Protocol of the Session on June 3, 2016

Letztendlich führt jedoch nicht jeder beliebige Fehler zur Ungültigkeit einer Wahl. Eine Unregelmäßigkeit bei der Vorbereitung und Durchfüh

rung einer Wahl bewirkt nur dann deren Ungültigkeit, wenn sie die Sitzverteilung beeinflusst hat oder haben könnte, wenn also eine Mandatsrelevanz gegeben ist. Dieser Erheblichkeitsgrundsatz dient dem aus dem Demokratiegebot folgenden Ziel, die Wahl aufrechtzuerhalten, um die Arbeitsfähigkeit der neuen Vertretung zu gewährleisten.

Meine eingangs getroffene Einschätzung wird letztlich auch durch die Anzahl der jeweiligen Wahleinspruchsverfahren bestätigt. Nach der Europawahl am 25. Mai 2014 gab es lediglich einen Wahleinspruch aus Sachsen-Anhalt beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages, der sich auf die Wahlorganisation im Land bezog. Dieser wurde bereits kurz nach seiner Einlegung vom Einspruchsführer wieder zurückgezogen.

Der damalige Landeswahlleiter hat bereits in der letzten Legislaturperiode am 4. September 2014 auf einen entsprechenden Antrag über Wahlpannen bei den Kommunal- und Europawahlen in Sachsen-Anhalt am 25. Mai 2014 im Ausschuss für Inneres und Sport berichtet, daran möchte ich erinnern. Sie können die Protokolle lesen.

Die im aktuellen Antrag erwähnten Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen in Stendal und Petersberg betreffen nach meiner Einschätzung nicht die Europawahl, sondern die Kommunalwahl im Mai 2014. Am 25. Mai 2014 fanden nämlich neben der Europawahl zeitgleich mehr als 1 000 Wahlen zu den Kreistagen, Gemeinde- und Ortschaftsräten sowie Landratswahlen unter Einbeziehung von mehr als 20 000 Wahlhelferinnen und -helfern am Wahltag statt.

Auch hierzu ist in der Gesamtschau festzustellen, dass die weit überwiegende Anzahl dieser Wahlen unproblematisch und den wahlrechtlichen Vorschriften entsprechend rechtmäßig verlaufen ist. Dies bestätigt letztendlich auch die Auswertung der vor Ort eingereichten Wahleinsprüche zur Kommunalwahl. Festzustellen ist, dass anlässlich der durchgeführten mehr als 1 000 Kommunalwahlen im Mai 2014 landesweit nur 31 Wahleinsprüche eingegangen sind, die im Wesentlichen erledigt sind.

Letztlich wurde nach hiesiger Kenntnis nur eine Handvoll Fälle, fünf Verfahren, gerichtlich überprüft. Dabei wurde im Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung bisher nur in einem Fall die Wiederholung der Wahl notwendig. Einmal erfolgte eine Ergebnisberichtigung, drei Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Darunter ist die Gemeinderatswahl in Petersberg, die als Einzelfallentscheidung nach Ausschöpfung des zur Verfügung stehenden Rechtsweges nun mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 12. April 2016 rechtskräftig für ungültig erklärt wurde und somit zu wiederholen ist.

Natürlich - so weit haben Sie dann recht - ist die Vertretungswahl in der Stadt Stendal ein negatives Beispiel, welches zudem - aber auch das ist gut in einer Demokratie und einem Rechtsstaat - regelmäßig eine große Präsenz in den Medien hervorgerufen hat.

Gerade mit den Kommunalwahlen in Stendal haben sich der Landtag und insbesondere der Ausschuss für Inneres und Sport in der letzten Legislaturperiode intensiv beschäftigt. Der Fälschungsverdacht in Stendal hat das Wahlsystem getroffen und droht - aus meiner Sicht zu unrecht - die Briefwahl als Ganzes in Misskredit zu bringen. Ich möchte jedoch ausdrücklich hervorheben, dass Stendal ein Einzelfall ist, der möglicherweise auf die kriminelle Energie Einzelner zurückzuführen ist und durch eine Verwaltungspanne in der Stadtverwaltung Stendal begünstigt wurde.

