Protocol of the Session on February 28, 2019

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Eine Kurz- intervention!)

Es ist kein Redner mehr da.

(Unruhe)

Oder wollen Sie als Fraktionsvorsitzender reden?

(Thomas Lippmann, DIE LINKE: Ich will nur eine Kurzintervention machen!)

- Na gut, bitte. Dann haben Sie das Wort.

(Unruhe)

Eigentlich ist Herr Lippmann dran. Frau Heiß, einen Moment bitte, ich habe erst Herrn Lippmann das Wort erteilt. - Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Es ist eine Kurzintervention. - Also, ich wundere mich in der Tat zum wiederholten Mal darüber, dass sowohl in der Einbringungsdebatte als auch heute hier der Anlass und der Kontext dieses Antrags so völlig unter die Räder kommen, nämlich dass es die Situationsbeschreibung des Ministerpräsidenten war und er auch völlig zu Recht darauf verwiesen hat, dass es eben nicht an der Qualifikation oder an der Intelligenz liegt, dass die Ostdeutschen so unterrepräsentiert sind.

Ich habe in der Einbringungsdebatte schon darauf hingewiesen, dass es natürlich eine Farce ist, sich hinter Eignung, Befähigung und Leistung zurückzuziehen. Weil es genügend hier im Raum gibt, habe ich damals gesagt, die sehr wohl eine sehr konkrete Vorstellung davon haben, inwieweit das objektiv ist. Es hängt natürlich sehr wohl von den Handelnden ab. Wenn die Handelnden alle Westdeutsche sind, dann sind die Ergebnisse eben auch westdeutsche.

Was wir mit dem Antrag erreichen wollten und was Sie verweigern, Herr Szarata, ist, dass wir auf der Basis der Analyse des Ministerpräsidenten dazu mal eine qualifizierte Diskussion führen. Deswegen haben wir eben nicht gesagt, macht eine Ostquote oder so. Aber man muss sich mal etwas einfallen lassen. Da wollten wir nicht die

Oberklugen sein und sagen, wir wissen es, sondern wir wollten über den Befund diskutieren. Bringen Sie das doch nicht immer unter die Räder.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lippmann, ich danke jetzt für die Ergänzung. - Frau Heiß, jetzt haben Sie noch einmal das Wort.

Ich würde gern noch etwas zu der Rede von Herrn Szarata ergänzen. Es gibt heute in der „Zeit“ einen Artikel, der sich „Hier gibt es was zu befördern“ nennt. Eine Quote für Ostdeutsche wird vor allem von Konservativen abgelehnt. Darum müssten sie eigentlich dafür sein. Da gibt es so einen netten Absatz, der das vielleicht noch einmal gut zusammenfasst.

Hier steht: Es geht in dieser Debatte um Millionen Menschen, von denen viele gern dort Karriere machen würden, wo sie sich zu Hause fühlen. Das wird nichts, wenn die Karriere in Jena und Erfurt nur von Stuttgartern und Münchenern gemacht wird. Das auszugleichen führt vielleicht gar nicht zu Elend, sondern zu mehr gesellschaftlichem Frieden.

Das empfand ich als einen sehr schönen Satz. - Danke.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gut. Ich danke für die Ergänzung. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Meister. Herr Meister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrter Damen und Herren! Herr Gallert fragte gerade nach den jungen Leuten, dass es für die einen Unterschied macht, die 60 %, glaube ich, sagten Sie, 65 %. Ich kann mir das gut vorstellen. Das wird so sein. Das würde doch aber umgesetzt auf unsere Situation in Sachsen-Anhalt heißen, dass Sie sagen, es ist ein Problem, als junger Mensch aus Ostdeutschland in die ostdeutsche Verwaltung zu kommen. Ansonsten macht die Bemerkung ja keinen Sinn.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Führungspositio- nen!)

