Protocol of the Session on April 4, 2019

Die Aufgaben der Landesfachstelle für Barrierefreiheit, die neu eingerichtet wird, wurden präzisiert und erweitert, sodass beispielsweise über die öffentlichen Stellen hinaus auch Wirtschaft und Verbände auf die Expertise der Landesfach

stelle im Rahmen ihrer Möglichkeiten zurückgreifen können.

Neu ist ebenso, dass Menschen mit Behinderung ein Recht darauf haben, Hilfsmittel wie etwa Blindenführhunde in alle öffentlichen Gebäude mitzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nunmehr wird es darum gehen, mit allen beteiligten Akteuren, insbesondere mit dem Landesbehindertenbeirat, der einzurichtenden Landesfachstelle und allen öffentlichen Stellen im Land, diese gesetzlichen Vorgaben umzusetzen und zur Verwirklichung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in unserem Land nachhaltig beizutragen. Ich bin guten Mutes, dass uns das gelingt; denn wir haben in diesem Gesetzgebungsverfahren gezeigt, wir nehmen wichtige Punkte auf, und der Spruch ist verwirklicht: Ein Gesetzentwurf der Landesregierung kommt nie so aus dem Landtag heraus, wie er hineingegangen ist, aber dieses Mal im positiven Sinne. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Ministerin für die Stellungnahme der Landesregierung. - Bevor ich die Abgeordneten in der Debatte aufrufe, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Damen und Herren der Kameradschaft Ehemalige, Reservisten und Hinterbliebene des Deutschen Bundeswehrverbandes aus den Standorten Havelberg, Klietz und Stendal herzlich begrüßen zu dürfen. Seien Sie willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Kirchner. Herr Kirchner, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Vorweg: Meine Fraktion erkennt den Regelungsbedarf aufgrund der EU-Richtlinie von 2016 an. Die Anpassungen der Behindertengleichstellungsgesetze sind durchaus erforderlich. Ebenso erforderlich ist die Umsetzung des Landtagsbeschlusses zur Schaffung einer Landesfachstelle für Barrierefreiheit.

Gleichwohl werden wir im Sozialausschuss verfolgen, wie sich die Landesfachstelle in der Praxis bewährt und ob der geplante Personalkörper dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Um es vorwegzunehmen: Dem Antrag der Fraktion DIE LINKE wird meine Fraktion leider nicht zustimmen können. Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen bezieht sich nicht nur auf Frauen und Mädchen.

Auch Jungen und Männer mit Behinderungen werden Opfer von Gewalt. Menschen mit Behinderungen sind nach unserem Selbstverständnis per se schutzbedürftig. Hierbei darf es also keine Sonderbehandlungen geben.

(Zustimmung bei der AfD)

Oder erklären Sie uns doch bitte, werte LINKE, den höheren Grad der Schutzbedürftigkeit weiblicher Menschen mit Behinderungen gegenüber männlichen.

Weder in der Antragsbegründung noch im Ausschuss konnte DIE LINKE nachvollziehbar belegen, inwieweit sich die Zahlen bezüglich der zweifelsohne vorkommenden und mit Recht zu verurteilenden Übergriffe zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Ebenso wenig konnte sie glaubhaft vermitteln, worin der höhere moralische Unwert von Übergriffen gegen Frauen im Vergleich zur Gewalt gegen Jungen und Männer mit Behinderungen begründet ist. Welche Gründe sprechen nach ihrer Auffassung für eine höhere Schutzbedürftigkeit von behinderten Menschen nur einer Geschlechtergruppe? - Möglicherweise sind Frauen tatsächlich signifikant stärker betroffen. Diese Fallzahlen ist die LINKE jedoch schuldig geblieben.

Das Gleiche gilt für den tatsächlichen Bedarf an Frauenschutzhäusern mit barrierefreiem Zugang im Land. Wie viele Frauen mit Behinderungen haben in den vergangenen Jahren Schutz in Frauenhäusern gesucht, konnten dort aber aufgrund ihrer Behinderung nicht aufgenommen werden?

