Zu den Umständen des Todes von Oury Jalloh kann ich nur eines sagen - das ist hier schon mehrfach, immer wieder vorgetragen worden -:
Es gibt einen Dissens zwischen der Ministerin und uns darüber, ob wir möglicherweise in die Gewaltenteilung eingreifen. Das tun wir ausdrücklich nicht; denn wir haben es hierbei mit einem abgeschlossenen Verfahren zu tun. Wir diskutieren hier darüber, was an welchen Stellen im Verfahren bei den Behörden falsch gelaufen ist.
Ich denke, die Fraktion ist an einer weiteren Erläuterung nicht interessiert; denn sonst hätte sie Sie ausreden lassen. Wir haben aber noch Wortmeldungen von Herrn Lehmann und Herrn Farle.
(Mario Lehmann, AfD: Frau Präsidentin, ich ziehe meine Frage zurück, weil sie teilweise schon von Herrn Poggenburg angespro- chen wurde!)
Ich muss aber gleich am Anfang klar sagen: Mit 90 % Ihrer Ausführungen, die Sie am Anfang der Reihe nach gebracht haben, stimme ich völlig überein.
Denn der AfD geht es - das kann man einmal in aller Ruhe feststellen - um nichts anderes als um die Bewahrung, die Erhaltung des Rechtsstaates.
- Vielleicht hören Sie jetzt einmal zu! Ich habe mich auch etwas heruntergekühlt; vielleicht können Sie das auch. Dann kann man vielleicht wieder ein bisschen zuhören.
Es geht darum, unvoreingenommen Ermittlungen durchzuführen und Dinge eben nicht unter den Teppich zu kehren. Darum geht es uns. Wir betrachten den Umstand, dass es in der Bevölkerung eine zunehmende Unruhe bei solchen Dingen gibt, ganz natürlich; denn viele Menschen haben mittlerweile Angst, in die Öffentlichkeit, auf die Straße zu gehen, weil sie nicht wissen, wer möglicherweise als nächstes Opfer endet.
Wir sollten uns auch darin einig sein, das Grundgesetz bewahren zu wollen. Aber dazu gehört, dass man nicht pausenlos so gegen die anderen hetzt, wie ich das hier ständig erlebe, wie ich das in der Öffentlichkeit erlebe, wo es immer heißt: 70 % der Bevölkerung sind die Anständigen, 30 % sind die, die der AfD auf den Leim kriechen. - Das ist alles völlig falsch. Mit dieser Aufteilung der Gesellschaft spalten Sie unsere Bevölkerung, machen Hetze und bewirken damit, dass man sich nicht mehr zuhört, bewirken damit, dass die Unzufriedenheit immer größer wird.
Sie haben wieder Beschuldigungen erhoben, sind aber den Beweis dafür schuldig geblieben. Sie erheben hier die Behauptung, dass seitens der Strafverfolgungsbehörden nicht unvoreingenommen vorgegangen bzw. ermittelt wird, aber Sie bleiben den Beweis dafür schuldig.
Sie wissen genauso gut wie ich: Der beste Beweis dafür, dass das so ist, dass Sie keine Argumente haben, dass Sie es nicht beweisen können, ist,
dass Ihr Redner meint sagen zu müssen, dass wir es hier mit einem Staatsanwalt zu tun haben, der eine linke Gesinnung hat. Das ist doch ein Armutszeugnis, und ich denke, das sehen Sie genauso.
Es gibt keine weiteren Fragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich in die eigentliche Rede einsteige, will ich noch kurz darauf verweisen, dass diese Debatte hier vor dem Hintergrund stattfindet, dass zwei Menschen gestorben sind, dass zwei Menschen unter noch nicht abschließend geklärten Umständen ums Leben gekommen sind, dass Ermittlungen laufen, die auch irgendwann ein Ende haben werden, und dass diese beiden Menschen, die ums Leben gekommen sind, Geschwister haben, Eltern haben, Freunde haben, Verwandte haben, vor denen ich mich angesichts der Instrumentalisierung dieser Tode wirklich nur schämen kann.
Ich finde es unwürdig, was Sie von der AfD hier betreiben. Ich finde es unglaublich, was Sie auf dem Rücken dieser Menschen hier machen. Ich glaube, dass Sie damit den Angehörigen neues Leid zufügen, dass Sie ihnen nicht gerecht werden und dass Sie diese Angehörigen instrumentalisieren.
Man muss leider feststellen, dass sich Angehörige auch instrumentalisieren lassen, dass sie in ihrer Verzweiflung nach Strohhalmen greifen, nach Rettung suchen, die aber keine Rettung ist, sondern die dazu führt, dass ihre Position in dem rechtsstaatlichen Prozess, in dem Ermittlungsverfahren, bei dem Angehörige, Betroffene ohnehin schon in einer sehr, sehr schwierigen Rolle sind - denn sie stehen dabei nicht im Fokus; im Fokus von Ermittlungsverfahren steht es, darauf zu schauen, was passiert ist, eine Sachverhaltsaufklärung, die Ermittlung von Wahrheit -, weiter ins Hintertreffen gerät.
So nehme ich den Vater von Marcus H. wahr, der sich von Ihnen hat instrumentalisieren lassen, der sich von anderen instrumentalisieren lässt. Und Sie schämen sich nicht einmal dafür, ihn zu instrumentalisieren.
