Protocol of the Session on September 28, 2018

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und wenn Sie von der AfD-Fraktion etwas anderes behaupten, dann schüren Sie erhebliches Misstrauen in unser Rechtssystem, in unseren Rechtsstaat.

(Zuruf von André Poggenburg, AfD)

Das Gesetz anzuwenden ist alleinige Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz. Und das, meine Damen und Herren ist der Punkt, an dem sich Politik heraushalten muss.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von André Pog- genburg, AfD)

Alles andere wäre nicht nur im formalen Sinne ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip, sondern es wäre die Abkehr von unserem dringend zu verteidigenden Rechtsstaat.

Wenn Sie hier öffentlich im Parlament von einer linken Gesinnung eines Staatsanwaltes reden, dann ist das nicht nur eine Frechheit und eine Diffamierung, sondern es zeigt, dass Ihnen alle Mittel recht sind, um den Rechtsstaat zu diskreditieren.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Zum anderen - das ist der wichtigere Grund - verdeutlichen Sie mit ihrer Aktuellen Debatte sowie der dazugehörigen Begründung und auch mit den Redebeiträgen und den Zwischenrufen Ihre Haltung zum demokratischen Rechtsstaat. Worte sind dabei eben sehr oft mehr als verräterisch. Und ja, ich zitiere noch immer aus Ihrer wenn auch möglicherweise gestrichenen Begründung:

„Es bedurfte des Drucks der Straße, um die Regierungskoalition zu angemessenen

Maßnahmen zu bewegen.“

An dieser Stelle muss man gar nicht viel interpretieren oder versuchen, etwas hineinzulesen. Um es ganz klar zu sagen: Die Regierungskoalition hat zu keinem Zeitpunkt - das sage ich aus der Opposition - im Land Sachsen-Anhalt in einem Strafverfahren ermittelt oder darauf Einfluss genommen. Sie ermittelt auch nicht aktuell, und ich gehe fest davon aus, dass das in diesem Land auch in Zukunft ausgeschlossen sein wird.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Meine Dame und meine Herren der AfD-Fraktion! Die Wahrheit ist konkret. Da frage ich Sie von der AfD: Durch welche konkreten Maßnahmen hat die Regierungskoalition Einfluss genommen? Das ist ein mehr als unanständiger, im Übrigen auch strafrechtlich relevanter Vorwurf. Daher ist es das Mindeste, dass Sie diesen Vorwurf auch untersetzen; das haben Sie heute an keiner Stelle getan.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sollten Sie diese Behauptung weiterhin aufrechterhalten, nehmen Sie mindestens billigend in

Kauf, dass Misstrauen weiter geschürt, Vertrauen in den Rechtsstaat verlorengeht und Zwietracht gesät werden.

Mit dem sprachlichen Bild, es habe des Drucks der Straße bedurft, werden die Justiz und die Ermittlungsbehörden als Instrumente einer Billigkeitsjustiz nach Maßgabe eines auf der Straße zum Ausdruck gebrachten angeblichen Mehrheitswillens dargestellt.

Diese Argumentation von Ihnen ist nicht neu. Hiermit wird das Bild von einer Elastizität des Rechts, des Gesetzes erzeugt, je nachdem, was die Straße bzw. was das angeblich gesunde Volksempfinden verlangt. Und es wird das Bild gemalt, Gesetzeshüter agierten genauso; Recht und Justiz werden so von einer Freiheitsgarantie zum Instrument des Volkswohls.

Man muss eben nur auf die Straße gehen, um angemessene Maßnahmen seitens der Justiz einzufordern und hervorzurufen. Das suggeriert zumindest das, was Sie heute hier gesagt haben.

Ich frage Sie deshalb: Ist der Weg noch weit zu folgender Sichtweise - ich zitiere -: Alles, was dem Volk nützt, ist Recht, alles, was ihm schadet, ist Unrecht.

Zur Aufklärung: Dieser Satz steht in der Einleitung zum Nationalsozialistischen Handbuch für Recht und Gesetzgebung von Hans Frank aus dem Jahr 1935.

(Lydia Funke, AfD, lacht)

Ich frage Sie: Was soll nach dem Willen der AfD an die Stelle des Gesetzes des Staates treten? Eine Moralisierung oder Majorisierung der Gesetzesanwendung? Auf welchem Weg in welchen Staat sind Sie?

Die Justiz in unserem Land soll das Gesetz durchsetzen. Sie darf aber auf keinen Fall Handlanger irgendeines politischen Willens werden. Und das ist gut so. In unserer Demokratie ist die Justiz nicht der Hüter der öffentlichen Moral. Und das ist gut so. Weil die Justiz politisch unabhängig ist, bezieht sie ihre Legitimation aus einem fairen Verfahren und aus der Anwendung demokratischer Gesetze. Und das ist gut so.

Weil ich der Auffassung bin, dass all dies auch so bleiben soll, erkläre ich namens meiner Fraktion ganz klar und deutlich: Wir werden die Verfassung, den Rechtsstaat, die Demokratie und alle damit verbundenen Grundwerte unserer Gesellschaft gegen Ihr Ansinnen verteidigen.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Wir werden immer dann, wenn Sie diese Grundwerte infrage stellen, dies laut und deutlich benennen, genauso wie wir das heute getan haben.

