Protocol of the Session on June 21, 2018

Deshalb ist es wichtig, dass wir uns als Landtag auch in diese sicherheitspolitische Debatte auf Bundesebene einbringen. Mit unserem Antrag unterbreiten wir Vorschläge zur Positionierung des Landes in der Frage des Polizeigesetzes und im politischen Konzert der Bundesländer im Bereich der öffentlichen Sicherheit. Es ist ein Antrag mit Bekenntnissen und konkreten Arbeitsaufträgen für die Landesregierung. Beides ist notwendig, sonst drohen in der Tat bayerische Verhältnisse. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Lars-Jörn Zimmer, CDU: Was sind denn bayerische Verhält- nisse?)

Vielen Dank, Frau Quade, für die Einbringung. Ich sehe keine Anfragen. - Bevor wir in die Dreiminutendebatte der Fraktionen einsteigen, hat Herr Minister Stahlknecht für die Landesregierung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Quade, was Sie gelegentlich der AfD vorwerfen - an einem Thema vorbeizureden oder Szenarien zu entwerfen, um Ängste zu schüren -, das haben Sie jetzt auf der linken Seite in der gleichen Art und Weise getan,

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

und zwar mit den gleichen Methoden: Sie haben über ein Gesetz gesprochen, über ein Musterpolizeigesetz, das es überhaupt noch nicht gibt, sondern das im Entwurfsstadium ist. Sie haben unterstellt, die Innenministerkonferenz würde ein solches Gesetz unter Missachtung der föderalen Strukturen umsetzen. Einen solchen Innenministerkonferenz-Beschluss gibt es überhaupt nicht. Ein Muster ist ein Muster, von dem die Länder Teile übernehmen können, und am Ende entscheiden Sie, weil Sie der Gesetzgeber sind. Ich glaube, dass keine dieser Fraktionen hier den Föderalismus aufgeben würde.

Sie haben über eine Militarisierung der Polizei gesprochen. Sie haben darüber nachgedacht, ob man mit militärischen Mitteln im Inland im Rahmen der Verhältnismäßigkeit für Sicherheit sorgen könnte. Sie haben sich nicht einmal die Frage gestellt, ob sich die Täter möglicherweise nicht an diese Verhältnismäßigkeit halten und ihrerseits mit militärischen Mitteln Terrorangriffe durchführen, bei denen man dann lagebeurteilungsabhängig entscheiden muss, welche Gegenmittel benötigt werden, um einen solchen Angriff zu stoppen.

(Beifall bei der CDU)

Aber selbst das ist doch eine theoretische Diskussion, weil sie im Augenblick überhaupt nicht ansteht. Sie haben unterstellt, dass 16 Innenminister und ein Bundesinnenminister die Vorgänge auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin ignoriert und sich damit analytisch überhaupt nicht auseinandergesetzt hätten. Sie waren nicht auf der Innenministerkonferenz. Sie waren auch nicht geladen, weil Sie keine Innenministerin sind.

(Lars-Jörn Zimmer, CDU: Gott sei Dank!)

Natürlich setzen sich die Innenminister und der Bundesinnenminister damit auseinander. Es gibt Berichte und Untersuchungen, und darauf aufbauend werden Handlungsanleitungen gemacht. Sie unterstellen hier etwas, das nicht stimmt. Mit den gleichen Argumentationen werfen Sie auch der AfD gelegentlich so etwas vor. Sie haben es jetzt - nur diesmal von der linken Seite her - leider auch nicht anders gemacht.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Insofern werden wir dieses Musterpolizeigesetz in Ruhe abwarten. Es gibt überhaupt keine Bestrebungen in meinem Haus, Teile eines solchen Musterpolizeigesetzes jetzt beschleunigt umzusetzen, zumal es noch gar nicht vorliegt. Wir haben die Rechtsgrundlagen, aufgrund derer Gesetze gemacht werden, und es gilt immer das Spannungsverhältnis, das ich Ihnen nannte: dass Freiheit Sicherheit braucht, aber Sicherheit ohne Freiheit wertlos ist. In diesem Spannungsverhältnis werden wir Gesetze machen, aber wir führen jetzt bitte nicht zur Unzeit Diskussionen über etwas, das es noch gar nicht gibt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Anfrage. - Herr Abg. Striegel, Sie haben die Möglichkeit, Ihre Frage zu stellen.

