Protocol of the Session on October 25, 2018

Die aktuelle Unterrichtsversorgung liegt eben nicht nur knapp unter 100 %, wie neulich berichtet wurde, sie liegt unter 98 %.

Wenn es nicht die vielen Überstunden und den erhöhten Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst gäbe und wenn der Bedarf nicht durch bedarfsmindernde Maßnahmen künstlich abgesenkt worden wäre, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, läge die Unterrichtsversorgung real nur noch bei 96 %. Ein Ende dieser Talfahrt ist nicht in Sicht.

Man übertreibt nicht, wenn man die Situation „dramatisch“ nennt. Nein, der Bildungsminister tut entgegen allen Beteuerungen bei Weitem nicht alles, was möglich ist, um an diesen Zuständen spürbar etwas zu verbessern.

Die Zahl der Lehrkräfte, die tatsächlich vor einer Klasse stehen, sinkt immer weiter, während die Schülerzahlen steigen. Deshalb ist es unerlässlich, dem Minister mit umsetzbaren Vorschlägen immer wieder auf die Sprünge zu helfen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Zwei Punkte - wir werden das alles abrechnen - rufen wir in unserem Maßnahmepaket erneut auf. Die frühzeitige Bindung der Absolventen unserer eigenen Lehrerseminare an einen Einsatz im Land haben wir schon vor längerer Zeit hier im Landtag beschlossen und inzwischen mehrfach bekräftigt. Dennoch wird der Beschluss nicht umgesetzt, weil es die Ausschreibungspraxis angeblich nicht zulasse. Die notwendige Einstufung der Grundschullehrkräfte in Besoldungsgruppe A 13 wurde vom Landtag erst vor der Sommerpause abgelehnt.

Dennoch bleiben gerade diese beiden Maßnahmen unverzichtbar, wenn es um die Sicherung des Lehrkräftenachwuchses geht. Das Verständnis dafür muss aber wohl noch wachsen, so wie für die anderen Maßnahmen offenbar auch.

In Punkt 1 unseres Antrages machen wir darauf aufmerksam, dass sich der weiter verstärkende Lehrermangel nicht mehr gleichmäßig auf die Schulen, Schulformen und Regionen verteilt. Es

wird dabei keine Gewinner geben, aber große Unterschiede bei den Verlierern.

Die in Punkt 2 aufgeführten konkreten Forderungen, wie man zu einer erweiterten Ausschreibungspraxis mit einem grundsätzlich anderen Ansatz und neuen Möglichkeiten kommen kann, bilden den Kern unseres Antrages. Diese Vorschläge resultieren alle aus ganz konkreten Fällen, die wir allein in diesem Sommer auf dem Tisch hatten. Bei jedem einzelnen dieser Fälle sträuben sich einem die Haare, wenn man erfährt, wie der Weg in unsere Schulen nach wie vor verbaut ist und dass die Bewerber anschließend in Sachsen, Brandenburg oder Berlin arbeiten.

Es kann nicht mehr länger hingenommen werden, dass sich trotz des gravierenden Mangels immer wieder Bewerber, aber auch Schulen und Schulträger frustriert und verständnislos bei uns melden, weil sie an den Hürden unserer Ausschreibungspraxis scheitern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben keine Zeit mehr für diese kleinen Schritte und die großen Bedenken.

Wenn ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin mit einer Lehrkraft an der Hand ankommt, weil zum Beispiel die Familie gerade zugezogen ist und in der Schule in der Gemeinde schon lange ein entsprechender Bedarf besteht, dann muss die Lehrkraft 14 Tage später dort eingestellt sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn das endlich einmal sichergestellt wäre, könnte man die Schulträger auch offensiv auffordern, sich aktiv über die vielfältigen kommunalen Kontakte an der Lehrkräftesuche zu beteiligen.

Wenn Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst in die Ausbildungsschulen geschickt werden, muss diesen angehenden Lehrkräften und den Schulen gleich zu Beginn gesagt werden können, dass ein späterer Einsatz an dieser Schule zugesichert wird, wenn in der Ausbildung alles gut läuft und wenn sie es anschließend auch wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Heute ist in der Regel das Gegenteil der Fall. Das Ausschreibungsverfahren reißt auseinander, was eigentlich zusammengehören will. Das muss aufhören,

(Beifall bei der LINKEN)

und das vor allem dort, wo man eben nur schwer Bewerber findet und wo inzwischen Lockprämien gezahlt werden. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wird viel Geld in die Hand genommen, statt diese einfachen Maßnahmen zu ergreifen, die gar nichts kosten und vermutlich wesentlich wirksamer sind. Es ist wirklich an der Zeit, die

Blockaden in den Schulbehörden aufzuheben und die Tore für unseren Schuldienst endlich weit zu öffnen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Argumente für eine zügige Angleichung der Besoldung der Grundschullehrkräfte an die der anderen Lehrämter will ich jetzt nicht wiederholen. Ich appelliere an die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen, nicht erneut eine wichtige Entwicklung zu verschlafen. Sie kommen daran am Ende nicht vorbei. Also, packen Sie es lieber an und lassen sich nicht erst wieder jahrelang antreiben.

Ein paar Gedanken will ich noch zu den Arbeitszeitkonten ansprechen. Die Arbeitszeitkonten aus der Zeit von 1997 bis 2012 waren eine Erfolgsgeschichte - entgegen den Behauptungen, die man jetzt von Minister Tullner hört; denn diese zeugen von erheblicher Unkenntnis der Materie. Nichts davon stimmt, außer dass zwischendurch einmal 300 Millionen € ausgezahlt werden mussten.