Ich als Innenminister bin überhaupt nicht befugt, über laufende Ermittlungsverfahren Auskunft zu geben,

(Zustimmung bei der CDU - Sebastian Striegel, GRÜNE: Gott sei Dank haben wir eine Gewaltenteilung!)

weil wir, Gott sei Dank, Herr Striegel, Gewaltenteilung haben; und das ist Aufgabe der Judikative.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das wollen wir auch so lassen!)

Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaft wird nach Abschluss der Ermittlungen ihr Ermittlungsergebnis bekannt geben, und dann wird sich feststellen lassen, ob es hinsichtlich einiger Beschuldigter einen hinreichenden Tatverdacht gibt. Dann hat die Staatsanwaltschaft zu entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreift, ob es zu einer Anklage kommt, zu einem Strafbefehl oder ob das Verfahren, wenn kein hinreichender Tatverdacht besteht, nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung einzustellen ist.

Immer wenn solche Dinge passieren, dann passiert das in einem Rechtsstaat mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentarien. Solche Verfahren werden auch dort geklärt und nicht durch Aufregung und Lautstärke in einem Parlament. Und das finde ich auch gut so.

(Zustimmung bei der CDU)

Abschließend möchte ich in Abstimmung mit der Landeswahlleiterin, der die wesentlichen Zuständigkeiten der Landtagswahl obliegen, Folgendes anmerken: Auch in Bezug auf die Landtagswahl kann ich keine erheblichen Unregelmäßigkeiten feststellen. Voranzustellen ist, dass hinsichtlich der Landtagswahl am 13. März 2016 das Wahlprüfungsverfahren des Landtags noch nicht abge

schlossen ist. Die Konstituierung des Wahlprüfungsausschusses erfolgt in Kürze. Nach meiner Kenntnis liegen bisher lediglich sechs Wahleinsprüche vor. Dies entspricht der Anzahl der Wahleinsprüche gegen die Landtagswahl im Jahr 2011.

Es ist richtig, dass das vorläufige Ergebnis, das in der Wahlnacht nach den Schnellmeldungen aller Wahllokale ermittelt und durch die Landeswahlleiterin auf den Seiten des Statistischen Landesamtes als vorläufiges Wahlergebnis im Wahlgebiet bekannt gemacht wurde, von der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses der Landtagswahl im Jahr 2016, das der Landeswahlausschuss am 24. März 2016 festgestellt hat, abweicht.

Das ist im Übrigen nichts Ungewöhnliches. Neu ist in Sachsen-Anhalt, dass es aufgrund dieser Abweichung eine Sitzverschiebung zugunsten der AfD und zulasten der Partei DIE LINKE gegeben hat. Nicht richtig ist jedenfalls die Behauptung in Ihrem Antrag, dass es bei der Landtagswahl 2016 - ich zitiere - „… in zahlreichen Wahllokalen zu nachträglichen Korrekturen in teils dreistelliger Stimmenzahl kam.“

Es gab lediglich in vier von ca. 2 500 Wahllokalen solche größeren Auffälligkeiten. Dies war zum Beispiel auch bereits kurz nach dem Wahlsonntag im März 2016 der Presse zu entnehmen, etwa bezüglich Wahllokalen in Genthin/Ortsteil Tucheim, in Halle-Lettin und in Wolmirstedt in der Gutenberg-Schule. Diese Auffälligkeiten, auch weitere kleine, sind im Rahmen der Plausibilitätsprüfung durch die Kreiswahlleiterin sowie auch durch Hinweise Dritter aufgefallen.

