Wir halten es für ein Gebot der Stunde sicherzustellen, dass im Rahmen der Kommunalwahlen nicht jeder auf die personenbezogenen Daten zugreifen kann oder diese vielleicht noch durch Veröffentlichung frei Haus geliefert bekommt.
Ich muss gestehen, dass auch ich mit dem Datenschutz mitunter meine Probleme habe, gerade wenn es darum geht, dass der Datenschutz die Arbeit der Sicherheitsbehörden oder der Strafverfolgungsbehörden erschwert. Ich nenne nur einmal das Stichwort Vorratsdatenspeicherung. Aber mit der hier beantragten Änderung hätten wir die Möglichkeit dazu beizutragen, dass der Datenschutz dem Opferschutz dient.
Was passiert oder passieren kann, wenn personenbezogene Daten in falsche Hände geraten, möchte ich an einigen Beispielen skizzieren. So können die Daten für die Ausübung krimineller Handlungen missbraucht werden. Das kann zum Beispiel Stalking sein, also das willentliche und beharrliche Verfolgen und Belästigen von Menschen. Dies geschieht häufiger, als man glauben mag. Allein im Jahr 2017 wurden mehr als 18 000 solcher Fälle in Deutschland registriert. Ein pathologischer Stalker wird jede Möglichkeit nutzen, um seine Zielperson auszukundschaften. Dem gilt es vorzubeugen.
Das Wählerverzeichnis ist auch für die Enkeltrickbetrüger eine ergiebige Informationsquelle. Zwar kann der Wahlberechtigte schon jetzt verlangen, dass sein Geburtsdatum im Wählerverzeichnis unkenntlich gemacht wird, aber nach unserer Ansicht reicht das nicht aus. Die Vorgehensweise der Enkeltrickbetrüger ist sehr perfide: Der Täter stellt zunächst ein Vertrauensverhältnis zum Opfer her, um es dann gnadenlos auszunutzen. Darum sollte unserer Meinung nach der Wahlberechtigte die Möglichkeit haben, dass seine An
schrift unkenntlich gemacht wird oder dass zumindest nur der Wohnort oder die Postleitzahl angegeben werden.
Diese Delikte seien nur beispielhaft genannt. Es gibt noch andere Dinge, mit denen man den Leuten das Leben erschweren oder zur Hölle machen kann, wenn man über die persönlichen Daten verfügt.
Daneben gibt es aber auch Leute, die persönliche Daten von Menschen sammeln, die sie für politisch verdächtig oder für verächtlich halten.
Diese Datensammler aus dem links- und rechtsextremistischen Spektrum sammeln zu einem bestimmten Zweck. Man will den selbst erklärten Gegner einschüchtern, ihm zeigen: „Wir wissen, wo dein Auto steht, wo du wohnst“, ihn öffentlich oder im Internet denunzieren oder ihn direkt angreifen.
Rechtsextreme legen sogenannte Feindeslisten an, die mehr oder weniger im Verborgenen geführt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass diese zumindest als Vorbereitungshandlung für Straftaten angelegt werden.
Das linke Spektrum geht mit diesen Daten sehr viel offensiver um. Es gab in der Vergangenheit schon Steckbriefe oder sogenannte Aufklärungsschreiben über mutmaßliche Rechtsextreme mit Namen und Adresse, die in Magdeburg über die Briefkästen an die Bürger verteilt wurden. Unlängst bekamen AfD-Referenten und Wahlkreismitarbeiter in Magdeburg gezielt Post von einem angeblichen Antifa-Ministerium. Ich habe das Schreiben hier, falls das jemand sehen möchte. Der Inhalt bezog sich auf den Datenschutz und war ansonsten belanglos. Aber die Botschaft ist klar: Wir wissen, wo du wohnst.
Vor wenigen Wochen - jetzt kommt mein absoluter Favorit; mit ist völlig unbegreiflich, wie man auf eine solche Idee kommen kann - wurden in Magdeburg-Stadtfeld an den Wohnhäusern von zwei AfD-Mitgliedern Plakate angebracht, überschrieben mit: „Hallo Nachbar! Keinen Bock auf Faschisten im Viertel!“ Darunter befanden sich der vollständige Name, eine Porträtaufnahme und die Aufforderung: Du hast drei Monate Zeit, um Stadtfeld zu verlassen!
Da fragt man sich natürlich, was das für gefährliche Wirrköpfe oder degenerierte Typen sein müssen, die Menschen aus ihren Wohnungen, aus ihrem Stadtteil vertreiben wollen, damit der Kiez schön ideologisch sortenrein ist.
Dann gibt es noch die Denunzianten, die Hoffmann von Fallersleben zu Recht als die größten Lumpen im Land bezeichnete. Diese Leute sammeln personenbezogene Daten, um sie dann in sozialen Netzwerken oder auf Internetseiten zu verbreiten. Gern werden diese Veröffentlichungen auch mit dem Aufruf versehen, zum Beispiel das Umfeld der Personen auszukundschaften oder das Umfeld dieser Person über die vermeintlichen Schandtaten oder die politische Einstellung des Denunzierten zu informieren.