Meine AfD-Fraktion ist bereit, jedem Antrag zuzustimmen, insofern er notwendig und geeignet ist, einen Missstand zu beheben, und er der Programmatik unserer Partei nicht widerspricht. Dabei ist uns die ideologische Ausrichtung des Antragstellers vollkommen egal.

Bleiben Sie also nicht im Ungefähren, werte LINKE. Legen Sie zukünftig belastbare Fakten vor, wenn Sie um Zustimmung für Ihr Anliegen werben. Denn Sie wissen: Wir haben Ihren Anträgen schon immer zugestimmt, wenn Sie den Bürgern dienten;

(Dagmar Zoschke, DIE LINKE, lacht)

- das ist so - im Gegensatz zu Ihnen, werte LINKE, was ich mit Bedauern zur Kenntnis nehme. - Ich bedanke mich für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der AfD)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Kirchner für die Stellungnahme. - Für die Frak

tion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Zoschke. Frau Zoschke, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist durch eine Reihe von Änderungsvorschlägen der Regierungskoalition erweitert worden. Es wird Sie jetzt nicht verwundern, dass uns auch der veränderte Gesetzentwurf nicht weit genug geht. Weder das Bundesteilhabegesetz noch die aktuellen Erfordernisse der Lebenswirklichkeit spiegeln sich darin wider. Dabei bestand die Möglichkeit, große Sprünge zu wagen.

Die vom Landesbehindertenbeirat - also die Experten in eigener Sache - erarbeitete Vorlage bot eine gute und diskutable Grundlage. Ja, vieles war strittig und ist kontrovers diskutiert worden. Und ja, keine Frage, nicht immer ist alles Wünschenswerte machbar. Aber etwas mehr wäre schon drin gewesen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die besonderen Belange von Frauen und Mädchen mit Behinderungen werden zwar in den Blick genommen, aber es fehlt sowohl an Verbindlichkeit als auch an einer kontrollierenden Sanktion. Dabei kennen alle ernsthaften Akteure in diesem Bereich die zahlreichen Studien, die die Situation von Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigungen in den geschützten und weniger geschützten Räumen und ihre oftmals sehr große Verwundbarkeit und Ohnmacht belegen. Herr Kirchner, ich kann Ihnen das Lesen nicht abnehmen. Es wäre schlau gewesen, wenn Sie sich selbst einmal in den Studien umgesehen hätten.

(Zustimmung bei der LINKEN - Oliver Kirch- ner, AfD: Sie können es auch einfach nen- nen; das wäre noch einfacher!)

Nach wie vor sind wir felsenfest davon überzeugt, dass es nicht ausreichend ist - ich zitiere aus dem vorliegenden Gesetzentwurf - „zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen.“

Hierfür, aber auch für die aktuell gewählten und tätigen Frauenbeauftragten in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, hätte eine Landeskoordinierungsstelle für Frauen und Mädchen mit Behinderungen genügend Aufgaben bei der Erfassung und der Koordinierung von Maßnahmen übernehmen sowie verstärkte Öffentlichkeitsarbeit realisieren können. Sie hätte sogar selbst die kontrollierende Instanz sein können.

Ähnlich verhält es sich mit den von uns geforderten Beteiligungsrechten der bzw. des Landesbehindertenbeauftragten und den daraus erwachsenden Konsequenzen. Auch hierbei haben wir

uns ein größeres Bekenntnis zur Realität erhofft, zumal dies auch Auswirkungen auf die kommunale Ebene hätte haben können.

Der Maßstab für das politische Agieren in diesem Bereich muss die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sein. Sie ist geltendes Recht und an ihr müssen sich alle Gesetzesvorhaben und -vorgaben messen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dem nun zu beschließenden Gesetzentwurf gehen Landesregierung und Koalition nur ganz kleine Schritte in diese Richtung. Die Erweiterungsmöglichkeiten für das Gebärdensprachdolmetschen in schulischen Angelegenheiten oder in Kitas weisen in die richtige Richtung. Das ist längst überfällig und wird aus einem durch den Haushaltsgesetzgeber sehr beschränkten Topf finanziert. Wenn man weiß, dass bereits jetzt nicht alle beantragten, notwendigen und erforderlichen Leistungen aus diesem Topf erfüllt und getragen werden, hat man am Ende mehr Fragen als Hoffnungen.