(Minister Marco Tullner: Ach so! Immerhin!)

Das war allerdings - darüber können wir uns gern einmal ausführlich unterhalten - nicht das Ziel dieses Landestarifvertrages, sondern es hatte sich ergeben, weil der damalige Finanzminister im Alleingang versucht hatte, den Tarifvertrag unmittelbar nach dem Abschluss durch eine Abfindungsrichtlinie zu unterlaufen. Das ist ihm dann später auf die Füße gefallen.

Alle Bedenken, die hier gegen die freiwilligen Arbeitszeitkonten vorgetragen werden, sind ohne Substanz. - Minister Tullner, wenn Sie solche Verhandlungen bisher noch nicht geführt haben, dann nicht, weil es nicht geht oder weil es damit größere Probleme gäbe, sondern weil Sie es - bisher jedenfalls - nicht wollten.

(Minister Marco Tullner: Aber die führt man doch mit dem Finanzminister, Herr Kolle- ge!)

- Aber der Finanzminister wartet mindestens auf das Signal aus dem Fachministerium. Von allein beginnt er ja auch nicht. Er muss sie dann führen, das ist schon richtig.

Zum Alternativantrag der Koalition ist zu sagen, dass er genauso dünn ist wie schon der Beschluss zu den Forderungen der Volksinitiative. Der hat sich inzwischen als ein Placebo ohne tatsächlichen Wirkstoff herausgestellt.

(Minister André Schröder: Was?)

Auch mit dem, was Sie heute hier aufgeschrieben haben und was mit unserem Anliegen im Kern nichts mehr zu tun hat, werden Sie nichts bewegen. Sie werden damit an den Herausforderungen des Lehrkräftemangels auch weiterhin scheitern.

Sie werden am Ende die Maßnahmen ergreifen müssen, die wir Ihnen heute vorschlagen, auch wenn Sie sie jetzt erst einmal ablehnen. Ihnen wird gar nichts anderes übrig bleiben, aber dann wird es für vieles zu spät sein. Jedenfalls wird vieles deutlich später erfolgen als in den umliegenden Ländern, die gerade bei der Lehrkräftegewinnung früher aufgestanden sind als wir.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der fortschreitende Lehrkräftemangel wird wegen seiner ständigen Aktualität auf der Tagesordnung bleiben. Diesbezüglich können Sie sich sicher sein. Wir werden Ihnen Ihr Versagen in dieser zentralen Frage nicht nachsehen. Es waren auch Ihre Vorgänger aus der CDU und der SPD - -

Herr Lippmann.

Ich bin beim letzten Satz. - Es waren auch Ihre Vorgänger aus der CDU und der SPD, die an dieser Misere Schuld haben, aber S i e tragen jetzt die Verantwortung dafür, dass das Boot weiter sinkt und nicht repariert wird.

(André Poggenburg, AfD: Das U-Boot!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Lippmann für die Einbringung des Antrages. - In der Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht der Minister Herr Tullner. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Lieber Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Wenn man gelegentlich Zeit hat und des Abends zu Hause ist, schaut der eine oder andere Fernsehen. Ich habe das am Montag getan und bin durch Zufall auf eine Fernsehsendung im MDR gestoßen, die sich „Fakt ist“ nennt. Sie wird immer aus verschiedenen Landeshauptstädten gesendet.

Diese Sendung „Fakt ist“ kam dieses Mal aus Erfurt. In dieser Sendung ging es - man wird sich in Anbetracht des Tagesordnungspunktes jetzt vermutlich nicht wundern - um Schule, Unterrichtsversorgung und Lehrermangel. Der Kollege Holter hat sich darin mit verschiedenen Akteuren auseinandergesetzt. Wenn man sich die Sendung angeschaut hat, dann hat man - zumindest habe ich das getan - drei Erkenntnisse daraus gewonnen.

Erstens. Die Problemlage ist mindestens genauso wie bei uns. Der Lehrermangel ist im Osten weit verbreitet.

Zweitens. Herrn Holter ist zumindest nicht viel anderes eingefallen als mir - das sage ich einmal ganz defensiv. Also, die Lage ist nicht wirklich anders als dort.

Drittens - das habe ich auch zur Kenntnis genommen - ist es dort im Gegensatz zu SachsenAnhalt nicht einmal gelungen, mehr Stellen zu schaffen und mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Vielmehr befindet man sich in Thüringen nach wie vor auf dem Niveau, maximal die ausscheidenden Lehrerinnen und Lehrer zu ersetzen. Eigentlich folgt man dort noch einem Pfad des Personalabbaus.

Hingegen hat sich die hiesige Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Koalitionsvertrag kraftvollen Beschlüssen zugewandt, die sich in dem nächsten Haushalt, den Sie vielleicht gelesen haben, auch widerspiegeln. Wir erhöhen die VZÄ-Zahl in diesem Haushalt von 14 000 auf 14 500.

(Minister André Schröder: Genau!)

Wir haben es geschafft, die Zahl der Stellen für pädagogische Mitarbeiter, deren verbleibende Anzahl immer weiter abgeschmolzen wäre, auf 1 800 zu erhöhen. Die Ausschreibungen dazu werden im November erfolgen. Wir haben auch noch viele andere Dinge vor.