Sehr geehrter Herr Minister, ich bin froh, auch von Ihnen zu hören, und hatte es auch nicht anders erwartet, dass es diese Pläne nicht gibt; denn ich denke, wir sind uns in der Koalition einig darüber, dass wir so etwas - schon gar nicht unbesehen - nicht übernehmen würden.

Aber ich würde gern von Ihnen noch eines wissen: Wir haben miteinander verabredet, dass wir das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz, SOG, wie es in Sachsen-Anhalt heißt, zu einem modernen Gefahrenabwehrgesetz weiterentwickeln

wollen, weil wir eine Evaluation vereinbart haben. Meine Frage an Sie lautet: Wie ist der Stand der Evaluation mit Blick auf das bisherige SOG, und wie ist der weitere Zeitplan?

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Striegel, wir haben uns das strategisch für das Jahr 2019 vorgenommen und haben in den Haushalt dafür 100 000 € eingestellt. Es ist in der Kabinettsbefassung; denn wenn wir es evaluieren, wollen wir auch die entsprechende Qualität einkaufen. Wenn der Haushalt so durchgeht - Sie haben als Haushaltsgesetzgeber natürlich die Nachkorrekturmöglichkeit -, dann würden wir das gern 2019 gemeinsam so machen. Dann können wir uns Ende 2019/Anfang 2020 über Dinge unterhalten, die wichtig sind. Das tun wir mit Augenmaß und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Mittel auf der Grundlage unserer Verfassung und des Föderalismus, liebe Frau Quade. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Minister. Es gibt keine weiteren Anfragen.

Dann darf ich mich setzen?

Ganz bestimmt.

Merci.

Wir treten nunmehr in die Debatte der Fraktionen mit einer Redezeit von drei Minuten ein. Der erste Debattenredner wird der Abg. Herr Erben von der SPD-Fraktion sein. Bitte, Herr Erben.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Quade, nichts von dem, was Sie hier aufgeschrieben haben und befürchten, ist in Sachsen-Anhalt geplant. Ihr Antrag ist völlig unnötig und wird deswegen auch am Ende von den Koalitionsfraktionen abgelehnt werden.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Sie werden mir vermutlich anschließend vorwerfen, hier schulmeisterlich über Ihre Punkte hinweggehen zu wollen. Aber neun Punkte in drei

Minuten - das wird eher schwierig. Deshalb will ich mich auf einige wenige beschränken.

Erstens. Es ist in Sachsen-Anhalt nicht, aber auch überhaupt nicht geplant, eine SOG-Änderung vorzunehmen, in der - ich zitiere - „polizeiliche Befugnisse […] unbegrenzt“ ausgedehnt würden, wodurch der Maßstab der Garantie und Wahrung der Grundrechte verletzt würde. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen.

Im Übrigen ist ein Musterpolizeigesetz keine neue Erfindung des Jahres 2018. Es gibt in Deutschland ein Musterpolizeigesetz, das stammt aus dem Jahr 1977. Es ist zugegebenermaßen etwas alt und zugegebenermaßen haben sich in den Jahren dazwischen die Vorschriften deutlich auseinanderentwickelt.

Und wie kommen Sie darauf, dass ein Gesetzentwurf in Bayern Maßstab für ein Musterpolizeigesetz für Deutschland sein könnte? Die Innenministerkonferenz entscheidet einstimmig. Es ist überhaupt nicht vorstellbar, dass sich ein Musterpolizeigesetz, das die einstimmige Zustimmung aller Bundesländer findet, am Maßstab des jüngst beschlossenen und höchst umstrittenen Polizeiaufgabengesetzes in Bayern messen könnte.

Sie nennen dann das Thema Sprengmittel. Auch dazu empfehle ich einen Blick in unser Gesetz und in die Gesetzeshistorie. § 58 Abs. 3 - seit 1991 unverändert - enthält genau diese Sprengmittel. An dieser Stelle haben Sie recht. Sie müssen nicht befürchten, dass sie in das Gesetz aufgenommen werden, sie sind darin nämlich seit 1991 enthalten.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte etwas zu dem Maßstab beispielsweise bei der Organisation und der Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern sagen. Wir haben jüngst gezeigt, welchen Maßstab wir beim Datenschutz anwenden, wenn es um Kooperation geht. Da geht es nämlich um das gemeinsame TKÜZentrum der Bundesländer, an dem auch drei Bundesländer beteiligt sind, in denen DIE LINKE in der Landesregierung sitzt. Ich glaube, man kann das an dieser Stelle sehr deutlich unterstreichen.