Herr Farle, bilden Sie sich gar nicht ein, dass wir uns, wenn Sie da mit hocherhobenem Haupt stehen oder gar mit Fingern auf uns zeigen, davon irgendwie beeindrucken lassen, dass wir irgendwie von unserem Standpunkt abweichen. Die Reden meiner Vorredner haben mir deutlich gemacht, dass ich mich diesbezüglich in guter Gesellschaft befinde und wir gemeinsam den Rechtsstaat verteidigen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Abg. von Angern. Es gibt vier Wortmeldungen. - Die erste Wortmeldung kommt von Herrn Dr. Tillschneider. Bitte, Herr Dr. Tillschneider.

Eine Frage. Sie haben gesagt, die Politik muss sich heraushalten. - Richtig, die Politik muss sich aus diesem Fall heraushalten. Ich finde, das ist eine sehr, sehr starke Aussage. Denn natürlich kann man diese neutrale und sachliche rechtliche Position einnehmen und alles so darstellen, wie Sie es gemacht haben.

Aber ich frage mich: Weshalb macht die Politik das immer nur dann, wenn Deutsche durch Ausländergewalt umkommen? Weshalb muss sich die Politik heraushalten, wenn Gäste, die hier Gastrecht genießen, die hier Schutz genießen, die Angehörigen des Gastvolkes niederstechen? Weshalb muss sich die Politik dann heraushalten und weshalb nehmen wir dann einen ruhigen, sachlichen Standpunkt ein?

Wenn aber aufgebrachte Bürger Ausländer anpöbeln - ja, anpöbeln, das ist in Chemnitz geschehen - und wenn diese Ausländer dann ihre Füße in die Hand nehmen müssen, was juristisch eigentlich nullwertig ist - weshalb spricht man dann von Hetzjagden?

Frau von Angern.

Ich finde, das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Das kann man ganz kurz machen. - Gab es noch eine weitere Frage?

Ja, es gibt noch weitere Fragen, und zwar von dem Abg. Herrn Poggenburg, von Herrn Lehmann und von Herrn Farle.

Sehr geehrte Frau von Angern, vorab Folgendes: Sie haben geäußert - korrigieren Sie mich, wenn ich es falsch aufgefasst habe -, dass die Aussagen, die von der AfD in dem Antrag heute getätigt wurden, rechtlich relevant seien, und haben gesagt, dass wir solche Aussagen dann bitte auch belegen oder hinterlegen sollten. Dazu sage ich Ihnen: Belegen und hinterlegen Sie erst einmal, inwieweit diese Aussagen, die wir heute getätigt haben, rechtlich relevant sein sollen. Das kommt dann genauso auf Sie zu. - Das vorab.

Jetzt meine Frage. Frau von Angern, Sie haben hier ein Plädoyer für den Rechtsstaat und für die Gewaltenteilung gehalten. Unabhängig davon, dass das von einer Politikerin der LINKEN für mich unehrlich klingt - das ist meine ganz persönliche Meinung -,

frage ich mich, wie Sie darauf kommen, warum Sie darauf beharren, dass man sich - wie es Herr Tillschneider auch gerade angeführt hat - im Plenum einer solchen Sache überhaupt nicht annehmen darf, während wir jedes Jahr von Neuem diesen Spuk mit Oury Jalloh erleben, mit dem Tod dieses Mannes. Jahr für Jahr ist das ein Thema in diesem Plenum.

Warum gilt für diese Sache etwas anderes? Damit haben Sie gerade ein Messen mit zweierlei Maß so deutlich werden lassen, wie es - ich habe es gerade angesprochen - deutlicher gar nicht mehr geht. Wie bringen Sie es moralisch überein, dass Sie sich hier jedes Jahr darüber aufregen, dass angeblich ein Unrecht geschehen sein soll, sich aber dann, wenn in einem anderen Fall eine andere Fraktion so etwas tut, quasi entrüstet zeigen und diese brüskieren? - Danke.

Frau von Angern.

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Poggenburg, zum Ersten: Ich habe Ihre Begründung gelesen, Sie vermutlich nicht. Im letzten Satz heißt es darin:

„Es bedurfte des Drucks der Straße, um die Regierungskoalition zu angemessenen

Maßnahmen zu bewegen.“

Sie sind heute hier den Beweis schuldig geblieben, dass die Regierungskoalition auf die Justiz eingewirkt hat, um entsprechende Maßnahmen hervorzurufen. Das war das, was ich gesagt habe.

(André Poggenburg, AfD: Es ging um die rechtliche Relevanz!)

Was mich erschreckt - und das ist der klare Unterschied zwischen uns in der politischen Kultur -: Natürlich können Sie es mir absprechen, etwas ehrlich zu meinen. In meinen Kopf können Sie nicht schauen und das möge bitte auch so bleiben. Im Gegensatz zu Ihnen nehmen wir keine Sippenhaft vor. Das unterscheidet uns ganz klar und das möge auch so bleiben.

(Zurufe von der AfD)