- Als junger Mensch kommt man nicht so ohne Weiteres auf eine Führungsposition. Die jungen Menschen, die wir heute einstellen, bilden das

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Potenzial der Führungskräfte, das wir in 20 Jahren haben.

(Siegfried Borgwardt, CDU: So ist es!)

Insofern empfinde ich das als einen merkwürdigen Ansatz. Das Problem habe ich noch nie gehört. Wir sind ja händeringend dabei, Leute zu suchen. Wir brauchen 30 Jahre nach der Wende im Land Sachsen-Anhalt keine Ostdeutschenquote. Wir wollen als Arbeitgeber attraktiv sein und suchen durchaus mit erheblichem Aufwand junge Leute für den Landesdienst.

Bei Menschen, die zunehmend erst nach der Wende geboren worden sind, erst einmal abzuklopfen, ob sie gebürtig aus Wernigerode oder aus Goslar stammen, finde ich persönlich ausgesprochen merkwürdig. Wir laufen landauf und landab und erzählen überall, es kommt nicht darauf an, wo du herkommst, wie du aussiehst und welche Hautfarbe du hast. Dabei würde ich von Ihnen jeweils Zustimmung bekommen.

(Zustimmung von Daniel Szarata, CDU, und von Andreas Schumann, CDU)

Dann sagen wir, es macht aber für die Einstellung in den Landesdienst sehr wohl einen Unterschied, ob jemand in Marienborn oder in Helmstedt geboren worden ist. Ich finde, das ist ein Wertungswiderspruch. Das ist so ein bisschen Weltoffenheit gegen Traditionskabinett. Das finde ich schwierig.

Irritierend fand ich es in der Diskussion auch, dass wiederholt behauptet wurde, eine Ostdeutschenquote sei nicht das Ziel des Antrags. Wenn wir über die Erhöhung des Anteils - das steht so in der Überschrift -, über den geringen Anteil - das steht im ersten Absatz - und über Unterrepräsentanz - das steht im zweiten Absatz - reden, dann redet man letztlich über eine Quote.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau!)

Wie man die jetzt definiert, das mag egal sein. Aber offensichtlich geht es Ihnen doch darum. Die würde übrigens nicht nur als Untergrenze wirken, sondern logischerweise in der Umkehrung als Obergrenze für Nichtostdeutsche, also für Westdeutsche und Ausländer. Ich finde das absolut befremdlich.

Wenn man sich fragt, wie sinnvoll ist denn diese Forderung, und wenn mal in der Vergangenheit schaut, wie das denn mit Menschen war, die nicht aus der Region kommen, in der sie tätig waren, stellt man Folgendes fest. Ich habe mir einmal die Magdeburger Oberbürgermeister angeguckt. Zwischen 1871 und 1933 hatte Magdeburg sieben Oberbürgermeister. Einer war aus Magdeburg, die anderen sechs waren keine Ossis. Nicht einer kam aus Ostdeutschland. War das damals schon

ein Problem? Waren die Magdeburger irgendwie feindlich gegen ihre Region, oder kann es sein, dass es in einer bestimmten Hierarchieebene nicht ganz ungewöhnlich ist, dass man den eigenen Wohnort verlässt und dass es so einen Austausch gibt?

Auch im Ausschuss stellte sich mir die Frage, wie ist denn das jetzt eigentlich, wenn ich jetzt einmal in Nordrhein-Westfalen auf die Ebene gucke. Nordrhein-Westfalen hat etwa dieselbe Einwohnerzahl wie die DDR. Wie viele Leute sind tatsächlich aus Nordrhein-Westfalen, und wie viele kommen natürlich aus Ostdeutschland, aber auch aus Schleswig-Holstein, aus Rheinland-Pfalz oder aus dem Saarland? Kommen die da in NordrheinWestfalen wirklich auf eine so hohe Quote an Landeskindern, wie Sie das hier suggerieren, also, bei 80 oder 90 % muss ich zufrieden sein, oder kann es nicht sein, dass es einfach auch ein normaler Austausch ist und dass wir da noch an der Normalität arbeiten und wachsen?

