Protocol of the Session on May 23, 2019

Auch wenn sich die Verfassung des Deutschen Reiches und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in der Ausgestaltung ihres Regierungssystems unterscheiden, muss man mit Friedrich Karl Fromme dennoch zu dem Fazit kommen, dass das 1949 konzipierte Grundgesetz eine modifizierte Neubelebung der Weimarer Reichsverfassung darstellte. Die Weimarer war für die Bonner Verfassung kein Kontrastprogramm - sie war in manchem Vorbild, in manchem Mahnung, immer aber Ansporn zur Verbesserung.

Was die beiden Verfassungen ferner unterscheidet, ist ihre Einsetzung. Bei der Weimarer Reichsverfassung von 1919 gab es eine verfassungsgebende Nationalversammlung, welche durch den Souverän des Reiches legitimiert wurde. Das Grundgesetz, welches auf Druck der Westmächte geformt wurde, hat diese Legitimation bis heute nicht. Dass es der parlamentarische Rat und nicht eine verfassungsgebende Versammlung war, welcher ein Grundgesetz statt einer Verfassung erarbeitete, ist mit Blick auf die Zustände von 1949 absolut nachvollziehbar.

Bedauerlich hingegen ist, dass im Zuge der Wiedervereinigung im Jahr 1990 verpasst wurde, die Regelung nach Artikel 146 der alten Verfassung

tatsächlich umzusetzen. Dieses Grundgesetz, das nach der Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. Den Mitgliedern des parlamentarischen Rates war von Anfang an klar, dass das Grundgesetz nicht mehr als ein Provisorium sein kann. 1990 hätte dieser provisorische Zustand sein Ende finden müssen.

Nicht als Übergangswerk gedacht war eine andere Verfassung, welche 1949 geboren wurde, 40 Jahre später jedoch bereits wieder überwunden war. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, am 19. Mai 1949 durch den Volksrat genehmigt, verfolgte einen gänzlich anderen Ansatz als das am historisch bedeutsamen 8. Mai 1949 beschlossene bundesdeutsche Grundgesetz. Sollte der Bürger durch das Grundgesetz der BRD vor dem Staat geschützt werden, sollte der Bürger durch die Verfassung der DDR an den Staat gebunden werden.

Im Gegensatz zur BRD versuchte man in der DDR, einen neuen Weg zu gehen. Der Nationalsozialismus wie auch die liberale Demokratie sollten bewältigt bzw. überwunden werden. Der sozialistische Geist der DDR entwarf somit eine andere Vision. Das Grundgesetz tat dies nicht. Dies war auch nicht gewollt, jedenfalls nicht vor der Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands.

Insbesondere vor dem Hintergrund des erlebten Unrechts in der DDR und ihrer Verfassungsgeschichte hätten gerade wir Mitteldeutschen 1990 die Chance verdient gehabt, an einer gesamtdeutschen Verfassung mitzuwirken und diese gemeinsam mit unseren Bundesbrüdern im Westen frei zu bestimmen.

Wie die Verfassung des Deutschen Reiches von 1919 jährt sich diesjährig auch die Landesverfassung von Anhalt. Nach der Wahl einer verfassungsgebenden Landesversammlung am 15. Dezember 1918 wurde die Verfassung für Anhalt am 18. Juli 1919 beschlossen und galt bis 1934. Somit existierte der Freistaat Anhalt mit der Landeshauptstadt Dessau lediglich von 1918 bis 1934. Nach 1945 wurde das Land Anhalt nicht mehr reorganisiert, sondern als Teil der preußischen Provinz Sachsen verwaltet.

Im Zuge der Auflösung Preußens gab sich das Land den Namen Sachsen-Anhalt und am 10. Januar 1947 eine neue Landesverfassung. Bereits 1952 wurde das Land im Rahmen der Verwaltungsreform in der DDR aufgelöst. Am 3. Oktober 1990 wurde das Land Sachsen-Anhalt wiederhergestellt. Nach Dessau in den 20er- und 30er-Jahren und nach Halle an der Saale in

den 40er-Jahren wurde nun Magdeburg zur Landeshauptstadt. Am 16. Juli 1992 wurde eine neue Landesverfassung unterzeichnet, welche in insgesamt 14 Sitzungen des Verfassungsausschusses erarbeitet wurde. Leider fehlt auch unserer aktuellen Landesverfassung die Legitimation.

