teile der Gesellschaft fordern dieses Handeln ein. Noch nie habe ich im Wahlkampf für unsere grünen Forderungen so positive Rückmeldungen bekommen wie in den letzten Wochen. Vor allem junge Leute gehen auf die Straße und fordern mehr Handeln gegen den Klimawandel und gegen das Artensterben ein, und das zu Recht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In dem Bericht des IPBES wird zum Beispiel der Ausbau des Ökolandbaus empfohlen, um die Artenvielfalt zu fördern. In diesem Bereich haben wir in Sachsen-Anhalt in den beiden letzten Jahren 36 000 ha Fläche hinzugewonnen. Das ist ein Erfolg.

Ich begrüße auch das Programm für Schulen und Horte zur Anlage von Insektenwiesen, auch das ist ein Erfolg. Das MULE handelt. Die nächste Debattenrednerin wird die Ministerin sein und diese wird sicherlich noch mehr Aktivitäten vorstellen.