Ich weiß, dass wir Ostdeutschen - das ist mir klar - einen erheblichen Anteil der Stellen in unserer Verwaltung im Jahr 1990 mit Kräften aus den westdeutschen Bundesländern besetzt haben. Ich weiß, dass es für uns ein Problem ist - das empfinde auch ich so -, dass Menschen zu uns kamen, die nicht unsere speziellen Lebenserfahrungen mit sich brachten. Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt, dieses Leben in der Diktatur und dieses Umgehen damit hat schon eine besondere Bedeutung.

Aber so aus der Generation der tatsächlichen DDR-Bürger - da muss man, wenn man so zurückschaut, sagen, es kommen überhaupt nur noch Westdeutsche nach. Denn diese Lebenserfahrungen gibt es so nicht mehr. Ich bin ja schon knapp ein Westdeutscher. Mit 18 Jahren habe ich noch in einem DDR-Betrieb gearbeitet. Ich habe noch so ein bisschen Erfahrung mitgebracht. Aber schon Ihre Generation, Frau Heiß, ist ja davon

(Gabriele Brakebusch, CDU: Trotzdem na- türlich schon ein Wessi!)

nicht wirklich betroffen. Sie haben ja diese Erfahrung nicht. Sie haben natürlich diesen Nachklang, diese Umwälzungen, die es danach gab, erlebt. Ansonsten verstehe ich das als etwas Landsmannschaftliches, was dann kommt. Ich bezweifle, dass es dafür tatsächlich dieses Aufwandes bedarf. - Meine Redezeit ist irgendwie unbegrenzt.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)

Ja, wir haben schon es gemerkt. Die Uhr muss irgendwie einen Schlag haben.

Gut, okay.

Aber es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Gallert, Herr Meister.- Herr Gallert, Sie haben das Wort. - Irgendwann muss sie angefangen haben, von vorn zu zählen.

(Minister Marco Tullner: Und Frau Heiß auch noch, Frau Heiß!)

Herr Meister, Sie sprachen jetzt Nordrhein-Westfalen an. Ja, natürlich ist es so, dass die Leute ab einem bestimmten Alter und möglicherweise auch ab einer bestimmten Karrierestufe woanders hingehen. Interessanterweise - das haben Sie ja gesagt -

hat Ostdeutschland hat in etwa so viele Einwohner wie Nordrhein-Westfalen. Bei dieser Studie, die da untersucht hat, woher die Uni-Rektoren kommen, ist aber eigenartigerweise gesagt worden, kein einziger kommt aus Ostdeutschland und ein Drittel kommt aus Nordrhein-Westfalen, und zwar in der ganzen Bundesrepublik. Das heißt, es gibt mehr Nordrhein-Westfalen, die in Ostdeutschland Uni-Rektoren sind, als Ostdeutsche, die in Ostdeutschland Uni-Rektoren sind. Das sind nämlich null, und in Nordrhein-Westfalen sind es eigenartigerweise auch null. Das ist der Unterschied. Dann sagen Sie, ja, was wollen Sie jetzt, eine Quote. Nein, man muss mal drüber nachdenken, Herr Meister, was man machen kann.

Das ist mal eine ganz interessante Geschichte. Vor Kurzem war die Aufarbeitungsbeauftragte bei uns in der Fraktion. Ihr hat Frau Heiß, weil davor jetzt keiner mehr sicher ist, auch die Frage gestellt: Wie sehen Sie den das mit den Ostdeutschen und der Führungsverantwortung? - Da hat Sie gesagt, wissen Sie, ich bin im Stiftungsbeirat, der jetzt die Nachfolge des Herrn Knabe zu realisieren hat.

(Minister Marco Tullner: Hubertus Knabe!)

- Des Herrn Hubertus Knabe.

(Rüdiger Erben, SPD: Der ist aus Bremen!)