Warum sich Denunzianten mit Vorliebe auf linksradikalen Seiten zusammenfinden, wäre eigentlich ein schönes Thema für eine Sozialstudie.
Dann gibt es noch die höchste Eskalationsform: Das sind politisch motivierte Angriffe auf Parteibüros, auf Wohnungen, auf das direkte Wohnumfeld oder auf dort aufhältige Personen bzw. erklärte Gegner. Diese Angriffe finden in unterschiedlicher Form statt. Das reicht vom Brandanschlag über Steinwürfe bis zu Farbanschlägen. Auch das kann jeden treffen, egal welcher Partei er angehört oder welcher politischen Richtung.
Ich könnte jetzt eine Vielzahl von Anschlägen auf AfD-Mitglieder nennen; ich möchte mich aber auf zwei beschränken, um das kurz darzustellen. Einer betraf unser ehemaliges Landtagsmitglied Andreas Mrosek, dessen Auto nun schon mehrfach angegriffen wurde bis hin zum Durchtrennen der Bremsschläuche.
Dann gab es einen Vorfall, den ich eigentlich als Impulsgeber für unseren Antrag sehe: Einem AfDStadtrat in Magdeburg wurde unmittelbar nach der letzten Kommunalwahl auf seinem eigenen
Grundstück das Auto demoliert, so will ich es einmal sagen, und tiefergelegt. Tage später traf es seinen Nachbarn, der diesen Stellplatz nutzen wollte, damit sein Auto nicht auf der Straße steht. Diesem wurde das Auto ebenfalls plattgemacht. Unter diesem psychischen Druck gab der Gewählte dann sein Stadtratsmandat zurück.
Dass ein gewählter Kommunalvertreter, der sich ehrenamtlich für die Bürger vor Ort einsetzen möchte, sein Mandat abgibt, weil er von Undemokraten, von Leuten, die Wahlergebnisse nicht akzeptieren, schikaniert und terrorisiert wird, darf und soll es zukünftig nicht mehr geben.
Daher halten wir den Schutz von personenbezogenen Daten und die beantragte Änderung im Kommunalwahlgesetz und in der Kommunalwahlordnung für dringend geboten. - Vielen Dank.
Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Kohl für die Ausführungen. - Wir steigen in die Dreiminutendebatte ein. Für die Landesregierung spricht Minister Herr Stahlknecht. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das aktuelle Wahlrecht mit der in Kürze ergehenden Verordnung zur Änderung der Kommunalwahlordnung wird dem Datenschutz gerecht. Denn die Datenschutzgrundverordnung erlaubt, wie auch bisher, die Verarbeitung der personenbezogenen Daten, soweit es, wie im Wahlrecht, entsprechende rechtliche Verpflichtungen gibt.
Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten ist nicht von der Einwilligung der betroffenen Person abhängig. Ich kann Ihnen versichern, dass der Datenschutz seit jeher einen hohen Stellenwert im Wahlrecht hat. Das Wahlrecht muss jedoch nicht nur dem Schutz schützenswerter persönlicher Daten der Bewerber standhalten, sondern es muss auch eine ausreichende Information der Wähler über die Bewerber für die Wahlentscheidung gewährleisten. Es gilt also, widerstreitende Interessen sachgemäß abzuwägen und zu differenzieren. Aus meiner Sicht hat das Kommunalwahlrecht ausgewogene Lösungen gefunden.
Die Wahlvorschläge mit den Bewerbern müssen von den Wahlleitern bekannt gemacht werden. Zu den dabei zu veröffentlichenden Daten gehören nach dem geltenden Kommunalwahlrecht der Vorname, der Familienname, das Geburtsjahr, der Beruf und auch die Meldeanschrift der Hauptwohnung. Dies erfolgt zur Kommunalwahl vor Ort, also im Amtsblatt oder im Schaukasten der Gemeinde.
Sofern im Melderegister eine Auskunftssperre besteht, ist bei der Bekanntmachung anstelle der Meldeanschrift eine Erreichbarkeitsanschrift zu verwenden. Gleiches gilt für den Stimmzettel, wobei hier statt der Meldeanschrift die Angabe des Wohnortes ausreichend ist.
Diese Regelungen im Kommunalwahlrecht korrespondieren mit den Regelungen im Landes- und Bundeswahlrecht. Sie haben wichtige Funktionen und Zwecke: Die Wahlbewerberinnen und -bewerber sollen durch die Nennung von Namen, Geburtsjahr, Beruf und Anschrift eindeutig identifiziert werden können. - Das ist die erste Funktion.
Sie sollen - zweitens - dem Wahlberechtigten eine Kontaktaufnahme mit den Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern ermöglichen. Auch das ist ein ausdrücklicher Zweck dieser Regelung.