Es handelte sich im Wesentlichen um Übertragungsfehler bei der Abgabe der Schnellmeldung bzw. um Verwechslungen bei der Erstellung der Wahlniederschriften zwischen den Parteien Alfa und AfD. Deren ähnliche Parteinamen bzw. Kürzel sowie deren unterschiedliche Platzierung bei der Erfassung der Erst- bzw. Zweitstimmen führten bei der Auszählung in den Wahllokalen zu Verwechselungen.

Zudem passieren - auch das ist menschlich - schlichte Rechenfehler oder fehlerhafte Zuordnungen von Stimmen bei der Sortierung der Stimmzettel, bei der verschiedene Stapelbildungen vorgeschrieben sind. Die Ergebnisse in diesen Wahlbezirken - das ist das Entscheidende - sind jedenfalls aufgeklärt und in den Sitzungen der Kreiswahlausschüsse korrigiert worden, sodass gegebenenfalls in einer erneuten Sitzung die Feststellung der korrigierten und korrekten Stimmzahlen durch die Kreiswahlausschüsse erfolgte. Derartige Berichtigungen durch den Kreiswahlausschuss sind nichts Ungewöhnliches und können

daher auch als Korrektiv wahlgesetzlich verankert werden.

Neu war lediglich, dass es aufgrund dieser Berichtigung der Zweitstimmen durch die Kreiswahlausschüsse letztlich bei der Ermittlung der Sitzverteilung durch den Landeswahlausschuss auch tatsächlich zu einer Sitzverschiebung kam. Dies lag jedoch schlicht und einfach an der Tatsache, dass im Rahmen der Berechnung der Sitzverteilung nach den Vorgaben des Landeswahlgesetzes quasi im zweiten Rechenschritt der Restsitzverteilung in der Reihenfolge der größten Nachkommastelle diese Stimmenverschiebung zugunsten der AfD bei der Berechnung des endgültigen Ergebnisses gleichwohl relevant wurde. Die Abweichung der Bruchstelle war im Übrigen minimal.

Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass ich keinen Zweifel daran habe, dass die Wahlergebnisse zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 13. März 2016 entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des Wahlgesetzes sowie der Wahlordnung des Landes Sachsen-Anhalt von den rund 20 000 ehrenamtlichen Wahlhelfern in den Wahlvorständen ausgezählt und durch die jeweiligen Wahlausschüsse festgestellt sowie bekannt gemacht wurden. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Poggenburg, Sie haben eine Frage.

Jawohl, eine Frage. - Herr Minister, wir haben gerade noch einmal etwas über die Vorfälle zur Landtagswahl gehört. Es stellt sich doch aber folgende Frage: Diese Pannen - sagen wir es einmal so - sind immer zum Nachteil einer Partei passiert. Muss man dann nicht sagen, dass in diesem Moment eher nicht von Zufälligkeiten und Versehen gesprochen werden kann, dass es vor diesem Hintergrund im Grunde genommen kein Versehen oder keine Zufälligkeit sein kann?

Herr Poggenburg, ich habe Ihnen, denke ich, sehr dezidiert den Grund für die Verwechslung erklärt. Aufgrund der Vielzahl der abgegebenen Stimmzettel und der Dauer der Stimmauszählungen ist es zu Verwechslungen zwischen Alfa und AfD gekommen. Das, was Sie vermuten,

ist eine Verschwörungstheorie.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das war eine Frage.

Das war eine Vermutung. Wissen Sie, Herr Poggenburg, jetzt fängt das wieder an wie gestern. Sie sagen fein ziseliert, das könnte eine Vermutung sein, und sind sich dessen bewusst, dass das, was Sie als Vermutung im Konjunktiv in den Raum stellen, möglicherweise von Bürgerinnen und Bürgern als Tatsachenbehauptung empfunden wird. Sie sind sich wieder der Macht Ihrer Worte bewusst in dem Wissen, dass Sie eine veränderte Gesellschaft herbeiführen wollen.

Das ist eine Tatsache.

Sie haben gestern gesagt, Sie könnten sich vorstellen, einmal zu regieren. Ich habe das gehört. Ich frage mich nur, mit wem.

(Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht - Zustim- mung bei den GRÜNEN - Ulrich Siegmund, AfD: Allein!)

Auf dem Weg dahin würden Sie versuchen, dieses Land durch Ihre Politik zu verändern. Sie würden nämlich unterstellen, dass hier, in diesem Land planmäßig Wahlfälschungen stattfinden. Sie würden unterstellen, dass nur Kriminelle in dieses Land kämen usw. usf.

Das heißt, Sie destabilisieren durch Ihre Politik ein Gesellschaftssystem in einer freien Demokratie. Ich finde - das sage ich ausdrücklich -, das hat nichts mehr mit politischer Gestaltung zu tun. Das ist destruktiv, weil Sie die Destruktion und die Polarisierung brauchen, um Ihre politischen Inhalte durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe zwei weitere Wortmeldungen aus der AfD-Fraktion, eine von Herrn Lehmann und danach eine von Herrn Roi. Ich würde sie zulassen. Ansonsten bitte ich, die Regel einzuhalten, dass drei Wortmeldungen pro Fraktion so das Limit sein dürften. - Herr Lehmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Stahlknecht, wir haben ja festgestellt, dass die demokratisch durchgeführten Wahlen ein hohes Rechtsgut sind, weil es eines der wenigen Mittel ist, um im Bereich der mittelbaren Demokratie Einfluss auf politische Gestaltung zu nehmen.

Mir stellt sich jetzt folgende Frage: Aus den Fraktionen wurde immer wieder gerufen oder gefragt: Haben Sie denn Anzeige wegen Wahlbetrugs gestellt? - Das wirkt auf mich befremdlich.

Deshalb möchte ich mit Blick auf diese fünf oder sechs Ermittlungsverfahren wegen Wahlfälschung, die gegenwärtig noch laufen - ich habe die Zahl jetzt nicht genau im Kopf -, fragen, ob es nicht schlicht und einfach die Aufgabe des Ermittlungsorgans, der Staatsanwaltschaft oder einer Polizeidirektion, ist, bei einem Offizialdelikt wie der Wahlfälschung von Amts wegen die Ermittlungen an sich zu ziehen, um eventuelle Manipulationen im demokratischen Bereich zu entkräften.

Es kann doch bei dem hohen Rechtsgut nicht Grund und Inhalt sein, ob eine Einzelperson einen Anfangsverdacht hat, sodass man dann ein Ermittlungsverfahren einleiten muss. Deshalb wollte ich fragen, bei wie vielen Verfahren denn von Amts wegen automatisch die Ermittlung eröffnet worden ist oder ob jemand hingehen und sagen musste, ich habe einen Anfangsverdacht und möchte das anzeigen.

Es gilt das Legalitätsprinzip. Das Legalitätsprinzip besagt, dass ein Staatsanwalt oder ein Polizeibeamter, die in Ausübung ihres Dienstes oder möglicherweise auch in ihrer Freizeit - das gilt darüber hinaus - Kenntnis von einer Straftat erhalten, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten haben, es sei denn, es handelt sich um ein absolutes Antragsdelikt. Aber ein Greifen des Legalitätsprinzips setzt gleichwohl voraus, dass diejenigen auch Kenntnis von einer Straftat haben.

Da wir in einem Staat leben, in dem wir nicht alles überwachen, sind wir gelegentlich auf die Mithilfe der Bürgerinnen und Bürger angewiesen, die gewisse relevante Sachverhalte, die recht

lichen Erwägungen zugänglich sein könnten, der Staatsanwaltschaft mitteilen. Dann wird eben aufgrund der Anzeige ein Strafverfahren eingeleitet.

Die Antwort auf die Frage, in wie vielen Fällen hier aufgrund des Legalitätsprinzips ein Verfahren eingeleitet worden ist und in wie vielen Fällen möglicherweise eine Strafanzeige vorliegt, kann ich Ihnen gern nachliefern. Solche Zahlen lerne ich nicht auswendig.