Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst muss ich sagen, dass ich es gut finde, dass auf die Forde
Das ist eigentlich schon eine Mehrheit in diesem Haus. Dann hoffe ich doch, dass wir bald dazu übergehen, die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge auch wirklich zu beschließen.
Die Instandhaltung der kommunalen Straßen und Verkehrswege ist laut Landesrecht eine Angelegenheit der Straßenbaulastträger und somit regelmäßig auch der Kommunen, denen hierfür vom Land die Kosten aufgebürdet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können und müssen die Gemeinden nach der gegenwärtigen Rechtslage die Kosten dann anteilig als Straßenausbaubeiträge auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke umlegen.
Die pflichtige Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für den Aus- und Umbau, die Erweiterung sowie die Erneuerung von öffentlichen Anliegerstraßen führt deshalb regelmäßig zu Unruhe unter den beitragspflichtigen Grundstückseigentümern. In Härtefällen hat der Straßenausbaubeitrag sogar eine mittelbare Enteignungswirkung und kann zu Zwangsverkäufen oder -versteigerungen führen.
Mich hat unlängst eine Vielzahl von Zusendungen erreicht, in denen beispielsweise Bürger beklagen, dass sie 17 000 € bezahlen müssen und nicht wissen, woher sie das Geld nehmen sollen.
Die 80-jährige Oma, die ein Eckgrundstück hat und solche Kosten tragen soll, bekommt nicht einmal mehr einen Kredit. Mit 80 Jahren wird einem von der Bank kein Kredit mehr gewährt. Sie müsste im Ernstfall wirklich ihre Immobilie verkaufen.
In sehr vielen Städten Sachsen-Anhalts sind mehr als 50 % der Anliegerstraßen noch immer nicht grundhaft ausgebaut,
sondern befinden sich in ihrem Nachkriegsausbesserungszustand. Die finanzielle Beteiligung der Anlieger ist gemessen an deren Einkommen vielfach unangemessen hoch. Der sogenannte Aufbau Ost ist 28 Jahre nach der Herstellung der deutschen Einheit beim kommunalen Straßenausbau auf halber Strecke stehen geblieben.
Ein grundsätzlicher Verständnisfehler nach der Wiedervereinigung war die übereilte 1:1-Übertragung des Prinzips des westdeutschen Kommunalabgabenrechts auf die neuen Bundesländer, was die erforderliche kommunale Investitionstätigkeit in Anliegerstraßen extrem behindert.
Dabei wurde vom Bundes- und Landesgesetzgeber schlichtweg ignoriert, dass die kommunale Straßeninfrastruktur insbesondere in den Gemeinden des ländlichen Raums der neuen Bundesländer größtenteils auf dem Nachkriegsniveau stehen geblieben ist. Und sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung haben offensichtlich verdrängt, dass es in den alten Bundesländern und Westberlin während der ersten zwölf bis 33 Nachkriegsjahre - je nach Land - weder ein Kommunalabgabegesetz noch Straßenausbaubeiträge gab. Der kommunale Straßenausbau wurde in dieser Zeit großzügig durch den Bund und die Länder finanziert, was nicht zuletzt auch eine Folge des Marshallplans war.
Machen wir dazu einen kleinen historischen Exkurs. Als wesentlicher Ideengeber für die heutigen Kommunalabgaben muss wohl das Preußische Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 angesehen werden, das später noch einigen Änderungen unterlag.
Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates vom 25. Februar 1947 wurde der preußische Staat aufgelöst und dadurch auch das preußische Kommunalabgabenrecht außer Kraft gesetzt.
In der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR wurden die relativ gesehen wenigen Straßenausbaumaßnahmen dann zentral geplant, angeordnet und vom Staat voll finanziert. Es gab dort keine Straßenausbaubeiträge. Die unselbstständigen Kommunen haben auch keine ausreichenden finanziellen Zuweisungen für einen selbstverwaltbaren Straßenausbau erhalten. Aus diesem Grund wurden desolate Straßen meist nur notdürftig ausgebessert.
In Westberlin und der Trizone fingen die durch das Grundgesetz eingeführten Bundesländer relativ spät an, ein Kommunalabgabenrecht zu erlassen, so beispielsweise in Westberlin im Jahr 1958, in Baden-Württemberg im Jahr 1964, in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1969 und zuletzt im Saarland im Jahr 1978, also erst 21 Jahre nach dessen Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland.