Des Weiteren sollen die Wahlberechtigten in die Lage versetzt werden, einen lokalen Bezug der Wahlbewerberinnen und -bewerber einzuschätzen. Also hat es durchaus seinen Sinn, dass auch die Meldeanschrift in der Bekanntmachung der Wahlvorschläge genannt wird.
Ebenso dient die Angabe des Geburtsjahres dem Ziel, jüngere und ältere Bewerber kenntlich zu machen, um den Wählern die Möglichkeit zu geben, sich für einen Generationenmix in der Vertretung der Kommune zu entscheiden.
Die Berufsangabe ermöglicht es dem Wähler zu erkennen, welche Tätigkeit derjenige ausübt oder ausgeübt hat, die ihn dann aus seiner Sicht für ein Mandat in der Vertretung qualifiziert.
Daher reicht, wie in Ihrem Antrag vorgesehen, die Angabe des Namens und Vornamens weder bei der Veröffentlichung des Wahlvorschlages noch als Angabe auf dem Stimmzettel aus. Der Wähler muss seine Wahlentscheidung in Kenntnis der Person und ihrer politischen Ziele überlegt treffen können.
In den Fällen, in denen sich Wahlbewerber tatsächlich unangemessenen persönlichen Anfeindungen ausgesetzt sehen, muss es meiner Ansicht nach eine andere Antwort geben als eine Änderung der wahlrechtlichen Bestimmungen. - Das soll es von meiner Seite zu später Stunde gewesen sein. Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Minister Stahlknecht für die Ausführungen. - Für die SPDFraktion spricht die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu der Vereinbarkeit unserer Wahlgesetze mit der Datenschutzgrundverordnung hat der Minister gerade ausgeführt. Dem möchte ich nicht viel hinzufügen. Aber ich möchte doch den Aspekt verstärken, dass es gerade bei der Kommunalwahl - das wissen wir - in erster Linie um eine Persönlichkeitswahl geht, und in zweiter Linie natürlich auch um eine Parteien- und Politikwahl.
Aber wir wissen auch, dass Bürger vor Ort, in ihrer Kommune vor allen Dingen nach der Persönlichkeit entscheiden. Diese Persönlichkeit muss nicht nur mit dem Namen, sondern auch mit der entsprechenden weiteren Erkennbarkeit dargestellt werden. Das schließt das Alter und auch den Wohnort ein.
gen vor, das Kommunalwahlgesetz dahingehend zu ändern, dass ausschließlich der Wohnort genannt wird. Innerhalb der SPD-Fraktion gibt es dazu auch schon Überlegungen. Wir würden uns aber nicht allein auf den Wohnort beziehen. Denn nehmen wir zum Beispiel die flächenmäßig große Stadt Gardelegen; wenn dort als Wohnort nur „Gardelegen“ steht, wäre das einfach zu wenig. Wir regen an, auch den Ortsteil zu benennen - nicht die komplette Anschrift mit Straße und Hausnummer, aber zumindest der Ortsteil sollte genannt werden. Überlegungen in diese Richtung gibt es. Daher können wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Zu der Frage des Wählerverzeichnisses muss ich sagen: Wahrscheinlich haben Sie unsere letzte Änderung, die wir im Juni 2018 hier beschlossen haben, nicht mitbekommen; denn genau an dieser Stelle haben wir in der Kommunalwahlordnung eine Änderung vorgenommen. Das Wählerverzeichnis kann von einer Person nämlich nur noch zu deren eigenen Eintragungen eingesehen werden.
Man kann also nicht auf das komplette Wählerverzeichnis und die Angaben anderer zugreifen, sondern ich kann nur überprüfen, ob meine eigenen Angaben, die im Wählerverzeichnis erfasst sind, vollständig sind. Das, was Sie hier konstruieren, kann also nicht stattfinden.
Deshalb lehnen wir beide Anträge, also den Antrag der Fraktion der AfD und mit der genannten Begründung auch den Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE, ab. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Frau Schindler, eine Frage. Meinen Sie nicht, dass man es demjenigen, der sich als Kandidat aufstellen lässt, überlassen sollte, wie viele Informationen, abgesehen vom Namen, der Wahlberechtigte über ihn erfährt?
Es ist doch völlig logisch: Je weniger der Wahlberechtigte über den Kandidaten weiß, desto geringer sind natürlich die Chancen. Deswegen wird jeder, der sich zur Wahl stellt, daran interessiert sein, möglichst viele Daten preiszugeben. Aber es gibt vielleicht auch gute Gründe dafür, zum Beispiel seinen Beruf nicht anzugeben. Niemand wird zum Beispiel als Beruf Polizist angeben. Er wird vielleicht sagen, er sei Diplomverwaltungswirt oder dergleichen. Aber im Grunde weiß jeder, was dahinter steht.