Bei allem nötigen Respekt vor den Leistungen der Mitglieder des Verfassungsausschusses möchte ich der Aussage widersprechen, dass das Anhören und Stellungnehmen von Verbänden, Kirchen und anderen Organisationen sowie von eingeladenen Bürgern ein annehmbarer Ersatz für eine Volksabstimmung ist. Leider muss an dieser Stelle festgestellt werden, dass wir hinsichtlich der demokratischen Einbindung des Souveräns bei der Verfassungsgebung im Jahr 1919 weiter waren als in den Jahren 1949, 1990 und1992.

Werte Kollegen, solange es in diesem Hohen Hause Parteien wie die GRÜNEN gibt, die ein Positionspapier erarbeitet haben, in dem gefordert wird, das Wahlalter auf 14 Jahre zu senken, und in dem gefordert wird, das Wahlrecht auch demjenigen einzuräumen, der unser Land auf illegale Weise betreten hat oder der als Schutzsuchender die Schutzgesellschaft selbst zur Schutzsuchenden macht, solange also solche Demokratiefeinde unter uns sind,

(Dr. Katja Pähle, SPD: Oh! - Unruhe)

sollten wir die Landesverfassung mit allem schützen, was uns zur Verfügung steht. - Ja, es ist so.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Eingangs meiner Rede warf ich die Frage auf, wie stabil unsere Verfassung bzw. unser Grundgesetz heute ist. Ich erlaube mir zur Beantwortung dieser Frage nun, ein paar wenige Beispiele aufzuführen. Schauen wir doch, wie ernst Buchstabe und Wort unseres Grundgesetzes genommen werden; denn spätestens seit dem Jahr 2015 kommt es zu einem fortwährenden Bruch des Artikels 16a. Die illegale Einwanderung aus sicheren Drittstaaten nimmt bereits derartige Dimensionen an, dass die Identität unseres Staatsvolkes dauerhaft gefährdet wird.

Die Eigentumsrechte der Bürger unseres Landes, im Grundgesetz festgeschrieben, werden unter anderem durch die Auto- und Energiewende der Regierenden obsolet. Betrachten können wir auch die Eurorettungspolitik, welche andauernd nationales und europäisches Recht missachtet, welche sich gar einfach über das Volk und dessen Vertreter hinwegsetzt.

Grundsätzlich ist der derzeitige Durchgriff der Europäischen Union in die Gesetzgebung von Bund und Ländern eine Entwertung bzw. Herab

setzung unserer Verfassungen. Zwar wurde diese Aushöhlung nationalen Rechts im Jahr 1990 in Artikel 23 des Grundgesetzes festgeschrieben, doch fällt dieser Artikel nicht unter die Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes und sollte alsbald wieder angepasst werden.

Lassen Sie mich zu einem Fazit kommen: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist nicht perfekt, aber eine bessere Verfassung werden wir bei der derzeitigen Zusammensetzung der Regierungen von Bund und Ländern niemals bekommen. Darum gilt uns, der AfD, der Auftrag: Leben wir das Grundgesetz, leben wir unsere Landesverfassung jeden Tag und vor allem so, wie sie geschrieben wurden, und nicht so, wie jeder meint, sie für sich auslegen zu können.

(Beifall bei der AfD)

Ich denke, heute ist ein historischer Tag. Ich bitte alle Abgeordneten, auch alle Redner, die heute hier sprechen, doch immer ihre Worte zu bedenken. Das eine oder andere Wort ist heute nicht angebracht.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU - Ro- bert Farle, AfD: Es steht Ihnen überhaupt nicht zu, das zu bewerten! Das steht Ihnen nicht zu!)

- Herr Abg. Farle, ich erteile Ihnen hiermit eine Verwarnung. Wenn Sie noch einmal eine solche Kritik an mir üben, bekommen Sie beim nächsten Mal dafür einen Ordnungsruf.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Robert Farle, AfD: Sehr gern!)

Für die Fraktion DIE LINKE - - Herr Kirchner, Sie wollen jetzt als Fraktionsvorsitzender sprechen?

(Oliver Kirchner, AfD: Ja! - Robert Farle, AfD: Dazu muss man was sagen! Sie ha- ben neutral zu sein!)