Die landesrechtliche Grundlage zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wurde in folgenden Bundesländern abgeschafft: in Baden-Württemberg
im Jahr 2005, in Berlin im Jahr 2012, in Hamburg im Jahr 2016, in Schleswig-Holstein und nunmehr auch in Bayern im Jahr 2018.
Allerdings ist die Abschaffung der Pflicht zur Beitragserhebung für den Straßenausbau dann eine Mogelpackung, wenn sich das Bundesland, wie zuletzt Schleswig-Holstein, gegenüber den Kommunen nicht gesetzlich verpflichtet, die volle Finanzierung des kommunalen Straßenausbaus zu übernehmen.
Die Landesregierung wird deshalb aufgefordert, durch die Initiierung einer Bundesratsinitiative dafür zu sorgen, dass die Höhe der Investitionszuweisungen des Bundes an die neuen Bundesländer für die Straßenausbaufinanzierung nicht nur gehalten, sondern mit einer gesetzlichen Erweiterung des Zweckbestimmungsbereiches auf kommunale Anliegerstraßen mindestens verdoppelt wird, um die Gemeinden und die Anlieger von den Straßenausbaukosten gänzlich freizustellen.
Der Vertreter der Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt sprach sich in einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Inneres und Sport sowie im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr - es fand in einer gemeinsamen Sitzung am 8. November 2018 statt - für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aus.
Die Beitragserhebung an sich wird als problematisch angesehen. Zudem sei sie mit hohen Verwaltungskosten verbunden. Man befinde sich mit der Erhebung und der Zahlung der Beiträge auf einer hohen Abstraktionsebene; denn es gebe teilweise eine enorme Zeitspanne zwischen der Beitragserhebung und der angeblichen Vorteilsnahme, durch die die Zahlung gerechtfertigt werde. Der Verkehrswert eines Grundstückes sinke aber mitunter durch den Ausbau von Anliegerstraßen. Die Abschaffung der Beiträge würde zusätzlich zu einer Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit führen, da viele Verfahren gegen die Erhebung der Beiträge gar nicht erst begonnen werden würden. - So weit die sinngemäßen Ausführungen des Vertreters der Wohnungswirtschaft.
In der Tat: Der Straßenausbau führt im ländlichen Raum schon seit mindestens 15 Jahren nicht mehr zu einer Steigerung des Grundstückswertes und damit zu einer mutmaßlichen Vorteilsnahme. Dies hat zwei Hauptursachen. Erstens ist durch die negative demografische Entwicklung im ländlichen Raum das Angebot an Immobilien und Wohnungen größer als die Nachfrage. Zweitens lasten auf vielen Grundstücken Schulden aufgrund der zu leistenden Straßenausbaubeiträge. Beide Ursachen mindern den Verkehrswert einer Immobilie erheblich.
Aus diesen Gründen ist eine Vollfinanzierung des kommunalen Straßenausbaus durch das Land und den Bund erforderlich, zu der ich noch ein paar Bemerkungen machen möchte. Bei der Prüfung der in der Haushaltssatzung der jeweiligen Kommune genehmigungspflichtigen Festsetzungen darf der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen keine zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung sein und zu keiner für die Gemeinde negativen Auswirkung, etwa in Form von reduzierten Zuweisungen, führen. Dies ließe sich am einfachsten durch ein gesetzliches Verbot der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen erreichen, wie dies die Fraktion DIE LINKE in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes ebenfalls vorschlägt.
Der Freistaat Bayern hat am 26. Juni 2018 per Landtagsbeschluss die Straßenausbaubeiträge rückwirkend ab 1. Januar 2018 abgeschafft und ein Verbot der Erhebung verabschiedet. Zukünftig wird es Pauschalzahlungen an die Kommunen geben, die gemeindebezogen, also nicht maßnahmenbezogen, für die Finanzierung von Straßenausbaumaßnahmen gedacht sind. Diese sollen im Bayerischen Finanzausgleichsgesetz geregelt werden.
Eine Finanzierung über das Finanzausgleichsgesetz von Sachsen-Anhalt schlägt auch die AfD-Fraktion vor, dies allerdings in anderer Art und Weise, als es im Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE mit dem pauschalen und unzureichenden Gießkannenprinzip vorgeschlagen wird. Die AfD-Fraktion schlägt jährliche gemeindebezogene Investitionszuweisungen vor, die haushaltsrechtlich noch in das nachfolgende Haushaltsjahr übertragbar sind und die vollständigen Kosten von einzelnen kompletten Straßenausbauten prinzipiell decken müssen.