(Doreen Hildebrandt, DIE LINKE: Genau!)

Die Fraktion DIE LINKE wird sich der Stimme enthalten. - Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Frau Zoschke für den Redebeitrag. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Mit dem letzten Haushalt haben wir bereits die finanziellen Pflöcke für die Landesfachstelle für Barrierefreiheit eingeschlagen. Jetzt erfolgt die gesetzliche Normierung dieser Stelle. Damit setzen wir nicht nur endlich die entsprechende EU-Verordnung um, sondern wir überführen das bisher ehrenamtliche Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit in eine hauptamtliche und, wie ich finde, absehbar tragfähige Struktur.

Ich finde wirklich, dass heute ein guter Tag für die Barrierefreiheit im Land ist. Das Anliegen einer inklusiven Gesellschaft bringen wir mit diesem Gesetzentwurf ein gutes Stück voran.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE, und von Angela Gorr, CDU)

Die finanzielle und die personelle Ausstattung der zukünftigen Landesfachstelle kann sich auch bun

desweit sehen lassen. Das ist, glaube ich, an der Stelle tatsächlich ein großer Wurf. Auch die Anbindung an die Unfallkasse scheint mir mittlerweile sehr gut gewählt zu sein. Am Anfang war ich ein bisschen skeptisch, aber ich bin - wie ich das immer gerne mache - vor Ort gefahren und habe mir angesehen, wie sie sich das vorstellen und wie das vonstatten gehen soll. Ich glaube, es hat sich auch während der Anhörung gezeigt, dass das ein für das Land guter und gangbarer Weg ist.

Die Unfallkasse hat zum Beispiel, wie mir berichtet wurde, bereits Termine mit den bisher ehrenamtlich Tätigen vereinbart, um das Wissensmanagement und die Übergabe zu gewährleisten. Denn auch bei der Unfallkasse ist angekommen, dass diese vormals ehrenamtliche Tätigkeit, dieses ehrenamtliche Engagement wirklich viel gebracht hat und dass man das hoch schätzen muss. Sie sind sehr engagiert, das in ihre weitere Fachlichkeit zu übernehmen.

Damit die absehbar hohe Beratungskompetenz der Landesfachstelle auch wirklich breit im Land genutzt werden kann, haben wir im Gesetzgebungsverfahren den Kreis der zu beratenden Akteure erweitert. Vormals waren nur öffentliche Stellen vorgesehen. Jetzt steht die Landesfachstelle prinzipiell allen offen. Wir haben auch das inhaltliche Profil geschärft und die Aufgabenstellung der Fachstelle präzisiert.

Zuletzt haben wir den Gesetzentwurf um weitere inhaltliche Punkte ergänzt, etwa um den Anspruch auf Gebärdensprachdolmetscher im Bereich Schule und Kita und um einen regelmäßigen Bericht der Landesregierung zum Stand der Umsetzung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Damit haben wir einige wesentliche Forderungen des Behindertenbeirates aufgegriffen. Die doch sehr harsche Kritik vonseiten des Beirates in der Anhörung zum Gesetzentwurf hat also durchaus Früchte getragen. Denn das ist alles im Rahmen der Auswertung der Anhörung aufgenommen worden. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen für die demokratischen Prozesse in diesem Land.

Natürlich bleiben nach wie vor Fragen offen - das ist meistens so -, wie etwa die Frage nach der Stellung des Landesbehindertenbeauftragten. Dazu gab es unterschiedlichste Vorschläge. Sie haben alle wahrgenommen, dass das jetzt erst einmal so bleibt, wie es ist. Die Anbindung an den Landtag, die diskutiert wurde, wird zunächst nicht vorgenommen. Ich glaube aber, das sind Dinge, die man zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufnehmen kann.

Ich kann zusammenfassend sagen, dass die Dinge, die wir jetzt regeln und die wir neu auf den Weg bringen, auch das Geld, das wir dauerhaft

für diesen Bereich einstellen, eine deutliche Verbesserung darstellen und positiv zu bewerten sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Lüddemann, es gibt eine Frage von Frau Zoschke. - Frau Zoschke, Sie haben das Wort.