- Dann bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es wird mir als Fraktionsvorsitzendem meiner Partei wohl gestattet sein,

(Oliver Kirchner, AfD, hält ein Blatt Papier hoch)

wenn ich mir solche Dokumente, wie ich dieses hier vor mir habe, durchlese und feststelle, was darin geschrieben wurde, dann die Menschen, die das verfasst haben, so zu bezeichnen, wie ich sie bezeichnet habe: als Demokratiefeinde. Wenn das, was darin steht, in unsere Landesverfassung

kommt, dann können wir diese Landesverfassung vergessen. - Vielen Dank.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Frau Lüddemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen. Es tut mir leid, ich habe mich nämlich sehr auf diese Debatte gefreut, in der wir 70 Jahre Grundgesetz und 100 Jahre Verfassung des Staates Anhalt, der in Deutschland als Erster auf demokratischen Regeln fußte, heute gemeinsam würdigen wollten. Es war fast zu erwarten, dass es eine Fraktion geben wird, die sich immer als undemokratisch gezeigt hat, die heute einen demokratischen Beschluss einer demokratischen Partei,

(Zuruf von der AfD: Deutschlandhasser!)

die sich dazu bekennt, dass Kinder die Zukunft dieses Landes sind, dass auch junge Menschen Wahlrecht haben sollten, in unseliger Weise diffamiert.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Ich weiß, Frau Präsidentin, mir steht es nicht zu, nach Ordnungsrufen zu verlangen, aber das wäre es wert gewesen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD)

Wir kommen jetzt zur nächsten Debattenrednerin. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau von Angern. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Verfassung von Weimar von 1919 und das Grundgesetz von 1949 bilden für mich verfassungspolitisch gesehen eine Einheit. Deswegen werde ich mich in meiner Rede auf diese beiden konzentrieren.

Das Grundgesetz ist in seinen zentralen Regelungen nicht ohne die Verfassung von Weimar und die durch sie errichtete Verfassungsordnung einschließlich ihres Untergangs in den Flammen der faschistischen Diktatur des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges zu verstehen.

Symbole dieses Untergangs der Zivilisation in den Flammen der Barbarei gibt es viele. Für mich sind es der in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 brennende Reichstag, die in

ganz Deutschland am 10. Mai 1933 brennenden Bücher, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in ganz Deutschland brennenden Synagogen, die in den deutschen Vernichtungslagern brennenden Öfen und das infolge des durch uns Deutsche angezettelten Eroberungs-, Vernichtungs- und Weltanschauungskrieges brennende Europa.

Ich bin mir nicht sicher, ob es dafür repräsentative Daten gibt, aber dennoch gehe ich davon aus, dass nicht wenige Deutsche meinen, die Weimarer Verfassung habe Hitler und seine menschenverachtende Diktatur erst ermöglicht. Ich befürchte, zu viele glauben, die Konstruktionsfehler der Weimarer Verfassung seien gewissermaßen Schuld am Untergang der Republik und an der Errichtung der Diktatur gewesen. Diese Erzählung ist inzwischen weitestgehend widerlegt.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich halte es mit Heribert Prantl, der ganz deutliche Worte fand: Diese erste demokratische Verfassung für ganz Deutschland war eine bemerkenswert gute Verfassung, aber die Zeiten, in denen sie galt, waren bemerkenswert schlecht. Diese Verfassung war modern, aufklärerisch, grundrechtsbetont und, ja, sie war auch emanzipatorisch; denn sie hat das Frauenwahlrecht hervorgebracht. - Aber: Am Hals der Weimarer Verfassung hingen eben auch zentnerschwere Mühlsteine.

Auch nach linker Geschichtsauffassung machen Menschen Geschichte; gestaltet vor allem durch diejenigen, die die Macht dazu haben oder sie sich nehmen. Bei ihnen liegt die Verantwortung und nicht in mehr oder minder gut gelungenen Verfassungsbestimmungen. Hinzu treten die Umstände, in denen sich Gesellschaften entwickeln und in denen sie aufsteigen oder scheitern.

Das ursprünglich als Provisorium für die alte Bundesrepublik gedachte Grundgesetz ist heute unsere gesamtdeutsche Verfassung. Sie werden sich erinnern: Die PDS hatte andere Vorstellungen. Wir wollten eine gesamtdeutsche Verfassung. Ich kann aber aus jetziger Perspektive angesichts des Ausgangs der Wahlen am 18. März 1990 mit dem Sieg jener Parteien und Gruppierungen, die die Herstellung der deutschen Einheit über den Beitritt wollten, durchaus nachvollziehen, dass die staatliche Einheit genau so vollzogen worden ist.

Ich verschließe auch nicht die Augen davor, welche Anziehungskraft die freiheitlich-rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes damals auf die Bürgerinnen und Bürger hatte. Der Beitritt gemäß Artikel 23 war die Folge einer demokratischen Entscheidung vor allem der Bürgerinnen und Bür