Dazu sollen die Gemeinden der Straßenaufsicht eine Übersicht der auszubauenden Straßen mit dazugehöriger aktueller Kostenberechnung nach HOAI zuarbeiten. Die Differenz bei einer geringfügigen Überschreitung der berechneten Summe müssten die Gemeinden selbst tragen.
Das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt hat in der Begründung zu seiner Entscheidung vom 16. Juli 2012 mit dem Verfahrenszeichen LVG 57/10 zu einer Verfassungsbeschwerde gegen das Finanzausgleichsgesetz auf Seite 15 den Rechtsgrundsatz klargestellt, dass für die vom Landesgesetzgeber bestellten Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises nach Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung eine tatsächliche Kostenanalyse aus allen Kommunen zu erfolgen hat. Eine lediglich typisierende Bedarfsanalyse auf der Grundlage des Artikels 88 Abs. 1 der Landesverfassung ist nur für die freiwilligen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Kommune zulässig.
Der Straßenausbau ist im Rahmen der Straßenbaulast laut § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 46 Abs. 1 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt eine zu erfüllende übertragene gesetzliche Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises für den Straßenbaulastträger bei Gemeinden- und Kreisstraßen, also für die Kommune.
Es ist ein Armutszeugnis für alle bisherigen Landesregierungen und ein erheblicher Missstand, dass die erforderlichen gemeinde- und inlandskreisbezogenen Kostenanalysen für den Finanzbedarf zur Beseitigung des Sanierungsstaus beim grundhaften Straßenausbau und bei der laufenden Straßenunterhaltung bis heute nicht ermittelt oder abgefragt worden sind.
Diesen Missstand in einem Ministerium lassen Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sich mit folgenden Ausreden begründen - ich zitiere aus einer Antwort auf meine Kleine Anfrage in der Landtagsdrucksache 7/2613 vom 14. März 2018 -:
„Das Recht der kommunalen Selbstverwaltung lässt eine verbindliche Abfrage bei den Kommunen nur zu, soweit ein konkreter rechtsaufsichtlicher Anlass vorliegt, der die Ausübung des Unterrichtungsanspruchs nach § 145 KVG LSA rechtfertigen würde.“
Der Unterrichtungsanspruch des Landes gegenüber den Kommunen für die Missstände in der Straßenunterhaltung und den Sanierungsstau beim Straßenausbau richtet sich aber nicht nach der Kommunalverfassung, sondern nach der speziellen gesetzlichen Regelung des § 46 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt; denn die Straßenaufsicht ist die fachliche Rechtsaufsicht gegenüber den kommunalen Trägern der Straßenbaulast.
Die Straßenaufsicht hat auf der Grundlage des § 46 Abs. 2 des Straßengesetzes das Recht, sich als angemessene Maßnahme die erforderlichen Informationen zum Umfang des Sanierungs- und Unterhaltungsstaus aus den Kommunen als Zuarbeit für die Haushaltsplanung des Landes zu besorgen. Denn unausgebaute und kaputte Straßen sind Missstände am Straßenkörper und materiell gesehen sogar Pflichtverletzungen durch die verantwortlichen Straßenbaulastträger.
Handeln Sie also, Herr Ministerpräsident! Besorgen Sie die Daten zum Finanzbedarf für den grundhaften Straßenausbau und für die laufenden Straßenunterhaltungen aus den einzelnen Kommunen, damit die Abgeordneten des Hauses nicht wieder mit unwürdigen Ausreden abgespeist werden.
Wenn die Koalitionsparteien den kommunalen Aufbau Ost durch die finanzielle Entlastung der Kommunen und Grundstückseigentümer in Sachsen-Anhalt wirklich wieder in Gang setzen wollen, dann sollten sie unserem Antrag zustimmen.
Da wir den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes als eine gute Ausgangsbasis betrachten, befürworten wir eine Überweisung des Gesetzentwurfs in die zuständigen Ausschüsse. Wir erwarten aber, dass die Landesregierung aufgrund unseres Antrages einen besseren Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes einbringt. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abg. Büttner. Ich habe zwei Wortmeldungen gesehen. - Zuerst hat der Abg. Herr Erben das Wort und dann der Abg. Herr Heuer. Bitte, Herr Erben.
Herr Büttner, vielen Dank für Ihre umfangreichen historischen Ausflüge in das Preußische Kommunalabgabengesetz. Sie haben allerdings die Hand- und Spanndienste vergessen; diese waren darin auch einmal enthalten.