(Thomas Höse, AfD: Das ist Schwachsinn, Herr Striegel, was Sie hier sagen! - Zuruf von Robert Farle, AfD)
Was Sie hier tun, ist heute allen Rednerinnen und Rednern deutlich geworden: Sie verbreiten - im besten Fall - Irrtümer, Halbwahrheiten oder ganze Lügen. In Ihrem Antrag sind nicht nur die Sätze drei und sieben falsch; Sie hätten ihn gar nicht einreichen sollen, denn er ist insgesamt falsch. Er setzt die völlig falschen Themen; er behauptet Falsches. Frau von Angern hat es deutlich gesagt: Sie sind den Beweis für Ihre falschen Tatsachenbehauptungen heute mehrfach schuldig geblieben.
Was tun Sie da eigentlich? - Die Kolleginnen und Kollegen haben schon auf die Rechtstradition verwiesen. Was Sie mit Ihrem Antrag tun, ist der Bruch mit einer fast 400 Jahre alten Rechtstradition. Sie brechen mit Habeas Corpus. Sie brechen damit, dass ein Mensch einen gesetzlichen Richter hat, dem er vorzuführen ist, wenn ihm die Freiheit entzogen werden soll. Sie brechen mit einem rechtsstaatlichen Prinzip, das essenziell ist.
Denn wenn Sie in dem Fall die Inhaftnahme, die Untersuchungshaft von einem gefühlten Volksempfinden, von Mehrheitsentscheidungen auf Marktplätzen - ob in Köthen oder auf dem Arsenalplatz in Wittenberg - abhängig machen wollen, dann sind wir nicht auf einer schiefen Ebene, dann sind wir auf dem geraden Weg in einen totalitären Staat, in eine Diktatur. Und wir werden uns Ihnen immer entgegenstellen, wenn Sie solche Wege zu gehen versuchen.
Der Rechtsstaat ist nicht perfekt. Aber er versucht mit all den Mitteln und Möglichkeiten, die er hat, Gleiches gleich und Ungleiches verschieden zu behandeln.
Die zwei unterschiedlichen Fälle, die Sie in Ihrem Antrag niedergelegt haben, sind auch in ihrer Unterschiedlichkeit wahrzunehmen. Sie sind auszuermitteln, die Ergebnisse sind zu würdigen und dann sind Entscheidungen zu treffen: Anklagen, die Einstellung von Ermittlungen, die Feststellung, dass beispielsweise eine Notwehrsituation vorgelegen haben könnte - ich weiß nicht, was das Ergebnis dieser Ermittlungen sein wird.
Ich weiß aber: Wir tun uns als Politikerinnen und Politikern, wir tun dem Rechtsstaat und wir tun vor allem den Angehörigen derjenigen, die zu Tode gekommen sind, keinen Gefallen, wenn wir diesen Ermittlungen vorgreifen, das Ergebnis vorwegnehmen und dieses politisch instrumentalisieren.
Der Rechtsstaat handelt ohne Ansehen der Person. Er schaut nicht darauf, ob derjenige, der in dieser Situation war, einen syrischen oder einen deutschen Pass hat. Er schaut nicht darauf, wenn
es beispielsweise um Freiheitsberaubung geht, ob es jemand war, der als einfacher Bürger gehandelt hat, und er prüft, ob das Handeln eines Bundespolizeichefs nicht auch einen entsprechenden Straftatbestand erfüllt. Es ist der Vorzug des Rechtsstaates, dass er diese Unterschiede nicht macht, sondern dass er schaut, was in einem Vorfall passiert ist und wie er zu würdigen ist.
Sie wollen auf dem Marktplatz per Mehrheitsentscheid über Schuld und Unschuld befinden. Der Rechtsstaat will Straftaten aufklären, eine angemessene Bestrafung finden und er will auch Wiedergutmachung ermöglichen. Wir und der Rechtsstaat setzen auf das Recht und nicht auf Ihr „gesundes Volksempfinden“.
Mit dem, was Sie in diesem Antrag niedergelegt haben, haben Sie einmal mehr deutlich gezeigt, wo Sie stehen. Wo Ihre Partei steht, wo Ihre Fraktion steht, das haben Sie auch auf den Flugblättern deutlich gemacht, die Sie in und um Wittenberg haben verteilen lassen. Dazu ist ganz klar zu sagen: Das, was Sie tun, dieses systematische Untergraben des Rechtsstaates, das kennzeichnet Verfassungsfeinde, das kennzeichnet die Verfassungsfeindlichkeit der AfD.
Sie sind diejenigen, die jene zu Bündnispartnern machen, die unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat abschaffen wollen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Und es gibt unter den Mitgliedern - nein, man muss sagen: Exmitgliedern - Ihrer Partei Leute, die das, was Sie da tun, auch verstehen und die viel zu spät, wie ich finde, noch einen letzten Funken Einsicht haben. Wenn Jörn Kruse - immerhin Ihr Fraktionsvorsitzender in Hamburg - die AfD verlässt, weil er die Zusammenarbeit von Ihnen - von Ihnen! - hier in Ostdeutschland mit Verfassungsfeinden nicht mehr ertragen kann, dann sage ich: Die Einsicht kommt zu spät, aber sie kommt vielleicht gerade noch rechtzeitig, damit die Bedrohung, die von Ihnen, von Ihrer Partei und von Ihrer Fraktion, ausgeht, wirklich gewürdigt werden kann und damit wir alle, die wir als demokratische Parteien und als demokratische Fraktionen hier im Hause sitzen, Ihnen deutlich machen können: Wir werden Ihnen diesen Angriff und andere Angriffe auf den Rechtsstaat und auf die Demokratie nicht durchgehen lassen. - Vielen herzlichen Dank.