Ich möchte noch etwas zu den IMK-Beschlüssen sagen. Es gibt übrigens IMK-Beschlüsse, die veröffentlicht werden; nicht alle sind nicht öffentlich. Aber es muss in diesem Bereich Beschlüsse geben, die Sie nicht auf den öffentlichen Markt tragen können. Ich glaube, dazu muss man nicht viele Worte machen. Im Ergebnis - -

Herr Abg. Erben, Ihre Redezeit ist bereits überschritten.

Darf ich noch einen Satz sagen?

Einen Satz dürfen Sie noch sagen.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Im Ergebnis: Nichts von dem, was Sie hier fordern, hat eine realistische Grundlage. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Erben. Ich sehe keine Anfragen. - Wir kommen zum nächsten Debattenredner. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Lehmann. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kollegen! Als Einstieg für Frau Quade: Die Nachrichtendienste, die Sie vorhin erwähnt haben, beschlagnahmen nichts, sie beobachten und liefern Daten. Die Nachrichtendienste, von denen Sie reden, sind wahrscheinlich die von Herrn Mielke aus finstersten DDR-Zeiten. - Das nur als kurzen Exkurs.

(Beifall bei der AfD)

Bei diesem Thema muss ich an den bewaffneten Frieden von Wilhelm Busch denken. Ich gebe dem Herrn Innenminister recht: Sie schüren Ängste.

Die Bayern haben ein Polizeigesetz zur Stärkung der Polizei auf den Weg gebracht. Die AfD ist eigentlich immer für einen starken Rechtsstaat unter Wahrung der Bürgerrechte eingetreten und tritt auch weiterhin dafür ein.

Als Exkurs: Im Gegensatz zur bundesweit einheitlichen Strafprozessordnung, die das Verfahren nach einer begangenen Straftat beschreibt und definiert, reden wir hier von einem Polizeigesetz oder Polizeiaufgabengesetz in Sachsen-Anhalt, dem SOG. Dieses Gesetz hat Präventivcharakter. Das heißt, es schafft Handlungsräume, bevor eine schlimme Sache, eine schlimme Tat passiert ist; es soll diese verhindern und abwehren. Wir haben 16 Länder und 16 Polizeigesetze, eine sogenannte Splitterwirtschaft aus der Sicht der Polizei - in der Praxis eigentlich ein reparaturbedürftiger Witz.

Ich nenne ein Beispiel: Wenn ich als Adressat, als Störer, als Straftäter, der etwas plant, im Harz agiere und etwas in Nordhausen mache, ich bringe dort die Polizei auf Trab, dann handelt Thüringen nach seinem Polizeigesetz. Dann fahre ich

10 km weiter, beschäftige in Goslar die Niedersachsen mit ihrem eigenen Polizeigesetz. Dann begebe ich mich auf die B 6n und fahre nach Wernigerode, dann hat Sachsen-Anhalt nach dem eigenen SOG zu tun. Angesichts dessen kann man durchaus über eine Anpassung, eine Harmonisierung im Sinne der Polizei diskutieren, damit sie in solchen Drei-Länder-Ecken handlungsfähig ist.

Zu dem Sachverhalt konkrete Gefahr oder drohende Gefahr und die abstrakten Gefahren, die sich noch dazwischen positionieren, kann ich nur sagen: Eine Gefahr soll abgewehrt werden, und zwar effektiv abgewehrt werden. Dann mache ich das vergleichbar mit einem Faustschlag. Liebe Frau Quade, wann wehren Sie oder jeder andere einen Faustschlag ab? - Wenn die Faust einen Zentimeter vor Ihrem Gesicht und kurz vor dem Einschlagen ist? Oder wenn Sie das Ausholen des Gegners schon erkennen? Wann wehrt man effektiv einen Faustschlag ab? Wann ist eine konkrete oder eine drohende Gefahr da? Denken Sie einfach einmal darüber nach. Ich habe versucht, es bildhaft darzustellen.